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Entziehung Fahrerlaubnis wegen Trunkenheitsfahrt in Polen

VG Cottbus – Az.: 1 K 2073/15 – Urteil vom 15.06.2017

Die Ordnungsverfügung vom 11. Mai 2015 und der Gebührenbescheid des Straßenverkehrsamtes vom 11. Mai 2015 (Nr. 36/20135/15) werden aufgehoben.

Der Widerspruchsbescheid des Straßenverkehrsamtes vom 18. Februar 2016 über den Rechtsbehelf des Klägers gegen den Bescheid über die Festsetzung eines Zwangsgeldes vom 29. Juni 2015 und der Gebührenbescheid Nr. 36/00008/16 vom 18. Februar 2016 werden aufgehoben.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten für den Kläger gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der am 31. Oktober 1968 geborene Kläger – der als Hauptbrandmeister bei der Bundeswehr beschäftigt und auf dem Fliegerhorst ……….eingesetzt ist – wendet sich im Kern gegen die Entziehung seiner am 25. November 1993 erteilten Fahrerlaubnis im Wesentlichen der Klassen 1 und 2 (alt, nunmehr: CE und A).

Das Kraftfahrt-Bundesamt teilte dem Beklagten im November 2014/Januar 2015 mit, dass der Kläger in Polen unter Alkohol ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr geführt habe.

Dem seit dem 05. Dezember 2014 rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts ………… vom 27. November 2014 nach – die weiteren von der Bundesbehörde übersandten Unterlagen der polnischen Strafverfolgungsbehörden ließ der Beklagte nicht übersetzen – sei der Kläger schuldig, sein Kraftfahrzeug am 05. September 2014 in ………. unter dem Einfluss von Alkohol (1,11 mg/l Atemalkoholkonzentration [AAK]) geführt zu haben. Er wurde wegen Trunkenheit im Straßenverkehr zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen verurteilt; zudem wurde ihm das Recht, Kraftfahrzeuge im Straßenverkehr für den Zeitraum von 3 Jahren führen zu können, entzogen. Das Urteil ist dem Kläger wohl mit Anschreiben der polnischen Behörden vom 17. Dezember 2014 übermittelt worden.

Der Beklagte hörte den Kläger darauf am 27. Januar 2015 zu der Frage einer medizinisch-psychologischen Begutachtung an.

Der Kläger ließ mit anwaltlichem Schriftsatz im Wesentlichen vortragen, das Urteil sei in seiner Abwesenheit ergangen und er habe zuvor weder eine Anklageschrift erhalten noch sei er ordnungsgemäß zu einem etwaigen Termin geladen worden. Es seien ihm auch keine Unterlagen in deutscher Sprache – der polnischen Sprache sei er nicht mächtig – übermittelt worden. Er bestreite, das Kraftfahrzeug mit einer AAK von 1,11 mg/l im öffentlichen Straßenverkehr geführt zu haben. Den vermeintlich festgestellten Wert der Atemalkoholmessung habe er angezweifelt und er habe darauf bestanden, dass eine Blutprobe durchgeführt werde. Die vermeintliche Trunkenheitsfahrt in Polen sei damit nicht in gleichem Maße hinreichend nachgewiesen wie ein Verkehrsverstoß in Deutschland. Es sei nicht einmal bekannt, mit welchem konkreten Messverfahren die Messung durchgeführt worden sei, geschweige denn, ob die für das Messverfahren einzuhaltenden Bedingungen gewahrt seien.

In einem Antwortschreiben vom 23. Februar 2015 verwies die Fahrerlaubnisbehörde im Wesentlichen auf die Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung. Mit Verfügung vom 02. März 2015 forderte sie den Kläger auf der Grundlage des § 2 Abs. 4 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) i. V. m. mit dem § 46 Abs. 3 und § 13 S. 1 Nr. 2 lit. c) der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) auf, zur Vorbereitung einer Entscheidung über dessen Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen bis zum 04. Mai 2015 ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen. Dem Urteil nach habe der Kläger am 05. September 2014 ein Kraftfahrzeug mit einer AAK von 1,11 mg/l im öffentlichen Straßenverkehr geführt. Dieser Umstand begründe Zweifel an dessen Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen. Das Gutachten solle Aufschluss darüber geben, ob zu erwarten sei, dass der Kläger auch zukünftig ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen werde und/oder ob psychofunktionale oder andere assoziierte Beeinträchtigungen vorlägen, die das sichere Führen eines Kraftfahrzeuges der Gruppen 1 und 2 in Frage stellten. Die Kosten der Untersuchung seien nach § 4 Abs. 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) von dem Kläger zu tragen. Der Kläger habe nach § 11 Abs. 6 FeV die Möglichkeit, die zu übersendenden Unterlagen an die Begutachtungsstelle in der Fahrerlaubnisbehörde einzusehen. Ausweislich eines Vermerks auf dem Schreiben sollen diesem u. a. eine Einverständniserklärung und eine Liste der Begutachtungsstellen als Anlagen beigefügt worden sein; diese nicht im Verwaltungsvorgang befindlichen Unterlagen hat der Beklagte auf Hinweis des Gerichts nachgereicht.

Im Rahmen seines Widerspruchs gegen den Gebührenbescheid vom 02. März 2015 zur Gutachtenaufforderung vom selben Tag ließ sich der Kläger im Wesentlichen ergänzend dahingehend ein, er habe am Vortag in den Abendstunden bis etwa 23.00 Uhr 4 Bier getrunken. Er sei von der Polizei zwar einem Arzt vorgestellt worden, dieser habe jedoch keinen Bluttest durchgeführt, sondern habe ihm lediglich den Blutdruck und den Puls gemessen, die Lunge und das Herz abgehört. Weitere Untersuchungen, wie sie in Deutschland üblich seien, etwa eine Finger-Probe oder eine Finger-Nasen-Probe, habe es nicht gegeben. Anschließend sei er in Haft genommen worden und habe dort eine Nacht verbringen müssen. Er habe ein Dokument in polnischer Sprache unterschrieben, von dem man ihm mitgeteilt habe, dass er eine Strafe bezahlen müsse und die Sache sich damit für ihn erledigt habe.

Nach weiterem Schriftverkehr, in welchem der Kläger seinen bisherigen Standpunkt wiederholte und vertiefte, entzog ihm der Beklagte mit Ordnungsverfügung vom 11. Mai 2015 unter Anordnung der sofortigen Vollziehung die Fahrerlaubnis (Ziffer 1.), forderte ihn auf, seinen Führerschein unverzüglich, spätestens jedoch 5 Tage nach Zustellung der Verfügung bei dem Landkreis ……….. abzugeben (Ziffer 2.) und drohte ihm ein Zwangsgeld in Höhe von 100 € bzw. unmittelbaren Zwang an (Ziffer 4.). Zur Begründung verwies die Fahrerlaubnisbehörde im Wesentlichen darauf, dass sie nach § 11 Abs. 8 FeV auf die Fahrungeeignetheit des Klägers schließen dürfe, nachdem dieser das Gutachten nicht fristgemäß beigebracht habe.

Gegen die Ordnungsverfügung vom 11. Mai 2015 und den Gebührenbescheid vom selben Tag legte der Kläger am 18. Mai 2015 Widerspruch ein, zu dessen Begründung er im Wesentlichen seine bisherige Auffassung wiederholte und vertiefte, die polnische Atemalkoholmessung sei nicht verwertbar. Der Rechtsprechung des BGH (Beschl. v. 03. April 2001 – 4 StR 507/00) nach seien die AAK-Messwerte unter der Voraussetzung unmittelbar, d.h. ohne Abschlag, forensisch verwertbar, dass diese aufgrund eines Verfahrens gewonnen worden seien, das den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Dies und die Zuverlässigkeit der Messungen würden durch die Bauartzulassung der zur amtlichen Überwachung im Straßenverkehr eingesetzten Atemalkoholmessgeräte durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) und deren halbjährliche Eichung garantiert; zudem sei ein bestimmtes Messverfahren einzuhalten.

Der Kläger hat am 19. Mai 2015 in dem Verfahren VG 1 L 261/15 um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.

Mit Beschluss vom 07. August 2015 hat die Kammer die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen Ziffer 1. und Ziffer 2. der Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 11. Mai 2015 wiederhergestellt. Zur Begründung hat sie im Wesentlichen darauf verwiesen, die Rechtsauffassung des Beklagten, er sei an das rechtskräftige Urteil des ausländischen Strafgerichts gebunden, gehe fehl. Den Akten lasse sich nicht ansatzweise entnehmen, auf welchen Feststellungen das Urteil beruhe und der Kläger habe die Rechtsstaatlichkeit des dortigen Strafverfahrens nachvollziehbar in Frage gestellt, was ebenfalls die Überzeugungskraft der vermeintlichen Feststellung einer AAK von 1,11 mg/l mindere. Im Widerspruchsverfahren werde der Beklagte weiter zu klären haben, unter welchen generellen Umständen die Atemalkoholbestimmung durch Messgeräte der Polizei in Polen erfolge und wie im Fall des Klägers konkret verfahren worden sei.

Auf die Beschwerde des Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg den Beschluss am 06. November 2015 geändert und den Antrag des Klägers abgelehnt (OVG 1 S 91/15). Von einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit der Fahrerlaubnisentziehung könne nicht ausgegangen werden und die Interessenabwägung falle zu Lasten des Klägers aus. Grundsätzlich genügten auch im Ausland begangene und festgestellte Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften, wenn diese einer Inlandstat entsprechend hinreichend nachgewiesen seien. Allein der Atemalkoholwert ohne die konkreten Tatsachengrundlagen, den Messbericht und weitere Angaben über die Ermittlung des Wertes, sei allerdings kein ausreichender Nachweis. Eine zwingende generelle Bindungswirkung des Tatbestandes oder des Rechtsfolgenausspruches des ausländischen Strafgerichts für eine deutsche Fahrerlaubnisbehörde kenne das deutsche Straßenverkehrsrecht nicht. Es sei daher davon auszugehen, dass die Frage, ob die Voraussetzungen des § 13 S. 1 Nr. 2 lit. c) FeV vorlägen, im Ergebnis offen sei. Vor diesem Hintergrund bedürfe es einer weiteren Aufklärung im noch laufenden Widerspruchsverfahren, unter welchen konkreten Umständen die AAK-Bestimmung im Fall des Klägers stattgefunden habe oder wie sie regelmäßig im polnischen Straßenverkehr stattfinde. In diesem Rahmen müsse ggf. auch das weitere Zustandekommen des polnischen Strafurteils vom 27. November 2014 aufgeklärt werden, insbesondere müsse den diesbezüglichen Einwänden des Klägers nachgegangen werden, wonach ihm etwa weder Anklage noch Ladung zugestellt worden seien.

Der Kläger hat am 28. Dezember 2015 (VG 1 K 2073/15) Untätigkeitsklage erhoben.

Mit Bescheid vom 29. Juni 2015 setzte das Straßenverkehrsamt des Beklagten gegen den Kläger auf der Grundlage des § 30 Abs. 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Brandenburg (VwVGBbg) ein Zwangsgeld i. H. v. 100 € fest.

Am 06. Juli 2015 gab der Kläger seinen Führerschein in Verwahrung und legte am 08. Juli 2015 gegen den Festsetzungsbescheid mit der wesentlichen Begründung Widerspruch ein, dieser sei in der Anwaltskanzlei, die zudem nicht bevollmächtigt gewesen sei, erst am 07. Juli 2015 und damit nach Abgabe des Führerscheins eingegangen.

Mit Schreiben vom selben Tag teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass sich die Beitreibung des Zwangsgeldes „erübrige und dieses nicht gezahlt werden müsse“, weil der Kläger seinen Führerschein abgegeben habe.

Mit einem am 22. Februar 2016 zugestellten Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2016 wies der Beklagte den Widerspruch gegen die Zwangsgeldfestsetzung vom 29. Juni 2015 als unbegründet zurück (Ziffer 1.) und entschied dahingehend, dass die Kosten des Verfahrens von dem Kläger als Widerspruchsführer zu tragen seien (Ziffer 2.). Auf die am 13. Mai 2015 zugestellte Ordnungsverfügung vom 11. Mai 2015 sei der Kläger verpflichtet gewesen, seinen Führerschein bis spätestens am 18. Mai 2015 bei der Fahrerlaubnisbehörde abzugeben. Das Zwangsgeld sei daher zu Recht festgesetzt worden. Der Bescheid vom 29. Juni 2015 gelte nach Aufgabe zur Post am 30. Juni 2015 mit dem 3. Tag, d.h. am 03. Juli 2015, als bekannt gegeben. Sollte der Bescheid erst am 07. Juli 2015 bei der Rechtsanwaltskanzlei eingegangen sein, habe dies keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldfestsetzung. Bereits getroffenen Vollstreckungsmaßnahmen seien nur aufzuheben, wenn der zu vollstreckende Verwaltungsakt aufgehoben worden oder der hiermit geltend gemachte Anspruch erloschen sei.

Der Kläger hat insoweit am 22. März 2016 in dem Verfahren VG 1 K 424/16 Klage erhoben.

Die Kammer hat die Verfahren VG 1 K 2073/15 und VG 1 K 424/16 mit Beschluss vom 18. Mai 2017 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Unter dem 04. März 2016 bat der Beklagte das Gemeinsame Zentrum der deutsch-polnischen Polizei- und Zollzusammenarbeit (im Folgenden: Gemeinsames Zentrum) um Beantwortung genereller Fragen im Zusammenhang mit der Feststellung von Alkoholdelikten im Straßenverkehr in Polen; mit weiterem Schreiben bat er die polnische Strafverfolgungsbehörde um Übersendung der vollständigen Strafakte des Klägers. Das Gemeinsame Zentrum beantwortete das Ersuchen des Beklagten am 04. April 2016 unter Hinweis auf eine Antwort der Woiwodschaftskommandatur der Polizei vom 24. März 2016. Das Kreisgericht beantwortete die Anfrage des Beklagten unter dem 15. April 2016 und legte eine „Amtliche Notiz“ der Kreispolizeidirektion vom 05. September 2014, das Protokoll der Atemalkoholmessung und zwei Ausdrucke aus dem Alkoholmessgerät vor, die von Seiten des Beklagten übersetzt wurden. Danach ist bei zwei Atemalkoholmessungen mit einem „Alco-Sensor“-Testgerät am 05. September 2014 um 13:15 Uhr 1,11 mg/l und um 13:35 Uhr 1,09 mg/l Alkohol in der ausgeatmeten Luft des Klägers nachgewiesen worden. Ausweislich eines weiteren vom Kläger unterzeichneten Protokolls habe dieser weder eine erneute Untersuchung des Zustands der Nüchternheit anhand des elektronischen Gerätes noch eine Blutuntersuchung gefordert.

Der Kläger ist im Wesentlichen der Auffassung: Da Voraussetzung einer Verwertbarkeit sei, dass die im Ausland begangene Zuwiderhandlung unter Alkohol im gleichen Maße wie eine Inlandstat hinreichend nachgewiesen worden sei, genügten die vom Beklagten eingeholten Unterlagen diesen Anforderungen nicht. Sie seien schon nicht durch einen vereidigten Dolmetscher übersetzt worden und aus ihnen sei ersichtlich, dass die Messgeräte nicht geeicht worden seien, sie seien nur kalibriert worden. Bei der Kalibrierung handele es sich schon dem Wortsinne nach lediglich um einen Messprozess zur Überprüfung der Funktionsfähigkeit, nicht jedoch um eine technische Überprüfung. Es sei auch nicht ersichtlich, dass der Polizeibeamte, der die Kalibrierung vorgenommen habe, hierfür geschult und berechtigt gewesen sei. Er habe zum damaligen Zeitpunkt nicht gewusst, was er unterschreibe, weil er der polnischen Sprache nicht mächtig sei. Im Übrigen sei er festgesetzt gewesen und hätte sicherlich alles unterschrieben, um wieder in Freiheit zu gelangen. Eine Verständigung mit den polnischen Polizeibeamten sei nur mit „Händen und Füßen“ möglich gewesen. Dass seinerzeit durch die polnischen Beamten gegen die eigenen Vorgaben verstoßen worden sei, ergebe sich daraus, dass er entgegen den Vorgaben nicht binnen 48 Stunden im beschleunigten Verfahren dem Richter vorgestellt worden sei.

Die Rechtswidrigkeit des Zwangsgeldfestsetzungsbescheides vom 29. Juni 2015 folge aus der Rechtswidrigkeit der Ordnungsverfügung vom 11. Mai 2015. Im Übrigen wiederholt und vertieft der Kläger seine Ausführungen dahingehend, dass der Beklagte in der Kanzlei zugestellt habe, obwohl eine Zustellungsbevollmächtigung nicht vorgelegen habe. Die Bekanntgabe des Festsetzungsbescheides an ihn habe nicht vor dem Tag der Weiterleitung an ihn persönlich, am 07. Juli 2015, bewirkt werden können. Darüber hinaus sei die Festsetzung einer „sofortigen Zahlungsfrist“ rechtswidrig und der Beklagte verstoße gegen Treu und Glauben, wenn er versuche, die Ordnungsverfügung vom 11. Mai 2015 durchzusetzen, obwohl er über den Aussetzungsantrag noch nicht entschieden habe. Bedinge dieser Vortrag nicht die Rechtswidrigkeit des Bescheides, so sei das Widerspruchsverfahren jedenfalls wegen Erledigung einzustellen und ihm seien die Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten gewesen.

Der Kläger beantragt, die Ordnungsverfügung des Beklagten vom 11. Mai 2015 aufzuheben, den Gebührenbescheid des Beklagten vom 11. Mai 2015 aufzuheben, die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren insoweit für notwendig zu erklären, den Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2016 aufzuheben, den Gebührenbescheid des Beklagten zum Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2016 aufzuheben, die Zuziehung des Bevollmächtigten im Vorverfahren auch insoweit für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Der Beklagte ist im Wesentlichen der Auffassung: Mit den nunmehr vorliegenden Informationen des Kreisgerichts und des Gemeinsamen Zentrums sei geklärt, unter welchen konkreten Umständen die Atemalkoholbestimmung stattgefunden habe, und es liege ein hinreichender Nachweis dafür vor, dass der Kläger am 05. September 2014 mit einer AAK von mehr als 0,8 mg/l mit einem Pkw am Straßenverkehr teilgenommen habe. Das Messgerät des Typs Alco-Sensor mit der Seriennummer 096706 sei zuletzt 3 Tage vorher kalibriert worden und es seien 2 Messungen im Abstand von 20 Minuten durchgeführt worden. Es fänden sich auch keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger zu Unrecht eine Blutuntersuchung verwehrt worden sei. Im Gegenteil habe dieser dafür unterschrieben. Es gebe auch keine Hinweise darauf, dass dem Kläger aufgrund von bestehenden Sprachbarrieren nicht bewusst gewesen sei, dass er einem Verzicht auf eine zusätzliche Blutuntersuchung unterschreibe. So enthalte die Notiz der Polizeidirektion die Angabe, dass der Kläger als Beschäftigung eine Mitarbeit bei der Feuerwehr angegeben habe und die Bemerkung, dass er erklärt habe, am 04. September 2014 um 22:00 Uhr Bier in einer Menge von 2 Litern konsumiert zu haben. Diese detaillierten Angaben hätte der Kläger nicht machen können, wenn keine Kommunikation möglich gewesen wäre.

Der Bescheid über die Zwangsgeldfestsetzung vom 29. Juni 2015 sei ebenfalls rechtmäßig; insoweit wiederholt der Beklagte seine Ausführungen aus dem Widerspruchsbescheid.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den Verwaltungsvorgang des Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung der Kammer.

Entscheidungsgründe

Die verbundenen Klagen vom 28. Dezember 2015 und 22. März 2016 sind zulässig und begründet.

Die Ordnungsverfügung des Straßenverkehrsamtes vom 11. Mai 2015 und der Gebührenbescheid (Nr. 36/20135/15) sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO (unter I.); Entsprechendes gilt für Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2016 und den Gebührenbescheid (Nr. 36/00008/16 [unter II.]).

I. Nach § 3 Abs. 1 S. 1 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) i. d. F. des Gesetzes zur Änderung des Güterkraftverkehrsgesetzes, des Fahrpersonalgesetzes, des Gesetzes zur Regelung der Arbeitszeit von selbständigen Kraftfahrern, des Straßenverkehrsgesetzes und des Gesetzes über die Errichtung eines Kraftfahrt-Bundesamtes vom 16. Mai 2017 (BGBl. I 2017, 1214) i. V. m. § 46 Abs. 1 S. 1 FeV der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl. I S. 1980) i. d. F. der Elften Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung und anderer straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften vom 21. Dezember 2016 (BGBl. I 2016, 3083) – für die Anfechtungsklage gegen die Fahrerlaubnisentziehung ist maßgeblich die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (st. Rspr. BVerwG, Urt. v. 23. Oktober 2014 – BVerwG 3 C 3/13 –, juris Rn. 13), hier mit Blick auf das noch nicht abgeschlossene Widerspruchsverfahren jedoch der Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung der Kammer (vgl. OVG für das Land Nordrhein-Westfalen [OVG NW], Urt. v. 10. Dezember 1997 – 17 A 5677/95 –, juris Rn. 33; Hamburgisches OVG, Beschl. v. 06. Dezember 1996 – Bs VI 104/96 –, juris Rn. 6; VG Koblenz, Urteil vom 01. März 2011 – 1 K 1169/10.KO –, juris Rn. 16) – hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Inhaber die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich dieser als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Stehen diese Voraussetzungen – wie vorliegend – noch nicht zur Überzeugung der Behörde fest, werden vielmehr lediglich Tatsachen bekannt, die Bedenken an der Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen eines Kraftfahrzeuges begründen, hat die Fahrerlaubnisbehörde unter den in § 11 bis § 14 FeV genannten Voraussetzungen durch die Anordnung der Vorlage eines ärztlichen bzw. medizinisch-psychologischen Gutachtens die Eignungszweifel aufzuklären (§ 3 Abs. 1 S. 3 StVG i. V. m. § 2 Abs. 8 StVG, § 46 Abs. 3 FeV) und dem Ergebnis der Eignungsuntersuchung entsprechend in einem zweiten Schritt eine Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis zu treffen. Verweigert der Betroffene die Untersuchung oder bringt er das von ihm geforderte Gutachten nicht fristgerecht bei, darf die Fahrerlaubnisbehörde bei ihrer Entscheidung auf dessen Nichteignung schließen, § 11 Abs. 8 S. 1 FeV, sofern die Anordnung der Untersuchung formell und materiell rechtmäßig, insbesondere auch anlassbezogen und verhältnismäßig, war.

Es lässt sich – derzeit – nicht feststellen, dass der Kläger fahrungeeignet ist, insbesondere liegen die Voraussetzungen des § 11 Abs. 8 S. 1 FeV nicht vor. Nach derzeitigem Sachstand fand die Aufforderung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 02. März 2015 –– in dem insoweit maßgeblichen Zeitpunkt ihres Erlasses (OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 18. Januar 2011 – OVG 1 S 233.10 –, juris Rn. 5; dazu neigend auch: Bayerischer VGH, Beschl. v. 27. Mai 2015 – 11 CS 15.645 –, NJW 2015, 3050 m. w. N.) – in § 13 S. 1 Nr. 2 lit c) FeV keine materielle Rechtsgrundlage (sogleich unter 1.) und sie war darüber hinaus in mehrfacher Hinsicht formell rechtswidrig (unter 2.).

1. In materieller Hinsicht stützt der Beklagte die Aufforderung auf § 46 Abs. 3 i. V. m. § 13 S. 1 Nr. 2 lit. c) FeV. Nach diesen Vorschriften ordnet die Fahrerlaubnisbehörde im Rahmen der Prüfung der Entziehung der Fahrerlaubnis die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens u. a. dann an, wenn der Betroffene ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer AAK von 0,8 mg/l oder mehr geführt hat.

Zwar spricht Einiges dafür, dass der Kläger in der Republik Polen am 05. September 2014 sein Kraftfahrzeug mit einer diesen Grenzwert übersteigenden AAK geführt hat; mit Blick darauf, dass der Beklagte den Sachverhalt nach wie vor nicht ausermittelt hat, ist diese Frage jedoch im Ergebnis weiterhin offen.

Erforderlich aber auch ausreichend ist bei dem Verdacht einer Fahrt unter Alkohol im Ausland, dass die aus dem betreffenden europäischen Staat stammenden Erkenntnisse einen hinreichend gesicherten Schluss auf das Überschreiten einer nach inländischem Recht bestehenden Eingriffsschwelle zulassen (OVG NW, Urt. v. 25. Oktober 2016 – 16 A 1237/14 –, juris Rn. 30 m. w. N. und Beschl. v. 03. November 2014 – 16 B 694/14 –, juris Rn. 9). Im Fahrerlaubnisrecht als Teil des Ordnungs- und Gefahrenabwehrrechts genügt im Unterschied zu dem der Bestrafung eines Fehlverhaltens dienenden Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht (vgl. zu § 261 StPO etwa: BGH, Beschl. v. 14. Februar 2017 – 4 StR 422/15 –, juris Rn. 20 m. w. N.) damit bereits die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts für die öffentliche Sicherheit und Ordnung und damit ein Gefahrenverdacht, der einen Eignungsmangel als naheliegend erscheinen lässt (Zwerger in Haus/Zwerger: Das verkehrsrechtliche Mandat, 2. Aufl. 2012, § 8 Rn. 3; Siegmund in Freymann/Wellner, jurisPK-StrVerkR, Stand: 23. Februar 2017, § 13 FeV Rn. 60; OVG des Saarlandes, Beschl. v. 18. September 2003 – 1 W 24/03 –, juris Rn. 3; enger mglw. OVG des Saarlandes, Beschl. v. 18. September 2000 – 9 W 5/00 –, juris Rn. 16: „rechtssichere Feststellung der dort aufgeführten Alkoholkonzentrationen“).

Die hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Kläger sein Kraftfahrzeug am 05. September 2014 in Polen mit einer AAK von mehr als 0,8 mg/l geführt hat, ist jedoch weiterhin nicht gegeben.

Im Ausland begangene und festgestellte Zuwiderhandlungen gegen Verkehrsvorschriften können den deutschen Behörden grundsätzlich Veranlassung geben, die Fahreignung eines Erlaubnisinhabers zu verneinen oder jedenfalls klären zu lassen, sofern diese Zuwiderhandlungen „hinreichend entsprechend einer Inlandstat“ nachgewiesen sind (Bayerischer VGH, Beschlüsse v. 16. August 2012 – 11 CS 12.1624 –, juris Rn. 12 u. v. 09. Juni 2010 – 11 CS 10.786 –, juris Rn. 22; VG Ansbach, Beschl. v. 27. Februar 2012 – AN 10 S 12.00140 –, juris Rn. 30; VG Augsburg, Beschl. vom 27. November 2001 – Au 3 S 01.1522 –, juris Rn. 24; VG München, Beschl. v. 01. März 2010 – M 6b S 10.419 –, juris Rn. 20; OVG NW, Urt. v. 25. Oktober 2016 – 16 A 1237/14 –, juris Rn. 26 ff. und Beschl. v. 03. November 2014 – 16 B 694/14 –, juris Rn. 5 ff. im Nachgang zu VG Münster, Beschl. v. 16. Mai 2014 – 10 L 320/14 –, juris [und Urt. v. 16. Mai 2014 – 10 K 841/14 –, juris]; OVG Mecklenburg-Vorpommern, Beschl. v. 27. März 2008 – 1 M 204/07 –, juris Rn. 26; Urt. d. Kammer v. 05. Dezember 2012 – VG 1 K 640/12 –, UA S. 6 m. w. N.); lässt sich demgegenüber nicht nachweisen, dass bei der AAK-Bestimmung im Ausland jedenfalls von vergleichbaren Voraussetzungen wie im Bundesgebiet ausgegangen wurde, kann eine Maßnahme der deutschen Fahrerlaubnisbehörde nicht auf ein entsprechendes Messprotokoll gestützt werden (so Geiger: Verwertung von Erkenntnissen über Drogen- und Alkoholauffällige im Ausland durch deutsche Fahrerlaubnisbehörden“ in DAR 2004, S. 184 ff., 185; vgl. auch Kalus: Fahrerlaubnisrecht in der Praxis, 1. Aufl. 2011, S. 165 Rn. 305: „Dabei ist auch entscheidend, dass die im Gutachten des Bundesgesundheitsamtes … enthaltenen Verfahrensvorschriften eingehalten wurden.“)

Der hinreichende Nachweis ergibt sich, wie die Kammer bereits im Eilverfahren ausgeführt hat, nicht bereits aus dem rechtskräftigen Urteil des polnischen Strafgerichts als solchem. Eine Bindungswirkung lässt sich weder § 3 Abs. 3 und 4 StVG noch sonstigen Rechtsvorschriften entnehmen (vgl. etwa BFH, Beschl. v. 31. Januar 2002 – VII B 94/01 – juris Rn. 8 und FG München, Urt. v. 28. Mai 2014 – 14 K 3598/12 – juris Rn. 28; Bayerischer VGH, Urt. v. 20. März 2013 – 19 BV 11.288 – juris Rn. 62 [zum Ausländerrecht]; Beschl. v. 16. August 2012 – 11 CS 12.1624 –, juris Rn. 12; Haus/Zwerger: Das verkehrsrechtliche Mandat, Bd. 3, 2. Aufl. 2012, § 19 Rn. 15; vgl. auch KG, Beschl. v. 23. Mai 2014 – 2 Ws 198/14, 2 Ws 198/14 – 141 AR 259/14 – juris Rn. 12 und [anders nach § 84 Abs. 1 WDO]: BVerwG, Beschl. v. 28. September 2011 – 2 WD 18/10 – juris Rn. 16; für das Fahrerlaubnisrecht a. A. [jeweils ohne Begründung]: VG Münster, Urt. v. 16. Mai 2014 – 10 K 841/14 – juris und [hinsichtlich eines im Rechtmittelverfahren angefochtenen Urteils eines polnischen Strafgerichts] VG Ansbach, Beschl. v. 27. Februar 2012 – AN 10 S 12.00140 – juris Rn. 32) und das Urteil selbst enthält keine Einzelheiten, die es dem Gericht ermöglichen würden zu prüfen, ob und aus welchen Gründen von einer den bundesdeutschen Anforderung mindestens vergleichbare AAK-Messung in Polen ausgegangen werden könnte.

Ein hinreichender Nachweis dafür, dass der Kläger sein Kraftfahrzeug am 05. September 2014 auf polnischem Staatsgebiet zumindest mit einer den Grenzwert des § 13 S. 1 Nr. 2 lit. c) FeV übersteigenden AAK geführt hatte, ergibt sich nach derzeitiger Sachlage auch nicht aus den weiteren Unterlagen, die der Beklagte von den polnischen Behörden im Anschluss an die Entscheidungen der Kammer und des Oberverwaltungsgerichts im Eilverfahren erhalten hat, und die der abschließenden retrospektiven Klärung der Frage dienen sollen, ob seinerzeit, d. h. am 02. März 2015, die materiellen Voraussetzungen der Aufforderung vorlagen. Die Sachverhaltsaufklärung durch den Beklagten erweist sich vielmehr nach wie vor als lückenhaft.

Einer Berücksichtigung dieser Unterlagen steht allerdings nicht entgegen, dass sie (möglicherweise) nicht durch einen vereidigten Dolmetscher übersetzt worden sind, wie der Kläger meint. Selbst wenn dem so wäre – aus dem auf den deutschen Übersetzungen befindlichen Stempel „AWT- Der Sprachspezialist, Zentrale Auftragsannahme“ aus Dresden ergibt sich nicht, wer mit welcher Qualifikation die Dokumente übersetzt hat – wäre diese pauschale Rüge für das Gericht nur dann beachtlich, wenn der Kläger zumindest ansatzweise Umstände aufgezeigt hätte, die auf konkrete Fehler in den Übersetzungen deuten; das jedoch hat er nicht getan.

Es ist derzeit jedoch nicht gesichert, dass die Messergebnisse des bei der Polizeikontrolle in Polen am 05. September 2014 eingesetzten Mess- und Analysegerätes im vorliegenden Fahrerlaubnisentziehungsverfahren berücksichtigt werden könnten.

Die Anforderungen der bundesdeutschen Rechtsprechung an die Feststellung einer bestimmten AAK im Verfahren über Ordnungswidrigkeiten nach § 24a StVG – sofern der Verdacht einer Straftat, etwa § 316 StGB, besteht, ist ohnehin eine Blutprobe zu entnehmen vgl. Nr. 2. und Nr. 3.2.1 der [bundeseinheitlichen] Richtlinien der Länder zur Feststellung von Alkohol-, Medikamenten- und Drogeneinfluss bei Straftaten und Ordnungswidrigkeiten, Sicherstellung und Beschlagnahme von Führerscheinen (= RiBA), vom 03. August 2015 – JMBl/15 [Nr. 9] S. 78) – ergeben sich aus dem im Wesentlichen von …………. erarbeiteten „Gutachten zur Prüfung der Beweissicherheit der Atemalkoholanalyse“ des Bundesgesundheitsamtes aus dem April 1991. Das Gutachten war Ausgangspunkt der Anforderungen an eine gerichtsfeste Atemalkoholanalyse und bildete die Grundlage für den Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes aus dem Mai 1995, mit dem die Promillegrenze des § 24a StVG gesenkt sowie ein AAK-Grenzwert eingeführt und die Atemalkoholanalyse ermöglicht werden sollte (vgl. BT-Drs. 13/1439, S. 4). Mit dem Gesetz zur Änderung des Straßenverkehrsgesetzes vom 27. April 1998 (BGBl. I S. 795) wurden diese Ziele schließlich verwirklicht. Voraussetzung eines Einsatzes von Atemalkoholmessgeräten im Ordnungswidrigkeitenverfahren ist danach, dass nur Geräte eingesetzt und Messmethoden angewendet werden dürfen, die den im Gutachten gestellten Anforderungen entsprechen (BT-Drs. 13/1439, S. 4). Die Anforderungen sind mit der DIN VDE 0405 als Basis der Bauartzulassung fortentwickelt worden, die über die internationalen Empfehlungen R 126 der Internationalen Organisation für das gesetzliche Messwesen (OIML) hinausgeht (vgl. ausf. Knopf/Slemeyer/Süß: Bestimmung der Atemalkoholkonzentration nach DIN VDE 0405 in NZV 2000, 195 ff.; zit. nach: https://beck-online.beck.de/Print/CurrentMagazine?vpath=bibdata%5Czeits%5Cnzv% 5C2000%5Ccont% 5Cnzv.2000.195.1.htm&printdialogmode=CurrentDoc).

Das Gutachten listet die Voraussetzungen zur Sicherung “der größtmöglichen Zuverlässigkeit der Messmethode im Allgemeinen und ihres Ergebnisses im Einzelfall“ auf. Danach muss (1.) die Zuverlässigkeit des Messgerätes über den gesamten Zeitraum seines Einsatzes gewährleistet sein, was in Deutschland üblicherweise durch eine Ersteichung nach dem Eichgesetz und Nacheichungen gewährleistet werde (Nr. 3. 1 des Gutachtens). Voraussetzung für eine verlässliche Messung der AAK sei (2.) die Erfassung der Alveolenluft (einer Luftprobe, die aus den Lungenalveolen [Lungenbläschen] des Probanden stammt, über die ein Abatmen von geringen Mengen des im Blut zirkulierenden Alkohols erfolgt), wobei das von der OIML vorgeschlagene Mindestvolumen von 1,5 l und einer Mindestexpirationsdauer von 3 Sekunden nicht ausreiche, um eine größtmögliche Messgenauigkeit zu erhalten; eine unzureichende Erfassung von Alveolenluft wirke sich allerdings „meist zu Gunsten eines Probanden aus“ (Nr. 3. 2). Voraussetzung einer Bestätigung der Messergebnisse sei (3.) die Durchführung von 2 Einzelmessungen (mit 2 unabhängig voneinander arbeitenden Messsystemen oder aber einer Kontrollmessung mit einem Prüfgas [Nr. 3. 5]), die nicht mehr als 5 Minuten auseinander liegen sollten (Nr. 3. 2 und Nr. 3. 4). Es sei zudem (4.) von einem Einfluss der Temperatur auf das Messergebnis auszugehen – die Ethanolkonzentration der Atemluft sei beim Verlassen des Mundes niedriger als vorher in den Alveolen –, so dass die AAK auf eine Bezugstemperatur von 34 °C umzurechnen sei. Schließlich sei (5.) eine Kontrollzeit von 10 Minuten vor der AAK-Messung erforderlich, innerhalb derer der Proband keine die Messung möglicherweise beeinflussende Substanzen zu sich nehmen dürfe (Nr. 3. 4).

Hiervon ausgehend kann in Deutschland die Feststellung einer bestimmten AAK im Bußgeldverfahren weder mit den, in der Praxis nur noch selten verwendeten, Alkoholprüfröhrchen noch mit sogenannten Alkoholvortestgeräten – die den gemessenen Wert zwar ebenfalls digital anzeigen, aber nicht den Anspruch erheben, „gerichtsfeste“ Werte zu liefern, sondern allenfalls eine Wahrscheinlichkeitsaussage über die tatsächliche Blutalkoholkonzentration erlauben und damit Indizwirkung bei der Prüfung „relativer Fahrunsicherheit“ entfalten (König in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2008, § 316, Rn. 47 ff., OLG Stuttgart, Beschl. v. 13. Januar 2004 – 4 Ss 581/2003 –, juris Rn. 5 und OLG Köln, Beschl. v. 03. Juli 1984 –1 Ss 364/84–, juris [nur LS]) – erfolgen. Eine Bauartzulassung durch die Physikalisch Technische Bundesanstalt (PTB) besitzt in Deutschland derzeit vielmehr ausschließlich das Gerät „Alcotest 7110 Evidential Typ MK III“ der Firma Dräger Sicherheitstechnik GmbH (vgl. ausf.: König in Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2008, § 316, Rn. 51a). Mit der Zulassung im Wege eines Behördengutachtens (antizipiertes Sachverständigengutachten) hat die Bundesanstalt zugleich erklärt, dass bei dem zugelassenen Gerät ein durch Normen vereinheitlichtes (technisches) Verfahren vorliegt, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (sog. „standardisiertes Messverfahren“; st. Rspr. der Obergerichte vgl. OLG Düsseldorf Beschl. v. 14. Juli 2014 – IV-1 RBs 50/14, 1 RBs 50/14 –, m. w. N.; Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 11. November 2016 – 2 SsOWi 161/16 (89/16) –, juris Rn. 6). Ist ein Messgerät von der Bundesanstalt zugelassen und ist es im Rahmen der Zulassungsvorgaben verwendet worden, ist das Tatgericht damit von weiteren technischen Prüfungen, insbesondere zur Funktionsweise des Messgeräts, grundsätzlich enthoben und das Gericht kann grundsätzlich von der Richtigkeit der Messung ausgehen (Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschl. v. 11. November 2016 – 2 SsOWi 161/16 (89/16) –, juris Rn. 7).

Der Auskunft der Woiwodschaftskommandantur der Polizei vom 24. März 2016 nach wird in der Republik Polen die Messung des Alkoholgehalts in der Atemluft – von nicht mit einer digitalen Anzeige ausgestatteten „Vortestgeräten“ abgesehen – zum einen mit Infrarotspektrometrischen Geräten, zum anderen mit Geräten durchgeführt, die auf dem elektrochemischen Prinzip beruhen; zu den letztgenannten Geräten gehört auch der Alco-Sensor IV (des US-amerikanischen Herstellers Intoximeters). Alle Geräte würden regelmäßig kalibriert und jedes Gerät besitze ein Kalibrierungszeugnis.

Ausweislich der vom Kreisgericht, Abteilung für Strafsachen, in ………… auf die Aufforderung des Beklagten vom 02. März 2016 unter dem 14. April 2016 vorgelegten Unterlagen des Strafverfahrens ist der Kläger am 05. September 2014 um 13:10 Uhr durch die Polizeibeamten angehalten worden und um 13:15 Uhr sowie um 13:35 Uhr ist der AAK-Gehalt jeweils mit einem Gerät Alco-Sensor gemessen worden, wobei die Messungen “gemäß der Gebrauchsanleitung dieses Gerätes“ einen Methanolgehalt in der Atemluft von 1,11 mg/l bzw. 1,09 mg/l ergaben. Den Computerausdrucken des Gerätes mit der Seriennummer 096706 zufolge erfolgte die letzte Kalibrierung am 02. September 2014 um 15:41 Uhr und die Reinheit des Gerätes ist am 05. September 2014 um 13:15 Uhr und 13:35 Uhr kontrolliert worden; die Größe der Ausatmung betrug bei der 1. Messung 1,7 l für 5,7 Sekunden und bei der 2. Messung 1,6 l bei 5,6 Sekunden.

Das im Rahmen der Messung des Atemalkohols des Klägers verwendete Gerät Alco-Sensor IV entspricht den vorgenannten bundesrepublikanischen Anforderungen an die beweissichere Feststellung der AAK im Bußgeldverfahren ersichtlich nicht, insbesondere hat es in der Bundesrepublik Deutschland eine Bauartzulassung nicht enthalten. Das Gerät entspricht zwar ausweislich seines im Internet abrufbaren Datenblatts ( https://www.intox.com/download/ProductSheets/AlcoSensor%20IV%20LawEnforcement.pdf) dem Europäischen Standard EN 15964 („Atemalkohol-Testgeräte zur Mehrfachverwendung. Anforderungen und Prüfverfahren“); diese Europäische Norm gilt jedoch für Atemalkohol- Testgeräte, mit denen die Konzentration an Alkohol gemessen wird, die in einer Atemprobe enthalten ist, mit dem Zweck, eine Selektion oder Voruntersuchung durchzuführen. In dieser Norm werden die Anforderungen an Betriebssicherheit und -verhalten, die Prüfverfahren sowie die Anforderungen an Kennzeichnung, Beschriftung und Bedienungsanleitung festgelegt (zit. nach: https://www.vde-verlag.de/normen/0406004/din-en-15964-vde-0406-10-2011-05.html). Der Sache nach handelt es sich damit um ein Alkoholvortestgerät nach deutschen Standards (vgl. auch unter: https://www.alcopro.com/product/alco-sensor-iv-for-law-enforcement/: „The Alco-Sensor IV is widely used by law enforcement and corrections agencies worldwide as a preliminary breath tester.”).

Hinsichtlich der Atemalkoholmessungen bei dem Kläger 05. September 2014 sind zwar immerhin die Mindestbedingungen eines Volumen von 1,5 l Alveolenluft und einer Mindestexpirationsdauer von 3 Sekunden den vorliegenden Messprotokollen nach gewahrt und die Kontrollzeit von 10 Minuten vor der AAK-Messung, innerhalb derer der Proband keine die Messung möglicherweise beeinflussende Substanzen zu sich nehmen dürfe (Gutachten unter Nr. 3. 4), dürfte vorliegend unerheblich sein, weil der Kläger nach eigenen Angaben zuletzt am Vorabend Alkohol zu sich genommen haben will und weder ersichtlich ist noch vorgetragen wurde, dass er insoweit andere das Messergebnis beeinflussende Substanzen zu sich genommen haben könnte.

Demgegenüber können die zwei Einzelmessungen jedenfalls dem Gutachten des Bundesgesundheitsamtes nach nicht als Bestätigung des Messverhältnisses gewertet werden, weil zwischen ihnen ein Zeitraum von deutlich mehr als 5 Minuten lag, und ein Einfluss der Temperatur auf das Messergebnis ist ebenfalls nicht auszuschließen.

Darüber hinaus sind die vorgenannten Anforderungen aus dem Gutachten des Bundesgesundheitsamtes insoweit (naturgemäß) nicht gewahrt, als jedenfalls nicht ersichtlich ist, dass für in Deutschland verwendete Geräte vom Typ Alco-Sensor IV die Voraussetzungen des Gesetzes über das Mess- und Eichwesen (EichG), seit dem 01. Januar 2015 des Gesetzes über das Inverkehrbringen und die Bereitstellung von Messgeräten auf dem Markt, ihre Verwendung und Eichung sowie über Fertigpackungen (Mess- und Eichgesetz) oder einer vergleichbaren polnischen Rechtsvorschrift gewahrt sind – nach § 3 Nr. 5 des Mess- und Eichgesetzes ist eine Eichung jede behördliche oder auf behördliche Veranlassung erfolgende Prüfung, Bewertung und Kennzeichnung eines Messgeräts, die mit der Erlaubnis verbunden ist, das Messgerät im Rahmen des vorgesehenen Verwendungszwecks und unter den entsprechenden Verwendungsbedingungen für eine weitere Eichfrist zu verwenden –, und die nach polnischem Recht offenbar genügende Kalibrierung besagt für sich genommen lediglich, dass eine eventuelle Messabweichung des benutzten Geräts von einem Normalmaß festgestellt worden ist; mit einer Eichung ist eine Kalibrierung nicht identisch, weil bei ihr in einem zweiten Schritt die eventuelle Abweichung ausgeglichen werden müsste.

Entscheidend ist aber vor allem, dass ein Kalibrierungszeugnis, das in Polen offenbar regelmäßig gefertigt wird und dem Gemeinsamen Zentrum nach jedenfalls auf Anforderung vorgelegt werden muss, weiterhin nicht Bestandteil der Akten ist. Darüber hinaus ist darauf aufmerksam zu machen, dass dieses Kalibrierungszertifikat auch eine Aussage über das Anschaffungsjahr des Gerätes und die Frage, ob es sich um ein “Altgerät“ handeln könnte (vgl. OVG NW, Urt. v. 25. Oktober 2016 – 16 A 1237/14 –, juris Rn. 40), ermöglicht hätte.

Zudem ist derzeit weiterhin offen, welche konkreten verfahrenstechnischen Anforderungen in Polen bei der Feststellung einer AAK gelten. Die Fahrerlaubnisbehörde hat in ihrer Anfrage vom 04. März 2016 dem Gemeinsamen Zentrum etwas allgemeiner mitgeteilt, es sei für sie „von besonderem Interesse, ob es in Polen verbindliche Regelungen darüber gibt, wie Alkoholkontrollen von der Polizei durchzuführen sind“; in seiner Antwort benennt die Woiwodschaftskommandantur lediglich verschiedene Rechtsvorschriften – Gesetze, Ausführungsvorschriften und Dienstanweisungen –, nimmt zu dieser Frage jedoch nicht im Einzelnen Stellung, und von einer Nachfrage hat die Fahrerlaubnisbehörde abgesehen.

Vor dem Hintergrund dieser nach wie vor unzureichenden Sachaufklärung durch den Beklagten genügt dem Gericht der alleinigen Umstand, dass der AAK-Grenzwert von 0,8 mg/l vorliegend um mindestens 36,25 % (zu Gunsten des Klägers ausgehend von einem Messergebnis 1,09 mg/l) überschritten wurde, nicht, um mit hinreichender Sicherheit davon ausgehen zu können, dass dieser sein Kraftfahrzeug in Polen mit einer AAK von zumindest mehr als 0,8 mg/l geführt hat.

2. Die Aufforderung der Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten vom 02. März 2015 entspricht aber auch in formeller Hinsicht nicht mehr den an sie zu stellenden rechtlichen Anforderungen.

Nach § 11 Abs. 6 S. 1 FeV legt die Fahrerlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls und unter Beachtung der Anlagen 4 und 5 zur Fahrerlaubnis-Verordnung in der Anordnung zur Beibringung des Gutachtens fest, welche Fragen im Hinblick auf die Eignung des Betroffenen zum Führen von Kraftfahrzeugen zu klären sind. Die Behörde teilt dem Betroffen unter Darlegung der Gründe für die Zweifel an seiner Eignung und unter Angabe der für die Untersuchung in Betracht kommenden Stelle oder Stellen mit, dass er sich innerhalb einer von ihr festgelegten Frist auf seine Kosten der Untersuchung zu unterziehen und das Gutachten beizubringen hat; sie teilt ihm außerdem mit, dass er die zu übersenden Unterlagen einsehen kann, § 11 Abs. 6 S. 2 FeV.

In formaler Hinsicht muss die Aufforderung im Wesentlichen aus sich heraus verständlich sein und der Betroffene muss erkennen können, welcher konkrete Anlass besteht, ihn zu der Vorlage eines Gutachtens aufzufordern, u n d ob das in der Aufforderung Verlautbarte die behördlichen Zweifel an der Fahreignung zu rechtfertigen vermag. Diese formellen und materiellen Anforderungen an die Rechtmäßigkeit einer Aufforderung, die nicht zuletzt Ausdruck des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und der Schutzwürdigkeit des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen nach Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes sind, in das mit einer Begutachtung eingegriffen wird (vgl. BVerfG, Beschl. v. 24. Juni 1993 – 1 BvR 689/92 –, juris Rn. 50 ff.; BverwG, zuletzt: Urt. v. 17. November 2016 – 3 C 20/15 –, juris Rn. 17; vgl. ausführlich zur Grundrechtsrelevanz insbesondere des psychologischen Teils der MPU: Bayerischer VGH, Beschl. v. 24. August 2010 – 11 CS 10.1139 –, juris Rn. 48; Bayerischer VGH, Beschl. v. 17. August 2007 – 11 CS 07.25 –, juris Rn. 10), können nicht durch Überlegungen des Inhalts relativiert werden, der Betroffene werde schon wissen, worum es gehe (BVerwG, Urt. v. 17. November 2016 – BVerwG 3 C 20/15 –, juris Rn. 21; BVerwG, Urt. v. 05. Juli 2001 – 3 C 13/01 –, juris Rn. 25; OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 22. Oktober 2009 – OVG 1 S 189. 09 –, Beschlussabdruck S. 3; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 28. Oktober 2004 – 10 S 475/04 –, juris Rn. 29; vgl. auch zur vergleichbaren Fallkonstellation im Beamtenrecht im Rahmen der Prüfung der Diensttauglichkeit: BVerwG, Urt. v. 26. April 2012 – BVerwG 2 C 17.10 –, juris Rn. 20 und BVerwG, Beschl. v. 10. April 2014 – 2 B 80/13 –, juris Rn. 9: „Der Beamte muss anhand der Begründung die Auffassung der Behörde nachvollziehen und prüfen können, ob die angeführten Gründe tragfähig sind.“).

Entziehung Fahrerlaubnis wegen Trunkenheitsfahrt in Polen
(Symbolfoto: Von easyclickshop/Shutterstock.com)

Es sind vielmehr insoweit strenge Anforderungen angezeigt, denn nur sie ermöglichen es dem Betroffenen, hinreichend beurteilen zu können, ob er das von der Behörde geforderte Gutachten vorlegt oder das Risiko einer Fahrerlaubnisentziehung durch Nichtvorlage in Kauf nimmt (vgl. Geiger in Buschbell: Münchener Handbuch Straßenverkehrsrecht, 3. Aufl. 2009 Rn. 155). Der Fahrerlaubnisinhaber trägt danach das Risiko, die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Aufforderung zur Vorlage des Gutachtens – die als reine Verfahrenshandlung nicht isoliert anfechtbar ist, § 44 a VwGO (ausf. Haus in: Haus/Zwerger, Das verkehrsrechtliche Mandat, Bd. 3, 2. Aufl. 2012, § 17 Rn. 21 ff. m. w. N.), und die für ihn, wenn auch mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit eine Nachreichung bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens möglich sein dürfte, gravierende (Rechts-)Folgen haben kann – richtig eingeschätzt zu haben.

Den Anforderungen wird die Aufforderung der Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten vom 02. März 2015 in zweifacher Hinsicht nicht mehr gerecht.

Der Kläger wird zwar den Vorgaben des § 11 Abs. 6 S. 2 FeV entsprechend darauf hingewiesen, dass er nach § 4 Abs. 1 GebOSt die Kosten der Untersuchung zu tragen hat und dass er die Möglichkeit hat, die zu übersenden Unterlagen an die Begutachtungsstelle für Fahreignung zuvor einzusehen. Ebenso enthält die Aufforderung den erforderlichen Hinweis nach § 11 Abs. 8 FeV und die Fragestellung der Behörde ist ebenfalls nicht zu beanstanden.

Die Aufforderung ist jedoch bereits deshalb rechtswidrig, weil dem Kläger die für die Untersuchung in Betracht kommenden Stelle oder Stellen nicht entsprechend den Anforderungen des § 11 Abs. 6 S. 2 FeV mitgeteilt wurden, wobei offen bleiben kann, ob einem zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens Verpflichteten entsprechend dem Gesetzwortlaut alle in der Bundesrepublik Deutschland in Betracht kommenden Stellen mitgeteilt werden müssen (vgl. das vom Bundesamt für Straßenwesen im Internet [http://www.bast.de/DE/Verkehrssicherheit/Qualitaetsbewertung/Begutachtung/pdf/liste-postleitzahlen.pdf?__blob=publicationFile&v=36] veröffentlichte Verzeichnis der „Begutachtungsstellen für Fahreignung geordnet nach Postleitzahlen“, Stand: Mai 2017) oder ob entsprechend einer in der Rechtsprechung vertretenen Meinung (VG Oldenburg [Oldenburg], GB v. 10. August 2010 – 7 A 1458/10 –, juris Rn. 19 ff.; i. E. ebenso: VG München, Beschl. v. 11. Oktober 2016 – M 26 S 16.3697 –, juris Rn. 14; VG des Saarlandes, Urt. v. 16. Dezember 2011 – 10 K 487/11 –, juris Rn. 46) jedenfalls die „nächstgelegenen“ Stellen, nämlich diejenigen anzugeben sind, die im Rahmen einer zweistündigen Autofahrt erreichbar sind.

Die Auflistung der Untersuchungsstellen durch die Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten ist in jedem Fall ersichtlich unvollständig und damit fehlerhaft. Nach dem vom Bundesamt für Straßenwesen veröffentlichten Verzeichnis der „Begutachtungsstellen für Fahreignung geordnet nach Postleitzahlen“, Stand: Mai 2017, sind 11 Stellen in …….. und 3 in …….., jedenfalls 3 Begutachtungsstellen in ………. (……….., …………… und ……………), eine in ………… (………..), zwei in ………. (……. und ………), fünf in ……… (…………., ……….., ……….., ………. und ………..), eine in ………. (…………), eine in ……… (……….), eine in ………. (………..), eine in ……….. (…………) und drei in ………. (…………., ……….. und …………) sowie zwei in ……….. (………….. und …………) zu berücksichtigen; und wohl auch die beiden Begutachtungsstellen in ………. und eine in ……… dürften aufzuführen sein, die je nach Fahrtstrecke von ……… aus wohl in 2 Stunden erreichbar wären. Die vorliegende – offensichtlich selektive – Auflistung der Fahrerlaubnisbehörde des Beklagten benennt demgegenüber lediglich sieben Stellen in ………, zwei in ………., zwei Stellen in ………., eine in ……….. und ………., drei in ……….., eine jeweils in …….. und ………. und eine in dem – nicht in 2 Stunden erreichbaren – ………., jedoch etwa keine Begutachtungsstelle in ………., ………., ………. und ………. Dass diese Unterschiede auf den zeitlichen Differenzen zwischen März 2015/Mai 2017 beruhen, ist auszuschließen, und Entsprechendes hat die Vertreterin des Beklagten in der mündlichen Verhandlung auch nicht behauptet.

Es kann auch vorliegend nicht zur vollen richterlichen Überzeugung, § 108 Abs. 1 S. 1 VwGO (vgl. BVerwG, Beschl. v. 21. Juni 2016 – 9 B 65/15 –, juris Rn. 20), festgestellt werden, dass die nur selektive Mitteilung der Untersuchungsstellen die Weigerung des Klägers, sich einer Begutachtung zu unterziehen, offensichtlich nicht im Sinne von § 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Brandenburg (VwVfGBbg) i. V. m. § 46 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) beeinflusst hätte, wobei mit Blick auf die Bedeutung des Hinweises nach § 11 Abs. 6 S. 2 FeV zudem ein strenger Maßstab anzulegen ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. November 2016 – 3 C 20/15 –, juris Rn. 29 ff.).

Die Aufforderung des Straßenverkehrsamtes des Beklagten vom 02. März 2015 ist darüber hinaus rechtswidrig, weil dem Kläger im Rahmen des Schreibens die Gründe für die Zweifel an seiner Eignung nicht den Anforderungen des § 11 Abs. 6 S. 2 1. Hs. FeV gemäß mitgeteilt werden. Es war ihm dem Schreiben des Beklagten nach nicht hinreichend möglich beurteilen zu können, inwieweit das in der Aufforderung Verlautbarte die behördlichen Zweifel an der Fahreignung rechtfertigen könnte.

Das Schriftstück enthält zur Begründung der Anordnung lediglich einen inkonkreten Verweis auf die von Seiten des Beklagten angenommene Ermächtigungsgrundlage des „§ 13 Nr. 2c FeV“ und auf den Umstand, dass sich die AAK von 1,11 mg/l in dem Urteil des Amtsgerichts finde. Damit ist den formellen Anforderungen des § 11 Abs. 6 S. 1 FeV jedenfalls in dem vorliegenden Einzelfall nicht genügt.

Obwohl rechtlich nicht geboten (vgl. BVerwG, Urt. v. 15. Dezember 1989 – 7 C 52/88 –, juris Rn. 7; VGH Baden-Württemberg, Urt. v. 28. Oktober 2004 – 10 S 475/04 –, juris Rn. 28; Bode/Winkler: Fahrerlaubnis, 5. Aufl. 2006, § 7 Rn. 212) hatte die Fahrerlaubnisbehörde den Kläger vor Anordnung des Gutachtens unter dem 27. Januar 2015 angehört und ihm den Sachverhalt entsprechend der Anordnung vom 02. März 2015 mitgeteilt; der Verfahrensbevollmächtigte des Klägers hatte in seinem Antwortschreiben vom 20. Februar 2015 auf rechtsstaatliche Bedenken hinsichtlich des Urteils des polnischen Amtsgerichts und darauf hingewiesen, dass sein Mandant bestreite, das Kraftfahrzeug mit einer AAK von 1,11 mg/l im öffentlichen Straßenverkehr geführt zu haben. Er hatte des Weiteren darauf hingewiesen, dass die vermeintliche Zuwiderhandlung in Polen nicht entsprechend eines Inlandsverstoßes hinreichend nachgewiesen sei, unter anderem deshalb nicht, weil Einzelheiten zur Messung nicht vorlägen.

Vor diesem Hintergrund wäre es an dem Beklagten gewesen, sich mit den fundierten Einwendungen des Klägers und der Rechtslage in der Anordnung selbst – und nicht in einem gesonderten Schreiben vom 23. Februar 2015 – auseinanderzusetzen und im Einzelnen darzulegen, aus welchen Gründen aus seiner Sicht in rechtlicher Hinsicht dennoch von dem Messergebnis auszugehen sei. Ohne entsprechende Erwägungen war es dem Kläger nicht möglich zu entscheiden, ob er der Anordnung Folge leistet – und bei Vorlage des geforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens in Kauf nimmt, dass rechtserheblich allein die Schlüssigkeit des Gutachtens zu beurteilen ist – oder aber eine Entziehung der Fahrerlaubnis abwartet.

Hiervon abgesehen – und selbstständig tragend – erweist sich die Anordnung auch deshalb als formell rechtswidrig, weil sie inhaltlich fehlerhaft ist.

Die Anordnung vom 03. März 2015 verkörpert die Rechtsauffassung des Beklagten, allein die Rechtskraft der Entscheidung des polnischen Amtsgerichts vom 27. November 2014 mache “die gemessene AAK von 1,11 mg/l“ auch in einem deutschen Fahrerlaubnisentziehungsverfahren verwertbar. Diese Auffassung jedoch entspricht, wie ausgeführt, nicht der Rechtslage. Der Sachverhalt ist damit vergleichbar dem einer Anordnung, die eine unzutreffende Rechtsgrundlage benennt (zu der Fehlerhaftigkeit einer Aufforderung im Fall der Benennung einer unzutreffenden Norm vgl.: Bayerischer VGH, Beschl. v. 24. August 2010 – 11 CS 10.1139 –, juris Rn. 56; Beschl. v. 16. August 2012 – 11 CS 12.1624 –, juris Rn. 12; VG Würzburg, Urt. v. 01. Dezember 2015 – W 6 K 15.743 –, juris Rn. 25 ff.; Schleswig-Holsteinisches VG, GB v. 14. Oktober 2014 – 3 A 254/13 –, juris Rn. 22; a. A.: VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 24. Juni 2002 – 10 S 985/02 –, juris Rn. 14 und Siegmund in Freymann/Wellner, jurisPK-StrVerkR, Stand: 2. März 2017, § 11 FeV Rn. 98).

Auch insoweit liegen die Voraussetzungen des § 46 VwVfG ersichtlich nicht vor.

Der Gebührenbescheid vom 11. Mai 2015 (Nr. 36/20135/15) ist als Nebenentscheidung aufzuheben, weil sich die Entziehung der Fahrerlaubnis und dem folgend die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins als rechtswidrig erweisen.

II. Der Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2016 und sein Gebührenbescheid sind ebenfalls rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.

Die Zwangsgeldfestsetzung gegen den Kläger mit Bescheid vom 29. Juni 2015 hatte sich bereits vor Einlegung des Widerspruchs durch Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 08. Juli 2015 erledigt, weil der Kläger seinen Führerschein am 06. Juli 2015 in der Fahrerlaubnisbehörde abgegeben hatte (zur Erledigung einer Zwangsgeldfestsetzung nach Zweckerreichung vgl.: VG Gelsenkirchen, Urt. v. 13. August 2015 – 5 K 586/14 –, juris Rn. 26). Das Vollstreckungsverfahren war danach einzustellen: Nach § 13 Abs. 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetz für das Land Brandenburg (VwVGBbg) vom 16. Mai 2013 (GVBl. I/13 [Nr. 18], geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 10. Juli 2014 (GVBl. I/14 [Nr. 32] ist die Vollstreckung einzustellen oder zu beschränken, wenn u. a. der Zweck erreicht wurde (Nr. 1), wobei in diesem Fall bereits getroffene Vollstreckungsmaßnahmen jedoch nicht aufzuheben sind, § 13 Abs. 2 S. 1 und 3 VwVGBbg (vgl. auch den Gesetzentwurf der Landesregierung zu einem Gesetz zur Änderung verwaltungsvollstreckungs- und abgabenrechtlicher Vorschriften vom 25. September 2012 (LT.-Drs., 5/6023, 10, 11 wonach in § 13 Abs. 1 Nr. 1 VwVGBbg n. F. die Regelung des § 20 Absatz 3 Satz 2 VwVGBbg a. F., wonach die Beitreibung des Zwangsgeldes unterbleibt, sobald die Betroffenen die gebotene Handlung ausführen oder die zu duldende Maßnahme gestatten, „integriert worden sei“).

Nach Erledigung des mit dem Widerspruch angefochtenen Zwangsgeldfestsetzungsbescheides durfte eine Widerspruchsentscheidung von Seiten des Beklagten mithin in der Sache nicht mehr ergehen, und durch den dennoch ergangenen Widerspruchsbescheid ist der Kläger beschwert, weil der Beklagte durch die Zurückweisung des Widerspruchs – zumal rechtsfehlerhaft als unbegründet – den Eindruck erweckt, der (erledigte) Ausgangsbescheid sei bestandskräftig geworden. In diesen Fällen ist der Widerspruchsbescheid durch das Gericht aufzuheben (BVerwG, Urt. v. 20. Januar 1989 – 8 C 30/87 –, juris Rn. 10; OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 31. März 2017 – OVG 6 B 9.16 –, juris Rn. 17 ff.; Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 79 Rn. 50).

Der Gebührenbescheid zum Widerspruchsbescheid vom 18. Februar 2016 teilt dessen Schicksal.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, § 709 S. 1 und 2 ZPO.

 

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