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Bußgeldverfahren – Unterbrechung Verfolgungsverjährung durch Übersendung Anhörungsbogen

OLG Koblenz – Az.: 2 OWi 4 SsRs 122/17 – Beschluss vom 12.12.2017

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Andernach vom 17. Juli 2017 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass gegen ihn wegen fahrlässigen Unterlassens der gebotenen Ladungssicherung eine Geldbuße von 80,- Euro festgesetzt wird.

Der Betroffene hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 46 Abs. 1 OWiG iVm. § 473 Abs. 1 S. 1 StPO).

Gründe

I.

1.

Mit Bußgeldbescheid vom 13. Februar 2017 hat die Zentrale Bußgeldstelle beim Polizeipräsidium Rheinpfalz gegen den Betroffenen ein Bußgeld von 80,- Euro wegen Verletzung der Vorschriften über die Ladungssicherung (§ 22 Abs. 1 StVO) festgesetzt (Bl. 32 d.A.).

Die Verwaltungsbehörde hat – wie in anderen Bußgeldverfahren auch – die Verfahrensakte dergestalt geführt, dass alle verfahrensrelevanten Dokumente zunächst nur in digitaler Form vorhanden sind bzw. erstellt werden. Eingehende Originaldokumente der örtlichen Polizeibehörde (Unfallanzeige, Lichtbildmappe, Betroffenenbelehrung usw.), des Kraftfahrt-Bundesamtes sowie sonstige Dokumente hat sie eingescannt. Per Telefaxschreiben eingehende Schriftsätze der Verteidiger wurden unmittelbar als elektronische Dokumente übernommen. Die an den Betroffenen zu übermittelnden Schreiben (Anhörungsbogen, Bußgeldbescheid) hat sie ausgedruckt und an ihn per Post in Papierform übersandt. Die in den Verfügungsbereich der Verwaltungsbehörde zurückgelangte Zustellungsurkunde für den Bußgeldbescheid wurde ebenfalls eingescannt. Akteneinsicht an die Verteidiger hat die Behörde dergestalt gewährt, dass der gesamte elektronisch gespeicherte Vorgang ausgedruckt und ihnen per Post übersandt wurde.

Gegen den – nach der eingescannten Zustellungsurkunde am 16. Februar 2017 zugestellten – Bußgeldbescheid hat der Betroffene durch Telefaxschreiben seiner Verteidiger am 21. Februar 2017 Einspruch einlegen lassen. Er vertritt die Auffassung, die Ordnungswidrigkeit sei verjährt, weil der ergangene Bußgeldbescheid unwirksam gewesen sei. Dies zum einen deshalb, weil er entgegen § 110c Abs. 1 Satz 1 OWiG nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen worden sei, obwohl die Behörde die Akten gemäß § 110b Abs. 1 Satz 1 OWiG in elektronischer Form geführt habe und es zudem an einer Bestimmung des Zeitpunktes im Sinne von § 110b Abs. 1 Satz 2 OWiG fehle, ab dem dies überhaupt zulässig sei. Unwirksam, da nicht hinreichend bestimmt, sei der Bußgeldbescheid aber auch deshalb, weil ihm nicht entnommen werden könne, ob sich der Ordnungswidrigkeitsvorwurf auf das von ihm, dem Betroffenen, geführte Zugfahrzeug oder den Anhänger beziehe.

Die Verwaltungsbehörde hat zur Übermittlung an die Justizbehörden den elektronischen Vorgang am 6. April 2017 vollständig ausgedruckt und diesen Ausdruck über die Staatsanwaltschaft an das Amtsgericht übersandt, wo er am 21. April 2017 einging (Bl. 66 d.A.). Ab diesem Zeitpunkt wird die Verfahrensakte in Papierform weiter geführt.

2.

Mit dem im Tenor genannten Urteil hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen wegen „Unterlassens des verkehrssicheren Verstauens und der Sicherung der Ladung des Lastkraftwagens gegen Verrutschen, Umfallen, Hin- und Herrollen oder Herabfallen“ eine Geldbuße von 80,- Euro festgesetzt. Nach den Feststellungen fuhr er am 15. November 2016 gegen 08.05 Uhr mit einem Lastkraftwagen über die Autobahn-Auffahrt …[Y] auf die Bundesautobahn A 61 in Fahrtrichtung …[Z] auf. Der LKW war mit kleinkörnigem Splitt beladen, dessen Schüttkegel in der Mitte der Ladefläche über die Bordkante des Fahrzeugs hinausragte, gegen Verrutschen oder Herabfallen jedoch nicht durch Abdecken mit einer Plane oder Ähnlichem gesichert.

Dem Antrag des Betroffenen auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Ordnungsgemäßheit der Beladung seines LKW ist das Gericht nicht nachgegangen.

Gegen das Urteil hat der Betroffene am 20. Juli 2017 Rechtsbeschwerde eingelegt, verbunden mit dem Antrag auf Zulassung. Er hat dieses Rechtsmittel nach am 16. August 2017 erfolgter Zustellung des Urteils durch Schriftsatz seiner Verteidiger vom 22. August 2017, eingegangen am Folgetag, näher begründen lassen. Gerügt wird die Verletzung des Beweisantragsrechts durch fehlerhafte Ablehnung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Einholung eines Sachverständigengutachtens sowie die Verletzung materiellen Rechts in allgemeiner, nicht näher ausgeführter Form.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 5. Oktober 2017 beantragt, den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde mit der Maßgabe, dass der Betroffene wegen fahrlässigen Unterlassens der gebotenen Ladungssicherung verurteilt wird, als unbegründet zu verwerfen. Hierauf haben die Verteidiger mit Schriftsatz vom 23. Oktober 2017 erwidert.

3.

Der Einzelrichter des Senats hat die Rechtsbeschwerde durch Beschluss vom 11. Dezember 2017 zugelassen, um die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des materiellen Rechts zu ermöglichen. Er hat die Sache zugleich gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG auf den Senat zur Entscheidung übertragen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Satz 2 OWiG statthaft und auch sonst zulässig, insbesondere in der gesetzlich vorgeschriebenen Form eingelegt und begründet worden.

In der Sache hat sie keinen Erfolg. Die Überprüfung des Urteils nach Maßgabe der Rechtsbeschwerdebegründung und der Gegenerklärung vom 23. Oktober 2017 hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben.

1.

Verfahrenshindernisse, die aufgrund der ordnungsgemäß erhobenen Sachrüge vom Senat von Amts wegen zu berücksichtigen wären (vgl. Senat, 2 SsBs 128/12 v. 26.08.2013 – NStZ-RR 2014, 189 <Rn. 2 n. juris>; 2 SsBs 22/11 v. 15.06.2011), liegen nicht vor.

Die am 15. November 2016 begangene Ordnungswidrigkeit ist nicht verjährt. Die Frist zur Verfolgungsverjährung beträgt bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 StVG zunächst drei Monate, solange ein Bußgeldbescheid noch nicht ergangen ist (§ 26 Abs. 3 StVG). Die danach bis zum 14. Februar 2017 laufende Frist wurde durch die am 26. Januar 2017 erfolgte Anordnung der Übersendung des Anhörungsbogens gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG unterbrochen.

Dass die Zentrale Bußgeldstelle die Verfahrensakten in elektronischer Form geführt hat, steht dem nicht entgegen. Die Frage ist nach Maßgabe der durch das Justizkommunikationsgesetz (JKomG) vom 22. März 2005 (BGBl. I S. 837) eingeführten Vorschriften der § 110b ff. OWiG zu entscheiden; soweit diese aufgrund des Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des elektronischen Rechtsverkehrs vom 5. Juli 2017 (BGBl. I S. 2208) Änderungen erfahren haben, sind diese auf den hier vorliegenden Fall nicht anzuwenden, da die neuen Vorschriften erst ab dem 1. Januar 2018 in Kraft treten.

Durch § 110b Abs. 1 Satz 1 OWiG wird die elektronische Führung der Verfahrensakten in Ordnungswidrigkeitenverfahren grundsätzlich ermöglicht. Hiervon hat die Zentrale Bußgeldstelle im vorliegenden Verfahren Gebrauch gemacht. Was elektronische Aktenführung bedeutet, ist zwar weder in § 110b OWiG noch in anderen Vorschriften näher definiert; auch die Gesetzesbegründung gibt hierfür keinen Anhalt. Jedoch deutet der Begriff „Akte“ auf eine Sammlung von Schriftstücken hin, die sich durch Zufügung des Begriffs „elektronisch“ von der herkömmlichen Papierakte nur insofern unterscheidet, als die Schriftstücke in der Dokumentensammlung in ein elektronisches Dokument transformiert werden, ohne dass sich deren Inhalt verändern darf (vgl. KK-OWiG/Graf, 5. Aufl. § 110a Rn. 15). Nicht erforderlich für eine elektronische Führung von Verfahrensakten ist, dass auch die Kommunikation zwischen den das Verfahren führenden Stellen und mit den Verfahrensbeteiligten in elektronischer Form erfolgt, auch wenn dies einer der maßgeblichen Zwecke der Einführung der elektronischen Akte ist (vgl. BT-Drucks. 15/4067, S. 24). Dass dies nicht konstitutiv für eine elektronische Aktenführung ist, ergibt sich aus § 110d OWiG, wonach von einem elektronischen Dokument Ausdrucke gefertigt werden können, mit denen ebenso wie durch Übermittlung der elektronischen Dokumente Akteneinsicht gewährt werden kann (§ 110d Abs. 2 S. 1 OWiG) und die alternativ zur elektronischen Form auch an das Gericht übersandt werden können (§ 110d Abs. 3 S. 1 OWiG). Soweit es daher vorliegend nicht zu einer elektronischen Kommunikation zwischen der Bußgeldstelle und den Verteidigern bzw. den Justizbehörden gekommen ist, schließt das eine elektronische Aktenführung nicht aus. Dass die Zentrale Bußgeldbehörde die Verfahrensakten im Sinne von § 110b Abs. 1 Satz 1 OWiG hier elektronisch geführt hat, ergibt sich vielmehr daraus, dass sie – so wie es das Gesetz in § 110b Abs. 2 Satz 1 OWiG vorsieht – alle zu den Verfahrensakten gereichten Originaldokumente eingescannt und in elektronische Dokumente umgewandelt hat. Um die Inhaltsgleichheit der elektronischen Dokumente mit den jeweiligen Urschriften zu gewährleisten, wurden die eingescannten Dokumente mit dem Vermerk „Dieses Dokument entspricht dem Original“ sowie den durch § 110b Abs. 1 Satz 2 OWiG vorgeschriebenen Angaben, wann und durch wen die Urschrift übertragen wurde, versehen. Im übrigen geht die Zentrale Bußgeldstelle auch selbst davon aus, dass sie die Verfahrensakten in der durch § 110b Abs. 1 Satz 1 OWiG ermöglichten elektronischen Form führt. Dies ergibt sich aus den Schreiben an die Verteidiger vom 24. Februar 2017 (Bl. 48 d.A.) und 16. März 2017 (Bl. 55 d.A.), in welchen sie explizit darauf verweist, dass für das Verfahren ausschließlich die von ihr erstellten elektronischen Dokumente zugrunde zu legen sind und dass Akteneinsicht an die Verteidiger in der durch § 110d Abs. 2 Satz 1 OWiG vorgesehenen Form der Übersendung eines Aktenausdrucks erfolgt.

Verpflichtend wird die Führung elektronischer Akten gemäß Art. 9 des Gesetzes zur Einführung der elektronischen Akte vom 5. Juli 2017 erst zum 1. Januar 2026. Jedoch ermöglicht § 110b Abs. 1 OWiG eine elektronische Aktenführung im Bußgeldverfahren auch schon zu einem früheren Zeitpunkt. Gemäß § 110b Abs. 1 Satz 2 OWiG bestimmen die Bundesregierung und die Landesregierungen für ihren Bereich durch Rechtsverordnung den Zeitpunkt, von dem an die Akten elektronisch geführt oder im behördlichen Verfahren geführt werden können sowie die hierfür geltenden organisatorisch-technischen Rahmenbedingungen für die Bildung, Führung und Aufbewahrung der elektronisch geführten Akten. Die Bundesregierung und die Landesregierungen können die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die zuständigen Bundes- oder Landesministerien übertragen (§ 110b Abs. 1 S. 3 OWiG). Für das Land Rheinland-Pfalz ist diese Ermächtigung gemäß § 1 Nr. 13 der Landesverordnung zur Übertragung von Ermächtigungen auf dem Gebiet der Rechtspflege (RPflErmV RP, GVBl. 1982, 460), zuletzt geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 6. Oktober 2016 (GVBl. S. 559), auf das für Angelegenheiten der Rechtspflege zuständige Ministerium übertragen worden. Das Ministerium der Justiz hat hiervon bislang noch keinen Gebrauch gemacht.

Der Umstand, dass die Zentrale Bußgeldstelle in Rheinland-Pfalz die Bußgeldakten gleichwohl bereits in elektronischer Form führt, lässt die verjährungsunterbrechende Wirkung der Übersendung des Anhörungsbogens gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 OWiG jedoch nicht entfallen, wenn diese – wie vorliegend – nicht auf dem Wege der elektronischen Kommunikation erfolgt, sondern nach außen ihre Manifestation weiter darin findet, dass der mittels elektronischer Datenverarbeitung gefertigte Anhörungsbogen ausgedruckt und an den Betroffenen postalisch übersandt wird. Für den Empfänger kann damit die Urheberschaft des Schreibens als eines von einer mit hoheitlichen Befugnissen ausgestatteten Verwaltungsbehörde nicht zweifelhaft sein. Es bedarf deshalb keiner zusätzlichen Informationen, welche die Authentizität des Dokuments belegen, zumal dieses tatsächlich und nicht lediglich als elektronisches Dokument existiert.

Durch diese Vorgehensweise ist auch sichergestellt, dass die Versendung des Anhörungsbogens auf einem Willensakt eines Sachbearbeiters der Behörde beruht und nicht lediglich von einer datenverarbeitenden Maschine in Gang gesetzt worden ist (vgl. OLG Frankfurt, 2 Ws (B) 30/91 v. 21.01.1991 – ZfSch 1991, 322 <Leits. 1 n. juris>; OLG Düsseldorf, 5 Ss OWi 337/81 v. 15.09.1981 – VRS 64, 455 <Leits. n. juris>; Gürtler in: Göhler, aaO. § 33 Rn. 12; KK-OWiG/Ellbogen, 5. Aufl. § 33 Rn. 11, 31). Soweit die Rechtsprechung verlangt, dass sich Zeitpunkt und Sachbearbeiter dieses Vorgangs sicher feststellen lassen müssen (vgl. BGH, 5 StR 578/05 v. 22.05.2006 – BGHR OWiG § 33 Unterbrechung der Verfolgungsverjährung 2 <Leits. n. juris>; Gürtler aaO.), ist dies vorliegend der Fall. Aus dem in dem Ausdruck enthaltenen Duplikat des Anhörungsbogens geht zweifelsfrei hervor, dass die dort namentlich bezeichnete Sachbearbeiterin (Frau …[A]) den Anhörungsbogen am 26. Januar 2017 ausgedruckt und an den Betroffenen versandt hat. Da ein Schriftformerfordernis hierfür nicht besteht, bedurften weder die Anhörung noch deren Anordnung der Unterschrift der Sachbearbeiterin (vgl. Gürtler aaO.).

Nach alledem wurde die Verjährung durch die Anordnung der Anhörung am 26. Januar 2017 wirksam unterbrochen, so dass die Dreimonatsfrist des § 26 Abs. 3 StVG gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 OWiG von neuem zu laufen begann.

b) Die danach bis zum 25. April 2017 laufende Frist wurde durch den Erlass des Bußgeldbescheids am 13. Februar 2017 gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 9 OWiG erneut unterbrochen.

Auch insoweit ergibt sich aus dem Fehlen eines durch Rechtsverordnung bestimmten Zeitpunkts für die elektronische Aktenführung keine Unwirksamkeit der die Verjährungsfrist unterbrechenden Handlung, weil der Bußgeldbescheid ausgedruckt und per Post versandt wurde, also nach außen für jedermann erkennbar in Erscheinung getreten ist. Entsprechend den Anforderungen für die Übersendung des Anhörungsbogens ist auch ein in Papierform oder mit Hilfe der elektronischen Datenverarbeitung (§ 51 Abs. 1 S. 2 OWiG) erstellter Bußgeldbescheid ohne eigenhändige Unterschrift wirksam, wenn aus der Akte zweifelsfrei erkennbar ist, dass er auf dem Willen des zuständigen Behördenmitarbeiters beruht (vgl. OLG Koblenz, 2 OWi 4 SsBs 68/16 v. 05.09.2016; 1 OWi 3 SsRs 93/16 v. 06.09.2016 – ZfSch 2017, 50 <Rn. 6 n. juris>; KG, 3 Ws (B) 610/15 v. 14.01.2016 – VRS 129, 326 <Leitsatz 1 n. juris mwN.>; Seitz/Bauer in Göhler, aaO. vor § 65 Rn. 4). Das ist vorliegend der Fall (vgl. Bl. 32 ff. d.A.).

Der Bußgeldbescheid ist – was für seine verjährungsunterbrechende Wirkung gemäß § 33 Abs. 1 Nr. 9 OWiG konstitutiv ist – auch binnen zwei Wochen nach seinem Erlass, nämlich am 16. Februar 2017 zugestellt worden, was sich aus der Zustellungsurkunde (Bl. 41 d.A.) ergibt. Zwar liegt diese nicht im Original, sondern nur als Ausdruck der eingescannten Urschrift vor. Gleichwohl lässt sich damit freibeweislich der Nachweis der Zustellung ohne weiteres führen. Der an das Amtsgericht übersandte Papierausdruck ersetzt die bis dahin verfahrensrelevante E-Akte und nur noch dieser Ausdruck, ggf. in Verbindung mit den archivierten Originaldokumenten, bildet gemäß § 110d Abs. 3 OWiG den weiteren Gegenstand des Verfahrens, mithin „die Akte“ (vgl. die Anm. v. Krenberger z. Beschl. 19 OWi 166/15 des AG Lüdinghausen v. 13.08.2015, ZfSch 2015, 713 <zit. n. juris>). Es besteht vorliegend kein Anlass, an der Übereinstimmung des ausgedruckten Dokuments mit der Urschrift zu zweifeln (§ 110d Abs. 3 S. 2 iVm. § 110b Abs. 3 OWiG). Der Ausdruck ist mit dem gemäß § 110b Abs. 2 Satz 2 OWiG erforderlichen Zusatz versehen, dass die Urschrift am 17. Februar 2017 durch einen mittels Namenskürzel identifizierbaren Mitarbeiter der Bußgeldbehörde durch Scanning in das elektronische Dokument übertragen wurde.

Einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz bedurfte der Bußgeldbescheid zu seiner Wirksamkeit entgegen der Auffassung der Verteidiger nicht. Zwar bestimmt § 110c Abs. 1 Satz 2 OWiG, dass Bußgeldbescheide als elektronisches Dokument erstellt werden können, wenn die verantwortende Person am Ende des Bescheids ihren Namen hinzufügt und das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versieht. Vorliegend wurde der Bußgeldbescheid jedoch, wie dargestellt, gerade nicht als elektronisches Dokument, sondern in Papierform erstellt und übersandt. Ein solcher Bescheid bedarf, da seine Urheberschaft nicht zweifelhaft sein kann, keiner zusätzlichen technischen Informationen, die sicherstellen, dass er von der erlassenden Behörde herrührt. Im Übrigen ergibt sich aus der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/4067, S. 51), dass der Gesetzgeber durch die Ausdehnung des Signaturerfordernisses auf Bußgeldbescheide (§ 110c Abs. 1 S. 2 OWiG) keine weiter gehenden Unwirksamkeitsgründe schaffen wollte (vgl. Senat, 2 OWi 4 SsBs 68/16 v. 05.09.2016; KG aaO. S. 327).

Der Bußgeldbescheid entsprach auch den gemäß § 66 OWiG erforderlichen inhaltlichen Anforderungen und war hinreichend bestimmt. Mit dem Vorwurf, der Betroffene habe am 15. November 2016 um 08.05 Uhr auf der Autobahnauffahrt zur A 61 in …[Y] als Fahrer des mit dem amtlichen Kennzeichen … zugelassenen LKW eine Ordnungswidrigkeit begangen, da er es unterlassen habe, die Ladung „des Lastkraftwagens bzw. dessen Anhängers“ verkehrssicher zu verstauen oder gegen Verrutschen, Umfallen, Hin- und Herrollen oder Herabfallen besonders zu sichern, konnte der Betroffene nicht im Unklaren darüber sein, welches konkrete Tun oder Unterlassen ihm zum Vorwurf gemacht werde und den Gegenstand des Verfahrens bilde (vgl. Seitz/Bauer in Göhler, aaO. § 66 Rn. 12). Dass sich der Vorwurf auf den auf dem Zugfahrzeug aufgeladenen Splitt bezog, konnte ihm nicht verborgen bleiben, da der Anhänger, wie sich aus dem im Urteil in Bezug genommenen (§ 267 Abs. 1 S. 3 StPO) Lichtbild Blatt 9 d.A. ohne weiteres ergibt, unbeladen und zur Beladung mit Split auch nicht geeignet war, da er nicht über Bordwände verfügt.

Nach Erlass des Bußgeldbescheids am 13. Februar 2017 betrug die Frist für die Verfolgungsverjährung gemäß § 26 Abs. 3 StVG sechs Monate; sie lief folglich am 12. August 2017 ab.

c) Eine weitere Unterbrechung der Verjährungsfrist erfolgte am 21. April 2017 gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 10 OWiG durch Eingang der Akten beim Amtsgericht (Bl. 65 d.A.). Wie dargestellt, ersetzt der an das Gericht übersandte Papierausdruck die bis dahin verfahrensrelevante E-Akte. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, dass nur der Eingang von Originaldokumenten verjährungsunterbrechende Wirkung zur Folge hätte (vgl. OLG Koblenz, 1 OWi 3 SsRs 93/16 v. 06.09.2016 – ZfSch 2017, 50 <Rn. 8 n. juris>; BayObLG, 2 ObOWi 197/98 v. 30.06.1998 – NZV 1998, 513 <Rn. 17 n. juris>). Innerhalb der danach bis zum 20. Oktober 2017 laufenden Frist für die Verfolgungsverjährung trat die nächste Unterbrechung gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 OWiG durch Anberaumung der Hauptverhandlung mit Verfügung vom 21. April 2017 ein (Bl. 67 d.A.). Das am 17. Juli 2017 ergangene Urteil erfolgte somit in nicht rechtsverjährter Zeit.

2.

Die Verfahrensrüge der Verletzung des Beweisantragsrechts (Art. 103 Abs. 1 GG, § 77 Abs. 2 OWiG) ist nicht geeignet, der Rechtsbeschwerde zum Erfolg zu verhelfen.

Der Verteidiger hat in der Hauptverhandlung beantragt, zum Beweis der Tatsache, „dass die Ladungssicherung ordnungsgemäß war“, ein Sachverständigengutachten einzuholen. Dieses werde ergeben, dass „eine Abdeckung nicht notwendig“ gewesen sei, weil „eine derartige Ladung bereits grundsätzlich nicht abgedeckt sein“ müsse und „im übrigen bei starkem Regen eine Gefahr des Herabfallens“ nicht bestehe. Das Gericht hat diesen Vortrag als förmlichen Beweisantrag angesehen und unter Hinweis auf § 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG mit der Begründung abgelehnt, es halte den Sachverhalt nach dem bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme für geklärt und der Antrag sei ohne verständigen Grund so spät angebracht worden, dass die Beweiserhebung zur Aussetzung der Hauptverhandlung führen würde.

Handelte es sich bei diesem Antrag um einen Beweisantrag im Sinne von § 77 Abs. 2 OWiG, so wäre die Ablehnung mit der vom Tatrichter gegebenen Begründung rechtsfehlerhaft gewesen. Die Voraussetzungen des § 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG lagen ersichtlich nicht vor. Der Verteidiger hatte bereits zur Vorbereitung der Hauptverhandlung einen entsprechenden Antrag gestellt und war aus prozessualen Gründen gehalten, diesen in der Hauptverhandlung zu wiederholen.

Allerdings ist das Begehren entgegen der Auffassung des Amtsgerichts und der Rechtsbeschwerde nicht als Beweisantrag zu würdigen, welcher nach Maßgabe der für solche Anträge geltenden Bestimmungen (§ 244 Abs. 3 StPO, § 77 Abs. 2 OWiG) zu bescheiden gewesen wäre. § 77 Abs. 2 OWiG ist deshalb nicht verletzt. Soweit der Antrag in seinem ersten Teil darauf abzielte festzustellen, dass die vom Betroffenen vorgenommene Ladungssicherung ordnungsgemäß war, ist schon nicht ersichtlich, welche Art von Ladungssicherung hier konkret gemeint sein soll. Dass und gegebenenfalls auf welche Weise der Betroffene die Ladung gesichert hatte, wird in der Antragsbegründung nicht behauptet. Auch das im Urteil gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO in Bezug genommene Lichtbild Nr. 3 (Bl. 9 d.A.), das einen – nach den Feststellungen des Amtsgerichts mit kleinkörnigem Splitt – beladenen LKW zeigt, lässt keinerlei Vorkehrungen zur Sicherung der Ladung gegen Verrutschen oder Herabfallen erkennen. So verstanden erweist sich das Begehren deshalb als unbeachtliche Behauptung „ins Blaue hinein“.

Sollte der Antrag dahingehend auszulegen gewesen sein, dass der Betroffene – wie der zweite Teil des Begehrens nahe legt – zum Ausdruck bringen wollte, dass eine Ladungssicherung vorliegend überhaupt nicht erforderlich war, so bezeichnet der Antrag lediglich die vom Sachverständigen erwartete Schlussfolgerung, aber nicht die konkreten Tatsachen, an die die Bewertung anknüpfen sollte (vgl. BGH, 3 StR 365/11 v. 15.12.2011 – NStZ 2012, 280 <Rn. 6 n. juris mwN.>).

Um einem Sachverständigen die Beantwortung der Frage zu ermöglichen, ob das vom Betroffenen gefahrene Ladegut gesichert werden musste oder ungesichert auf der Ladefläche verbleiben konnte, wären Angaben zur konkreten Beschaffenheit des Ladeguts (Art, Körnung, Masse, Gewicht, Feuchtegrad etc.) und zur Ladefläche des LKWs (Größe, Höhe der Ladekante etc.) erforderlich gewesen. Die genannten Tatsachen können auch dem in Bezug genommenen Lichtbild nicht entnommen werden. Es lag daher lediglich ein Beweisermittlungsantrag vor, über den nicht nach Maßgabe von § 77 Abs. 2 OWiG und § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO, sondern allein unter dem Gesichtspunkt der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2 StPO) zu entscheiden war (BGH, aaO.; 3 StR 114/97 v. 28.11.1997 – BGHSt 43, 321 <332>). Dieser Maßstab gilt auch für die rechtsbeschwerdegerichtliche Überprüfung.

Insoweit hat sich das Gericht aber rechtsfehlerfrei nicht dazu verpflichtet gesehen, den Sachverhalt weiter aufzuklären. Nach seinen in der Beweisaufnahme gewonnenen Feststellungen handelte es sich bei dem Ladegut um kleinkörnigen Splitt, dessen Schüttkegel in der Mitte der Ladefläche über die Bordkante hinausragte. Dies begründet aber schon nach allgemeiner Lebenserfahrung die abstrakte Gefahr des Herunterwehens und – fallens, was den Normgeber veranlasst hat zu bestimmen, dass Schüttgüter wie Kies, Sand oder ähnliches, die auf Lastkraftwagen befördert werden, regelmäßig nur dann ausreichend gesichert sind, wenn durch überhohe Bordwände, Planen oder ähnliche Mittel sichergestellt ist, dass auch nur unwesentliche Teile der Ladung nicht herabfallen können (vgl. Verwaltungsvorschrift Nr. 2 zu § 22 Abs. 1 StVO; s.a. OLG Köln, 11 U 217/93 v. 01.06.1994 – VRS 88, 22 <Leits. 1 n. juris>; Xanke, Praxiskommentar Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl. StVO § 22 Rn. 22). Von einem solchen Regelfall durfte das Amtsgericht nach den von ihm getroffenen Feststellungen ausgehen, so dass es weitergehender Untersuchungen zur Erforderlichkeit ladungssichernder Maßnahmen nicht bedurfte.

Ob vorliegend durch herabgefallenen Splitt das Fahrzeug des Zeugen …[B] beschädigt wurde oder nicht, wäre bejahendenfalls lediglich ein zusätzliches Indiz für das Unterlassen der erforderlichen Ladungssicherung gewesen, lässt aber im Falle des Verneinens die Pflichtverletzung nicht entfallen. Der Verstoß gegen § 22 Abs. 1 StVO setzt keine konkrete Gefährdung, Schädigung, Behinderung oder Belästigung eines anderen voraus (vgl. OLG Düsseldorf, 5 Ss (OWi) 189/92 v. 10.08.1992 – NZV 1992, 494 <Leits. 2 n. juris>). Der Frage musste daher hier nicht weiter nachgegangen werden.

3.

Das Urteil weist auch keinen sachlich-rechtlichen Fehler zum Nachteil des Betroffenen auf. Die Feststellungen tragen die Verurteilung wegen Unterlassens der erforderlichen Ladungssicherung gemäß § 22 Abs. 1 StVO in objektiver wie subjektiver Hinsicht.

Der Senat nimmt das Rechtsmittel zum Anlass, den im Hinblick auf die fehlende Schuldform unvollständigen Tenor zu ergänzen und insgesamt sprachlich vereinfachend neu zu fassen. Die Urteilsformel (§ 71 OWiG iVm. § 260 Abs. 4 StPO) hat bei Festsetzung einer Geldbuße die rechtliche Bezeichnung der Tat mit der Schuldform anzugeben (vgl. Senat, 2 OWi 6 SsBs 92/17 v. 07.12.2017; 2 SsBs 26/14 v. 16.05.2014; 2 SsRs 20/14 v. 05.05.2014; Seitz/Bauer in: Göhler, OWiG, 17. Aufl. 2017, § 71 Rn. 41 mwN.). Dass der Betroffene hier zumindest fahrlässig handelte, lässt sich den Urteilsfeststellungen ohne weiteres entnehmen.

Der Rechtsfolgenausspruch ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht hat die für den Regelfall einer Zuwiderhandlung gegen § 22 Abs. 1 StVO vorgesehene Geldbuße von 60,- Euro (§ 1 Abs. 1 S. 1 BKatV iVm. Nr. 102.1 BKatV) wegen der seit dem 12. Juli 2016 rechtskräftigen Voreintragung im Verkehrszentralregister, welche ebenfalls ein Lkw-spezifisches Vergehen (Nichteinhaltung des für LKW geltenden Sicherheitsabstands) betraf, um 20,- Euro erhöht. Hiergegen ist rechtsbeschwerderechtlich nichts zu einzuwenden.

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