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CoronaSchVO NRW – Ansammlung und Nichteinhaltung Mindestabstand von 1,5 m

AG Schmallenberg – Az.: 6 OWi – 211 Js 408/21 – 26/21 – Urteil vom 16.11.2021

Der Betroffene wird wegen Verstoß gegen das Ansammlungsverbot nach der CoronaSchVO NRW zu einer Geldbuße von 250,00 EUR verurteilt.

Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens und seine Auslagen.

Angewandte Vorschriften:

§ 28 Abs. 1, § 32, § 73 Abs. 1 a Nr. 24 IfSG in der Fassung vom 29.03.2021, §§ 1 Abs. 5, 15 Abs. 1, 18 Abs. 2 Nr. 1 b; CoronaSchVO NRW in der Fassung vom 29.03.2021.

Gründe

1.

Der Betroffene ist nach eigenen Angaben selbständig und in der Finanzbranche tätig.

2.

Dem Betroffenen wird durch Bußgeldbescheid der Stadt T vom 14.06.2021 vorgeworfen, am 16.04.2021 auf dem Gelände des G in T an einer Ansammlung mit mehreren Personen aus mehr als einem Haushalt teilgenommen und dabei den Mindestabstand von 1,5 m unterschritten und dadurch eine Ordnungswidrigkeit nach dem IfSG i.V.m. CoronaSchVO NRW in der zur Tatzeit gültigen Fassung begangen zu haben.

3.

Nachdem auch während der Corona-Pandemie auch in T die Hotels und Gaststätten geschlossen hatten und dadurch teilweise in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten gerieten, entschloss sich die Betreiberin des Familienhotels G Mitte April 2021 ihr Hotel wieder zu öffnen. Diese Eröffnung wurde von einer größeren Gruppe von Personen, die mit der Corona-Schutzmaßnahmen nicht einverstanden sind, durch ihre Anwesenheit unterstützt.

Auch der Betroffene begab sich auf das Gelände des Hotels und stand dabei zum Teil unter deutlicher Unterschreitung des Mindestabstandes von 1,5 m in einer Ansammlung von mehr als 5 Personen aus mehr als zwei Haushalten. Dabei fotografierte oder filmte der Betroffene mit seinem Mobiltelefon die gegen die Ansammlung einschreitenden Mitarbeiter des Ordnungsamtes der Stadt T bzw. der Polizei.

4.

Der Betroffene hat im Hauptverhandlungstermin keine Angaben zur Sache gemacht.

5.

Der Betroffene ist nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme mit der für eine Verurteilung erforderlichen Sicherheit der ihm zur Last gelegten Ordnungswidrigkeit überführt. Nach den Aussagen der im Hauptverhandlungstermin vernommenen Zeugen und der Inaugenscheinnahme der Lichtbilder in der Akte (Bl. 3-8 d.A), auf die gem. den §§ 46 OWiG, 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen wird, steht fest, dass der Betroffene am Tattag an einer zu dieser Zeit nach der CoronaSchVO unzulässigen Ansammlung von Personen beteiligt war.

Der Zeuge M hat bekundet, an dem betreffenden Tag seien vor dem Hotel jede Menge Menschenansammlungen, grob geschätzt ca. 40-50 Personen gewesen. Im weiteren Verlauf habe er, nachdem er gesehen habe, dass immer wieder Personen im Vorraum Fotos gemacht haben, auch Fotos gemacht, um Gegenbeweise zu bekommen. Es habe heftige Diskussionen zwischen den Teilnehmern und Herrn W und Herrn U vom Ordnungsamt der Stadt T und der Polizei gegeben.

An den Betroffenen könne er sich auf jeden Fall erinnern. Es habe Situationen gegeben, wo dieser den Abstand von 1,5 m zu anderen Personen eingehalten habe, es habe aber auch Situationen gegeben, wo der Abstand nicht eingehalten worden sei. Der Betroffene habe ab und zu auf Abstand gestanden. Er schätze dies auf 50 zu 50 ein. Alle hätten untereinander diskutiert und auch der Betroffene habe sich unterhalten.

Der Zeuge X hat ausgesagt, dass er erst gegen ca. 16.00 Uhr am Hotel eingetroffen sei und sich im rückwärtigen Bereich bei der Polizei aufgehalten habe. Ca. 25-30 Leute hätten vor dem Hotel gestanden. Diese hätten die Abstände nicht durchweg eingehalten und in Gruppen zusammengestanden. An den Betroffenen könne sich allerdings nicht erinnern. Die Kollegen vorne hätten den Personen immer wieder gesagt, dass der Abstand eingehalten werden müsse.

Der Zeuge U hat gleichfalls bekundet, dass es vor dem Hotel eine Ansammlung gegeben habe. Als man angekommen sei, seien ca. 10-15 Personen da gewesen, im Laufe des Tages seien es immer mehr Personen geworden. Nach seiner Auffassung waren dies auch im Außenbereich Ordnungswidrigkeiten wegen Verstoßes gegen die damalige Corona-Schutzverordnung. Es hätten mehrere Personen eng zusammenstanden. Das seien später schätzungsweise 30-40 Personen gewesen. An den Betroffenen könne er sich gut erinnern.

Er habe viel fotografiert und sei mitten in der Gruppe gewesen. Weiter aufgefallen sei der Betroffene ihm nicht.

Es wurde immer wieder allen Personen gesagt, dass sie nicht fotografieren möchten und dann wurde diskutiert. Er und andere seien mehrmals vergeblich aufgefordert worden, dies zu unterlassen. In der Gruppe seien so viele Personen gewesen, dass, wenn jede von ihnen den Abstand eingehalten hätte, der Platz nicht ausgereicht hätte.

Aus den Aussagen aller Zeugen ergibt sich, dass sich am 16.04.2021 vor dem Hotel in G zahlreiche Personen zu einer Ansammlung ohne die ständige Einhaltung des Sicherheitsabstandes von 1,5 m zusammengefunden hatten. Aus den Aussagen der Zeugen U und M ergibt sich zudem, dass der Betroffene Teil dieser Ansammlung war. Die Aussagen der Zeugen sind glaubhaft. Sie wurden sämtlich ruhig und sachlich und ohne jedwede Belastungstendenz vorgetragen. Die Zeugen haben auch Wissenslücken offenbart. Es ist keinerlei vernünftiger Grund dafür ersichtlich, wieso einer der Zeugen, den ihnen bis dahin unbekannten Betroffenen zu Unrecht belasten sollte. Außerdem korrespondieren die Aussagen der Zeugen mit den sich in der Akte befindlichen Lichtbildern. Auf diesen Bildern ist der Betroffene für das Gericht eindeutig identifizierbar. Sehr deutlich ist auf den Bildern auch zu sehen, dass der Betroffene Teil einer Ansammlung zahlreicher Personen ist und deutlich nicht den Mindestabstand von 1,5 m einhält. Teilweise steht er mit anderen Personen, die auch aufgrund weiterer anderer Ordnungswidrigkeitenverfahren gerichtsbekanntermaßen nicht zu seinem Haushalt gehören, nahezu auf Tuchfühlung zusammen.

In der Verordnung zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 des Landes NRW (Coronaschutzverordnung – CoronaSchVO) vom 5. März 2021, in der ab dem 29. März 2021 gültigen Fassung, war in § 2 Abs. 1a folgendes bestimmt:

„Ansammlungen und ein Zusammentreffen von Personen sind im öffentlichen Raum nur zulässig, wenn nach den nachfolgenden Regelungen der Mindestabstand unterschritten werden darf oder wenn die Ansammlung oder das Zusammentreffen nach anderen Vorschriften dieser Verordnung unter Wahrung des Mindestabstands ausdrücklich zulässig ist.“

Die Auffassung der Verteidigung, mit Hinweis auf den Beschluss des OLG Hamm, Beschluss vom 28. Januar 2021 – III-4 RBs 446/20, dass der Betroffene nicht an einer Ansammlung teilgenommen habe, weil er sich nicht aktiv an der Ansammlung beteiligt habe und es mithin an einem inneren Bezug oder einer äußeren Verklammerung fehle, verkennt die zitierte Entscheidung und den Begriff der Ansammlung. Vorliegend könnte man sogar schon von einer Versammlung sprechen. Denn allen Teilnehmern war gemeinsam, ein Zeichen gegen die ihrer Ansicht nach unsinnigen Coronaschutzmaßnahmen zu setzen (vgl dazu Dürig/Herzog/Scholz/Depenheuer, 95. EL Juli 2021, GG Art. 8 Rn. 47). Hierauf braucht jedoch nicht näher eingegangen zu werden, da bereits die Ansammlung unzulässig war. Ansammlungen sind bereits das zufällige und nicht organisierte Zusammenkommen mehrerer Menschen über einen bestimmten Zeitraum. So sind Beispiele für Ansammlungen nach der Gesetzesbegründung für § 26 BPolG Naturereignisse und Unfälle, bei denen Schaulustige eine Ansammlung bilden (BR-Drs. 418/94, S. 58). Keine Ansammlungen ist hingegen das rein zufällige Zusammenkommen mehrerer Menschen. Nichts anderes hat das OLG Hamm in dem zitierten Beschluss festgestellt.

Das OLG hat ausgeführt:

CoronaSchVO NRW - Ansammlung und Nichteinhaltung Mindestabstand von 1,5 m
(Symbolfoto: franconiaphoto/Shutterstock.com)

„Nach dem Sprachgebrauch versteht man unter einer Ansammlung das Zusammenkommen einer Mehrzahl von Personen. Auch wenn der Begriff der Ansammlung somit weit zu fassen ist, benötigt man jedenfalls einen inneren Bezug oder eine äußere Verklammerung (vgl. Kießling, a.a.O., § 28 Rn. 37), andernfalls würde jede bloß zufällige gleichzeitige Anwesenheit mehrerer Menschen im Interesse der individuellen Bedarfsdeckung, wie beim Einkaufen oder auch bei einem bloßen Spaziergang im öffentlichen Raum zu einer verbotenen Ansammlung i.S.d. §12 Abs.1 CoronaSchVO NRW führen. Dies kann nicht der Wille des Verordnungsgebers gewesen sein (vgl. hierzu auch OVG Lüneburg, Beschluss vom 11.06.2020 -13 MN 192/20, das den Begriff der Zusammenkunft oder Ansammlung dahingehend auslegt, dass hierunter nur jedes gezielte Zusammensein von Menschen an einem Ort um der kollektiven Ansammlung willen, nicht aber jede bloß zufällige gleichzeitige Anwesenheit mehrerer Menschen, zu verstehen ist). Von der Versammlung ist die Ansammlung dadurch abzugrenzen, dass sich erstere durch den Ausdruck gemeinschaftlicher, auf Kommunikation angelegter Entfaltung auszeichnet (vgl. BVerfG, NJW 1985, 2395, 2396)“.

Damit stellt das OLG im Gegensatz zur Ansicht des Verteidigers deutlich klar, dass es bei einer Ansammlung, anders als bei einer Versammlung, eben nicht auf Kommunikation ankommt. Der Betroffene war durch seine bewusste und eben nicht zufällige Anwesenheit Teil einer Menschenansammlung. Es kommt daher auf die Fragen, wie und ob er kommuniziert hat, gar nicht an, obgleich das Gericht auch von dieser Tatsache aufgrund der Beweisaufnahme überzeugt ist.

Den erforderlichen Mindestabstand bestimmt § 2 Abs. 1 b der CoronaSchVO dann wie folgt:

„Im öffentlichen Raum ist zu allen anderen Personen grundsätzlich ein Mindestabstand von 1,5 Metern (Mindestabstand) einzuhalten, soweit in dieser Verordnung nichts anderes bestimmt ist oder die Einhaltung des Mindestabstands aus medizinischen, rechtlichen, ethischen oder baulichen Gründen nicht möglich ist.“

Die Ansammlung hat auch im öffentlichen Raum stattgefunden. Öffentlicher Raum ist nach § 1 Abs. 5 S. 1 CoronaSchVO

sind alle Bereiche mit Ausnahme des nach des nach Art. 13 Absatz 1 des Grundgesetzes geschützten Bereichs.

Bei dem Vorplatz des Hotels handelte es sich um einen allgemein zugänglichen Bereich. Auf die Frage, ob dieser von einem kleinen Zaun umgeben war, kommt es nicht an. Zwar kann sich der Schutz des Art. 13 GG auch auf umzäunte Bereiche erstrecken. Dies gilt allerdings nur, wenn diese der öffentlichen Zugänglichkeit entzogen sind, wie private Gärten oder Vorgärten. Für den Schutz des Art. 13 GG ist allein entscheidend, ob der jeweilige Raum oder die jeweilige Fläche als Bereich der individuellen Lebensgestaltung und des „privaten Rückzugs“ ausgewiesen ist und der Öffentlichkeit nicht frei zugänglich sein soll (Dürig/Herzog/Scholz/Papier, 95. EL Juli 2021, GG Art. 13 Rn. 11). Dies ist hier bei dem Vorbereich des Hotels, wo ansonsten auch Bewirtungen stattfinden, eindeutig nicht der Fall.

Das „Ansammlungsverbot“ gemäß CoronaSchVO NRW findet in § 32 i.V.m. § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG eine hinreichende gesetzliche Grundlage. Die Verordnungsermächtigung der §§ 32, 28 Abs. 1 IfSG und das Ansammlungsverbot der CoronaSchVO NRW in seiner konkreten Ausgestaltung verstoßen nicht gegen höherrangiges Recht (OLG Hamm, Beschluss vom 28. Januar 2021 – III-4 RBs 446/20).

Auf die von der Verteidigung aufgeworfene Frage, ob und wieweit im Außenbereich bei der Ansammlung ein konkretes Infektionsrisiko bestanden habe, kommt es für die Entscheidung nicht an, da das Vorliegen eines konkreten Infektionsrisikos kein Tatbestandsmerkmal ist. Auch insoweit ergeben sich keine verfassungsrechtlichen Bedenken an der CoronaSchVO. Denn Ziel des Ansammlungsverbots war die Reduzierung von Kontakten. Der Nachweis jeweils eines konkreten Infektionsrisikos ist nicht praktikabel und mit dem Infektionsschutz und dem Ziel der Pandemiebekämpfung nicht vereinbar. Der entsprechende Beweisantrag konnte daher gem. den §§ 46 Abs. 1 OWiG, 244 Abs. 3 Nr. 2 StPO zugewiesen werden.

Nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 c CoronaSchVO handelt ordnungswidrig im Sinne des § 73 Absatz 1a Nummer 24 in Verbindung mit §§ 32, 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 des IfSG handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 2 Absatz 1a in Verbindung mit Absatz 2 Nummer 1b, ohne dass ein Fall von § 2 Absatz 2 Nummer 1a vorliegt, im öffentlichen Raum in einer Gesamtzahl von mehr als fünf Personen aus höchstens zwei Haushalten zusammentrifft.

Der Betroffene hat zumindest fahrlässig gehandelt und sich damit einer Ordnungswidrigkeit nach § 28 Abs. 1, § 32, § 73 Abs. 1 a Nr. 24 IfSG in der Fassung vom 29.03.2021; §§ 15 Abs. 1,18 Abs. 2 Nr. 1 c CoronaSchVO NRW in der Fassung vom 29.03.2021 schuldig gemacht.

6.

Die Ordnungswidrigkeit kann nach § 73 Abs. 2 IfSG mit einer Geldbuße von bis zu 25.000,00 Euro geahndet werden. Der zur Tatzeit gültige Bußgeldkatalog zur CoronaSchVO NRW sieht die Ordnungswidrigkeit des Betroffenen eine Geldbuße von 250,00 Euro vor. Das Gericht ist bei der Bemessung der Geldbuße nicht an den Bußgeldkatalog gebunden, hält aber diese Geldbuße in Anbetracht der Bedeutung des Infektionsschutzes und der Art und Weise der Begehung durch den Betroffenen für tat- und schuldangemessen.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus den §§ 46 Abs. 1 OWiG, 465 StPO.

Angewendet wurden die im Urteilstenor aufgeführten Bestimmungen.

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