LG Berlin, Az.: 515 Qs 114/10, Beschluss vom 09.09.2010
Auf die sofortige Beschwerde der Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 9. August 2010 aufgehoben.
Der Betroffenen wird auf ihre Kosten die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung des Hauptverhandlungstermins am 11. Juni 2010 gewährt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Landeskasse Berlin zur Last.
Gründe
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig erhobene sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgericht Tiergarten vom 9. August 2010, mit dem der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung des Hauptverhandlungstermins vom 11. Juni 2010 als unbegründet verworfen worden ist, ist begründet.
Die Betroffene hat gemäß § 46 OWiG i. V. m. §§ 44 f StPO glaubhaft gemacht, ohne ihr Verschulden den Termin zur Hauptverhandlung über ihren Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 5. November 2009 versäumt zu haben, der auf den 11. Juni 2010, 110.50 Uhr anberaumt war. Sie trägt diesbezüglich vor, sie sei am Terminstag mit Herrn … gegen 7.00 Uhr aus der Nähe von … (Polen) mit dem Pkw in Richtung Berlin aufgebrochen. Aufgrund einer Reifenpanne habe sie bei Frankfurt/Oder den Reifen wechseln müssen, was wegen festsitzender Schrauben über zwei Stunden gedauert habe. Sie sei daher erst gegen 12.15 Uhr im Gericht angekommen. Sie fahre diese Strecke des Öfteren und habe immer zwischen zwei und drei Stunden hierfür gebraucht.
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts ist das Versäumen der Hauptverhandlung aufgrund dieser Reifenpanne als unverschuldet i. S. d. § 44 StPO anzusehen. Das Ausbleiben eines zur Hauptverhandlung Geladenen ist dann genügend entschuldigt, wenn er bei gewöhnlichem Verlauf der Dinge mit seinem rechtzeitigen Eintreffen rechnen konnte. Die Anforderungen an die Vorkehrungen gegen die Fristversäumung dürfen insbesondere dann nicht zu hoch angesetzt werden, wenn es um den ersten Zugang zu Gericht und damit um die Möglichkeit geht, erstmals das rechtliche Gehör in der Sache zu erlangen. Dabei ist von dem Betroffenen zu erwarten, dass er die ihm mögliche und zumutbare Sorgfalt anwendet, um pünktlich zu einem Gerichtstermin zu erscheinen. Das hat die Betroffene hier getan. Bei einer Fahrtstrecke von ca. 240 km hat sie eine Zeitreserve von über einer Stunde Dauer für eventuelle Störungen eingeplant, wobei sie auf ihren Erfahrungswert, bisher für dieselbe Strecke nie mehr als drei Stunden Fahrtzeit gebraucht zu haben, vertrauen konnte. Selbst eine Reifenpanne ließe sich bei normalem Verlauf der Dinge innerhalb dieser Reservezeit beheben. Die Betroffene musste nicht damit rechnen, dass ihr dies aufgrund widriger Umstände nicht gelingen würde, zumal Autopannen in der Regel in Art und Ausmaß unvorhersehbar sind.
Die Kosten der Wiedereinsetzung hat der Betroffene zu tragen, § 473 Abs. 7 StPO; die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Landeskasse auferlegt, weil sonst niemand für sie haftet. Da es sich vorliegend nicht um eine das Verfahren abschließende Entscheidung handelt, braucht eine Entscheidung über die dem Beschwerdeführer insoweit erwachsenen notwendigen Auslagen nicht zu ergehen.