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Bußgeldverfahren – Verlesung polizeilicher Beobachtungsbögen

Elektronisches Gerät in der Hand: Bußgeldverfahren entscheidet über Verlesung von Beobachtungsbögen

Das Urteil befasst sich mit der Fragestellung, ob und in welchem Umfang in einem Bußgeldverfahren polizeiliche Beobachtungsbögen und schriftliche Zeugenaussagen als Beweismittel zugelassen und verlesen werden dürfen. Dieses Urteil berührt die Kernthematik der Beweisaufnahme und der Zulässigkeit von Protokollen und Dokumentationen von Strafverfolgungsbehörden im Kontext von Ordnungswidrigkeiten, wie beispielsweise der Nutzung eines elektronischen Geräts während der Fahrt. Dabei wird insbesondere die Balance zwischen einer effizienten Verhandlungsführung und der Wahrung der Rechte des Betroffenen beleuchtet. Die Thematik umfasst somit die rechtliche Bewertung von Beweismitteln wie Beobachtungsbögen und deren Einfluss auf die Festsetzung einer Geldbuße.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 16 OWi 14 Js 21187/20  >>>

Bußgeld Handy
(Symbolfoto: l i g h t p o e t /Shutterstock.com)

Das Wichtigste in Kürze


Das Urteil bestätigt, dass die Verlesung polizeilicher Beobachtungsbögen in einem Bußgeldverfahren zulässig ist, insbesondere bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten und wenn der Betroffene nicht zur Hauptverhandlung erscheint.

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Die Betroffene wurde wegen unerlaubter Nutzung eines elektronischen Geräts während der Fahrt zu einer Geldbuße von 100 Euro verurteilt.
  2. Der Verteidiger widersprach der Verlesung der Zeugenaussage und des Beobachtungsbogens und beantragte die Vernehmung der Zeugen.
  3. Das Amtsgericht Tübingen entschied, dass die Verlesung des Beobachtungsbogens und der schriftlichen Aussage des Zeugen zulässig ist.
  4. Die Entscheidung basierte auf dem Beobachtungsbogen, der schriftlichen Aussage des Zeugen, Lichtbildern und einem vorherigen Urteil.
  5. Das Gericht argumentierte, dass die Änderung des § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO den Wunsch des Gesetzgebers widerspiegelt, die persönliche Einvernahme des Zeugen verzichtbar zu machen.
  6. Die Verlesung dient zur Straffung der Hauptverhandlung und zu Kosteneinsparungen.
  7. Das Gericht lehnte den Beweisantrag des Verteidigers auf Einvernehmung der Zeugen ab, da keine Indizien vorgetragen wurden, die den Beobachtungsbogen in Frage stellten.
  8. Das Urteil könnte als Präzedenzfall für ähnliche Fälle dienen, in denen die Verlesung von Dokumenten als Beweismittel in Frage gestellt wird.

Bußgeldverfahren vor Gericht: Ein umstrittener Fall

In dem vorliegenden Fall handelt es sich um ein Bußgeldverfahren, welches vor dem Amtsgericht Tübingen unter dem Aktenzeichen 16 OWi 14 Js 21187/20 verhandelt wurde. Die Betroffene wurde wegen der unerlaubten Nutzung eines elektronischen Geräts, konkret eines Smartphones, während der Fahrt zu einer Geldbuße von 100 Euro verurteilt. Die Kosten des Verfahrens wurden ebenfalls der Betroffenen auferlegt. Der Verteidiger der Betroffenen widersprach der Verlesung der Zeugenaussage und des polizeilichen Beobachtungsbögens und beantragte die Vernehmung der beobachtenden Zeugen.

Polizeiliche Beobachtungsbögen: Ein rechtliches Dilemma

Die rechtliche Auseinandersetzung entstand, weil die Betroffene während der Fahrt beim Autohaus „D.“ von Strafverfolgungsbehörden beobachtet wurde, wie sie ein Smartphone auf dem Beifahrersitz liegen hatte. Die Beamten waren überzeugt, dass ein Verstoß vorlag und meldeten dies an den Kontrollposten. Das rechtliche Problem und die Herausforderung in diesem Fall lag in der Frage, ob die schriftliche Aussage des Zeugen und der Beobachtungsbogen nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO verlesen werden dürfen, insbesondere wenn es um die Wahrnehmung einer Ordnungswidrigkeit geht.

Das Urteil: Ein Präzedenzfall in der Beweisaufnahme

Das Gericht entschied, dass die Verlesung des Beobachtungsbogens und der schriftlichen Aussage des Zeugen zulässig ist, insbesondere da es sich um eine geringfügige Ordnungswidrigkeit handelte und die Betroffene nicht zur Hauptverhandlung erschienen ist. Das Gericht argumentierte, dass die Änderung des § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO den Wunsch des Gesetzgebers widerspiegelt, dass die persönliche Einvernahme des Zeugen verzichtbar wird und die Verlesung zur Straffung der Hauptverhandlung und zu Kosteneinsparungen führen soll.

Fazit und Auswirkungen auf zukünftige Bußgeldverfahren

Die Auswirkungen dieses Urteils könnten weitreichend sein, insbesondere in Bezug auf die Verlesung von polizeilichen Beobachtungsbögen und schriftlichen Aussagen in Bußgeldverfahren. Es könnte als Präzedenzfall für ähnliche Fälle dienen, in denen die Verlesung von Protokollen als Beweismittel in Frage gestellt wird. Das Fazit des Urteils ist, dass das Gericht die Verlesung von polizeilichen Beobachtungsbögen und schriftlichen Aussagen in Bußgeldverfahren als zulässig ansieht, insbesondere wenn es um geringfügige Ordnungswidrigkeiten geht und der Betroffene nicht zur Hauptverhandlung erscheint. Das Urteil betont die Bedeutung der Beweisaufnahme und die Notwendigkeit, die Rechte der Verteidigung zu wahren, während gleichzeitig eine effiziente und kostengünstige Justiz gefördert wird.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


Was bedeutet die „Verlesung polizeilicher Beobachtungsbögen“ im Kontext eines Bußgeldverfahrens?

Die „Verlesung polizeilicher Beobachtungsbögen“ im Kontext eines Bußgeldverfahrens bezieht sich auf die Präsentation von Informationen, die von der Polizei während ihrer Beobachtungen und Ermittlungen gesammelt wurden. Diese Beobachtungsbögen können beispielsweise Informationen über Verkehrsverstöße, wie Geschwindigkeitsüberschreitungen oder Rotlichtverstöße, enthalten.

In einem Bußgeldverfahren werden solche Beobachtungsbögen als Beweismittel verwendet, um die Vorwürfe gegen den Betroffenen zu stützen. Die Verlesung dieser Bögen in der Hauptverhandlung dient dazu, dem Gericht die relevanten Informationen zur Verfügung zu stellen, die es benötigt, um eine Entscheidung über die Schuld oder Unschuld des Betroffenen und die angemessenen Sanktionen zu treffen.

Es ist wichtig zu erwähnen, dass die polizeiliche Beobachtung eine Maßnahme zur Erhebung polizeirelevanter Daten ist und dazu beiträgt, die Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten und Verstöße gegen Verkehrsregeln zu ahnden.


Das vorliegende Urteil

AG Tübingen – Az.: 16 OWi 14 Js 21187/20 – Urteil vom 09.12.2020

1. Die Betroffene wird wegen unerlaubter Nutzung eines elektronischen Geräts zu einer Geldbuße von 100,- Euro verurteilt.

2. Die Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens.

Angewendete Vorschriften: §§ 23 Abs. 1a, 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO, 24 StVG

Gründe

I.

Die Betroffene ist 1971 in M. geboren und lebt in H. Sie ist verheiratet und hat fünf Kinder, davon sind drei noch minderjährig. Ihr Ehemann ist selbständig tätig, die Betroffene leistet ihm Unterstützung.

Die Betroffene ist in der Vergangenheit verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten. Am … überschritt sie als Fahrerin eines LKW (VW-Bus) auf der Autobahn XX auf Gemarkung G. die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 Km/h um 22 Km/h und führte das Fahrzeug mit 102 Km/h. Gegen sie erging ein Bußgeldbescheid über 70,- Euro, der am … in Rechtkraft erwuchs.

II.

Am Mittwoch, den … fuhr die Betroffene mit einem schwarzen Volkswagenbus, amtliches Kennzeichen …, auf der Bundesstraße XY im Stadtgebiet T., S.-er Straße, in Fahrtrichtung S.

Als die Betroffene um 15.30 Uhr unter einer Fußgängerbrücke hindurchfuhr, hielt sie ein Mobiltelefon in ihrer rechten Hand und tippte darauf.

Dies beobachteten die Polizeibeamten M. und J., der ebenfalls anwesende Polizeibeamte E. führte ein Protokoll („Beobachtungsbogen“). Darauf notierte der Beamte E. in einer Zeile einer Tabelle mit vier Spalten („Zeit“, „Kennzeichen“, „FZ-Typ, Beschr.“ und „Besonderheiten“) die Angaben „15.30 … schwarzer VW Bus rechte Hand + tippte“. Neben die letzte Spalte setzte er einen Pfeil nach rechts. Die Zeugen fertigten von der Beobachtungsstelle Lichtbilder.

Die Stadt T. erließ am 2. April 2020 einen Bußgeldbescheid gegen die Betroffene, der ihr am 7. April 2020 zugestellt wurde. Hiergegen hat sie form- und fristgerecht Einspruch eingelegt.

Auf den Einspruch der Betroffenen gab der Zeuge J. am 15. Juli 2020 eine dienstliche Stellungnahme ab, die mit den Worten endet: „An den konkreten Sachverhalt mit der Betroffenen können wir uns, in Anbetracht der vergangenen Zeit, nicht mehr erinnern.“.

III.

Das Gericht hat die Betroffene auf ihren Antrag von ihrer Pflicht entbunden, persönlich zu erscheinen.

Über den Verteidiger ließ die Betroffene einräumen, das Fahrzeug geführt zu haben. Außerdem machte sie einige Angaben zur Person.

Weitere Angaben zur Sache ließ die Betroffene nicht erklären.

Das Gericht hat gemäß §§ 71 OWiG, 249 StPO den Auszug aus dem Fahreignungsregister vom 18. September 2020 und gemäß §§ 71 OWiG, 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO die schriftliche Stellungnahme des Zeugen J. Bl. 15 und den Beobachtungsbogen Bl. 13 auszugsweise verlesen. Das Gericht hat die Lichtbilder Bl. 14 in Augenschein genommen und auszugsweise das Urteil des Amtsgerichts Tübingen vom 18. November 2020 verlesen. In genanntem Verfahren haben die Zeugen J. und E. im Beisein desselben Verteidigers zur Kontrolle am Tattag ausgesagt.

Der Verteidiger widersprach indes der Verlesung der Zeugenaussage und des Beobachtungsbogens. Er beantragte die Vernehmung der beobachtenden Zeugen und widersprach auch dem Schluß der Beweisaufnahme.

1.)

Die Feststellungen zur Person beruhen auf den Angaben des Verteidigers, denen das Gericht folgen konnte. Die Angaben zur Voreintragung beruhen auf der Verlesung des Auszugs aus dem Fahreignungsregister.

2.)

Die Betroffene ließ einräumen, das Fahrzeug geführt zu haben.

3.)

Tatort und Tatzeit sowie das Fahrzeug nebst Kennzeichen ergeben sich aus dem Beobachtungsbogen, den das Gericht auszugsweise verlesen hat. Die Feststellungen zur Tat ergeben sich zur Überzeugung des Gerichts ebenfalls aus dem Beobachtungsbogen der Polizeibeamten, der schriftlichen Aussage des Zeugen J., den Lichtbildern und dem Urteil des Amtsgerichts Tübingen vom 25. November 2020.

a)

Unter Überzeugung ist eine bestimmte innere Stellungnahme des Richters zum Gegenstand der Untersuchung zu verstehen, die ausschließlich aus dem Inbegriff der Verhandlung erwachsen darf. Der Richter muss seine Überzeugung von einem tatsächlichen Hergang nach einer gewissenhaften Prüfung der erhobenen Beweise auf Grund objektivierbarer und rational einleuchtender Erwägungen gewinnen. Dabei ist der Grundsatz streng zu beachten, dass von mehreren ernsthaft in Betracht kommenden Möglichkeiten allemal die dem Betroffenen günstigere anzunehmen ist. Überzeugt ist der Richter aber erst, wenn er die derart gewonnene Erkenntnis von einer zumindest hohen Wahrscheinlichkeit des Geschehens auch subjektiv für zutreffend hält (Sander in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2012, § 261, Rn. 7).

Diese Überzeugung hat das Gericht aus dem Beobachtungsbogen, jedenfalls in Zusammenschau mit der schriftlichen Aussage des Zeugen J. und dem Urteil vom 18. November 2020, gewonnen.

Der Beobachtungsbogen trägt im Kopf die Überschrift „Verkehrsüberwachung“ und das Datum 11. März 2020. Er ist nicht unterzeichnet und nicht vollständig. Der Vermerk umfaßt eine DIN-A-4-Seite und besteht aus einer vorgedruckten Tabelle, die handschriftlich ausgefüllt ist. Nach der handschriftlichen Notiz beobachtete der Verfasser am … um 15.30 Uhr einen schwarzen VW-Bus mit dem Kennzeichen …, dessen Fahrzeugführer ein Gerät in der rechten Hand hielt und darauf tippte. Aus der weiteren schriftlichen Äußerung des Zeugen J., die das Gericht verlesen hat, ergibt sich, daß die Notizen vom Polizeibeamten E. verfaßt wurden, während die Polizeibeamten J. und M. vom A.-Park beim staatlichen Seminar für Schulpädagogik den fließenden Verkehr auf der B XY, der S.-er Straße, beobachteten.

Aus der schriftlichen Aussage des Zeugen J. ergibt sich weiterhin, daß die Dienstgruppe der Polizeibeamten am … eine Gurtkontrolle durchführten. Die den Verkehr beobachtenden Beamten M. und J. wählten einen gegenüber der Fahrbahn erhöhten Standort und konnten so von oben in die Fahrzeuge sehen. Die Betroffene sei aus Richtung H. in Richtung K. gefahren. An der Anhaltestelle beim Autohaus „D.“ habe Kollege R. festgestellt, daß ein Smartphone auf dem Beifahrersitz des von der Betroffenen geführten Fahrzeugs gelegen habe. Von den beobachtenden Kontrollbeamten würden nur solche Fahrzeugführer zur Kontrolle durchgegeben, bei denen eindeutig ein Verstoß habe festgestellt werden können.

b)

Das Gericht durfte die schriftliche Aussage des Zeugen J. vom 15. Juli 2020 und den Beobachtungsbogen nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO i. V. m. § 71 OWiG auch ohne Zustimmung des Verteidigers (§ 77a Abs. 4 OWiG) in der Hauptverhandlung verlesen.

Nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO kann das Gericht Protokolle sowie in einer Urkunde enthaltene Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden über deren Ermittlungshandlungen, soweit diese nicht eine Vernehmung zum Gegenstand haben, verlesen.

Durchaus problematisch erscheint, ob dies auch für die Wahrnehmung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit gilt, die in einer entsprechenden Erklärung festgehalten ist.

Das Gericht meint aber, daß dies jedenfalls im vorliegenden Fall, in dem dem Betroffenen eine geringfügige Ordnungswidrigkeit zur Last gelegt wird und der Betroffene nicht zur Hauptverhandlung erscheint, möglich und auch zur Überzeugungsbildung ausreichend sein muß.

α)

§ 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO wurde durch das Gesetz zur Modernisierung der Justiz vom 24. August 2004 eingefügt. Die darin enthaltenen Änderungen verfolgen das Ziel, ohne Beeinträchtigung rechtsstaatlicher Standards das Gerichtsverfahren zu vereinfachen und seine Effizienz zu erhöhen (BT-Drs. 15/1508, S. 13). Gerade mit der Änderung des § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO ist der Wunsch des Gesetzgebers verbunden, daß die persönliche Einvernahme des Zeugen „verzichtbar“ werden und die Verlesung im „Interesse aller Verfahrensbeteiligter“ zur Straffung der Hauptverhandlung und zu Kosteneinsparungen führen soll (BT-Drs. a. a. O.). In der Einzelbegründung nennt die Begründung „Vermerke über Routinevorgänge, wie Beschlagnahme, Spurensicherung, Durchführung einer Festnahme, Sicherstellungen, Hausdurchsuchungen etc.“. Entsprechende Protokolle seien den in § 256 Nr. 1 StPO genannten Zeugnissen öffentlicher Behörden vergleichbar, „meist“ routinemäßig erstellt und daher hinreichend objektiv. Der Polizeibeamte könne als Zeuge „in der Hauptverhandlung ohnehin kaum mehr bekunden als das, was in dem Protokoll bereits schriftlich festgelegt ist“ (BT-Drs. 15/1508, S. 26). Ausdrücklich abgegrenzt wird die Verlesung von Inhalten über Vernehmungen.

Aus dem Begriff „meist“ schließt die Kommentarliteratur, daß auch außerhalb der Routine liegende Vorgänge von der Vorschrift umfaßt sind (Diemer, Karlsruher Kommentar zur StPO, 8. Aufl. 2019, § 256, Rn 9a). So können nach der Rechtsprechung auch Observationsberichte (BGH, Beschluß vom 8. März 2016 – 3 StR 484/15 – NJW 2016, 1601), besondere Methoden der Spurensicherung (PHIDIAS- OLG Celle, Beschluß vom 15. Juli 2013 – 31 Ss 24/13 – NStZ 2014, 175), aber auch ein „Polizeibericht“ (BGH, Beschluß vom 1. August 2018 – 5 StR 330/18 – Juris) oder ein „Tathergangsbericht“ (BGH, Beschluß vom 13. April 2015 – 5 StR 110/15 – JR 2016, 261) verlesen werden.

β)

Wenn aber Polizeiberichte oder Tathergangsberichte ebenso verlesen werden können wie Berichte einer angeordneten Observation, sieht das Gericht keinen qualitativen Unterschied mehr zur Verlesung eines Berichts über eine Beobachtung einer Ordnungswidrigkeit.

Der hier dokumentierte Fahrverstoß stellt ein typisches Alltagsdelikt dar, das häufig von Polizeibeamten beobachtet wird (vgl. AG Tübingen, Urteil vom 18. November 2020 – 16 Owi 16 Js 16010/20; Urteil vom 16. September 2020 – 16 Owi 14 Js 12943/20; Urteil vom 22. April 2020 – 16 Owi 18 Js 16583/19; Urteil vom 11. März 2020 – 16 owi 16 Js 29141/19; Urteil vom 18. Dezember 2019 – 16 Owi 18 Js 21236/19 usw.). In nahezu allen Fällen haben die Zeugen an die Beobachtungen zur Tatzeit keine konkrete Erinnerung mehr und beziehen sich in ihrer Aussage wesentlich auf ihre Aktenvermerke (vgl. dieselben Urteile).

Deshalb hält das Gericht die Aussagekraft des Beobachtungsbogens gleichwertig zu den Dokumenten, die die Gesetzesbegründung und die beschriebene Rechtsprechung hierunter fassen und die nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO verlesen werden dürfen. Es handelt sich um Routinevorgänge, wie sich schon an dem Aufbau des Beobachtungsbogens zeigt. Er besteht aus einer Tabelle, in die die beobachtenden Beamten ihre Wahrnehmungen zu Zeit, Fahrzeug und Handlung eintragen. Schon durch diese tabellarische Anordnung ergibt sich, daß die eingetragenen Vorgänge gleich gelagert sind und daher als „Routine“ begriffen werden können. Auch die Prognose des Gesetzgebers, daß der Zeuge kaum mehr beurkunden können als im Vermerk festgehalten, trifft nach den Erfahrungen des Gerichts aus den zitierten Entscheidungen nahezu uneingeschränkt zu. Der Vermerk enthält keine Protokollierung oder Wiedergabe einer Zeugenaussage.

Damit spricht allein der besondere Inhalt des Beobachtungsbogens – die Beobachtung einer ahndungswürdigen Handlung – nicht gegen dessen Verlesung nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO.

ɣ)

Noch weniger problematisch erscheint die Verlesung des Schreibens des Zeugen J. vom 15. Juli 2020 gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO. Hierin beschreibt er insbesondere die generelle Vorgehensweise der beobachtenden Polizeibeamten und ihren Standpunkt. Außerdem gibt er preis, an die Einzelfälle keine Erinnerung mehr zu haben. Das Gericht sieht auch insoweit keine qualitativen Unterschiede beispielsweise zu Polizei- oder Tathergangsberichten. Diese Stellungnahme kann mit den Meßprotokollen anläßlich einer Geschwindigkeitsmessung verglichen werden, die ebenfalls nach § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO verlesen werden können (OLG Hamm, Beschluß vom 26. Juni 2014 – III-1 Rbs 105/14 – NStZ-RR 2014, 287).

c)

Das Gericht kann sich auch aufgrund der Verlesung des Beobachtungsbogens mit den weiteren Beweismitteln die notwendige Überzeugung vom Tatgeschehen verschaffen.

α)

Von der Frage, ob die Unterlagen verlesen werden dürfen, ist zu trennen, ob das Gericht darauf allein seine Überzeugung stützen kann und darf.

Nach dem Aufklärungsgrundsatz des § 244 Abs. 2 StPO hat das Gericht zur Erforschung der Wahrheit die Beweisaufnahme von Amts wegen auf alle Tatsachen und Beweismittel zu erstrecken, die für die Entscheidung von Bedeutung sind. Dieser Grundsatz wird für das Bußgeldverfahren in § 77 Abs. 1 OWiG dahin modifiziert, daß das Gericht den Umfang der Beweisaufnahme bestimmt und dabei auch die Bedeutung der Sache berücksichtigt. Dabei ist dem Gericht bewußt, daß der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme die Vernehmung eines Zeugen in den Vordergrund stellt und die Verlesung schriftlicher Dokumente nicht den Grad der Unmittelbarkeit erreicht, den eine Zeugenvernehmung bewirkt.

β)

Trotzdem kann das Gericht in einem Verfahren, in dem in Abwesenheit des Betroffenen verhandelt wird, weil er auf seinen Antrag nach § 73 Abs. 2 OWiG von der Teilnahme entbunden war, den Umfang der Beweisaufnahme dahin bestimmen, daß es allein den Beobachtungsbogen der Polizeibeamten verliest und diese nicht als Zeugen hört.

Dies ergibt sich daraus, daß von den Aussagen der Polizeibeamten nicht mehr zu erwarten ist als eine Wiedergabe des Aktenvermerks (vgl. AG Tübingen, Urteil vom 18. November 2020 – 16 Owi 16 Js 16010/20; Urteil vom 16. September 2020 – 16 Owi 14 Js 12943/20; Urteil vom 10. Juni 2020 – 16 Owi 14 Js 29860/19; Urteil vom 22. April 2020 – 16 Owi 18 Js 16583/19; Urteil vom 11. März 2020 – 16 Owi 16 Js 29141/19; Urteil vom 15. Januar 2020 – 16 Owi 18 Js 9175/19; Urteil vom 18. Dezember 2019 – 16 Owi 18 Js 21236/19 usw.). In allen Fällen hat das Gericht die anzeigenden Polizeibeamten zu ihren Beobachtungen vernommen und das Ergebnis war jeweils, daß sie sich auf ihren Aktenvermerk oder sonstige Aufzeichnungen bezogen. Diese Erfahrung machen auch andere Gerichte (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluß vom 11. April 2014 – IV-2 Rbs 37/14 – NZV 2015, 203).

ɣ)

Ist kein Vermerk zur Akte gelangt, gebietet es der Aufklärungsgrundsatz, die beobachtenden Polizeibeamten als Zeugen zu vernehmen. Ebenso gebietet es der Aufklärungsgrundsatz, die beobachtenden Polizeibeamten als Zeugen zu vernehmen, wenn der Betroffene erscheint, weil dann die Möglichkeit besteht, daß er neue Angaben zum Sachverhalt macht, die den Zeugen dann vorgehalten werden können. So kann es sein, daß der Betroffene statt eines elektronischen Geräts etwa eine Bonbondose (Urteil vom 16. September 2020 – 16 Owi 14 Js 12943/20), einen Nachfolgeakku für das Headset (Urteil vom 10. Juni 2020 – 16 Owi 14 Js 29860/19), einen Dämpfer (E-Zigarette, Urteil vom 22. April 2020 – 16 Owi 18 Js 16583/19), einen Schaltknauf (AG Tübingen, Urteil vom 2. Oktober 2019 – 16 Owi 18 Js 17019/19), ein Brillenetui (vgl. AG Tübingen, Urteil vom 14. Juli 2017 – 16 Owi 15 Js 4900/17 – Juris), ein Diktiergerät (AG Tübingen, Urteil vom 13. Juni 2017 – 16 Owi 16 Js 7027/17 – Juris) oder ein Kreditkartenetui (vgl. AG Tübingen, Urteil vom 15. Januar 2020 – 16 Owi 18 Js 9175/19) gehalten haben will. Dies kann dem beobachtenden Zeugen dann vorgehalten werden, der dann aufgrund seiner aktenkundigen Beobachtungsposition eine Verwechslung von Gegenständen bei der Beobachtung in seiner Vernehmung einräumen oder auch ausschließen kann. Entsprechend hat das Gericht auch im vorliegenden Verfahren zur Vorbereitung der Hauptverhandlung das persönliche Erscheinen des Betroffenen angeordnet und die beobachtenden Polizeibeamten als Zeugen geladen.

Nachdem allerdings die Betroffene über ihren Verteidiger Angaben zur Sache gemacht und gleichzeitig angegeben hatte, mehr nicht zur Sache auszusagen, sah das Gericht keinen Grund mehr, die Polizeibeamten zu vernehmen. Die Betroffene hat keine Einlassung gemacht, die in irgendeiner Form geeignet gewesen wäre, die im Beobachtungsbogen niedergelegten Feststellungen der Polizeibeamten in Zweifel zu ziehen. Unter diesen Umständen sieht das Gericht nicht, welches Detail das Gericht mit der Vernehmung der Zeugen noch über den Beobachtungsbogen hinaus würde aufklären können.

δ)

Die äußeren Umstände der Beobachtung hat der Zeuge J. im Schreiben vom 15. Juli 2020 anschaulich geschildert. Darüber hinaus sind drei Fotos zur Akte gelangt, die im wesentlichen eine Straße und die Bebauung dahinter zeigen. Wegen der Einzelheiten verweist das Gericht gemäß §§ 71 OWiG, 267 Abs. 1 Satz 3 StPO auf die Abbildungen der Bilder 1, 2 und 3 auf Bl. 14 d. A. Nach Ansicht in die Bilder ist das Gericht davon überzeugt, daß die beobachtenden Polizeibeamten, wie vom Zeugen J. im Schreiben vom 15. Juli 2020 geschildert, erhöht über der Fahrbahn standen und Fahrzeuge in beide Richtungen beobachten konnten.

Weiterhin hat das erkennende Gericht die Zeugen J. und E. zu einer anderen Beobachtung am selben Tag am 18. November 2020 in der Hauptverhandlung im Verfahren 16 Owi 16 Js 16010/20 vernommen, an der auch der Verteidiger der Betroffenen teilgenommen hatte. Das Gericht hat nach §§ 71 Abs. 1 OWiG, 249 StPO die Urteilsgründe auszugsweise verlesen, soweit sie die Beobachtungen der Zeugen wiedergeben. Es handelt sich um den selben Beobachtungstag, auch das Fahrzeug des Betroffenen im Verfahren 16 Owi 16 Js 16010/20 steht auf der Liste im Beobachtungsbogen Bl. 13. Im genannten Urteil hat das Gericht die Zeugenaussagen wie folgt wiedergegeben und gewürdigt:

„Der Zeuge E. gab an, keine konkrete Erinnerung mehr an den Tag zu haben. Er sei zusammen mit den Kollegen J. und M. zur Kontrolle von Gurt- und Handyverstößen im Straßenverkehr eingesetzt gewesen. Sie hätten zu dritt den Verkehrsfluß an einer Brücke über der B 27 in beide Richtungen beobachtet. An dieser Stelle würde häufiger kontrolliert. Allein an diesem Tag hätten sie viele Verstöße festgestellt; seither hätte er auch weitere Beobachtungen durchgeführt. Deshalb habe er an Einzelfälle keine Erinnerung. Aus der Erinnerung könne der Zeuge nur angeben, was sich auch aus dem Gedächtnisprotokoll ergebe, diese habe er selbst geführt und zur Vorbereitung des Termins nochmals angeschaut. Was dort allerdings niedergeschrieben sei, entspreche den Beobachtungen vom Tattag. Die beobachtenden Zeugen gäben Verstöße per Funk an den Kontrollposten durch. So sei es auch hier gewesen. Ein Funk werde nur durchgegeben, wenn sich beide beobachtenden Beamten sicher seien, daß ein Verstoß vorliege. Seien sie sich nicht sicher, geben sie keinen Verstoß durch. Dies gelte auch, wenn ein Verkehrsteilnehmer ein Geräte lediglich halte, aber nicht bediene. Die Beobachtungsposition sei gut. Aus dem Gedächtnisprotokoll könne er sagen, daß es zahlreiche Verstöße gegeben habe. Die Kontrolle habe um 13.58 Uhr begonnen, es sei bewölkt, teilweise sonnig gewesen bei einer Temperatur von 15 Grad. Im Gedächtnisprotokoll vermerke er, was ein beobachtender Beamte ihm diktiere, hier rechte Hand und Tippen. Außerdem habe er den Aufdruck „B…“ bei der Fahrzeugbeschreibung vermerkt, dies sei ihm aufgefallen. Der Pfeil im Gedächtnisprotokoll deute auf die Fahrtrichtung, von der Beobachtungsstelle gesehen nach links in Richtung H.

Er könne es sich nicht vorstellen, daß der Fahrzeugführer ein im Fahrzeug fest verbauten Touchscreenmonitor bedient hätte. Dies würde zur Beobachtung nicht passen.

Der Zeuge J gab an, ebenfalls keine konkrete Erinnerung mehr an den Tag zu haben. Er sei zusammen mit den Kollegen E. und M. zur Kontrolle von Gurt- und Handyverstößen im Straßenverkehr eingesetzt gewesen. Er wisse noch, daß an diesem Tag relativ viele Verstöße festgestellt worden seien. Die Polizeibeamten würden den Verkehrsfluß an einer Brücke über der B XY beobachten. Konkret hätten er und Kollege M. beobachtet, während der Zeuge E. das Protokoll geführt habe. Hätte dieser nichts zu notieren, hätte er mit beobachtet. Sie hätten den Verkehr in beide Richtungen beobachtet, ein Kollege nach rechts, ein anderer nach links. Grundsätzlich würden sich die beobachtenden Beamten absprechen, so daß grundsätzlich sichergestellt sei, daß ein Verstoß von zwei Beamten wahrgenommen werde. Allerdings könne er nicht ausschließen, daß ein Verstoß auch mal nur von einem Beamten gesehen und dem Anhalteposten gemeldet worden sei, etwa wenn Kollege E. schrieb und Kollege M. in die entgegengesetzte Richtung geschaut habe. Dies wisse er aber nicht mehr sicher. Allerdings werde ein Funkspruch an den Anhalteposten nur durchgegeben, wenn die Beamten mehr sähen als das bloße Halten des Telefons – etwa Sprech- oder Tippbewegungen. Aus der Erinnerung könne der Zeuge nur angeben, was sich auch aus dem Gedächtnisprotokoll ergebe, er habe es zur Vorbereitung des Termins nochmals angeschaut. Was dort allerdings niedergeschrieben sei, entspreche den Beobachtungen vom Tattag. Daraus ergebe sich, daß der Betroffene ein elektronisches Gerät in der rechten Hand gehalten und darauf getippt habe. Wenn er eine Beobachtung tätige, gebe er grundsätzlich auch an, in welcher Höhe das elektronische Gerät gehalten werde. Dies müßte eigentlich auch im Protokoll festgehalten werden. Im Einzelfall könne es aber auch anders sein.

Aufgrund der Aussage der Zeugen E. und J. ist das Gericht davon überzeugt, daß der Betroffene ein Handy in der rechten Hand hielt und darauf tippte. An der Wahrhaftigkeit der Aussage bestehen keine Zweifel. Insbesondere offenbarten beide Zeugen, keine konkrete Erinnerung an den Fall zu haben.

Das Gericht ist aber aufgrund der Vernehmung des Zeugen davon überzeugt, daß diese die volle Verantwortung für den Inhalt der Anzeige übernommen haben (OLG Düsseldorf, Urteil vom 11. April 2014 – IV-2 Rbs 37/14 – NZV 2015, 203). In ihrer Aussage bestätigten beide Zeugen den gesamten Inhalt der Anzeige einschließlich des Wischens.

Das Gericht ist aufgrund des Verhaltens der Zeugen, daß sie dem Anhalteposten per Funkspruch einen Handyverstoß der Betroffenen mitteilten, davon überzeugt, daß ein solcher auch vorlag.

Die Zeugen E. und J. waren gerade zu diesem Zweck zur Beobachtung eingeteilt. Sie nahmen einen Standpunkt erhöht neben der Fahrbahn an einer Brücke ein. Das Gericht ist davon überzeugt, daß die Zeugen von ihrer Position die Nutzung eines Mobiltelefons durch einen Fahrzeugführer beobachten können. Die Verkehrspolizei würde auch keinen Beobachtungsort wählen, von dem aus nicht beobachtet werden kann. Denn als Behörde möchte sie ihrer Aufgabe auch gerecht werden. Hiervon ist das Gericht jedenfalls überzeugt.

Die Zeugen haben weiter übereinstimmend angegeben, daß sie einen Fahrzeugführer nur dann dem Kontrollposten melden, wenn sie sich sicher seien. Offen bleiben kann, ob in jedem Falle das Vieraugenprinzip gewahrt wird. Beide Zeugen konnten Verstöße beobachten und auch ordnungswidriges Verhalten, namentlich die Nutzung des Geräts, vom nicht inkriminierten Bewegen oder Halten unterscheiden. Damit ist der Betroffene erst zur Anzeige gekommen, nachdem in der Regel zwei Beamte eine Nutzung eines elektronischen Geräts wahrgenommen hatten. Durch das Vorgehen der Zeugen ist auch sichergestellt, daß die Beobachtungen vor Ort festgehalten werden. Ein Beamter ruft die Beobachtung, ein anderer schreibt dies sofort auf. Dies stützt die Aussage des jeweils anderen Zeugen und stärkt daher auch die Glaubhaftigkeit der Zeugen und ihrer Beobachtungen.

Die Zeugen haben weiter übereinstimmend angegeben, daß der Betroffene auf dem Gerät getippt habe. Das Gericht ist aufgrund dieser Aussage davon überzeugt, daß die Betroffene das Gerät auch genutzt hat.

Damit haben die Zeugen in ihrem Vorgehen mögliche Fehlerquellen nach besten Möglichkeiten vermieden. Das Gericht mag deshalb den Aussagen der Zeugen folgen und gelangt daher zur Überzeugung, daß der Betroffene tatsächlich das Gerät in der rechten Hand gehalten und es genutzt hat, indem er auf die Anzeigefläche tippte.“

Das Gericht schließt aus seiner letzten Vernehmung der Zeugen E. und J., daß diese auch an den hier abzuurteilenden Vorfall keine konkrete Erinnerung mehr haben. Im übrigen decken sich die Feststellungen im Urteil vom 18. November 2020 mit den Behauptungen, die der Zeuge J. im Schreiben vom 15. Juli 2020 getätigt hat. Dies gilt insbesondere zum Anlaß der Überwachung, der Sichtverhältnisse und er Vorgehensweise. Weitere Angaben wären von den Zeugen nicht zu erwarten.

Umgekehrt schließt das Gericht auf den Aufzeichnungen des Polizeibeamten E., daß sich die vorgeworfene Handlung wie festgestellt zugetragen hat, von den Zeugen J. und M. so beobachtet wurde und diese von ihrem Standpunkt aus diesen wie auch weitere Verstöße problemlos erkennen konnten. Deshalb ist das Gericht von dem festgestellten Sachverhalt überzeugt.

ε)

Schlußendlich gebietet auch die Bedeutung der Sache (§ 77 Abs. 1 Satz 2 OWiG) eine Vernehmung der Zeugen nicht. Der Verstoß wird mit unter 250,- Euro geahndet und zieht kein auch Fahrverbot nach sich. Die Bedeutung ist daher gering.

d)

Das Gericht konnte auch den Beweisantrag des Verteidigers in der Hauptverhandlung auf Einvernehmung der beobachtenden Zeugen zum Beweis der Tatsache, daß der Betroffene nicht vorschriftswidrig ein Handy durch Tippen auf den Tasten bedient habe, nach § 77 Abs. 2 Nr. 1 OWiG ablehnen. Der Verteidiger hat dies mit der Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes begründet.

Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einen Beweisantrag ablehnen, wenn nach seinem pflichtgemäßen Ermessen die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist. Nach den Erwägungen unter b) und c) war das Gericht im Rahmen seiner Aufklärungspflicht befugt, den Beobachtungsbogen der beobachtenden Polizeibeamten zu verlesen und auf die Vernehmung der Zeugen zu verzichten.

Weder der Betroffene noch der Verteidiger haben in der mündlichen Verhandlung ein Indiz dafür vorgetragen, daß der Beobachtungsbogen nicht den objektiven Tatsachen entspreche. Da es aber erfahrungsgemäß nicht zu erwarten steht, daß die Zeugen in der Hauptverhandlung das Gegenteil dessen bekunden, was Gegenstand des Aktenvermerks geworden ist, hat das Gericht sein Ermessen dahin ausgeübt, dem Beweisantrag nicht nachzukommen.

Das Gericht kann nicht erkennen, daß die Rechte der Verteidigung beschnitten würden.

IV.

Indem die Betroffene ein Handy in der Hand hielt und darauf tippte, hat sie gegen die sonstigen Pflichten eines Kraftfahrzeugführers nach § 23 Abs. 1a StVO verstoßen. Dieser Verstoß ist gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 22 StVO bußgeldbewehrt.

Die Betroffene wußte als Kraftfahrerin, daß sie elektronische Geräte nicht nutzen darf, wenn sie sie hierzu in der Hand halten muß. Sie handelte daher vorsätzlich.

V.

§ 24 StVG sieht als Rechtsfolge eine Geldbuße bis zu 2.000,- Euro vor. Der Bußgeldkatalog sieht eine Regelbuße von 100,- Euro vor, Ziffer 246.1.

Die Stadt Tübingen hat sich zur Ahndung entschlossen. Dieses Ermessen ist nicht zu beanstanden. Auch das Gericht hält eine Ahndung für geboten.

Die Verhandlung hat auch keine Anhaltspunkte dafür geliefert, von der Regelbuße abzuweichen. Die Vorahndung wirkt in diesem Fall nicht bußgelderhöhend, da das Gericht auf der anderen Seite zugunsten der Betroffenen sieht, daß sie fünf Kinder versorgen muß.

VI.

Als Verurteilte trägt die Betroffene die Kosten des Verfahrens, §§ 46 Abs. 1 OWiG, 465 StPO.

 

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