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Erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung – Absehen von Regelfahrverbot bei Selbständigen

AG Zeitz – Az.: 13 OWi 733 Js 210853/16 – Urteil vom 13.06.2017

Die Betroffene ist gemäß dem Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle im Technischen Polizeiamt vom 29.09.2016 -3820-368515-0- der fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 43 km/h schuldig.

Sie wird zu einer Geldbuße von € 240,- verurteilt.

Die Betroffene hat die Kosten des Verfahrens sowie ihre notwendigen Auslagen zu tragen.

Der Betroffenen wird für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im Straßenverkehr zu führen. Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft dieses Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von 4 Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Angewandte Vorschriften: §§ 24, 25 Abs.2, 2 a StVG, 3 Abs.3, 49 StVO, 46 OWiG, 465 StPO, BKat Nr. 11.3.7.

Gründe

I. Ausweislich der Auskunft aus dem Fahreignungsregister vom 08.05.2017 ist die Betroffene, die selbständige Kieferorthopädin mit Arztpraxen in X und Y ist, einmal verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten:

Datum der Entscheidung: 01.03.2016

Datum der Rechtskraft: 18.03.2016

Datum der Tat: 07.02.2016

Zuwiderhandlung: Sie überschritten die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 22 km/h. Zulässige Geschwindigkeit: 100 km/h. Festgestellte Geschwindigkeit (nach Toleranzabzug): 122 km/h.

Rechtsgrundlage: § 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2, § 49 StVO; § 24 StVG; 11.3.4 BKat

Art der Verkehrsbeteiligung: Führer und Halter des Pkw

Betrag des Bußgelds: 70,00 Euro

verhängte Punkte: 1

II. Die Betroffene ist gemäß dem Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle im Technischen Polizeiamt vom 29.09.2016 -3820-368515-0- der fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 43 km/h schuldig.

III. Ein Fahrverbot für die Dauer von einem Monat ist zur Einwirkung auf die Betroffene geboten. Nach § 25 Abs.1 S. 1 StVG kann einem Betroffenen wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit nach § 24 StVG, die er unter grober Verletzung seiner Pflichten als Kraftfahrzeugführer begangen hat und wegen der eine Geldbuße festgesetzt worden ist, für die Dauer von einem bis zu drei Monaten verboten werden, Kraftfahrzeuge jeder oder einer bestimmten Art im Straßenverkehr zu führen.

Bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 des Straßenverkehrsgesetzes kommt gemäß § 4 Abs.1 S.1 Nr.1 BKatV die Anordnung eines Fahrverbots wegen grober Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers in der Regel in Betracht, wenn ein Tatbestand der Nummern 11.1 bis 11.3, jeweils in Verbindung mit Tabelle 1 des Anhangs des Bußgeldkatalogs verwirklicht wird. Wird in diesen Fällen ein Fahrverbot angeordnet, so ist gemäß § 4 Abs.1 S.2 BKatV in der Regel die dort bestimmte Dauer festzusetzen.

Diese Bindung der Sanktionspraxis dient der Gleichbehandlung der Verkehrsteilnehmer und der Vorhersehbarkeit und Berechenbarkeit der durch bestimmte Verkehrsverstöße ausgelösten Rechtsfolgen (OLG Bamberg, Beschluss vom 18. März 2014 – 3 Ss OWi 274/14 –, juris).

Die Voraussetzungen des Regelfahrverbots von einem Monat Dauer liegen hier vor, denn die Betroffene hat außerhalb geschlossener Ortschaften den Tatbestand der Nr.11.3.7 verwirklicht, wofür neben einer Geldbuße von 160,- € ein Fahrverbot von einem Monat vorgesehen ist.

Von der Verhängung eines Fahrverbotes kann im Einzelfall abgesehen werden. Dieser Möglichkeit, von einem Fahrverbot, gegebenenfalls gegen Erhöhung der Geldbuße, abzusehen, ist sich das Gericht bewusst gewesen. Maßgebend dafür, von dieser Möglichkeit vorliegend keinen Gebrauch zu machen war, dass außergewöhnliche Umstände nicht ersichtlich sind und das Fahrverbot auch nicht unverhältnismäßig ist.

Soweit die Betroffene geltend gemacht hat, die Tat sei außerorts auf einer Bundesstraße begangen worden, die für die Fahrverbotsverhängung maßgebliche Grenze sei nur um 3 km/h überschritten worden, es habe außerordentlich geringer Verkehr geherrscht, es habe Tageslicht gegeben, es sei sonnig gewesen, so dass es keine gravierende Gefährdungssituation gegeben habe, sind dies keine außergewöhnlichen Umstände, die eine Ausnahme vom Regelfall begründen könnten.

Die Betroffene hat sich zwar eingelassen, das Fahrverbot bedeute für sie eine besondere Härte und gefährde ihre Existenz. Es sei ihr auch nicht zuzumuten, sich irgendjemandem als Fahrer anzuvertrauen; ausgebildete Fahrer stünden auf dem Markt nicht zur Verfügung. Gleichwohl konnte keine Härte festgestellt werden, die den Verzicht auf ein Fahrverbot rechtfertigen könnte.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dürfen Angaben eines Betroffenen, es drohe bei Verhängung eines Fahrverbots der Verlust seiner wirtschaftlichen Existenzgrundlage, nicht ungeprüft übernommen werden; vielmehr ist ein derartiger Vortrag vom Tatrichter kritisch zu hinterfragen, um das missbräuchliche Behaupten eines Ausnahmefalles auszuschließen (vgl..OLG Bamberg, Beschluss vom 22. Juli 2016 – 3 Ss OWi 804/16 –, juris).

Das Gericht hat bereits vor dem Termin auf die Anforderungen hingewiesen, die nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung für eine wirtschaftliche Härte bei Selbständigen zu stellen sind, um eine Ausnahme vom Regelfahrverbot zu rechtfertigen. Die Betroffene hat indes nichts Konkretes zu ihrer wirtschaftlichen Situation vorgetragen geschweige denn belegt.

Selbst wenn man – nach Auffassung des Gerichts realitätsfern – unterstellen würde, die Betroffene könne wegen des Fahrverbots ihre berufliche Tätigkeit insgesamt einen Monat lang nicht ausüben, läge die Annahme fern, dass dies bei einer selbständigen Kieferorthopädin mit 2 Praxen die wirtschaftliche Existenz vernichten könnte. Nahe liegt es vielmehr, dass die Betroffene sich vertreten lassen oder insbesondere fahren lassen kann. Die Betroffene hat vergebliche Bemühungen um eine Vertretung ebenso wenig wie Bemühungen um einen Fahrer oder Bereitstellung von Taxen nachgewiesen.

Unter besonderen Umständen kann von der Regeldauer auch nach oben abgewichen werden; solche Umstände liegen ebenfalls nicht vor.

Für ein Abweichen von der Regelgeldbuße bestand aufgrund der Voreintragung Anlass; sie begründet eine maßvolle Erhöhung im erkannten Umfang.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 OWiG i.V. mit § 465 Abs. 1 StPO.

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