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ESO ES 8.0 – Geschwindigkeitsmessung – Aufbau nach Bedienungsanleitung notwendig

Falsche Messanlage: Fahrverbot aufgehoben

Als ein Autofahrer auf der Autobahn die vorgeschriebene Geschwindigkeitsbegrenzung missachtete, wurde er zu einer Geldbuße von 80 Euro und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt. Sein Anwalt legte Rechtsbeschwerde ein und argumentierte, dass das verwendete Messgerät nicht korrekt eingesetzt wurde. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragte, das Urteil aufzuheben und zur erneuten Verhandlung zurückzuverweisen. Das Gericht stimmte dem Antrag zu und hob das Fahrverbot auf.

Direkt zum Urteil: Az.: OLG 22 Ss 809/20 (B) springen.

Die Einseitensensor-Messanlage ES 8.0, die für die Geschwindigkeitsmessung eingesetzt wurde, ist ein standardisiertes Messverfahren. In der Regel ist das Gericht nur dann verpflichtet, das Messergebnis zu überprüfen, wenn konkrete Anhaltspunkte für Messfehler vorliegen. Solche Anhaltspunkte bestehen, wenn die Gebrauchsanweisung für das Messgerät nicht befolgt wurde und der Bedienungsfehler die Messung beeinflusst haben könnte.

In diesem Fall erfolgte die Geschwindigkeitsmessung ausschließlich von der linken Fahrbahnseite aus, obwohl die Gebrauchsanweisung der Herstellerin vorschreibt, dass die für das Frontfoto der jeweiligen Fahrtrichtung vorgesehene Fotoeinrichtung sich in Fahrtrichtung gesehen rechts der Fahrbahn befinden muss. Darüber hinaus war auf dem Messfoto ein weiteres Fahrzeug abgebildet, was die Messung beeinflusst haben könnte. Aus diesen Gründen muss das Gericht eine Überprüfung des Messergebnisses mit sachverständiger Hilfe im zweiten Rechtsgang nachholen.

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Das vorliegende Urteil

OLG Dresden – Az.: OLG 22 Ss 809/20 (B) – Beschluss vom 17.01.2022

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Döbeln vom 7. September 2020 mit den Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Döbeln zurückverwiesen.

Gründe

Das Amtsgericht hat mit Urteil vom 7. September 2020 den Betroffenen wegen fahrlässiger Nichtbeachtung einer durch Vorschriftszeichen angeordneten Geschwindigkeitsbegrenzung zu einer Geldbuße in Höhe von 80,00 Euro verurteilt sowie ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat gegen ihn verhängt. Nach den der Verurteilung zugrunde gelegten Feststellungen erfolgte am 28. November 2019 auf der Bundesautobahn A 4 an einer Stelle, an der die Geschwindigkeit auf 60 km/h beschränkt war, eine nach Abzug einer 3 km/h betragenden Messtoleranz auf 89 km/h lautende Geschwindigkeitsmessung mit einem Messgerät des Typs “ES 8.0”.

Gegen das Urteil hat der Verteidiger des Betroffenen in dessen Namen form- und fristgerecht Rechtsbeschwerde eingelegt und diese – ebenfalls form- und fristgerecht – mit der Verletzung formellen und materiellen Rechts begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat beantragt, das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthaft und auch im Übrigen zulässig. In der Sache hat sie zumindest mit der (Verfahrens-)Rüge einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG) – vorläufigen – Erfolg.

Zwar handelt es sich bei Geschwindigkeitsmessungen mit der hier verwendeten Einseitensensor-Messanlage ES 8.0 der Herstellerin eso GmbH um ein standardisiertes Messverfahren (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 09. September 2019 – 2 Ss (OWi) 233/19, Rdnr. 8 ff., juris), so dass geringere Anforderungen an die Beweisführung (und die Urteilsfeststellungen) zu stellen sind (vgl. BGHSt 39, 291; 43, 277). Insoweit ist das Tatgericht nur dann gehalten, das Messergebnis – in der Regel unter Hinzuziehung eines technischen Sachverständigen – zu überprüfen und sich von der Zuverlässigkeit der Messung zu überzeugen, wenn konkrete Anhaltspunkte für Messfehler gegeben sind (vgl. BGHSt 39, 291, 301; 43, 277, 283 f.). Solches ist freilich der Fall, wenn die Gebrauchsanweisung für das Messgerät nicht eingehalten wurde und der Bedienungsfehler die Messung beeinflusst haben könnte (vgl. etwa OLG Düsseldorf, Beschluss vom 12. Oktober 2011 – IV-4 RBs 170/11, Rdnr. 10; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18. August 2017 – 2 Rb 8 Ss 479/17, Rdnr. 19, jeweils zitiert nach juris). Über die dahingehende – konkrete – Behauptung des Betroffenen, die mit einer Bezeichnung des in Betracht kommenden Beweismittels verbunden gewesen ist, hat sich vorliegend das Amtsgericht nicht hinweg setzen dürfen.

Ausweislich des Messprotokolls und der Messfotografien, auf die in den Urteilsgründen abstellt wird, erfolgte die Geschwindigkeitsmessung nebst Bilderfassung mit der Einseitensensor-Messanlage ES 8.0 ausschließlich von der linken Fahrbahnseite aus. Demgegenüber schreibt die Gebrauchsanweisung der Herstellerin, aus der auch das Amtsgericht zitiert, vor, dass die für das Frontfoto der jeweiligen Fahrtrichtung vorgesehene Fotoeinrichtung sich in Fahrtrichtung gesehen rechts der Fahrbahn befinden muss. Die vom Amtsgericht angenommene Einschränkung, diese räumliche Anordnung der Fotoeinrichtung sei nur für den Fall der gleichzeitigen Überwachung beider Fahrtrichtungen vorgeschrieben, findet in der Gebrauchsanleitung – nach objektiven Maßstäben – keine Stütze.

Des Weiteren ist den Urteilsgründen zu entnehmen, dass auf dem Messfoto neben dem vom Betroffenen geführten PKW ein weiteres Kraftfahrzeug abgebildet ist; deswegen könnte der von ihm aufgezeigte Bedienungsfehler die Messung beeinflusst haben. Insoweit unterscheidet sich die vorliegende Messsituation von derjenigen, die dem Urteil des Amtsgerichts Eilenburg vom 03. Dezember 2020 – 8 OWi 956 Js 49571/19 (zitiert nach juris) zugrunde gelegen hat. Dort war bei einer Messung mit der Einseitensensor-Messanlage ES 8.0, die unter einem ähnlich gelagertem Verstoß gegen die Gebrauchsanweisung der Herstellerin durchgeführt worden war, nur ein einzelnes Fahrzeug im Messfoto sichtbar gewesen. Ausdrücklich an diesen Umstand, der eine Beeinflussung der Messung durch ein anderes Fahrzeug ausschloss, hatten die – vom Amtsgericht Eilenburg für überzeugend erachtete – fachliche Stellungnahme der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt und gutachterliehen Ausführungen eines im dortigen Verfahren beauftragten Sachverständigen angeknüpft, wonach aus messtechnischer Sicht trotz der Abweichung von Gebrauchsanweisung keine Bedenken gegen die Verwertbarkeit des Messergebnisses bestünden.

Aus den genannten Gründen wird vorliegend das Amtsgericht eine Überprüfung des Messergebnisses mit sachverständiger Hilfe im zweiten Rechtsgang nachzuholen haben.

 

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

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