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Ersatzführerscheinausstellung – Verweigerung bei Entzug der Fahrerlaubnis

Das Verwaltungsgericht Gießen hat den Antrag des Klägers auf Ausstellung eines Ersatzführerscheins abgelehnt, da die Verzichtserklärung vom 16. Oktober 2013 wirksam und bindend ist und keine Anhaltspunkte für eine Geschäftsunfähigkeit des Klägers zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung vorliegen. Zudem hat das Gericht Zweifel an der Glaubhaftigkeit des Verlustes des alten Führerscheins geäußert.

→ Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 6 K 237/19.GI

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Die Fahrerlaubnis des Klägers wurde durch seine wirksame Verzichtserklärung vom 16.10.2013 erloschen.
  • Die Verzichtserklärung ist rechtsbeständig, da keine Geschäftsunfähigkeit zum damaligen Zeitpunkt nachgewiesen wurde.
  • Die vorgelegten ärztlichen Atteste sind nicht ausreichend, um eine dauerhafte Geschäftsunfähigkeit zu belegen.
  • Das Asperger-Syndrom des Klägers beeinträchtigt nicht zwangsläufig seine Geschäftsfähigkeit.
  • Eine Neuerteilung der Fahrerlaubnis ist aufgrund des erfolgten Verzichts ausgeschlossen.
  • Die Ausstellung eines Ersatzführerscheins wurde zu Recht verweigert.
  • Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
  • Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Entzug der Fahrerlaubnis: Wann gibt’s einen Ersatzführerschein?

Die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Ersatzführerschein ausgestellt werden kann, ist ein komplexes Thema, das häufig für Verwirrung sorgt. Grundsätzlich gilt, dass eine Fahrerlaubnis nur dann entzogen werden kann, wenn bestimmte gesetzliche Gründe wie etwa Alkoholmissbrauch, psychische Erkrankungen oder vorsätzliches Fehlverhalten im Straßenverkehr vorliegen. Wurde die Fahrerlaubnis entzogen, erlischt sie und kann nicht einfach durch die Ausstellung eines Ersatzführerscheins ersetzt werden.

In der Praxis ergeben sich jedoch immer wieder Grenzfälle, in denen die rechtliche Situation nicht eindeutig ist. So kann etwa der Verlust des Führerscheindokuments zu Unsicherheiten führen. Auch psychische Erkrankungen können die Geschäftsfähigkeit und damit die Wirksamkeit von Verzichtserklärungen in Frage stellen.

Diese Thematik soll im Folgenden anhand eines konkreten Gerichtsurteils näher beleuchtet werden. Das Urteil gibt Aufschluss darüber, unter welchen Voraussetzungen die Ausstellung eines Ersatzführerscheins nach Entzug der Fahrerlaubnis möglich ist.

Der Fall vor dem Verwaltungsgericht Gießen im Detail

Verzicht auf Fahrerlaubnis und die Frage nach der Geschäftsfähigkeit

Der hier vorliegende Fall befasst sich mit einem Kläger, der die Ausstellung eines Ersatzführerscheins verlangt und hilfsweise die Feststellung, dass er eine Fahrerlaubnis besitzt. Der Kläger hat eine lange Vorgeschichte mit der Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten, geprägt von aggressivem Verhalten und psychischen Problemen. Im Jahr 2013 hatte der Kläger in mehreren Schreiben erklärt, auf seine Fahrerlaubnis verzichten zu wollen und diese auch durch eine formelle Erklärung gegenüber der zuständigen Behörde abgegeben.

Der Kläger leidet am Asperger-Syndrom und einer schizotypen Störung. Im Jahr 2016 stellte die Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten mit einem bestandskräftigen Bescheid fest, dass der Kläger keine Fahrerlaubnis mehr besitzt, da er am 16. Oktober 2013 wirksam auf seine Fahrerlaubnis verzichtet hatte.

Im Jahr 2018 beantragte der Kläger erneut die Ausstellung eines Ersatzführerscheins und trug vor, dass er zum Zeitpunkt der Abgabe der Verzichtserklärungen aufgrund seiner psychischen Erkrankung nicht geschäftsfähig gewesen sei. Die Fahrerlaubnisbehörde lehnte den Antrag jedoch ab. Dagegen erhob der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Gießen.

Gericht zweifelt die Geschäftsunfähigkeit des Klägers an

Das Verwaltungsgericht Gießen hat den Bescheid vom 13. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2019 aufgehoben, da die Fahrerlaubnisbehörde die Entscheidungen fälschlicherweise in die Form eines Verwaltungsaktes gekleidet hat. Im Übrigen wies das Gericht die Klage jedoch ab.

Zwar diagnostizierte der vom Gericht bestellte Sachverständige bei dem Kläger eine Hebephrene Schizophrenie und stellte fest, dass aufgrund seiner psychischen Erkrankung erhebliche Beeinträchtigungen der freien Willensbildung vorliegen würden. Das Gericht folgte dieser Einschätzung jedoch nicht, da sie nicht mit den zahlreichen anderen vorliegenden Gutachten und ärztlichen Attesten in Einklang zu bringen ist.

Verzichtserklärung des Klägers ist wirksam und bindend

Nach Auffassung des Gerichts ist die Verzichtserklärung des Klägers vom 16. Oktober 2013 wirksam und bindend. Die Fahrerlaubnisbehörde des Lahn-Dill-Kreises war zum Zeitpunkt des Zugangs der Verzichtserklärung die örtlich zuständige Behörde. Es liegt auch kein wirksamer Widerruf der Verzichtserklärung vor.

Zudem ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass sich der Kläger im Zeitpunkt der Abgabe der Verzichtserklärung in einem Zustand der Geschäftsunfähigkeit oder einer vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit befand. Zwar belegen zahlreiche ärztliche Unterlagen, dass der Kläger aufgrund seiner Erkrankung stellenweise nicht in der Lage sei, seinen Willen frei zu bilden. Dies gelte insbesondere, wenn er sich unmittelbar mit Militärangehörigen oder der Polizei konfrontiert sieht. Bei Abgabe der Verzichtserklärung hatte der Kläger jedoch keinen persönlichen Kontakt zu Polizei- oder Justizbeamten, sodass keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass er in einer Situation war, die ihm eine freie Willensbildung nicht ermöglicht haben sollte.

Verlust des Führerscheindokuments ist nicht glaubhaft

Das Gericht bezweifelt auch, dass der Kläger seinen (alten) Führerschein nicht mehr besitzt. Der Kläger hatte im Verfahren widersprüchliche Angaben zum Verbleib seines Führerscheins gemacht. Unter anderem gab er an, den Führerschein verbrannt zu haben, während er zu einem späteren Zeitpunkt angab, noch im Besitz des Führerscheindokuments zu sein.

Selbst wenn man unterstellen würde, dass die Verzichtserklärungen des Klägers aufgrund seiner Erkrankung unwirksam wären, hätte er keinen Anspruch auf Ausstellung eines Ersatzführerscheins, da die Fahrerlaubnisbehörde verpflichtet wäre, ihm die Fahrerlaubnis aufgrund der nunmehr diagnostizierten und unbehandelten Erkrankung zu entziehen.

Aufgrund der wirksamen Verzichtserklärungen und der nicht nachgewiesenen Geschäftsunfähigkeit hat der Kläger keinen Anspruch auf die Ausstellung eines Ersatzführerscheins.

✔ FAQ zum Thema: Ersatzführerschein nach Fahrerlaubnisverzicht


Welche rechtlichen Folgen hat ein Verzicht auf die Fahrerlaubnis?

Ein Verzicht auf die Fahrerlaubnis führt dazu, dass die Fahrerlaubnis komplett erlischt. Um die Fahrerlaubnis nach einem Verzicht wiederzuerlangen, muss ein Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis bei der zuständigen Behörde gestellt werden.

Dieser Antrag kann frühestens 6 Monate vor Ablauf einer möglichen Sperrfrist eingereicht werden. Dem Antrag sind diverse Unterlagen wie ein aktueller Sehtest, ein biometrisches Passfoto und ein Personalausweis oder Reisepass beizufügen. Gegebenenfalls kann die Behörde auch eine ärztliche Untersuchung oder eine erneute Fahrerlaubnisprüfung anordnen, wenn Zweifel an der Fahreignung bestehen.

Die Sperrfrist, während der keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf, beginnt bei einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis erst mit der Neuerteilung oder, wenn keine Neuerteilung erfolgt, fünf Jahre nach dem Tag des freiwilligen Verzichts. Diese sogenannte Anlaufhemmung bedeutet, dass eine Eintragung über den Verzicht nach 15 Jahren nicht mehr verwertet werden kann. Der Betroffene muss dann beispielsweise keine MPU mehr durchführen lassen, um seine Fahrerlaubnis zurückzuerhalten.

Ein Verzicht auf die Fahrerlaubnis ist also eine weitreichende Entscheidung, die nicht ohne Weiteres rückgängig gemacht werden kann. Es bedarf eines Antrags auf Neuerteilung und gegebenenfalls der Erfüllung weiterer Auflagen, um die Fahrerlaubnis wiederzuerlangen. Zudem gilt eine mehrjährige Sperrfrist.


Kann eine einmal abgegebene Verzichtserklärung widerrufen werden?

Ein Verzicht auf die Fahrerlaubnis kann nicht einfach widerrufen werden. Nach einem Verzicht ist man nicht mehr im Besitz einer Fahrerlaubnis und darf kein Kraftfahrzeug mehr führen.

Um die Fahrerlaubnis nach einem Verzicht wiederzuerlangen, muss ein Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis bei der zuständigen Behörde gestellt werden. Dieser Antrag kann frühestens 6 Monate vor Ablauf einer möglichen Sperrfrist eingereicht werden.

Dem Antrag sind diverse Unterlagen wie ein aktueller Sehtest, ein biometrisches Passfoto und ein Personalausweis oder Reisepass beizufügen. Gegebenenfalls kann die Behörde auch eine ärztliche Untersuchung oder eine erneute Fahrerlaubnisprüfung anordnen, wenn Zweifel an der Fahreignung bestehen.

Die Sperrfrist, während der keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf, beginnt bei einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis erst mit der Neuerteilung oder, wenn keine Neuerteilung erfolgt, fünf Jahre nach dem Tag des freiwilligen Verzichts. Diese sogenannte Anlaufhemmung bedeutet, dass eine Eintragung über den Verzicht nach 15 Jahren nicht mehr verwertet werden kann.

Ein Verzicht auf die Fahrerlaubnis ist also eine weitreichende Entscheidung, die reiflich überlegt sein will. Denn sie lässt sich nicht ohne Weiteres rückgängig machen. Es bedarf eines Antrags auf Neuerteilung und gegebenenfalls der Erfüllung weiterer Auflagen, um die Fahrerlaubnis wiederzuerlangen. Zudem gilt eine mehrjährige Sperrfrist.


Was passiert, wenn der Führerschein verloren gegangen ist oder als verloren gemeldet wurde?

Wenn der Führerschein verloren gegangen ist oder als verloren gemeldet wurde, muss schnellstmöglich ein Ersatzführerschein bei der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde des Hauptwohnsitzes beantragt werden. Andernfalls begeht man eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Verwarnungsgeld von 10 Euro geahndet wird.

Für die Beantragung eines Ersatzführerscheins werden folgende Unterlagen benötigt:

  • Gültiger Personalausweis oder Reisepass
  • Aktuelles biometrisches Lichtbild
  • Bei Diebstahl: Polizeiliche Diebstahlsanzeige
  • Ggf. eine eidesstattliche Versicherung über den Verlust des Führerscheins

Die Fahrerlaubnisbehörde stellt dann zunächst einen vorläufigen Führerschein aus, der so lange gültig ist, bis der endgültige Ersatzführerschein eingetroffen ist. Die Gebühr für den Ersatzführerschein beträgt ca. 35 Euro. Gegen einen Gebührenzuschlag ist auch eine Eilausstellung möglich, da es ansonsten bis zu 6 Wochen dauern kann.

Wird der verloren geglaubte Führerschein nach Ausstellung des Ersatzführerscheins wiedergefunden, muss der alte Führerschein bei der Führerscheinstelle abgegeben werden. Der Ersatzführerschein dokumentiert den gleichen Umfang der Fahrerlaubnis wie der verlorene Führerschein.


Unter welchen Umständen kann eine Behörde die Ausstellung eines Ersatzführerscheins verweigern?

Die Behörde kann die Ausstellung eines Ersatzführerscheins verweigern, wenn der Antragsteller nicht mehr im Besitz einer gültigen Fahrerlaubnis ist. Dies ist insbesondere der Fall, wenn zuvor ein Verzicht auf die Fahrerlaubnis erklärt wurde oder diese entzogen wurde.

Bei einem Verzicht auf die Fahrerlaubnis erlischt diese vollständig. Der Betroffene darf dann kein Kraftfahrzeug mehr führen. Um nach einem Verzicht wieder eine Fahrerlaubnis zu erlangen, muss ein Antrag auf Neuerteilung bei der zuständigen Behörde gestellt werden. Dieser Antrag kann frühestens 6 Monate vor Ablauf einer möglichen Sperrfrist eingereicht werden.

Auch bei einem behördlichen Entzug der Fahrerlaubnis, z.B. aufgrund von Verkehrsverstößen oder Zweifeln an der Fahreignung, erlischt die Fahrerlaubnis. Auch hier muss für eine Wiedererteilung ein Antrag auf Neuerteilung gestellt werden, wobei die Behörde weitere Auflagen wie eine MPU anordnen kann.

Solange keine neue Fahrerlaubnis erteilt wurde, besteht kein Anspruch auf einen Ersatzführerschein. Die Behörde wird die Ausstellung verweigern, da der Antragsteller zu diesem Zeitpunkt nicht mehr Inhaber einer gültigen Fahrerlaubnis ist.

Weitere mögliche Gründe für eine Verweigerung des Ersatzführerscheins können sein:

  • Zweifel an der Fahreignung, z.B. aus gesundheitlichen Gründen
  • Ein bestehendes Fahrverbot
  • Fehlende Unterlagen wie Karteikartenabschrift oder eidesstattliche Versicherung über den Verlust

In diesen Fällen wird die Behörde die Ausstellung des Ersatzführerscheins so lange verweigern, bis die Voraussetzungen erfüllt bzw. Zweifel ausgeräumt sind. Insbesondere nach einem Verzicht oder Entzug muss aber in jedem Fall zuerst ein Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis gestellt und diese erteilt werden, bevor überhaupt ein Anspruch auf einen Ersatzführerschein besteht.



§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV): Im vorliegenden Fall ist die Fahrerlaubnis-Verordnung zentral, da sie die Regelungen zur Erteilung, Entziehung und zum Verzicht auf die Fahrerlaubnis umfasst. Hier geht es speziell um die Bestimmungen, unter welchen Umständen eine Fahrerlaubnis entzogen oder auf sie verzichtet werden kann und welche formalen Anforderungen dafür erfüllt sein müssen.
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) – §§ 104 ff. Geschäftsfähigkeit: Die Geschäftsfähigkeit des Klägers ist ein Schlüsselthema, da behauptet wird, dass seine Verzichtserklärung auf die Fahrerlaubnis aufgrund von Geschäftsunfähigkeit unwirksam sein könnte. Die §§ 104 ff. des BGB definieren, wann eine Person als geschäftsfähig gilt und welche Auswirkungen eine Geschäftsunfähigkeit auf Rechtsgeschäfte hat.
  • Straßenverkehrsgesetz (StVG) – § 3 Entziehung der Fahrerlaubnis: Dieser Paragraph ist relevant, da er die Voraussetzungen regelt, unter denen die Fahrerlaubnis entzogen werden kann. Es ist wichtig zu klären, ob die Fahrerlaubnis aufgrund von Verhalten oder aufgrund von psychischen Erkrankungen entzogen wurde.
  • PsychKG (Psychisch-Kranken-Gesetze der Länder): Da psychische Erkrankungen und deren Einfluss auf die Geschäftsfähigkeit und Fahrtauglichkeit eine Rolle spielen, könnten die landesspezifischen PsychKG relevant sein, insbesondere im Hinblick auf Unterbringungsmaßnahmen oder zwangsweise Behandlungen, wie sie im Fall des Klägers in einer psychiatrischen Klinik erfolgten.
  • EU-Führerscheinrichtlinie (2006/126/EG): Diese Richtlinie ist wichtig, da sie die Anerkennung und den Umgang mit Führerscheinen innerhalb der EU regelt, was besonders bei grenzüberschreitenden Sachverhalten (wie dem Vorfall des Klägers in Österreich) relevant sein kann.
  • Strafprozessordnung (StPO) – Gutachten im Strafverfahren: Da in dem Fall psychiatrische Gutachten eine Rolle spielen, die im Rahmen strafrechtlicher Verfahren angefertigt wurden, ist die Strafprozessordnung relevant, insbesondere die Regelungen zur Beauftragung und Bewertung solcher Gutachten.


➜ Das vorliegende Urteil vom Verwaltungsgericht Gießen

VG Gießen – Az.: 6 K 237/19.GI – Urteil vom 24.11.2023

Der Bescheid vom 13. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2019 wird aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger begehrt insbesondere die Ausstellung eines Ersatzführerscheins und hilfsweise die Feststellung, dass er eine Fahrerlaubnis innehat.

Der Kläger ist am XX.XX.1978 in Gießen mit dem Namen E. geboren. Er unterzog sich im Jahr 2013 einer Geschlechtsumwandlungsoperation und änderte seinen Vornamen zu T. Nunmehr führt der Kläger seit dem XX.XX.2019 wieder seinen ursprünglichen Vornamen sowie sein ursprüngliches Geschlecht.

Dem Kläger wurde am 23. Februar 1994 eine Fahrerlaubnis der Klasse 1b erteilt, die am 22. Februar 1996 um die Klassen 1a und 3 erweitert wurde.

Der Kläger wurde ab dem Jahr 2002 wegen aggressiven Verhaltens gegenüber Polizeibeamten und Militärangehörigen der Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten auffällig. Bedenken an seiner Fahrtauglichkeit konnten aufgrund einer ärztlichen Bescheinigung zunächst ausgeräumt werden. In der Folgezeit kam es zu weiteren auffälligen Verhaltensweisen des Klägers, so warf er etwa im Jahr 2003 mehrfach aus seinem Fahrzeug heraus sowohl leere als auch gefüllte Glasflaschen in Richtung von Militärfahrzeugen und -angehörigen.

Am 4. September 2005 fuhr der Kläger in Österreich ein Kraftfahrzeug in dem Bereich eines dort stattfindenden Radrennens. Er gefährdete Radfahrer, Zuschauer und Polizisten. Nachdem er gegen die Polizisten massiv Widerstand geleistet hatte, wurde er in die psychiatrische Klinik W. verbracht. Diese äußerte in ihrem Abschlussbericht vom 12. September 2005 den Verdacht auf eine hebephrene Schizophrenie bei dem Kläger (vgl. S. 5 Gutachten vom 22. März 2007). Daraufhin ordnete der Beklagte die Einholung eines fachpsychiatrischen Gutachtens an (Bl. 1 ff. der Behördenakte des Beklagten – BA -). Im Rahmen des Strafverfahrens (Staatsanwaltschaft – StA – Gießen 404 Js 28907/05) wurde am 22. März 2007 durch die Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie I. ein Gutachten über den Kläger erstellt (vgl. StA Gießen 401 Js 13791/10). Dieses kommt zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger eine schizotype Persönlichkeitsstörung vorliege. Eine hebephrene Schizophrenie wurde explizit ausgeschlossen (S. 47 des Gutachtens vom 22. März 2007). Auch die damalige Therapeutin des Klägers, Frau Dr. J. ging von einer schizotypen Störung und nicht von einer Hebephrenie aus, weil der Kläger in der Lage sei zu reflektieren, zu planen und auch Ziele zu verfolgen (vgl. Gutachten vom 22. März 2007 und Bescheinigung von Frau Dr. J. vom 11. Oktober 2007, Bl. 16 BA).

Im November 2007 wandte sich der Kläger an die Fahrerlaubnisbehörde, um seinen Führerschein umschreiben zu lassen auf das Geschlecht weiblich (Bl. 21 BA).

Der Kläger richtete ab dem Jahr 2007 mehrere Schreiben unter anderem an Gerichte, Polizeistationen und Behörden, in denen er diese etwa als „NEOFASCHISTISCHE UND KRIEGSVERBRECHERISCHE HOLOCAUST-KZ’s“ und als „Kinderdurchbockbande“ bezeichnete (Bl. 10 ff., 25, 31 f., 42, 49 f., 136 ff., 144 ff. BA).

Zum 1. Januar 2008 verzog der Kläger aus dem Zuständigkeitsbereich des Beklagten in den Vogelsbergkreis.

Im Mai 2008 ging bei dem Beklagten ein Schreiben des Klägers ein, in dem dieser mitteilte, dass er künftig freiwillig auf sämtliche Fahrerlaubnisse verzichten wolle. Weiterhin gab er an, dass eine Zusendung des Führerscheins nicht mehr möglich sei, da dieser sowieso schon lange nicht mehr vorhanden sei (Bl. 32 BA).

Zum 1. Januar 2009 wurde der Kläger von Amts wegen abgemeldet und gab in der Folgezeit an, keinen festen Wohnsitz zu haben.

Im Rahmen des bereits genannten Strafverfahrens (StA Gießen 404 Js 28907/05) wurde am 18. März 2009 ein weiteres Gutachten über den Kläger erstellt durch die Ärztin für Psychiatrie K. (vgl. StA Gießen 401 Js 13791/10 sowie Bl. 82 – 129 BA). Dieses Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger eine schizotype Störung oder ein Asperger Syndrom in Betracht käme.

Der damalige Anwalt des Klägers teilte am 24. November 2009 im Rahmen des Strafverfahrens (StA Gießen 404 Js 28907/05) – unzutreffend – mit, dass der Kläger mittlerweile freiwillig auf seine Fahrerlaubnis verzichtet und den Führerschein bei der Fahrerlaubnisbehörde Gießen zurückgegeben habe (Bl. 73 BA).

Im Februar 2010 reichte der Kläger eine Petition beim Hessischen Landtag ein und führte in seinem Schreiben unter anderem aus, er habe Psychiatrie-Fachbücher durchgelesen und Schizophrenie vorgetäuscht. Damit habe er mehrfach Attestierung von Schuld- und Verhandlungsunfähigkeit erreichen können (Bl. 60 StA Gießen 401 Js 13761/10).

Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Alsfeld vom 6. April 2010 wurde gegen den Kläger wegen versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr im Zustand verminderter Schuldfähigkeit eine Geldstrafe verhängt (Bl. 62 f. BA), weil der Kläger aus einem von ihm gefahrenen Fahrzeug im Jahr 2006 eine Glasflasche und einen Stein auf ein jeweils hinter ihm fahrendes Militärfahrzeug geworfen hat.

Mit Schreiben einer damals beauftragten Anwältin beantragte der Kläger am 6. August 2013 bei dem Beklagten die Ausstellung eines Ersatzführerscheins (Bl. 155 BA). Der ausgestellte Führerschein sei dem Kläger abhandengekommen.

Mit Schreiben des Klägers, dem Lahn-Dill-Kreis am 30. September 2013 zugegangen, teilte der Kläger mit, dass er anstelle des Antrags einer Neuausstellung eines Führerscheins lieber auf seine Fahrerlaubnis verzichten wolle. Grund für diese Entscheidung sei, dass er sich aller Voraussicht nach „Verfolgungsjagden mit den Bullen“ liefern würde und dabei das Auto als Waffe einsetzen würde „um die Bullen zu überfahren“. Es sei zwar im Rahmen einer vorgesehenen Berufsausbildung unabdingbar zu fahren, jedoch verzichte er lieber auf das Fahren und somit auch auf eine Berufsausbildung als wegen des Tatbestandes „(Versuchte) Tötung von Bullen“ in Haft zu sitzen (Bl. 172 BA.).

Auf dieses Schreiben teilte der Lahn-Dill-Kreis der damaligen Rechtsanwältin des Klägers mit, dass eine Bearbeitung des freiwilligen Verzichts erst erfolgen könne, sobald der Kläger im Lahn-Dill-Kreis gemeldet sei. Sofern dem Schreiben des Klägers zu entnehmen sei, dass sein Führerschein abhandengekommen sei, bedürfe es zudem neben der Verzichtserklärung auch einer kostenpflichtigen Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung des Klägers über den Verlust des Führerscheins. Die Fahrerlaubnisbehörde des Lahn-Dill-Kreises legte dem Schreiben eine Verzichtserklärung bei.

Mit unterzeichneter Erklärung vom 16. Oktober 2013, dem Lahn-Dill-Kreis am 21. Oktober 2013 zugegangen, erklärte der Kläger den Verzicht auf die Fahrerlaubnis aller ihm erteilter Klassen. Der Kläger teilte darin mit, dass er seinen Führerschein bereits vor vielen Jahren vernichtet habe, er aber mangels finanzieller Mittel nicht in der Lage sei, über den Verlust eine eidesstattliche Versicherung abzugeben. Seine Führerscheinakte solle unwiderruflich gelöscht werden, da dadurch das Führen von Kraftfahrzeugen wegen dem damit verbundenen Einsatz als Waffe zur Tötung von „Bullen“ für ihn nicht mehr in Frage komme. Durch den Verzicht werde auch dem dringenden Wunsch von Angehörigen wieder Kraftfahrzeuge zu führen, definitiv widersprochen (Bl. 175 BA).

Der Kläger meldete sich rückwirkend zum 1. September 2013 mit seiner Wohnung im Zuständigkeitsbereich des Lahn-Dill-Kreises an.

Am 28. Februar 2014 teilte die damalige Bevollmächtigte des Klägers dem Beklagten mit, dass der Kläger doch nicht auf seine Fahrerlaubnis verzichten, sondern lediglich einen neuen Führerschein mit dem neuen Namen beantragen wolle.

Am 29. April 2014 verurteilte das Amtsgericht Wetzlar den Kläger wegen mehrfacher Beleidigung, die er am 8. Juli 2013 und am 16. Oktober 2013 gegenüber Polizei- und Justizbeamten tätigte. Das Urteil ist seit dem 3. April 2017 rechtskräftig (Bl. 155 ff. StA Limburg 3 Js 14919/13).

Mit Schreiben vom 28. Juli 2014 kündigte der Kläger gegenüber dem Beklagten an, seinen Wohnsitz wieder im Zuständigkeitsbereich des Beklagten zu nehmen und bat um Rückholung seiner Führerscheinakte. Er teilte mit, dass ein zur Führerscheinakte gehörender Führerschein leider abhandengekommen sei (Bl. 186 BA).

Mit Schreiben vom 21. Februar 2015 an den Lahn-Dill-Kreis, zugegangen am 24. Februar 2015, teilte der Kläger mit, dass er zu seinem eigenen Schutze, sowie dem Schutze unbeteiligter anderer Autofahrer den endgültigen Entzug der Fahrerlaubnis erbete (Bl. 195 BA). Eine weitere Bitte hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis teilte der Kläger dem Lahn-Dill-Kreis mit dem am 16. März 2015 zugegangenen Schreiben mit (Bl. 207 BA).

Auf Wunsch der Mutter des Klägers fand am 16. März 2015 ein Besprechungstermin bei dem Lahn-Dill-Kreis statt. Laut Vermerk vom 18. März 2015 kamen alle Anwesenden des Gesprächs überein, dass die Verzichtserklärung in der Fahrerlaubnisakte wirksam sei. Auf Nachfrage zum Verbleib des Führerscheins bekundeten die Mutter des Klägers (derzeit seine Betreuerin) und der Kläger, dass das Dokument bereits seit circa zehn Jahren unauffindbar sei (Bl. 210 f. BA).

Am 18. März 2015 wurde der Kläger nach unbekannt abgemeldet.

Mit Schreiben vom 2. April 2015, dem Lahn-Dill-Kreis am 7. April 2015 zugegangen, äußerte der Kläger u. a., dass er sich aus persönlichen Gründen dafür entschieden habe, dass das Führen von Fahrzeugen nicht das Richtige für ihn sei. Zudem bekundete er, dass er seinen Führerschein bereits im Jahr 2005 verbrannt habe (Bl. 218 f. BA).

Mit Schreiben vom 23. Juni 2015, am 25. Juni 2015 bei dem Beklagten eingegangen, beantragte der Kläger die Ausstellung eines neuen Führerscheins. Er sehe seine Fahrerlaubnis als weiterhin gültig an, weil der Lahn-Dill-Kreis die Entgegennahme einer eidesstattlichen Versicherung zum Verlust seines Führerscheins aufgrund Zweifeln an seiner Geschäftsfähigkeit verweigert habe (Bl. 231 BA).

Am 23. Juli 2015, dem Beklagten am 29. Juli 2015 zugegangen, beantragte der Kläger die Neuerteilung der Fahrerlaubnis der Klassen BE, C1E, L, AM. Bei dem Kästchen „Neuerteilung nach Entzug“, strich er das Wort „Entzug“ durch und ersetzte es mit „Verzicht“ (Bl. 237 BA).

Mit ärztlichem Attest von der Praxis L. vom 15. September 2015 wurde bei dem Kläger ein hochfunktionaler Autismus diagnostiziert. Er erscheine jedoch geschäftsfähig (Bl. 63 AG Gießen, 237 XVII 674/16 P). Dieses Attest wurde in einem früheren Betreuungsverfahren durch die dortige Bevollmächtigte des Klägers vorgelegt. Im Rahmen dieses Verfahrens teilte der Kläger mit nicht datiertem Schreiben Ende 2015 oder Anfang 2016 mit, dass er seine Wohnung in U. verlassen habe und sich nicht mehr im Zuständigkeitsbereich des Betreuungsgerichts Wetzlar aufhalte, sondern nunmehr über die Anschrift seiner Eltern erreichbar sei (Bl. 79 AG Gießen, 237 XVII 674/16 P). Weiterhin legte der Kläger ein fachärztliches Attest der M. vom 28. April 2016 vor. Hiernach liege bei dem Kläger ein Asperger Syndrom vor. Es sei keine krankhafte Störung der Geistestätigkeit infolge einer psychischen Erkrankung feststellbar. Ein Ausschluss oder eine Beeinträchtigung der freien Willensbildung liege nicht vor (Bl. 94 AG Gießen, 237 XVII 674/16 P).

Mit Bescheid vom 23. November 2016 lehnte der Beklagte den Antrag des Klägers auf Feststellung, dass der Kläger eine Fahrerlaubnis besitzt und auf Ausstellung eines Ersatzführerscheins ab (Bl. 319 ff. BA). Dies begründete der Beklagte damit, dass der Kläger am 16. Oktober 2013 wirksam auf seine Fahrerlaubnis verzichtet habe. Den hiergegen eingelegten Widerspruch nahm der Kläger am 9. März 2017 zurück (Bl. 338 BA).

Mit Erklärung vom 15. März 2017 nahm der Kläger seinen Antrag vom 29. Juli 2015 auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis zurück. Hierzu sprach er auch bei dem Beklagten vor und gab an, dass er keine Fahrerlaubnis benötige, weil er nunmehr im betreuten Wohnen leben würde. Er werde im Mai 2019 erneut vorsprechen, weil dann Auszüge aus der Akte verjährt seien (Bl. 341 BA).

Mit am 7. Juni 2017 eingegangenem Schreiben beantragte der Kläger erneut die Ausstellung eines Ersatzführerscheins bei dem Beklagten. Er trug vor, dass er im Zeitraum zwischen 2002 und 2014 an schweren Psychosen mit verzerrter Realitätswahrnehmung gelitten habe und in diesem Zeitraum keine Geschäftsfähigkeit bestanden habe, sodass die von ihm abgegebenen Verzichtserklärungen unwirksam seien und er über eine Fahrerlaubnis verfüge (Bl. 351 BA). Der Kläger trug weiter mit Schreiben vom 17. Juni 2017 vor, dass in dem Zeitraum von etwa 2001/2002 bis 2015 eine hebephrene Schizophrenie bestanden habe. Bei der Diagnose schizotype Persönlichkeitsstörung einschließlich Geschlechtsidentitätsstörung handele es sich um eine Fehldiagnose. Am 24. Juli 2017 nahm der Kläger den Antrag auf Ausstellung eines Ersatzführerscheins wieder zurück (Bl. 359 BA).

Mit Schreiben vom 9. Juli 2018 forderte der hiesige Klägerbevollmächtigte den Beklagten erneut auf, dem Kläger einen Ersatzführerschein auszustellen und reichte eine am 25. Mai 2018 von dem Facharzt für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychoanalyse Herrn Dr. N. ausgestellte fachärztliche Bescheinigung ein (Bl. 375 ff. BA). Diese bescheinigte dem Kläger für den Zeitpunkt der Abgabe der Verzichtserklärung im Jahr 2013 Geschäftsunfähigkeit und beruht auf mit dem Kläger erfolgten Explorationsgespräche am 3. und 17. Mai 2018. Der Kläger leide an einer schweren, nicht näher zu bezeichnenden psychiatrischen Erkrankung. Der Kläger gerate durch seine psychiatrische Grunderkrankung und zusätzliche neurotische bzw. persönlichkeitsbedingte Konflikte zeitweise in so emotionale Ausnahmesituationen, dass eine sonst vorhandene Geschäftsfähigkeit nicht mehr gegeben sei. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit habe sich der Kläger im Jahr 2013, als er seinen Führerschein aus „Wut“ abgegeben habe, in einem solchen Zustand befunden.

Der Bevollmächtigte des Klägers meint, dass der Kläger den Verzicht vom 16. Oktober 2013 jedenfalls durch Schreiben seiner damaligen Bevollmächtigten vom 28. Februar 2014 wirksam widerrufen habe. Weiterhin sei der Kläger aber nicht geschäftsfähig gewesen.

Die Eltern des Klägers bestätigten mit Schreiben vom 17. August 2018, dass der Kläger sich regelmäßig mehrere Tage pro Woche an ihrer Wohnanschrift im Zuständigkeitsbereich des Beklagten aufhalte und diese Adresse seinen Lebensmittelpunkt darstelle. Dort sei auch der Hauptstandort seiner Fahrzeuge, welche auch an dieser Adresse versichert seien (Bl. 390 BA).

Der Beklagte erachtete die fachärztliche Bescheinigung von Herrn Dr. N. bezüglich der Geschäftsunfähigkeit für den Zeitpunkt der Abgabe der Verzichtserklärungen im Jahre 2013 für nicht ausreichend. Er bemängelte, dass die Bescheinigung keinen gutachterlichen Charakter aufweise und diese lediglich eine mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bestandene Geschäftsunfähigkeit attestierte. Der Beklagte schlug daraufhin vor, die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis zu beantragen und sich in diesem Verfahren einer medizinisch-psychologischen Begutachtung zum Nachweis der Fahrtauglichkeit zu unterziehen. Dies lehnte der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 25. September 2018 jedoch ab. Stattdessen beantragte er die Feststellung der damaligen Geschäftsunfähigkeit sowie die Ausstellung eines Ersatzführerscheins für den Kläger.

Mit hier streitgegenständlichem Bescheid vom 13. November 2018, zugestellt am 15. November 2018, lehnte die Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten die Anträge auf Feststellung der Geschäftsunfähigkeit des Klägers zum Zeitpunkt der Abgabe der Verzichtserklärung für die Fahrerlaubnis am 21. Oktober 2013 und auf Ausstellung eines Ersatzführerscheins ab und setzte Kosten in Höhe von 115,10 Euro fest. Sie sei der Überzeugung, dass trotz der Vorgeschichte eine Geschäftsunfähigkeit des Klägers nicht zu erkennen sei und eine solche auch nicht durch die ihr vorgelegten Schriftstücke belegt werden könne. Die Tatsache, dass der Kläger in mehreren Schreiben den Willen bekundete hatte, auf die Fahrerlaubnis zu verzichten bzw. sich die Fahrerlaubnis entziehen lassen zu wollen, mache deutliche, dass er sich der Folgen seiner Entscheidung bewusst war. Ein etwaiger der Verzichtserklärung vorausgegangener Streit mit der Mutter des Klägers sei, wenn überhaupt, einmalige Konstellation. Es sei äußerst unwahrscheinlich, dass allen Willensbekundungen eine Situation vorausgegangen ist, die dem Kläger ein rationales Denken verwehrt hätten.

Dagegen legt der Bevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 20. November 2018 am 22. November 2018 Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 2019, zugestellt am 16. Januar 2019, wurde der Widerspruch zurückgewiesen (Ziffer 1). Die Kosten für den Widerspruchsbescheid wurden auf insgesamt 115,10 Euro festgesetzt (Ziffer 3).

Am 21. Januar 2019 stellte der Kläger einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten für die beabsichtigte Klage auf Ausstellung eines Ersatzführerscheins und zur Aufhebung des Bescheides vom 13. November 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2019. Mit Beschluss vom 15. Februar 2019 lehnte das Verwaltungsgericht Gießen den Antrag ab. Auf die Beschwerde des Klägers hin änderte der Hessische Verwaltungsgerichtshof diesen Beschluss mit Beschluss vom 24. Juli 2019 – dem Kläger am 5. August 2019 zugestellt – ab. Dem Kläger wurde für den ersten Rechtszug des von ihm beabsichtigten Klageverfahrens Prozesskostenhilfe bewilligt und der Bevollmächtigte beigeordnet. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens gab der Kläger ergänzend an, dass im Zeitraum 2010 bis 2013 immer wieder Polizeibeamte seine Eltern aufgesucht und nach ihm gefragt hätten. Er habe massive Panik vor der Polizei gehabt. In diesem Zeitraum habe er bei Sicht von Polizeiautos, auch aus einer Entfernung von mehreren hundert Metern, sowie auch nur beim Hören des Wortes Polizei mit starkem Herzrasen reagiert und nur noch rot und schwarz gesehen.

Am 19. August 2019 hat der Kläger Klage erhoben und im Hinblick auf die Klagefrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, da der Kläger aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage gewesen sei, fristgemäß Klage zu erheben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, bei Abgabe der Verzichtserklärung am 16. Oktober 2013 sowie bei allen weiteren als Verzichtserklärung in Betracht kommenden Äußerungen des Klägers sei dieser nicht geschäftsfähig gewesen, da er an einer psychiatrischen Grunderkrankung leide und dadurch in eine erhebliche emotionale Ausnahmesituation gekommen sei. Zudem sei die Verzichtserklärung im Oktober 2013 auch bei der unzuständigen Behörde eingegangen, da der Kläger nicht im Lahn-Dill-Kreis wohnhaft gewesen sei, sondern in O. Ferner habe die damalige Rechtsvertreterin des Klägers die Verzichtserklärung mit Erklärung vom 28. Februar 2014 widerrufen.

Im Rahmen eines Strafverfahrens gab der Kläger am 22. August 2019 an, dass er Motorrad, Auto und LKW fahren würde so lange, wie er wolle. Fahrzeuge zu fahren sei lebenswichtig und die einzige Möglichkeit etwa zu Ärzten und Einkaufsmärkten zu gelangen (Bl. 98 f. StA 805 Js 38007/18). Im Rahmen des Strafverfahrens erstellte der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. P. am 5. November 2019 ein psychiatrisches Gutachten über den Kläger und kam zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger ein atypischer Autismus (Asperger-Syndrom) und eine schizotype Störung vorliege und schloss das Vorliegen einer Psychose aus dem Formenkreis der Schizophrenien – etwa in Form einer Hebephrenie – aus (Gerichtsakte Band 2 am Ende, unblattiert).

Der Kläger gab bei Beantragung der Einrichtung einer Betreuung mit Schriftsatz vom 1. April 2020 gegenüber dem Amtsgericht Gießen an, dass er an Autismus und einer schizotypen Persönlichkeitsstörung leide. Aufgrund seines Erkrankungsbildes bestehe keineswegs uneingeschränkte Geschäftsfähigkeit. Je nach Stimmungslage sei diese aufgehoben (Bl. 1 Amtsgerichts Gießen – AG Gießen -, 237 XVII 386/20 P). Dort legte er auch einen Abschlussbericht der M. vom 17. April 2018 vor, der bei dem Kläger den Verdacht auf eine Schizophrenie paranoide Form feststellte (Bl. 5 ff. AG Gießen 237 XVII 386/20 P). Zudem legte er Berichte von Dr. Q. vom 6. Dezember 2017 und vom 24. Januar 2018 vor, die den Verdacht auf eine paranoide Schizophrenie sowie von den Differentialdiagnosen wahnhafte Störung und Persönlichkeitsstörung ausgehen (Bl. 8 ff. AG Gießen 237 XVII 386/20 P). Gegenüber Herrn Dr. Q. äußerte der Kläger unter anderem, dass er den abgegebenen Verzicht auf seine Fahrerlaubnis gerne rückgängig machen wolle. Weiterhin legte er eine fachärztliche Bescheinigung vom 19. April 2020 von dem Arzt R. vor, nach der bei dem Kläger eine psychiatrische Grunderkrankung und Persönlichkeitsstörung vorliege und er in Ausnahmesituationen zeitweilig nicht mehr geschäftsfähig sei (Bl. 28 AG Gießen 237 XVII 386/20 P). Im Rahmen des Betreuungsverfahrens erstellte Herr Dr. P. erneut ein Gutachten über den Kläger, mit Datum vom 4. Januar 2021 (Bl. 665 ff. GA). Auch im Hinblick auf die neu hinzu gekommenen Informationen aus den Betreuungsverfahrensakten sowie einer erneuten ambulanten Untersuchung und Exploration diagnostizierte Herr Dr. P. einen atypischen Autismus in Komorbidität mit einer schizotypen Störung. Der Verdacht auf das Vorliegen einer artefiziellen Störung habe sich weiter erhärtet. Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger sein Verhalten bewusstseinsnahe motiviert und provokativ einsetze mit dem Ziel einer Art „Narrenfreiheit“, um keine sozialen oder gar rechtlichen Konsequenzen seines Handelns befürchten zu müssen.

Am 15. August 2022 bescheinigte die Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S., dass bei dem Kläger eine Dysthymia und eine Impulskontrollstörung vorliege. Er sei affektiv schnell innerlich und äußerlich aufgeregt und angespannt bis leicht erregbar. In Konfliktsituationen mit seinen Eltern und insbesondere mit der Polizei gerate er in emotionale Ausnahmesituationen. Im Affekt unterliege er nicht mehr seiner freien Willensbildung. Frau Dr. S. kenne den Kläger seit März 2012 aus ihrer nervenärztlichen Praxis. Der Kläger habe 2013 im Affekt seinen Führerschein freiwillig zurückgegeben und wolle dies gerne rückgängig machen (Bl. 519 GA).

Der Kläger legte ein weiteres Attest von Herrn R. vom 17. August 2022 vor, welches davon ausgeht, dass der Kläger dauerhaft in Spannungssituationen geschäftsunfähig sei. Er gerate in solchen Situationen in emotionale Ausnahmezustände und sage Dinge, die nicht seinem freien Willen entsprechen (Bl. 398 GA).

Der Kläger wandte sich per E-Mail im Herbst 2022 an den Beklagten und teilte diesem mit, dass er regelmäßig Kraftfahrzeuge führe und kündigte notwendige Fahrten an. Er sei im Besitz einer Fahrerlaubnis und seine Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen bedürfe keinerlei Diskussionen (Bl. 425 ff. GA). Mit E-Mail vom 18. November 2022 sandte der Kläger die Kopie seines Führerscheindokuments an den Beklagten und teilte mit, dass er zum Führen von Kraftfahrzeugen derzeit dieses Führerscheindokument benutze (Bl. 453 ff. GA).

Im Rahmen des hiesigen Klageverfahrens trägt der Kläger weiter vor, dass er sein bisheriges Führerscheindokument nicht mehr besitze. Er legte eine eidesstattliche Versicherung seiner Betreuerin vom 10. November 2023 vor (Bl. 739 GA). Hiernach habe diese mitbekommen, wie ihr Sohn (der Kläger) sein Führerscheindokument in den Ofen geworfen und verbrannt habe. Dies sei ihrer Erinnerung nach am Ostermontag 2008 gewesen.

Der Kläger hat ursprünglich beantragt, den Ausgangsbescheid vom 13. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 11. Januar 2019 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger einen Führerschein für Kraftfahrzeuge der Klassen A2, B, BE und CE mit Kennziffer 79 auszustellen, dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Mit Schriftsatz vom 10. November 2023 sowie in der mündlichen Verhandlung am 24. November 2023 erweiterte der Kläger seine Klage um Hilfsanträge und beantragt nunmehr,

den Ausgangsbescheid vom 13. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 11. Januar 2019 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger einen Führerschein für Kraftfahrzeuge der Klassen A2, B, BE und CE mit Kennziffer 79 auszustellen,

hilfsweise, den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger einen Führerschein für Kraftfahrzeuge der Klassen A2, B, BE und CE mit Kennziffer 79 auszustellen, äußerst hilfsweise, festzustellen, dass der Kläger Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen 3 und 1a ist, dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist der Beklagte im Wesentlichen auf seine Begründungen aus den Entscheidungen im Verwaltungsverfahren. Er geht – auch nach Vorlage des vom Gericht eingeholten Gutachtens vom 31. März 2023 – von einer Geschäftsfähigkeit des Klägers zum Zeitpunkt der Abgabe seiner Verzichtserklärungen aus. Der Beklagte gibt weiterhin an, dass der Kläger über einen Führerschein verfügen dürfte.

Mit Beschluss vom 6. April 2022 hat die Kammer den Rechtsstreit der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Das Gericht hat über die behauptete Geschäftsunfähigkeit des Klägers zu den Zeitpunkten etwaiger Verzichtserklärungen am 30. September 2013, 16. Oktober 2013, 21. Februar 2015, 16. März 2015, 2. April 2015, 29. Juli 2015 und 15. März 2017 durch Einholung eines Sachverständigengutachtens Beweis erhoben (Beschluss vom 10. Dezember 2020 und Ergänzungsbeschluss vom 26. August 2022). Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Sachverständigengutachten von Herrn Dr. H. vom 31. März 2023 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die Gerichtsakte (4 Bände) des vorliegenden Verfahrens, die Behördenakte des Beklagten (1 Leitz-Ordner) sowie die weiteren beigezogenen Akten (Kopien der Akten AG Gießen 237 XVII 386/20 P, Stand: 9. Juni 2020; AG Gießen 237 XVII 674/16 P, Stand: 9. Juni 2020; 2 Bände StA Gießen 401 Js 13791/10, Stand: 26. Juni 2020; AG Gießen 234 XVII 930/17 P, Stand: 7. Juli 2020; AG Gießen 233 XVII 455/18 P, Stand: 7. Juli 2020; StA Gießen 805 Js 38007/18, Stand: 5. November 2020; 2 Bände StA Limburg 2 Js 55592/13, Stand: 3. Dezember 2020; 2 Bände StA Limburg 3 Js 14919/13, Stand: 10. Januar 2023), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe

Die Klage hat nur teilweise – nämlich soweit der Kläger die Aufhebung des Bescheides vom 13. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2019 begehrt – Erfolg.

Der Hauptantrag des Klägers, den Bescheid vom 13. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2019 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger einen Führerschein für Kraftfahrzeuge der Klassen A2, B, BE und CE mit Kennziffer 79 auszustellen, ist nur teilweise zulässig und begründet.

Hinsichtlich der Ausstellung eines Ersatzführerscheins ist die hier erhobene Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 Fall 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO – nicht die statthafte Klageart, weil es sich bei der von dem Beklagten begehrten Maßnahme mangels eigenständigen Regelungscharakters um keinen Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz – VwVfG – handelt. Bei der Ausstellung eines Ersatzführerscheins wird regelmäßig nur der Bestand einer vorhandenen Fahrerlaubnis amtlich bestätigt. Weder wird durch die Aushändigung eines Ersatzführerscheins eine bestehende Fahrerlaubnis neu erteilt, noch wird bei falschen Eintragungen die Fahrerlaubnis in dem fehlerhaften Umfang erteilt (Hahn/Kalus, in: Münchener Kommentar zum StVR, 1. Auflage 2016, § 25 Rn. 27; vgl. auch: VG Bremen, Beschluss vom 15. Februar 2023, Az. 5 V 1488/22, BeckRS 2023, 3832, Rn. 21).

Statthaft ist demgegenüber die ebenfalls von dem Kläger mit seinem Hauptantrag erhobene Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Fall 1 VwGO) gegen den Bescheid vom 13. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2019. Zwar handelt es sich auch bei der Ablehnung der Ausstellung eines Ersatzführerscheins nach den soeben dargestellten Erwägungen mangels Regelungswirkung nicht um einen Verwaltungsakt. Auch bei der Ablehnung hinsichtlich der von dem Kläger beantragten Feststellung seiner Geschäftsunfähigkeit handelt es sich mangels Regelungswirkung nicht um einen Verwaltungsakt, weil die Geschäftsunfähigkeit des Klägers zu einem bestimmten Zeitpunkt kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten ist. Indes hat der Beklagte beide Entscheidungen in die Gestalt eines Verwaltungsaktes gekleidet und es handelt sich bei den ablehnenden Entscheidungen jedenfalls um sogenannte Schein-Verwaltungsakte. Der Beklagte hat den Eindruck hervorgerufen, dass es sich um der Bestandskraft zugängliche Feststellungen handelt. Es handelt sich aufgrund des von der Behörde gesetzten Rechtsscheins um (aufhebbare) Verwaltungsakte im Sinne von § 42 Abs. 1 Fall 1 VwGO (vgl. U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Auflage 2023, § 35, Rn. 16 m. w. N.). Hinzu kommen die Kostenfestsetzungsentscheidungen für den Bescheid vom 13. November 2018 und den Widerspruchsbescheid vom 11. Januar 2019, bei denen es sich um Verwaltungsakte im Sinne von § 35 Satz 1 VwVfG handelt.

Die statthafte Anfechtungsklage ist auch nicht nach § 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO verfristet, weil dem Kläger nach § 60 VwGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist. Der Kläger hat am 21. Januar 2019 – und damit innerhalb der Klagefrist – einen isolierten Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt. Bei der Mittellosigkeit handelt es sich um einen Hinderungsgrund im Sinne von § 60 Abs. 1 VwGO. Nachdem dem Kläger mit Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Juli 2019 – dem Kläger zugestellt am 5. August 2019 – Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, hat er am 19. August 2019 – und damit innerhalb der Frist von § 60 Abs. 2 VwGO – Klage erhoben und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.

Soweit der Hauptantrag zulässig ist, ist er auch begründet. Der Bescheid vom 13. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2019 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Die Rechtswidrigkeit der beiden angefochtenen ablehnenden Entscheidungen hinsichtlich der beantragten Feststellung der Geschäftsunfähigkeit des Klägers zum Zeitpunkt der Abgabe der Verzichtserklärung für die Fahrerlaubnis am 21. Oktober 2013 und auf Ausstellung eines Ersatzführerscheins folgt bereits daraus, dass der Beklagte diese unzutreffend in die Form eines Verwaltungsaktes gekleidet hat (vgl. zu diesem Prüfungspunkt: U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 10. Auflage 2023, § 35, Rn. 16 m. w. N.). Sie sind aufzuheben, um den Anschein ihrer Bindungswirkung zu beseitigen. Wie bereits ausgeführt haben beide Entscheidungen des Beklagten keinen Regelungsgehalt.

Auch wenn man in den beiden Entscheidungen der Fahrerlaubnisbehörde indes feststellende Verwaltungsakte sehen würde, denen ein Regelungsgehalt zukäme, wären diese rechtswidrig und aufzuheben, weil für die Feststellungen keine Rechtsgrundlage besteht.

Aus der Aufhebung der Sachentscheidungen in dem streitgegenständlichen Bescheid folgt, dass auch die Kostenfestsetzungen im Rahmen des Bescheides vom 13. November 2018 und im Rahmen des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2019 jeweils rechtswidrig und aufzuheben sind. Die Kostenfestsetzung mit Bescheid vom 13. November 2018 ist auch nicht deshalb teilweise aufrechtzuerhalten, weil die damals geltende Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr in der Fassung vom 4. Januar 2018 bis 18. März 2019 – GebOSt – in Nr. 207 der Anlage zu § 1 GebOSt für Entscheidungen über die Ersatzausstellung eines Internationalen Führerscheins eine Gebühr in Höhe von 11,20 Euro bis 15,30 Euro vorsah. Bezüglich dieses Gebührenrahmens hat der Beklagte nämlich kein Ermessen ausgeübt, weil er seine Gebührenforderung auf einen anderen Gebührentatbestand (Nr. 399 der Anlage zu § 1 GebOSt) gestützt hat.

Der durch sachdienliche Klageänderung gestellte Hilfsantrag, den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger einen Führerschein für Kraftfahrzeuge der Klassen A2, B, BE und CE mit Kennziffer 79 auszustellen, ist zulässig, aber unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Ausstellung eines solchen (Ersatz-)Führerscheins, da er keine entsprechende Fahrerlaubnis besitzt (die Beweislast hierfür liegt zudem bei dem Kläger, vgl. Dronkovic, in: Buschbell/Höke, MAH Straßenverkehrsrecht, 5. Auflage 2020, § 3, Rn. 71).

§ 25 Abs. 4 Satz 1 Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV – bestimmt, dass sich ein Fahrerlaubnisinhaber ein Ersatzdokument ausstellen zu lassen hat, wenn sein Führerschein abhandengekommen oder vernichtet worden ist. Er hat darüber hinaus den Verlust unverzüglich anzuzeigen, sofern er nicht auf die Fahrerlaubnis verzichtet hat. Bei Vorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzungen (Innehaben einer Fahrerlaubnis sowie Abhandenkommen oder Vernichtung des alten Führerscheindokumentes) steht einem Fahrerlaubnisinhaber ein Anspruch auf Ausstellung eines Ersatzführerscheins zu (vgl. Hahn/Kalus, in: Münchener Kommentar zum StVR, 1. Auflage 2016, § 25 FeV, Rn. 24; OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 23. September 1998, Az. 7 B 12016/98, NZV 1999, 143).

Der Kläger besitzt keine Fahrerlaubnis, weil der Beklagte dies – auch für das Gericht – bindend mit Bescheid vom 23. November 2016 festgestellt hat und dem Kläger auch anschließend unstreitig keine neue Fahrerlaubnis erteilt wurde. Bei dem Bescheid vom 23. November 2016 handelt es sich um einen bestandskräftigen, feststellenden Verwaltungsakt, der für die Frage, ob der Kläger zu diesem Zeitpunkt eine Fahrerlaubnis besaß, Tatbestandswirkung entfaltet.

Ein bestandskräftiger Verwaltungsakt entfaltet eine objektive Tatbestandswirkung hinsichtlich seines – gegebenenfalls durch Auslegung zu ermittelnden – Regelungsgehaltes. Dies wirkt prinzipiell gegenüber jedermann und damit insbesondere auch gegenüber dem Gericht (vgl. Goldhammer, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: August 2022, § 43 VwVfG, Rn. 75 f.; Peuker, in: Knack/Henneke, Verwaltungsverfahrensgesetz Kommentar, 10. Auflage 2014, § 43, Rn. 23). Eine durch Verwaltungsakt getroffene Feststellung ist weiteren Entscheidungen zugrunde zu legen, ohne dass die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes noch zu prüfen wäre (vgl. Kyrill-Alexander Schwarz, in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Auflage 2021, § 43 VwVfG, Rn. 40).

Es handelt sich bei der Feststellung des Beklagten, dass der Kläger am 23. November 2016 keine Fahrerlaubnis besaß, weil er hierauf wirksam am 16. Oktober 2013 verzichtet hat, um einen feststellenden Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 Hessisches Verwaltungsverfahrensgesetz – HVwVfG -. Für einen feststellenden Verwaltungsakt ist kennzeichnend, dass er sich mit seinem verfügenden Teil darauf beschränkt, das Ergebnis eines behördlichen Subsumtionsvorgangs verbindlich festzuschreiben. Hierbei muss ein feststellender Verwaltungsakt alle Voraussetzungen von § 35 Satz 1 HVwVfG – insbesondere die Merkmale „Regelung“ und „Außenwirkung“ erfüllen. Ein Regelungscharakter kommt einer behördlichen Maßnahme immer dann zu, wenn sie nach ihrem Erklärungsgehalt darauf gerichtet ist, eine Rechtsfolge zu setzen. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn Rechte des Betroffenen begründet, geändert oder aufgehoben werden, sondern – gerade als Besonderheit des feststellenden Verwaltungsaktes – auch dann, wenn sie mit bindender Wirkung festgestellt oder verneint werden. Ist eine Erklärung der Verwaltung darauf gerichtet, im Verhältnis von Staat und Bürger bestehende Unsicherheiten zu beseitigen, indem sie eine abstrakte Regelung des Gesetzes verbindlich konkretisiert bzw. individualisiert, so trifft sie für den Einzelfall eine Regelung mit Außenwirkung im Sinne von § 35 Satz 1 HVwVfG (zu dem Ganzen: BVerwG, Urteil vom 5. November 2009, Az. 4 C 3/09, NVwZ 2010, 133, 134 m. w. N.).

Dies trifft vorliegend ersichtlich auf den Bescheid des Beklagten vom 23. November 2016 und die dortige Feststellung, dass der Kläger keine Fahrerlaubnis besitzt und wirksam auf seine Fahrerlaubnis verzichtet hat, zu. Bereits aus der gewählten Bescheidform mit einer vorangestellten Entscheidung, einer Begründung und einer Rechtsbehelfsbelehrung wird deutlich, dass der Beklagte eine bindende Feststellung treffen wollte. Bei der Frage, ob der Kläger im Besitz einer Fahrerlaubnis ist, handelt es sich auch um einen Subsumtionsvorgang, der eventuelle Unsicherheiten bezüglich der damals bereits behaupteten Unwirksamkeit der abgegebenen Verzichtserklärung des Klägers im Hinblick auf seine Fahrerlaubnis beseitigen sollte.

Dieser feststellende Verwaltungsakt des Beklagten vom 23. November 2016 ist auch nicht nichtig nach § 44 HVwVfG, weil kein Nichtigkeitsgrund vorliegt.

Unabhängig von dieser bestehenden Bindungswirkung des Bescheides vom 23. November 2016 ist der Verzicht des Klägers auf seine Fahrerlaubnis aber auch wirksam. Insbesondere durch die Erklärung vom 16. Oktober 2013, zugegangen beim Lahn-Dill-Kreis am 21. Oktober 2013, liegt entgegen der Ansicht des Klägers ein wirksamer Verzicht auf die Fahrerlaubnis im Sinne von § 20 Abs. 1 Satz 1 FeV vor.

Obwohl der Verzicht auf die Fahrerlaubnis gesetzlich nicht geregelt ist, ist er nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen möglich und wird etwa in § 2a Abs. 1 Satz 6 Straßenverkehrsgesetz – StVG – vorausgesetzt. Der Verzicht auf die Fahrerlaubnis ist gemäß § 3 Abs. 6 StVG dem Entzug der Fahrerlaubnis gleichgestellt. Der Verzicht führt unmittelbar zum Erlöschen der Fahrerlaubnis (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. November 2015, Az. 3 L 102/15, juris, Rn. 6; VG Gera, Beschluss vom 9. Januar 2019, Az. 3 E 2255/18, juris, Rn. 30; Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage 2019, § 2 StVG, Rn. 25). Voraussetzung einer wirksamen Verzichtserklärung ist deren Abgabe gegenüber der örtlich zuständigen Fahrerlaubnisbehörde (vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage 2019, § 2 StVG, Rn. 25). Die Verzichtserklärung ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung, die entsprechend § 130 Abs.  1 Satz  1 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB – zum Zeitpunkt ihres Zugangs bei der Behörde wirksam wird (vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Auflage 2019, § 2 StVG, Rn. 25). Besondere Formerfordernisse sind beim Verzicht auf die Fahrerlaubnis nicht zu beachten (OVG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20. November 2015, Az. 3 L 102/15, juris, Rn. 7). Der Verzicht muss zwar nicht ausdrücklich, aber eindeutig und unmissverständlich erklärt werden und darauf gerichtet sein, das Erlöschen der Fahrerlaubnis herbeizuführen (vgl. VG Gera, Beschluss vom 9. Januar 2019, Az. 3 E 2255/18, juris, Rn. 31). Diese Voraussetzungen erfüllt die Erklärung des Klägers vom 16. Oktober 2013.

Zunächst handelte es sich bei der Fahrerlaubnisbehörde des Lahn-Dill-Kreises um die damals örtlich zuständige Fahrerlaubnisbehörde (so auch im Rahmen des Prozesskostenhilfeverfahrens: Hess. VGH, Beschluss vom 24. Juli 2019, Az. 2 D 495/19). Nach § 73 Abs. 2 Satz 1 FeV ist die Behörde des Ortes, in dem der Betroffene seine Wohnung und bei mehreren Wohnungen seine Hauptwohnung (vgl. § 12 Abs. 2 des Melderechtsrahmengesetzes in der Fassung vom 4. April 2002 bis 31. Oktober 2015) hat, mangels eines solchen die Behörde des Aufenthaltsortes, örtlich zuständig. Der Kläger war zum Zeitpunkt des Zugangs der Verzichtserklärung am 21. Oktober 2013 nicht mehr in der O.-Straße in O., sondern im U.-Weg in U., einer Gemeinde im Lahn-Dill-Kreis, gemeldet. Ausweislich einer in der Behördenakte befindlichen Einzelauskunft vom 25. November 2013 (Bl. 176 BA) hat sich der Kläger nachträglich rückwirkend mit Wirkung zum 1. September 2013 nach U. umgemeldet und diese Wohnung als Hauptwohnung angegeben. Darüber hinaus hielt sich der Kläger jedenfalls zum entscheidenden Zeitpunkt auch ständig im Lahn-Dill-Kreis auf. Die Wohnung in U. bewohnte er bereits ab Dezember 2012 (vgl. Bl. 171 ff. StA Limburg 2 Js 55592/13; Bl. 62 und 78 StA Limburg 3 Js 14919/13).

Entgegen der Ansicht des Klägers liegt auch kein wirksamer Widerruf der einseitig empfangsbedürftigen Verzichtserklärung nach § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB vor. Danach wird eine Willenserklärung, die einem anderen gegenüber abzugeben ist, nicht wirksam, wenn dem anderen vor oder gleichzeitig mit dem Zugang ein Widerruf zugeht. Demnach ist der Verzicht vom Zeitpunkt seines Zugangs an unwiderruflich (vgl. auch: Ramsauer, in: Kopp/Ramsauer, Verwaltungsverfahrensgesetz Kommentar, 22. Auflage 2021, § 53 VwVfG Rn. 50). Wie bereits ausgeführt ist die Verzichtserklärung am 21. Oktober 2013 der örtlich zuständigen Fahrerlaubnisbehörde des Lahn-Dill-Kreis wirksam zugegangen und konnte nicht mehr mit Erklärung der ehemaligen Bevollmächtigten des Antragstellers vom 28. Februar 2014 gegenüber dem Beklagten widerrufen werden.

Schließlich ist die Verzichtserklärung des Klägers auch weder nach §§ 105 Abs. 1, 104 Nr. 2 BGB noch nach § 105 Abs. 2 BGB nichtig, weil das Gericht – auch nach der durchgeführten Beweisaufnahme – nicht davon überzeugt ist, dass sich der Kläger im Zeitpunkt der Abgabe seiner Verzichtserklärung vom 16. Oktober 2013 in einem Zustand der Geschäftsunfähigkeit im Sinne von § 104 Nr. 2 BGB oder der vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit (§ 105 Abs. 2 BGB) befand.

Nach § 105 Abs. 1 BGB ist die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen nichtig. Geschäftsunfähig ist nach § 104 Nr. 2 BGB derjenige, der sich in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist. Dabei ist neben den Fähigkeiten des Verstandes vor allem auch die Freiheit des Willensentschlusses von Bedeutung (BGH, Urteil vom 18. Mai 2001, Az. V ZR 126/00, BeckRS 2001, 5445). Ein Ausschluss der freien Willensbestimmung liegt vor, wenn jemand nicht imstande ist, seinen Willen frei und unbeeinflusst von der vorliegenden Geistesstörung zu bilden und nach den gewonnenen Erkenntnissen zu handeln. Abzustellen ist hierbei darauf, ob eine freie Entscheidung nach Abwägung des Für und Wider bei sachlicher Prüfung der in Betracht kommenden Gesichtspunkte möglich ist oder ob von einer freien Willensbildung nicht mehr gesprochen werden kann (Spickhoff, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2021, § 104 BGB, Rn. 47). Letzteres liegt vor, wenn die Erwägungen und Willensentschlüsse nicht mehr auf einer Würdigung der die Außenwelt prägenden Umstände und der Lebensverhältnisse beruhen, sondern vielmehr fremden Willenseinflüssen unterliegen oder krankhafte Vorstellungen und Gedanken oder unkontrollierte Triebe und Antriebskräfte den Willen übermäßig beherrschen, also wenn die betroffene Person nicht mehr in der Lage ist, ihre Entscheidungen nach den von ihr gewonnenen Einsichten zu treffen (BGH, Beschluss vom 14. März 2017, Az. VI ZR 225/16, juris, Rn. 13; BGH, Urteil vom 18. Mai 2001, Az. V ZR 126/00, BeckRS 2001, 5445). Dabei ist zu beachten, dass es nicht allein ausreicht, wenn der Wille von durchschnittlichen Präferenzen abweicht und daher von der Außenwelt als unvernünftig angesehen wird. Es kann im Ergebnis nicht darauf ankommen, ob die betroffene Person in der Lage ist, die Tragweite der Entscheidung zu erfassen (vgl. Claudia Beetz, in: Deinert/Welti/Luik/Brockmann, StichwortKommentar Behindertenrecht, 3. Auflage 2022, Geschäftsfähigkeit, Rn. 5). Die Geschäftsunfähigkeit nach § 104 Nr. 2 BGB ist kein medizinischer Befund, sondern eine Rechtsfolge deren Voraussetzungen das Gericht unter kritischer Würdigung des Sachverständigengutachtens festzustellen hat (BGH, Urteil vom 18. Mai 2001, Az. V ZR 126/00, BeckRS 2001, 5445). Das Gericht ist nicht davon überzeugt (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass sich der Kläger im Zeitpunkt der Abgabe der Verzichtserklärung vom 16. Oktober 2013 in einem solchen Zustand befand.

Zwar kommt das im vorliegenden Verfahren eingeholte Gutachten von Herrn Dr. H. vom 31. März 2023 zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger aufgrund seiner psychischen Erkrankung erhebliche Beeinträchtigungen der freien Willensbildung vorliegen würden und dieser Zustand seit dem Jahr 2013 im Wesentlichen unverändert bestehe (S. 26 des Gutachtens vom 31. März 2023). Diesem Ergebnis kann indes nicht gefolgt werden, weil es nicht mit den zahlreichen anderen dem Gericht vorliegenden Gutachten und ärztlichen Schreiben in Einklang zu bringen ist und diese Abweichung zu vorherigen Begutachtungen – die Herrn Dr. H. größtenteils auch vorlagen – nicht nachvollziehbar begründet ist.

Herr Dr. H. diagnostiziert bei dem Kläger eine hebephrene Schizophrenie. Eine solche diagnostizierte keiner der anderen behandelnden Ärzte und Therapeuten. Einzig die Klinik W. äußerte in ihrem Abschlussbericht vom 12. September 2005 den Verdacht auf eine hebephrene Schizophrenie bei dem Kläger. Zwar handelt es sich bei der hebephrenen Schizophrenie und der von den übrigen Gutachtern überwiegend festgestellten schizotypen (Persönlichkeits-)Störung um Differentialdiagnosen, sodass diese sich grundsätzlich nicht ausschließen. Indes schlossen mehrere Gutachten das Vorliegen einer hebephrenen Schizophrenie bei dem Kläger explizit und begründet aus. So schloss das Gutachten von Frau I. vom 22. März 2007 eine hebephrene Schizophrenie aus (S. 47 des Gutachtens vom 22. März 2007), weil bei dem Kläger der Beginn der Störung bereits in der Kindheit festzustellen sei und sein Denken nicht zerfahren sei. Ausweislich des Gutachtens ging auch die damalige Therapeutin des Klägers, Frau Dr. J. von einer schizotypen Störung und nicht von einer Hebephrenie aus (vgl. hierzu auch: Bl. 16 BA), weil der Kläger in der Lage sei zu reflektieren, zu planen und auch Ziele zu verfolgen. Hierbei ist hervorzuheben, dass das Gutachten vom 22. März 2007 auf insgesamt fünf Gesprächsterminen mit dem Kläger beruhte. Zudem behandelte Frau Dr. J. den Kläger jedenfalls länger als ein Jahr (Februar 2006 bis Oktober 2007). Das Gutachten von Herrn Dr. P. schloss ebenfalls eine hebephrene Schizophrenie aus und begründete dies damit, dass die Symptomatik des Asperger-Syndroms bereits im frühen Kindesalter zu beobachten sei – so auch bei dem Kläger – wohingegen die hebephrene Schizophrenie zumeist nicht vor dem Jugendalter einsetze (S. 49 des Gutachtens vom 5. November 2019). Insofern führte auch Herr Dr. H. in seinem Gutachten aus, dass die hebephrene Schizophrenie meist zwischen dem 15. und 25. Lebensjahr beginne (S. 21 des Gutachtens vom 31. März 2023), er lässt indes offen, wie sich die bereits früher berichteten Verhaltensmuster des Klägers dann erklären lassen. Es ist hervorzuheben, dass Herr Dr. P. – anders als Herr Dr. H. – die bereits vorliegenden Gutachten umfangreich ausgewertet und einbezogen hat. Weiterhin lagen alle aktenkundigen weiteren Gutachten und Arztberichte zeitlich näher an der hier gegenständlichen Verzichtserklärung als die Begutachtung durch Herrn Dr. H. Auch setzt sich Herr Dr. H. in seinem Gutachten nicht vertieft mit den Diagnosen bereits vorliegender Gutachten auseinander und gibt die Aktenbestandteile teilweise sogar unzutreffend wieder (so geht er davon aus, der Kläger habe mehrfache Überfälle auf Sparkassenfilialen begangen, S. 24 des Gutachtens vom 31. März 2023, obwohl die Ermittlungen gegen den Kläger wegen einer Bankraubserie am 16. August 2013 eingestellt wurden, Bl. 404 StA Limburg 2 Js 55592/13).

Darüber hinaus ist aber auch der Rückschluss von Herrn Dr. H. auf den Zustand des Klägers im Jahr 2013 nicht nachvollziehbar. Zwar wird im Rahmen des Gutachtens ausgeführt, dass der Zustand des Klägers über die Jahre unverändert geblieben sei und sich dies aus den vorliegenden Gutachten aus den Jahren 2007 und 2019 ergebe. Dies ist indes unzutreffend, weil dort gerade ein anderer Zustand dokumentiert und geschildert wurde als in dem Gutachten von Herrn Dr. H. So geht aus dem Gutachten des Herrn Dr. P. aus dem Jahr 2019 beispielsweise hervor, dass er bei dem Kläger allenfalls das Symptom verflachter oder inadäquater Affekte langanhaltend und wiederkehrend habe nachvollziehen können (S. 49 des Gutachtens vom 5. November 2019). Sofern Herr Dr. H. ausführt, der Kläger zeige ein bizarres Kommunikationsverhalten und habe den Bezug zu gesellschaftlichen Realitäten weitgehend verloren bzw. es entstünde der Eindruck der Kläger würde die gesellschaftlichen Regeln erst gar nicht verstehen (vgl. S. 24 des Gutachtens vom 31. März 2023; letzteres dürfte indes offensichtlich nicht der Fall sein, wenn man beachtet, wie der Kläger zielstrebig Regelungen zu umgehen sucht; beispielsweise durch seine zwischenzeitliche Wohnsitzlosigkeit), weichen diese Einschätzungen von denen des Herrn Dr. P. aus dem Jahr 2019 ab. Aus dessen Gutachten geht hervor, dass das Urteilsvermögen des Klägers abgesehen von seinen Ansichten hinsichtlich der Legitimation staatlicher Ordnungs- und Handlungsmacht insbesondere der Polizei nicht grundsätzlich beeinträchtigt sei. Zudem zeige sich das Denken des Klägers kohärent und stringent mit der Einschränkung, dass er zu einer weitschweifigen und detailorientierten Erzählweise neige (S. 25 des Gutachtens vom 5. November 2019). Es sei außerdem eine Vorliebe für Details, Regeln und Ordnung festzustellen (S. 43 des Gutachtens vom 5. November 2019). Zudem gelangt auch Frau I. in ihrem Gutachten zu der Einschätzung, das Denken des Klägers sei nicht zerfahren (S. 47 des Gutachtens vom 22. März 2007). Hieraus ergibt sich die Vermutung, dass sich der Zustand des Klägers im Laufe der Jahre intensivierte, sofern die Feststellungen von Herrn Dr. H. als zutreffend unterstellt werden würden. Es kann indes gerade nicht geschlussfolgert werden, dass der Zustand des Klägers, den Herr Dr. H. beschreibt, bereits zu dem Zeitpunkt der Abgabe der Verzichtserklärung in dieser Form vorlag. Dies wird zudem dadurch bestärkt, dass Herr Dr. H. äußert, der Kläger habe mittlerweile den „Rubikon“ zur Schizophrenie überschritten (S. 24 f. des Gutachtens vom 31. März 2023). Dies bedeutet jedoch im Umkehrschluss, dass der Kläger nicht unbedingt bereits vor zehn Jahren an einer Schizophrenie in dem Ausmaß und in der Intensität erkrankt war.

Weiterhin liegen zahlreiche ärztliche Unterlagen und Gutachten vor, die explizit davon ausgehen, dass das Erkrankungsbild des Klägers nicht dazu führe, dass ihm eine freie Willensbildung nicht möglich sei. Hier ist etwa das fachärztliches Attest der M. vom 28. April 2016 zu nennen. Hiernach liege ein Ausschluss oder eine Beeinträchtigung der freien Willensbildung nicht vor (Bl. 94 AG Gießen, 237 XVII 674/16 P). Zu diesem Ergebnis kommt auch Herr Dr. P. in seinem jüngsten Gutachten vom 4. Januar 2021 im Rahmen des Betreuungsverfahrens. Dieser kommt zu dem Ergebnis, dass „mitnichten von einer generellen Geschäftsunfähigkeit“ ausgegangen werden könne (S. 36 des Gutachtens vom 4. Januar 2021). Auch am 15. September 2015 wurde in einem ärztlichen Attest der Praxis L. mitgeteilt, dass der Kläger geschäftsfähig erscheine (Bl. 79 AG Gießen, 237 XVII 674/16 P). Weiterhin geht die Bescheinigung des Herrn Dr. N. (Bl. 375 ff. BA) ebenfalls davon aus, dass der Kläger grundsätzlich geschäftsfähig sei außer in emotionalen Ausnahmesituationen. Schließlich geht auch die den Kläger bereits seit etwa zehn Jahren behandelnde Fachärztin Frau Dr. S. in ihrer Bescheinigung vom 15. August 2022 davon aus, dass der Kläger lediglich im Affekt nicht mehr in der Lage sei, seinen Willen frei zu bilden (Bl. 519 GA).

Auch ist zu berücksichtigen, dass der Kläger seinen Erkrankungszustand in der Vergangenheit bereits bewusst auszunutzen versuchte, um ein ihm günstiges Ergebnis herbeizuführen, sodass nicht ausgeschlossen werden kann, dass er dies auch anlässlich der Begutachtung durch Herrn Dr. H. getan hat, um das ihm günstige Ergebnis des Nachweises seiner Geschäftsunfähigkeit zu erzielen. Auffällig ist insofern, dass ihm die vorliegenden Arztberichte zu einer Zeit, als er die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung ablehnte, attestierten, dass er nicht geschäftsunfähig sei, wohingegen Berichte aus der jüngeren Vergangenheit und insbesondere im Hinblick auf das hiesige Fahrerlaubnisverfahren das Gegenteil ausweisen. Bereits im Februar 2010 reichte der Kläger eine Petition beim Hessischen Landtag ein und führte in seinem Schreiben unter anderem aus, er habe Psychiatrie-Fachbücher durchgelesen und Schizophrenie vorgetäuscht. Damit habe er mehrfach Attestierung von Schuld- und Verhandlungsunfähigkeit erreichen können (Bl. 60 StA Gießen 401 Js 13761/10). Insofern beobachtete auch Herr Dr. P. in seinem Gutachten vom 4. Januar 2021, dass der Kläger in der Lage sei, sich in sozialen Interaktionen hinreichend situativ angemessen und kooperativ zu verhalten, soweit sein Verhalten aus seiner Sicht dem Erreichen von von ihm verfolgter Ziele diene (S. 28 des Gutachtens vom 4. Januar 2021). Es gebe Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger sein Verhalten bewusstseinsnahe motiviert und provokativ einsetze mit dem Ziel einer Art „Narrenfreiheit“, um keine sozialen oder gar rechtlichen Konsequenzen seines Handelns befürchten zu müssen (S. 22 f. des Gutachtens vom 4. Januar 2021). Bereits in seinem Gutachten vom 5. November 2019 wies Herr Dr. P. darauf hin, dass der Kläger es vermöge, krankhafte bzw. krankheitsbedingte Symptome manipulativ und bewusstseinsnahe zur Durchsetzung persönlicher Interessen einzusetzen (S. 74 f., 96 f. des Gutachtens vom 5. November 2019). Gegenüber Herrn Dr. Q. äußerte der Kläger Ende 2017 bzw. Anfang 2018 unter anderem, dass er den abgegebenen Verzicht auf seine Fahrerlaubnis gerne rückgängig machen wolle (Bl. 8 ff. AG Gießen 237 XVII 386/20 P). Ähnlich nutzte der Kläger in der Vergangenheit im Übrigen auch seine angebliche Wohnsitzlosigkeit aus, um etwa für Behörden und die Polizei nicht erreichbar zu sein bis er sich dann – wohl zur Wiedererlangung seiner Fahrerlaubnis – im Lahn-Dill-Kreis in der Wohnung anmeldete, in der er zuvor bereits gelebt hat.

Weiterhin ist der Kläger – wie den vorliegenden Akteninhalten zu entnehmen ist – regelmäßig in der Lage gewesen, seine Anliegen auch in längeren Texten geordnet vorzubringen und sich hierbei einer im Ton angemessenen Sprache zu bedienen (so auch: Gutachten vom 5. November 2019, S. 95). Auch zeigte er in seiner Erklärung vom 15. März 2017 deutlich, dass er zum Zeitpunkt dieser Erklärung in der Lage war, das Für und Wider seiner Handlungen abzuschätzen – er gab nämlich an, dass er seinen Antrag auf Neuerteilung der Fahrerlaubnis zurückziehe und im Mai 2019 erneut vorsprechen werde, weil dann Auszüge aus der Akte verjährt seien (Bl. 341 BA).

Nach Auswertung der vorliegenden zahlreichen Unterlagen über die Erkrankung des Klägers in ihrer Gesamtbetrachtung ist das Gericht daher jedenfalls nicht davon überzeugt, dass der Kläger im Oktober 2013 an einem Zustand litt, der die freie Willensbestimmung im Sinne von § 104 Nr. 2 BGB ausgeschlossen hätte.

Weiterhin ist das Gericht nicht davon überzeugt, dass sich der Kläger im Zeitpunkt der Abgabe der Verzichtserklärung am 16. Oktober 2013 in einem Zustand der vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit befand (§ 105 Abs. 2 Fall 2 BGB). Eine Störung der Geistestätigkeit setzt ebenso wie im Anwendungsbereich des § 104 Nr. 2 BGB zunächst das Vorliegen einer irgendwie gearteten geistigen Anomalie voraus, wobei deren medizinische Einordnung ohne Belang ist. Entscheidend ist nicht die Intensität der geistigen Anomalie, sondern die Beeinträchtigung der Freiheit der Willensentschließung (Spickhoff, in: Münchener Kommentar zum BGB, 9. Auflage 2021, § 105 BGB, Rn. 39).

Die überwiegende Anzahl der vorliegenden Arztberichte und Gutachten kommt zu dem Schluss, dass der Kläger aufgrund seiner psychischen Erkrankung stellenweise nicht in der Lage sei, seinen Willen frei zu bilden. Dies gelte insbesondere, wenn er sich unmittelbar mit Militärangehörigen oder der Polizei konfrontiert sehe. Beispielsweise führte die den Kläger seit etwa zehn Jahren behandelnde Ärztin Frau Dr. S. in ihrer Bescheinigung vom 15. August 2022 aus, dass der Kläger in Konfliktsituationen insbesondere mit der Polizei in emotionale Ausnahmesituationen gerate und im Affekt nicht mehr seiner freien Willensbildung unterliege. Auch das Ergebnis des Gutachtens von Frau I. vom 22. März 2007 skizziert eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit mit Auswirkungen auf die inneren Freiheitsgrade durch die psychische Störung.

Es ist hingegen nichts dafür ersichtlich, dass sich der Kläger bei Abgabe der Verzichtserklärung datierend auf den 16. Oktober 2013 tatsächlich in einem Zustand der vorübergehenden Störung der Geistestätigkeit befunden hätte, weil er etwa unmittelbar mit der Polizei konfrontiert gewesen wäre. Zwar war der Kläger im Jahr 2013 mehrfach mit Polizeieinsätzen konfrontiert. Es kam auch am 8. Juli 2013 und am 18. Oktober 2013 im Rahmen von Polizeieinsätzen zu Beleidigungen gegenüber Polizei- und Justizbeamten, weswegen der Kläger rechtskräftig mit Urteil des Amtsgerichts Wetzlar vom 29. April 2014 verurteilt wurde (Bl. 155 ff. StA Limburg 3 Js 14919/13; vgl. auch: Bl. 62, 78 StA Limburg 3 Js 14919/13). Gleichwohl hatte der Kläger am Tag der Abgabe der Verzichtserklärung keinen persönlichen Kontakt zu Polizei- oder Justizbeamten. Die Verzichtserklärung wurde vielmehr von dem Kläger per Post an den Lahn-Dill-Kreis gesandt ohne dass hierbei ersichtlich wäre, dass er hierbei mit Polizisten konfrontiert gewesen wäre. Seine Angaben zu der Verzichtserklärung im Rahmen der Begutachtung durch Herrn Dr. H. waren ausweislich des Gutachtens wenig konkret, vage und ausweichend. Der Kläger habe bestritten, dass er den Führerschein freiwillig abgegeben habe und wenn sei es ein Irrtum gewesen bzw. auf äußeren Druck hin erfolgt (S. 23 des Gutachtens vom 31. März 2023). Der Vordruck für den Verzicht wurde jedoch der damaligen Bevollmächtigten des Klägers übersandt, sodass er diesen von ihr erhalten haben muss. Es liegen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass er im Zeitpunkt der Abgabe dieser Erklärung in einer Situation war, die ihm eine freie Willensbildung nicht ermöglicht haben sollte. Dies gilt auch vor dem Hintergrund der fachärztlichen Bescheinigung des Herrn Dr. N. vom 25. Mai 2018. Darin heißt es zwar, dass sich der Kläger mit „an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ im Jahr 2013 in einer emotionalen Ausnahmesituation befunden habe, als er seinen Führerschein aus „Wut“ abgegeben habe. Woraus Herr Dr. N. diese Erkenntnis ableitet ist indes völlig ungewiss. Es liegt sehr nahe, dass er dies auf Grundlage der Angaben des Klägers formulierte.

Hinzu kommen die zahlreichen weiteren Erklärungen in der Fahrerlaubnisakte, die als Verzichtserklärungen gewertet werden können und nicht nur aus dem Jahr 2013, sondern auch aus dem Jahr 2015 stammen.

Aber auch, wenn man dem vorliegend eingeholten Gutachten des Herrn Dr. H. vom 31. März 2023 vollumfänglich folgen würde und sämtliche Verzichtserklärungen des Klägers als nichtig ansehen würde – wovon das Gericht explizit nicht ausgeht – hätte der Kläger keinen Anspruch auf Ausstellung eines Ersatzführerscheins, weil die Fahrerlaubnisbehörde verpflichtet wäre, dem Kläger unmittelbar nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i. V. m. §§ 46 Abs. 1 Satz 1 und 11 Abs. 7 FeV sowie Nr. 7.6.1 der Anlage 4 zur FeV die Fahrerlaubnis aufgrund der nunmehr diagnostizierten und unbehandelten Erkrankung des Klägers zu entziehen. Die Ausstellung eines Ersatzführerscheins kann nämlich auch verweigert werden, wenn Umstände bekannt werden, die den Entzug der Fahrerlaubnis mit Sofortvollzug rechtfertigen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 23. September 1998 – 7 B 12016/98, NZV 1999, 143; VG Regensburg, Urteil vom 18. April 2011, Az. RN 8 K 11.286, BeckRS 2011, 31730).

Schließlich ist das Gericht auch nicht davon überzeugt (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO), dass der Kläger seinen (alten) Führerschein nicht mehr besitzt. Für die Ausstellung eines Ersatzführerscheins ist neben dem Bestehen einer Fahrerlaubnis nach § 25 Abs. 4 Satz 1 FeV eine weitere Tatbestandsvoraussetzung, dass der Führerschein abhandengekommen oder vernichtet worden ist.

Der Kläger hat nunmehr eine eidesstattliche Versicherung der Betreuerin des Klägers vom 10. November 2023 vorgelegt. Hiernach habe der Kläger seinen Führerschein in den Ofen geworfen und verbrannt. Dies solle am Ostermontag 2008 gewesen sein. Diese Angabe ist indes vor dem Hintergrund der überaus widersprüchlichen früheren Angaben zu dem Verbleib des Führerscheins des Klägers nicht glaubhaft. Dem steht zunächst insbesondere entgegen, dass der Kläger selbst gegenüber dem Beklagten mit E-Mail vom 18. November 2022 angegeben hat, mit dem beigefügten Führerscheindokument Kraftfahrzeuge zu führen. Beigefügt war eine Kopie seines Führerscheins. Der Kläger ist demnach offensichtlich im Besitz jedenfalls einer (digitalen) Kopie seines Führerscheindokumentes. Allein die lange Zeitspanne seit der angeblichen Vernichtung bis zu der E-Mail legt indes nahe, dass er auch im Besitz des Originals ist. Bereits im Mai 2008 gab der Kläger gegenüber dem Beklagten an, dass der Führerschein sowieso schon lange nicht mehr vorhanden sei. Dies widerspricht sich jedoch mit der zeitlichen Angabe der Vernichtung an Ostern 2008, weil dies erst kurz zuvor gewesen wäre. Ein damaliger Anwalt des Klägers gab dem wiederum widersprechend im November 2009 – unzutreffend – an, dass der Kläger mittlerweile freiwillig auf seine Fahrerlaubnis verzichtet und den Führerschein bei der Fahrerlaubnisbehörde Gießen zurückgegeben habe. Am 6. August 2013 gab die damals beauftragte Anwältin dann an, dass der ausgestellte Führerschein dem Kläger abhandengekommen sei. Im Rahmen der Verzichtserklärung vom 16. Oktober 2013 teilte der Kläger mit, dass er seinen Führerschein bereits vor vielen Jahren vernichtet habe. Mit Schreiben vom 28. Juli 2014 teilte der Kläger mit, dass ein zur Führerscheinakte gehörender Führerschein leider abhandengekommen sei. Im Rahmen eines Besprechungstermins bei dem Lahn-Dill-Kreis am 16. März 2015 bekundeten die Mutter des Klägers (nunmehr seine Betreuerin) und der Kläger zum Verbleib des Führerscheins, dass das Dokument bereits seit circa zehn Jahren unauffindbar sei. Die damalige zeitliche Angabe widerspricht der aktuellen Angabe der Betreuerin des Klägers. Schließlich gab der Kläger mit Schreiben vom 2. April 2015 unter anderem an, dass er seinen Führerschein bereits im Jahr 2005 verbrannt habe.

Soweit der Kläger mit dem nach sachdienlicher Klageerweiterung geltend gemachten weiteren Hilfsantrag die Feststellung begehrt, dass der Kläger Inhaber einer Fahrerlaubnis der Klassen 3 und 1a ist, ist dieser Klageantrag bereits unzulässig. Die Feststellungsklage ist subsidiär. Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann eine Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Vorliegend hätte der Kläger gegen den feststellenden Verwaltungsakt des Beklagten vom 23. November 2016 Anfechtungsklage erheben können. Im Übrigen wäre die Feststellungsklage aber auch unbegründet, weil der Kläger nicht über eine Fahrerlaubnis verfügt (vgl. ausführlich hierzu bereits oben).

Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger ganz zu tragen, weil der Beklagte nur zu einem geringen Teil unterlegen ist (§ 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO). Mangels Kostenerstattungsanspruch des Klägers erübrigt sich eine Entscheidung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 709 Zivilprozessordnung – ZPO -.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 22.500 Euro festgesetzt.

GründeDie Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und Abs. 2 Gerichtskostengesetz – GKG -.

Für die im Hauptantrag und ersten Hilfsantrag begehrte Ausstellung eines Ersatzführerscheins und die Aufhebung des Bescheides vom 13. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Januar 2019 wird mangels genügender Anhaltspunkte für die Bestimmung des Streitwerts nach § 52 Abs. 2 GKG der Streitwert auf 5.000 Euro festgesetzt.

Für die im zweiten Hilfsantrag begehrte Feststellung des Innehabens einer Fahrerlaubnis der Klassen 1a und 3 (alt) orientiert sich die Streitwertfestsetzung an den Empfehlungen des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2013 (NVwZ 2013, Beilage 2, S. 57 ff.). Dieser sieht hinsichtlich der nunmehr maßgeblichen Fahrerlaubnisklassen A, B bzw. BE und C1 bzw. C1E unter den Nrn. 46.1, 46.3 und 46.5 jeweils der Auffangwert von 5.000 Euro und für die Fahrerlaubnisklasse A1 bzw. A2 unter Nr. 46.2 den halben Auffangwert (2.500 Euro) vor.

Die dem Kläger am 22. Februar 1996 erteilte Fahrerlaubnisklasse 1a entspricht nach Nr. 6 der Anlage 3 zur FeV den heutigen Klassen A, A2, A1, AM und L. Die dem Kläger ebenfalls am 22. Februar 1996 erteilte Fahrerlaubnisklasse 3 entspricht nach Nr. 19 der Anlage 3 zur FeV den heutigen Klassen A, A1, AM, B, BE, C1, C1E, CE, L mit Einschränkungen. Da die Klasse B die Klassen AM und L einschließt (§ 6 Abs. 3 Nr. 4 FeV), wirken diese sich nicht streitwerterhöhend aus. Nach der Übergangsvorschrift des § 76 Nr. 9 FeV ist zudem davon auszugehen, dass dem Kläger die Fahrerlaubnis der Klassen C1 und C1E unbefristet erteilt worden ist. Die hiernach lediglich beschränkt zugeteilte Klasse CE wirkt sich nicht streitwerterhöhend aus.

Berichtigungsbeschluss vom 04.01.2024:

Das Urteil vom 24. November 2023 wird dahingehend berichtigt, dass der Landkreis Gießen nicht durch den Kreisausschuss vertreten wird, sondern durch die Landrätin.

Gründe

Das im Tenor genannte Urteil war nach § 118 Abs. 1 VwGO zu berichtigen. Hiernach sind Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten jederzeit vom Gericht zu berichtigen. Eine Unrichtigkeit liegt vor, wenn der Ausspruch des Gerichts nicht mit dem Gewollten übereinstimmt (Lambiris, in: Posser/Wolff, BeckOK VwGO, Stand: 1. Juli 2020). Die Angabe des Kreisausschusses als Vertretung des Landkreises ist eine solche offenbare Unrichtigkeit, weil in dem gesamten Verfahren die Landrätin als Vertretung des Landkreises Gießen auftrat und die Einzelrichterin diese auch in vorhergehenden Beschlüssen als Vertretung aufführte.

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