Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Bußgeldverfahren: Allgemeine Prozessvollmacht reicht nicht für Entbindung vom persönlichen Erscheinen – OLG Brandenburg bestätigt Urteil
- Der Ausgangspunkt: Geschwindigkeitsüberschreitung und Bußgeldbescheid
- Einspruch und Antrag auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht vor dem Amtsgericht Oranienburg
- Amtsgericht Oranienburg verweigert Entbindung und verwirft Einspruch mangels Anwesenheit
- Rechtsbeschwerde: Fehlende „besondere Vollmacht“ im Fokus der Argumentation
- Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg: Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde unbegründet
- Begründung des OLG: Warum eine „besondere Vollmacht“ für die Entbindung unerlässlich ist gemäß § 73 Abs. 2 OWiG
- Keine Verletzung des rechtlichen Gehörs und irrelevante Sachrüge
- Kostenentscheidung: Der Betroffene trägt die Kosten des Rechtsmittels
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet „Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen“ in einem Bußgeldverfahren?
- Was ist der Unterschied zwischen einer allgemeinen Prozessvollmacht und einer „besonderen Vollmacht“ im Kontext eines Bußgeldverfahrens?
- Welche Konsequenzen hat es, wenn ich trotz Ladung nicht zur Hauptverhandlung erscheine?
- Welche formalen Anforderungen gibt es an einen Antrag auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht?
- Kann mein Anwalt mich immer im Bußgeldverfahren vertreten, oder gibt es Einschränkungen?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 1 ORbs 55/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Brandenburg
- Datum: 16. April 2025
- Verfahrensart: Rechtsbeschwerde (Zulassungsantrag)
- Rechtsbereiche: Ordnungswidrigkeitenrecht (Bußgeldverfahren)
Beteiligte Parteien:
- Kläger: Eine Person, gegen die ein Bußgeldbescheid wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung erlassen wurde. Sie legte Einspruch ein und beantragte die Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung.
- Beklagte: Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg, die beantragte, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Dem Betroffenen wurde eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 29 km/h vorgeworfen, wofür ein Bußgeld von 150,00 € verhängt wurde. Er legte Einspruch ein, erschien jedoch nicht zur Hauptverhandlung, da sein Anwalt eine Entbindung von der Erscheinungspflicht beantragt hatte. Das Amtsgericht verwarf den Einspruch, da der Betroffene unentschuldigt fehlte und die Entbindung abgelehnt wurde.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob ein Rechtsanwalt seinen Mandanten von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in einem Bußgeldverfahren entbinden lassen kann, wenn ihm nur eine allgemeine, aber keine spezielle Vollmacht für diesen Zweck erteilt wurde. Es ging auch darum, ob die Verwerfung des Einspruchs durch das Amtsgericht wegen des Ausbleibens des Betroffenen rechtmäßig war.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Oberlandesgericht Brandenburg hat den Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts als unbegründet abgewiesen. Die Kosten des Rechtsmittels wurden dem Betroffenen auferlegt.
- Begründung: Das Gericht stellte fest, dass für einen Antrag auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung eine Besondere Vollmacht des Verteidigers erforderlich ist. Da der Betroffene seinem Rechtsanwalt nur eine allgemeine Vollmacht erteilt hatte, wurde der Entbindungsantrag vom Amtsgericht zu Recht abgelehnt. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Betroffenen wurde daher nicht festgestellt.
- Folgen: Die Entscheidung des Amtsgerichts, den Einspruch des Betroffenen wegen dessen unentschuldigten Fehlens zu verwerfen, bleibt bestehen. Das bedeutet, das ursprünglich verhängte Bußgeld von 150,00 € ist weiterhin gültig. Der Betroffene muss zudem die Kosten für das Rechtsbeschwerdeverfahren tragen.
Der Fall vor Gericht
Bußgeldverfahren: Allgemeine Prozessvollmacht reicht nicht für Entbindung vom persönlichen Erscheinen – OLG Brandenburg bestätigt Urteil
Das Oberlandesgericht Brandenburg hat in einem aktuellen Beschluss entschieden, dass ein Rechtsanwalt für den Antrag, seinen Mandanten von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in einer Hauptverhandlung im Bußgeldverfahren zu entbinden, eine besondere Vollmacht benötigt. Eine allgemeine Prozessvollmacht genügt hierfür nicht. Die Verwerfung des Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid durch das Amtsgericht, weil der Betroffene nicht zum Termin erschienen und der Entbindungsantrag mangels besonderer Vollmacht abgelehnt worden war, wurde somit als rechtmäßig bestätigt. Dieser Fall beleuchtet die formalen Anforderungen an Verteidiger im Bußgeldverfahren und die Konsequenzen bei deren Nichtbeachtung.
Der Ausgangspunkt: Geschwindigkeitsüberschreitung und Bußgeldbescheid

Die Angelegenheit nahm ihren Anfang, als die Zentrale Bußgeldstelle des Zentraldienstes der Polizei des Landes Brandenburg am 28. Februar 2024 einen Bußgeldbescheid gegen einen Autofahrer erließ. Diesem wurde zur Last gelegt, am 12. November 2023 auf einer Bundesautobahn die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 29 km/h überschritten zu haben. Die festgesetzte Geldbuße betrug 150,00 Euro.
Einspruch und Antrag auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht vor dem Amtsgericht Oranienburg
Der betroffene Autofahrer legte fristgerecht Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein. Infolgedessen setzte der zuständige Bußgeldrichter des Amtsgerichts Oranienburg einen Termin zur Hauptverhandlung für den 21. Oktober 2024 fest. Der Verteidiger des Autofahrers, Rechtsanwalt „Name 01“, reichte daraufhin am 22. August 2024 einen Schriftsatz ein. Darin räumte er für seinen Mandanten ein, dass dieser das Fahrzeug zur Tatzeit geführt habe. Gleichzeitig kündigte er an, dass in der Hauptverhandlung keine weiteren Angaben zur Sache gemacht würden, und beantragte die Entbindung seines Mandanten vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung. Dieser Antrag stützte sich auf § 73 Absatz 2 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG). Dem Schreiben war eine vom Autofahrer unterzeichnete „Vollmacht in Straf- und Bußgeldsachen“ beigefügt. Diese Vollmacht bezog sich laut Ziffer 1 allgemein auf die „Vertretung und Verteidigung in Strafsachen und Bußgeldsachen“.
Amtsgericht Oranienburg verweigert Entbindung und verwirft Einspruch mangels Anwesenheit
Das Amtsgericht Oranienburg fällte am 21. Oktober 2024 sein Urteil und verwarf den Einspruch des Autofahrers. Die Begründung: Der Autofahrer sei trotz ordnungsgemäßer Ladung – nachgewiesen durch eine Zustellungsurkunde vom 29. August 2024 – ohne genügende Entschuldigung nicht zum Termin erschienen. Zudem sei er auch nicht wirksam von seiner Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbunden worden.
Aus dem Protokoll der Hauptverhandlung vom selben Tag ging hervor, dass ein Terminvertreter, Rechtsanwalt S aus Berlin, den bereits schriftlich gestellten Antrag auf Entbindung des Autofahrers im Termin nochmals mündlich wiederholte. Das Amtsgericht wies diesen Antrag jedoch durch Beschluss zurück. Die Begründung des Amtsgerichts für die Ablehnung war zweigeteilt: Zum einen habe für den ursprünglichen Entbindungsantrag des Hauptverteidigers, Rechtsanwalt „Name 01“, keine „besondere Vollmacht“ vorgelegen. Zum anderen habe auch die dem Terminvertreter, Rechtsanwalt „Name 02“ (offenbar ein Tippfehler im Original, gemeint ist wohl S), erteilte Terminsvollmacht keine Befugnis zur Vertretung des Autofahrers gemäß § 73 Absatz 3 OWiG umfasst und sei zudem nicht vom ursprünglichen Vollmachtgeber, Rechtsanwalt „Name 01“, unterschrieben gewesen.
Rechtsbeschwerde: Fehlende „besondere Vollmacht“ im Fokus der Argumentation
Gegen dieses Urteil des Amtsgerichts legte der Autofahrer, vertreten durch seinen Anwalt, am 24. Oktober 2024 Rechtsbeschwerde ein. Diese wurde mit einem weiteren Schriftsatz vom 21. November 2024 begründet. Kern der Rüge war die Ablehnung seines Antrags auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung durch das Amtsgericht. Er sah darin einen Verfahrensfehler. Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg trat dem entgegen und beantragte in ihrer Stellungnahme vom 17. März 2025, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.
Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg: Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde unbegründet
Das Oberlandesgericht Brandenburg schloss sich mit seinem Beschluss vom 16. April 2025 der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft an. Es verwarf den Antrag des Autofahrers auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Oranienburg als unbegründet. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens wurden dem Autofahrer auferlegt.
Begründung des OLG: Warum eine „besondere Vollmacht“ für die Entbindung unerlässlich ist gemäß § 73 Abs. 2 OWiG
Das Oberlandesgericht führte in seiner Begründung aus, dass die eingelegte Rechtsbeschwerde des Autofahrers aufgrund der geringen Höhe des Bußgeldes von 150,00 Euro und des Fehlens einer Nebenfolge (wie etwa eines Fahrverbots) als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 80 Absatz 1 Nr. 1 OWiG zu werten sei. Dieser Antrag sei zwar form- und fristgerecht eingereicht worden und somit zulässig, erweise sich jedoch in der Sache als unbegründet.
Das Gericht betonte, dass gegen die Verwerfung eines Einspruchs nach § 74 Absatz 2 OWiG im Zulassungsverfahren im Wesentlichen nur gerügt werden könne, dass die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Verwerfung nicht vorgelegen hätten. Das bedeute, es müsse dargelegt werden, dass das Ausbleiben des Betroffenen nicht als unentschuldigt hätte angesehen werden dürfen oder dass einem Entbindungsantrag zu Unrecht nicht stattgegeben wurde, was eine Verletzung des rechtlichen Gehörs darstellen könnte.
Die zentrale Rüge des Autofahrers, das Amtsgericht habe den Antrag auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu Unrecht abgelehnt, teilte das OLG Brandenburg nicht. Es stellte klar, dass die Entbindung eines Betroffenen von seiner Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung tiefgreifende Auswirkungen auf seine wesentlichen persönlichen Verfahrensrechte habe.
Die Bedeutung der persönlichen Anwesenheit im Bußgeldverfahren
Zu diesen fundamentalen Rechten zählen insbesondere das Anwesenheitsrecht selbst, die Gewährung rechtlichen Gehörs, die Möglichkeit, sich zur Sache zu äußern (Äußerungsbefugnis), sowie das Recht auf das „letzte Wort“. Würde ein Betroffener von der Anwesenheit entbunden und das Verfahren nach § 74 Absatz 1 OWiG in seiner Abwesenheit durchgeführt, verlöre er zudem bestimmte Rechte aus § 74 Absatz 4 OWiG. Diese Regelung sieht beispielsweise vor, dass ein Urteil, das in Abwesenheit des Betroffenen ergangen ist, unter bestimmten Umständen mit dem Einspruch angefochten werden kann, wenn der Betroffene unverschuldet nicht erschienen ist. Die Möglichkeit, von vornherein auf diese Rechte durch einen Entbindungsantrag zu verzichten, unterstreiche die Wichtigkeit dieser persönlichen Verfahrensrechte.
Anforderungen an die Vollmacht des Verteidigers für den Entbindungsantrag
Aufgrund dieser erheblichen Bedeutung der persönlichen Anwesenheit und der damit verbundenen Rechte sei es ständige Rechtsprechung des Senats, dass für einen Antrag auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen eine besondere Vollmacht des Verteidigers erforderlich sei. Eine solche besondere Vollmacht unterscheidet sich von einer allgemeinen Prozessvollmacht dadurch, dass sie den Anwalt explizit ermächtigt, einen solch weitreichenden Verzicht auf die persönlichen Anwesenheitsrechte des Mandanten zu erklären. Die vom Autofahrer vorgelegte Vollmachtsurkunde vom 22. Januar 2024 stelle jedoch lediglich eine allgemeine Vollmacht in Bußgeldsachen dar. Diese sei nicht ausreichend, um den Verteidiger zu einem Entbindungsantrag nach § 73 Absatz 2 OWiG zu legitimieren.
Erschwerend kam hinzu, so das OLG, dass der im Termin für den Hauptverteidiger aufgetretene Terminvertreter eine nicht vom ursprünglichen Anwalt unterschriebene Terminsvollmacht vorgelegt hatte. Auch dies trug zur Unwirksamkeit des im Termin wiederholten Antrags bei.
Keine Verletzung des rechtlichen Gehörs und irrelevante Sachrüge
Infolgedessen konnte das Oberlandesgericht Brandenburg keine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Autofahrers im Zusammenhang mit dem Verwerfungsurteil des Amtsgerichts feststellen. Da die Voraussetzungen für eine Entbindung vom persönlichen Erscheinen nicht vorgelegen hätten, sei das Amtsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass der Autofahrer unentschuldigt der Hauptverhandlung ferngeblieben sei. Die Verwerfung des Einspruchs sei daher korrekt erfolgt.
Hinsichtlich der ebenfalls erhobenen Sachrüge – also der Rüge, das materielle Recht sei falsch angewendet worden – erklärte das Gericht, dass diese bei einem reinen Verfahrensurteil, wie es die Verwerfung des Einspruchs darstellt, nicht greife. Ein solches Urteil enthalte naturgemäß keine Ausführungen zum materiellen Recht (also zur Frage, ob die Geschwindigkeitsüberschreitung tatsächlich begangen wurde und das Bußgeld angemessen ist). Eine Sachrüge könne hier allenfalls zur Überprüfung von Prozessvoraussetzungen und etwaigen Prozesshindernissen führen. Diesbezüglich seien jedoch weder Rechtsfehler ersichtlich noch vom Autofahrer konkret vorgetragen worden.
Kostenentscheidung: Der Betroffene trägt die Kosten des Rechtsmittels
Abschließend entschied das Oberlandesgericht Brandenburg, dass der Autofahrer die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen hat. Diese Kostenentscheidung beruht auf den Vorschriften der §§ 46 Absatz 1 OWiG und 473 Absatz 1 Satz 1 der Strafprozessordnung (StPO), die hier entsprechend anzuwenden sind. Der Fall verdeutlicht somit eindrücklich, dass für einen wirksamen Antrag auf Entbindung vom persönlichen Erscheinen in Bußgeldsachen eine explizit hierfür ausgestellte, besondere Vollmacht unerlässlich ist, um die Rechte des Betroffenen zu wahren und gleichzeitig die formellen Anforderungen des Gerichts zu erfüllen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil zeigt, dass Rechtsanwälte für die Befreiung eines Mandanten von der Anwesenheitspflicht bei Bußgeldverfahren eine spezielle Vollmacht benötigen – eine allgemeine Prozessvollmacht reicht nicht aus. Versäumt ein Betroffener die Hauptverhandlung ohne gültige Entbindung, wird sein Einspruch gegen den Bußgeldbescheid verworfen und dieser wird rechtskräftig. Für Verkehrsteilnehmer bedeutet dies: Bei Einsprüchen gegen Bußgeldbescheide muss man entweder persönlich erscheinen oder sicherstellen, dass der Anwalt eine spezielle Vollmacht für den Entbindungsantrag besitzt.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet „Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen“ in einem Bußgeldverfahren?
Wenn in einem Bußgeldverfahren von der „Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen“ die Rede ist, bedeutet dies, dass Sie – die betroffene Person – nicht persönlich vor Gericht erscheinen müssen, obwohl ein Verhandlungstermin anberaumt wurde. Es handelt sich hierbei um eine besondere Regelung, die es dem Gericht erlaubt, auch ohne Ihre physische Anwesenheit eine Entscheidung zu treffen.
Warum die Entbindung relevant ist und wann sie möglich ist
Für Sie als Betroffenen ist diese Möglichkeit oft relevant, da sie Ihnen beispielsweise eine weite Anreise oder die Freistellung von der Arbeit ersparen kann. Die Entbindung erfolgt jedoch nicht automatisch. Das Gericht entscheidet darüber, ob Ihre Anwesenheit zur Klärung des Sachverhalts zwingend notwendig ist.
Eine Entbindung von der persönlichen Anwesenheit wird in der Regel in Betracht gezogen, wenn:
- Der zugrundeliegende Sachverhalt aus Sicht des Gerichts bereits eindeutig ist und keine weiteren Fragen offen sind, die nur durch Ihre Aussage geklärt werden könnten.
- Es um eine Ordnungswidrigkeit von geringerer Bedeutung geht, bei der keine schwerwiegenden Rechtsfolgen, wie etwa ein längeres Fahrverbot, zu erwarten sind.
- Sie sich bereits schriftlich zum Vorwurf geäußert haben und keine aufwendigen Beweiserhebungen oder Zeugenvernehmungen geplant sind, die nur in Ihrer persönlichen Anwesenheit sinnvoll wären.
Die rechtliche Grundlage für diese Möglichkeit findet sich in § 72 Absatz 1 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG). Dort ist festgelegt, dass das Gericht die Anwesenheit der betroffenen Person anordnen kann, wenn es diese für eine vollständige Aufklärung des Sachverhalts für notwendig hält. Daraus leitet sich umgekehrt die Befugnis ab, von dieser Anordnung abzusehen, wenn die Anwesenheit nicht als notwendig erachtet wird.
Unterschiede zum Strafverfahren
Ein wichtiger Unterschied besteht hier zum Strafverfahren. Während in einem Bußgeldverfahren die Entbindung vom persönlichen Erscheinen unter bestimmten Umständen möglich ist, ist die persönliche Anwesenheit des Angeklagten in einem Strafverfahren grundsätzlich vorgeschrieben. Dies gilt insbesondere für Verbrechen und Vergehen, die mit erheblichen Strafen verbunden sein können. Die Strafprozessordnung (StPO), insbesondere § 230 StPO, betont das Recht des Angeklagten auf persönliche Anwesenheit und Verteidigung. Im Bußgeldverfahren hingegen steht oft die effiziente und unbürokratische Bearbeitung von Bagatelldelikten im Vordergrund, was zu flexibleren Verfahrensregeln führt.
Was ist der Unterschied zwischen einer allgemeinen Prozessvollmacht und einer „besonderen Vollmacht“ im Kontext eines Bußgeldverfahrens?
Eine allgemeine Prozessvollmacht ist eine umfassende Ermächtigung, die es einer anderen Person – in der Regel einem Rechtsanwalt – erlaubt, Sie in einem Gerichtsverfahren umfassend zu vertreten. Sie deckt die typischen und alltäglichen Schritte eines Verfahrens ab. Dazu gehören beispielsweise das Einreichen von Schriftsätzen, das Beantworten von Anfragen des Gerichts oder das Entgegennehmen von Post und Bescheiden. Ziel ist es, Ihnen die Abwicklung des Verfahrens zu erleichtern, indem Ihr Vertreter die meisten notwendigen Formalitäten und Korrespondenzen erledigen kann.
Eine besondere Vollmacht hingegen ist für ganz bestimmte, oft sehr persönliche und weitreichende Handlungen erforderlich. Sie wird zusätzlich zur allgemeinen Prozessvollmacht benötigt, wenn es um Entscheidungen geht, die Sie als betroffene Person in Ihren grundlegenden Rechten und Pflichten besonders stark berühren. Für Sie bedeutet das, dass bei solchen zentralen Schritten das Gericht absolute Gewissheit haben möchte, dass Sie dieser spezifischen Handlung ausdrücklich zugestimmt haben.
Allgemeine Prozessvollmacht: Der breite Rahmen
Die allgemeine Prozessvollmacht ermächtigt Ihren Vertreter, die sogenannten Prozesshandlungen vorzunehmen. Das sind alle Handlungen, die zur Führung des Gerichtsverfahrens normalerweise notwendig sind. Denken Sie dabei an die täglichen Aufgaben: Schriftverkehr führen, Termine wahrnehmen (sofern Ihre persönliche Anwesenheit nicht zwingend vorgeschrieben ist), Fristen beachten und Dokumente einreichen. Sie ist quasi eine Art „Generalauftrag“ für die laufende Verfahrensführung.
Besondere Vollmacht: Für zentrale und persönliche Entscheidungen
Die besondere Vollmacht wird immer dann relevant, wenn es um Entscheidungen geht, die eine direkte und oft irreversible Konsequenz für Sie haben. Im Kontext eines Bußgeldverfahrens ist dies besonders wichtig, wenn es um die Entbindung von der Anwesenheitspflicht geht.
Das bedeutet: Wenn Sie im Rahmen eines Bußgeldverfahrens einen Gerichtstermin haben und nicht persönlich erscheinen möchten, sondern wünschen, dass Ihr Vertreter allein für Sie auftritt, ist dafür eine besondere Vollmacht erforderlich. Der Grund dafür ist, dass die persönliche Anwesenheit vor Gericht ein grundlegendes Recht des Betroffenen ist, um sich selbst zu äußern, Fragen zu stellen und den Ablauf der Verhandlung unmittelbar zu erleben.
Warum das Gericht eine besondere Vollmacht verlangt
Das Oberlandesgericht (OLG) Brandenburg hat in seinen Urteilen verdeutlicht, dass eine besondere Vollmacht notwendig ist, um sicherzustellen, dass die Entscheidung, auf die persönliche Anwesenheit zu verzichten, tatsächlich bewusst und aus freien Stücken von Ihnen getroffen wurde. Es geht darum, Ihre Rechte als Betroffener zu schützen. Das Gericht möchte ausschließen, dass wichtige persönliche Entscheidungen getroffen werden, ohne dass Sie als die betroffene Person dem explizit zugestimmt haben. Eine allgemeine Prozessvollmacht, die nur die „normale“ Verfahrensführung abdeckt, reicht für solch eine weitreichende Entscheidung nicht aus. Die besondere Vollmacht dient dem Gericht als Nachweis, dass Sie die spezifische Befugnis zum Verzicht auf Ihre Anwesenheit Ihrem Vertreter erteilt haben.
Welche Konsequenzen hat es, wenn ich trotz Ladung nicht zur Hauptverhandlung erscheine?
Wenn Sie trotz einer ordnungsgemäßen Ladung nicht zu einer Hauptverhandlung vor Gericht erscheinen, hat das in der Regel schwerwiegende Folgen für Ihren Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid. Das Gericht kann Ihren Einspruch als unzulässig verwerfen.
Was bedeutet die Verwerfung des Einspruchs?
Die Verwerfung des Einspruchs bedeutet, dass sich das Gericht nicht mit dem Inhalt Ihres Einspruchs befasst. Es prüft also nicht, ob der ursprüngliche Bußgeldbescheid berechtigt war oder ob die darin enthaltenen Vorwürfe stimmen. Stattdessen wird Ihr Einspruch lediglich aufgrund Ihres unentschuldigten Fehlens als unzulässig angesehen.
Für Sie hat das die Konsequenz, dass der ursprüngliche Bußgeldbescheid automatisch rechtskräftig wird. Das heißt, die darin festgesetzte Geldbuße, mögliche Punkte im Fahreignungsregister und etwaige Fahrverbote werden verbindlich und müssen bezahlt beziehungsweise angetreten werden. Es ist dann, als hätten Sie den Bußgeldbescheid von Anfang an akzeptiert.
Wann ist ein Nichterscheinen entschuldigt?
Ein Nichterscheinen kann unter bestimmten Umständen entschuldigt sein. Dies ist der Fall, wenn Sie aus einem wichtigen und unvorhersehbaren Grund nicht erscheinen konnten, auf den Sie keinen Einfluss hatten. Beispiele hierfür sind:
- Eine plötzliche, schwere Erkrankung, die Ihnen das Erscheinen unmöglich macht und die Sie in der Regel durch ein ärztliches Attest belegen.
- Ein unabwendbarer Unfall auf dem Weg zum Gerichtstermin.
- Andere höhere Gewalt, die Ihr Erscheinen verhindert.
Es ist dabei entscheidend, dass Sie das Gericht unverzüglich über den Hinderungsgrund informieren und diesen glaubhaft machen, beispielsweise durch die Vorlage eines ärztlichen Attests. Das Gericht entscheidet dann, ob Ihr Nichterscheinen als entschuldigt gilt. Wenn das Gericht den Grund akzeptiert, wird in der Regel ein neuer Termin für die Hauptverhandlung angesetzt.
Sollten Sie ohne einen entschuldigten Grund nicht erscheinen, können neben der Verwerfung des Einspruchs auch zusätzliche Kosten für das Gerichtsverfahren entstehen, die Sie tragen müssen.
Welche formalen Anforderungen gibt es an einen Antrag auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht?
Ein Antrag auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht vor Gericht ist ein wichtiges Anliegen, wenn Sie einen wichtigen Termin nicht wahrnehmen können. Die Gerichte prüfen solche Anträge sorgfältig, da die Anwesenheit der Beteiligten oft entscheidend für den Fortgang des Verfahrens ist.
Schriftliche Form und Inhalt des Antrags
Ein solcher Antrag sollte immer schriftlich bei dem zuständigen Gericht eingereicht werden. Es ist ratsam, ihn per Einschreiben oder Fax zu senden, um einen Nachweis über den Versand zu haben. Wichtig ist, dass der Antrag folgende Informationen enthält:
- Ihr vollständiger Name und Ihre Anschrift.
- Das Aktenzeichen des Gerichtsverfahrens, für das Sie die Entbindung beantragen. Dieses finden Sie auf allen Schreiben des Gerichts.
- Der genaue Termin (Datum und Uhrzeit), für den Sie die Entbindung wünschen.
- Eine ausführliche und nachvollziehbare Begründung, warum Ihnen die Anwesenheit an diesem Termin unmöglich oder unzumutbar ist. Allgemeine Formulierungen sind hier nicht ausreichend. Sie müssen konkret darlegen, warum Sie nicht erscheinen können.
- Ihre Unterschrift.
Fristen für den Antrag
Der Antrag sollte so früh wie möglich gestellt werden, sobald der Hinderungsgrund bekannt ist. Je eher das Gericht von Ihrem Anliegen erfährt, desto besser kann es die weitere Planung des Verfahrens berücksichtigen. Wenn der Grund für Ihre Abwesenheit erst kurz vor dem Termin entsteht, informieren Sie das Gericht umgehend – am besten telefonisch vorab, gefolgt von einer schriftlichen Einreichung des Antrags mit Begründung und Nachweisen. Eine sehr kurzfristige Mitteilung kann dazu führen, dass das Gericht Ihren Antrag nicht rechtzeitig prüfen und entscheiden kann, was negative Folgen für Sie haben könnte.
Notwendige Nachweise
Um die Notwendigkeit der Entbindung zu belegen, müssen Sie aussagekräftige Nachweise beifügen. Das Gericht prüft die Glaubwürdigkeit und Dringlichkeit Ihrer Gründe.
- Bei Krankheit: Ein ärztliches Attest ist in der Regel zwingend erforderlich. Dieses Attest sollte nicht nur eine Krankschreibung sein, sondern ausdrücklich bestätigen, dass Sie aufgrund Ihrer Erkrankung verhandlungsunfähig sind und den Gerichtstermin nicht wahrnehmen können. Es sollte auch den voraussichtlichen Zeitraum der Verhandlungsunfähigkeit nennen. In manchen Fällen kann das Gericht auch ein amtsärztliches Attest verlangen, um die Verhandlungsunfähigkeit zu überprüfen.
- Bei anderen wichtigen Gründen: Hier sind entsprechende Belege erforderlich. Beispiele hierfür sind:
- Bei einer unaufschiebbaren beruflichen Verpflichtung: Eine schriftliche Bestätigung des Arbeitgebers oder entsprechende Unterlagen, die die Unvermeidbarkeit belegen.
- Bei einem Todesfall in der Familie oder Beerdigung: Eine Sterbeurkunde oder Trauerkarte.
- Bei einer wichtigen, bereits lange geplanten und unaufschiebbaren Reise: Buchungsbestätigungen und Reiseunterlagen, die die Unvermeidbarkeit der Reise zum Terminzeitpunkt zeigen.
Die vorgelegten Nachweise müssen die dargelegten Gründe vollständig und überzeugend untermauern.
Prüfung durch das Gericht
Die Gerichte prüfen die vorgebrachten Gründe sehr streng. Sie wägen Ihr Interesse an der Entbindung von der Anwesenheitspflicht gegen das Interesse der Rechtspflege ab, dass das Verfahren ohne unnötige Verzögerung fortgeführt wird.
Entscheidend ist, ob der Hinderungsgrund unvermeidbar und unzumutbar ist. Das bedeutet, dass es Ihnen nicht möglich war, die Anwesenheit zu gewährleisten, oder dass dies mit erheblichen, unzumutbaren Schwierigkeiten verbunden wäre. Eine einfache Unannehmlichkeit, eine leichte Erkältung oder der Wunsch, lieber etwas anderes zu tun, sind keine ausreichenden Gründe für eine Entbindung. Das Gericht wird auch prüfen, ob Sie den Termin oder die Reise bewusst so gelegt haben, dass es zu einer Kollision mit dem Gerichtstermin kommt.
Wird Ihr Antrag auf Entbindung abgelehnt und Sie erscheinen dennoch nicht, kann dies je nach Art des Verfahrens und Ihrer Rolle im Prozess rechtliche Nachteile für Sie haben, wie beispielsweise ein Versäumnisurteil, Ordnungsgeld, das Tragen zusätzlicher Kosten oder das Ergehen einer Entscheidung ohne Ihre Mitwirkung.
Kann mein Anwalt mich immer im Bußgeldverfahren vertreten, oder gibt es Einschränkungen?
Im Bußgeldverfahren ist die Vertretung durch einen Anwalt grundsätzlich umfassend möglich. Dies bedeutet, dass ein Anwalt Ihre Rechte und Interessen im Verfahren wahrnehmen kann, ohne dass Sie persönlich bei jedem Schritt anwesend sein müssen. Er kann beispielsweise Akteneinsicht nehmen, Stellungnahmen für Sie abgeben oder Beweismittel vorlegen.
Besondere Vollmacht für spezifische Handlungen
Für bestimmte, wichtige Verfahrenshandlungen kann es jedoch erforderlich sein, dass der Anwalt eine besondere Vollmacht von Ihnen erhält. Eine solche besondere Vollmacht weist explizit aus, dass Sie Ihren Anwalt ermächtigen, auch über den üblichen Rahmen hinaus zu handeln. Ein typisches Beispiel hierfür ist der Antrag auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht bei der gerichtlichen Hauptverhandlung. Ohne diese spezielle Bevollmächtigung ist Ihr Anwalt möglicherweise nicht berechtigt, diesen Antrag zu stellen.
Anordnung der persönlichen Anwesenheit durch das Gericht
Trotz anwaltlicher Vertretung gibt es Situationen, in denen das Gericht, insbesondere das Amtsgericht als zuständige Instanz im Bußgeldverfahren, Ihre persönliche Anwesenheit anordnen kann. Dies geschieht meist dann, wenn Ihre Aussage oder Ihr persönlicher Eindruck für die Aufklärung des Sachverhalts unverzichtbar erscheint. Stellen Sie sich vor, Sie sind die einzige Person, die bestimmte Geschehnisse beobachtet hat, oder es geht um Ihre Identifizierung. Das Gericht kann dann entscheiden, dass Ihre persönliche Anwesenheit notwendig ist, um die Umstände des Falles vollständig zu klären. Auch wenn ein Anwalt beauftragt wurde, müssen Sie dieser richterlichen Anordnung Folge leisten. Diese Möglichkeit der Anordnung ist im Gesetz verankert und dient der Wahrheitsfindung im Verfahren.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Besondere Vollmacht
Eine besondere Vollmacht ist eine spezielle Erlaubnis, die ein Mandant seinem Rechtsanwalt erteilt, um in sensiblen oder weitreichenden Verfahrensangelegenheiten für ihn zu handeln. Im Bußgeldverfahren ist sie besonders dann nötig, wenn der Anwalt den Antrag stellt, den Mandanten von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden (§ 73 Abs. 2 OWiG). Sie unterscheidet sich von der allgemeinen Prozessvollmacht, die nur die alltäglichen Verfahrenshandlungen abdeckt, und gewährleistet, dass der Mandant diese weitreichende Entscheidung bewusst und ausdrücklich erlaubt hat. Ohne diese Vollmacht erkennt das Gericht den Entbindungsantrag oft nicht an und kann den Einspruch verwerfen.
Beispiel: Wenn Sie möchten, dass Ihr Anwalt für Sie beantragt, dass Sie zu einem Gerichtstermin nicht persönlich erscheinen müssen, müssen Sie ihm eine besondere Vollmacht dafür geben – eine allgemeine Vollmacht reicht dafür nicht aus.
Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen
Die Entbindung von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen bedeutet, dass eine Person, die in einem Bußgeldverfahren beschuldigt wird, nicht persönlich zu der anberaumten Hauptverhandlung vor Gericht kommen muss. Nach § 73 Abs. 2 OWiG kann ein Gericht einem Betroffenen auf Antrag diese Entbindung gewähren, wenn seine Anwesenheit für die Aufklärung des Sachverhalts nicht notwendig ist und keine schwerwiegenden Rechtsfolgen drohen. Dieser Schritt ist nur mit einer besonderen Vollmacht des Betroffenen möglich, da das persönliche Erscheinen wichtige Verfahrensrechte wie das Äußerungsrecht und das Recht auf rechtliches Gehör sichert.
Beispiel: Wenn Sie geblitzt wurden und den Bußgeldbescheid akzeptieren, können Sie Ihren Anwalt bitten, beim Gericht zu beantragen, dass Sie nicht persönlich zum Verhandlungstermin erscheinen müssen – dazu braucht er aber eine besondere Vollmacht.
Verwerfung des Einspruchs
Die Verwerfung des Einspruchs bedeutet, dass das Gericht den Einspruch eines Betroffenen gegen einen Bußgeldbescheid nicht inhaltlich prüft, sondern ihn als unzulässig zurückweist. Dies geschieht häufig, wenn der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht zum Gerichtstermin erscheint und es keinen entschuldigten Grund für sein Fernbleiben gibt. Die Folge der Verwerfung ist, dass der Bußgeldbescheid rechtskräftig wird und die Geldbuße bezahlt sowie weitere Folgen (z. B. Punkte im Fahreignungsregister) gelten müssen.
Beispiel: Sie legen Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid ein, kommen aber ohne entschuldigenden Grund nicht zum Termin; das Gericht verwirft Ihren Einspruch und verhängt die Strafe, ohne den Sachverhalt zu prüfen.
Rechtsbeschwerde
Die Rechtsbeschwerde ist ein Rechtsmittel, mit dem gegen Entscheidungen im Bußgeldverfahren vorgegangen werden kann, insbesondere gegen die Verwerfung des Einspruchs (§ 74 Abs. 2 i.V.m. §§ 79 ff. OWiG). Sie dient der Überprüfung, ob das Amtsgericht bei seiner Entscheidung Verfahrensfehler gemacht hat, zum Beispiel ob der Betroffene unentschuldigt der Hauptverhandlung fernblieb oder ob das Gericht fehlerhaft einen Entbindungsantrag abgelehnt hat. Im vorliegenden Fall wies das Oberlandesgericht die Rechtsbeschwerde zurück, da keine Verfahrensfehler vorlagen.
Beispiel: Sie sind mit der Verwerfung Ihres Einspruchs nicht einverstanden und wollen gerichtlich prüfen lassen, ob das Gericht richtig gehandelt hat; dazu legen Sie Rechtsbeschwerde ein.
Terminsvollmacht
Die Terminsvollmacht ist eine spezielle Form der Vollmacht, mit der ein Rechtsanwalt bevollmächtigt wird, bei einem festgesetzten Gerichtstermin für den Mandanten aufzutreten und dort wirksame Rechtsgeschäfte vorzunehmen. Im Bußgeldverfahren bezieht sie sich auf die Vertretung bei der Hauptverhandlung. Für bestimmte Anträge, wie die Entbindung vom persönlichen Erscheinen, muss die Terminsvollmacht zusätzlich von dem ursprünglich bevollmächtigten Anwalt unterschrieben sein, um wirksam zu sein. Fehlt diese Unterschrift, erkennt das Gericht den Antrag nicht an.
Beispiel: Ein Anwalt, der den Mandanten bei einem Gerichtstermin vertritt, muss eine unterschriebene Terminsvollmacht vorlegen, besonders wenn er bei dem Termin Anträge stellt, die weitreichende Rechte betreffen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 73 Absatz 2 Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG): Regelt die Möglichkeit, einen Betroffenen von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden. Eine solche Entbindung erfordert ausdrücklich einen Antrag des Betroffenen oder seines Verteidigers. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Entbindung vom persönlichen Erscheinen muss von einem Rechtsanwalt mit einer besonderen Vollmacht beantragt werden, da das persönliche Erscheinen ein bedeutendes Verfahrensrecht ist, dessen Verzicht gut belegt sein muss.
- § 80 Absatz 1 Nr. 1 OWiG: Bestimmt die Zulassungsvoraussetzungen für die Rechtsbeschwerde gegen Urteile in Bußgeldverfahren, insbesondere bei relativ geringen Bußgeldern ohne Nebenfolgen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wurde als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde nach dieser Vorschrift behandelt, der jedoch vom OLG Brandenburg als unbegründet zurückgewiesen wurde.
- § 74 Absatz 2 OWiG: Regelt die Verwerfung des Einspruchs, wenn der Betroffene ohne genügende Entschuldigung der Hauptverhandlung fernbleibt und nicht wirksam vom persönlichen Erscheinen entbunden wurde. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Aufgrund der fehlenden besonderen Vollmacht war der Entbindungsantrag unwirksam, sodass das Amtsgericht den Einspruch rechtmäßig verwerfen konnte.
- § 46 Absatz 1 OWiG i.V.m. § 473 Absatz 1 Satz 1 StPO: Bestimmen die Kostenfolge bei Rechtsmitteln in Ordnungswidrigkeitenverfahren, wonach der Unterlegene die Kosten trägt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das OLG hat den Betroffenen zur Tragung der Kosten des Rechtsmittelverfahrens verurteilt, da seine Rechtsbeschwerde erfolglos war.
- Persönliches Erscheinen und rechtliches Gehör (Grundsatz aus § 55 RStV, verfahrensrechtliche Ausgestaltung nach OWiG): Das persönliche Erscheinen dient der Wahrung wichtiger Verfahrensrechte wie der Äußerungsbefugnis und des letzten Wortes, ohne die die Verteidigung und das rechtliche Gehör beeinträchtigt wären. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die strenge Anforderung der besonderen Vollmacht schützt die wesentlichen Rechte des Betroffenen, indem eine Entbindung vom Erscheinen nur bei ausdrücklicher und nachweisbarer Zustimmung erfolgt.
- Vollmachtrecht im Bußgeldverfahren (aus Rechtsprechung und Prozessrecht): Differenziert zwischen allgemeiner Prozessvollmacht und besonderer Vollmacht; für Eingriffe in grundrechtlich geschützte Positionen, wie den Verzicht auf das Erscheinen, ist eine besondere Vollmacht erforderlich, die diesen Verzicht explizit erlaubt. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Die vorgelegte allgemeine Prozessvollmacht reichte nicht aus, um den Anwalt zu berechtigen, den Verzicht auf das persönliche Erscheinen zu erklären, sodass der Antrag des Verteidigers unwirksam war.
Das vorliegende Urteil
OLG Brandenburg – Az.: 1 ORbs 55/25 – Beschluss vom 16.04.2025
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