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Bußgeldverfahren –ungenügende Aufklärung des Sachverhalts

Rechtliche Hürden: Unzureichende Aufklärung im Bußgeldverfahren

Im Kontext des Verkehrsrechts sind Bußgeldverfahren ein zentrales Instrument zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten. Eine effektive Aufklärung des Sachverhalts durch die Verwaltungsbehörde ist dabei von entscheidender Bedeutung. Nicht selten stehen Fragen zur Betriebserlaubnis von Fahrzeugteilen im Mittelpunkt solcher Verfahren. Dabei geht es insbesondere darum, ob Änderungen am Fahrzeug die Verkehrssicherheit beeinträchtigen und somit eine Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer darstellen. Die korrekte Ermittlung und Bewertung solcher Sachverhalte erfordert einen angemessenen Ermittlungsaufwand und eine genaue Kenntnis des geltenden Bußgeldkatalogs. Ein unzureichend aufgeklärter Sachverhalt kann zu rechtlichen Unsicherheiten führen und die Effektivität des Bußgeldverfahrens beeinträchtigen.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 1 OWi 4396 Js 6726/23 jug >>>

Das Wichtigste in Kürze


Das Gericht hat entschieden, dass die Verwaltungsbehörde ihre Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts im Bußgeldverfahren nicht erfüllt hat und das Verfahren daher an die Verwaltungsbehörde zurückverwiesen wurde.

Die zentralen Punkte aus dem Urteil:

  1. Verwaltungsbehörde hat nach der ersten Zurückverweisung des Verfahrens nicht die erforderlichen Nachermittlungen durchgeführt.
  2. Das Gericht erwartet nicht, dass ein zuvor verneinter Tatverdacht einer Ordnungswidrigkeit anders beurteilt wird, wenn keine weitere Aufklärung erfolgt.
  3. Die Verwaltungsbehörde hat eigene Erwägungen zur Sach- und Rechtslage gemacht, die teilweise rechtsirrig sind.
  4. Das Gericht hat klargestellt, dass das Fehlen einer allgemeinen Betriebserlaubnis für Fahrzeugteile nicht automatisch eine Gefährdung bedeutet.
  5. Eine Gefährdung im Sinne des § 19 Abs. 2 StVZO setzt voraus, dass durch Änderungen eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer wahrscheinlich ist.
  6. Die Verwaltungsbehörde hat nicht ausreichend ermittelt, ob von den verwendeten Felgen eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeht.
  7. Die Beweislastverteilung im Bußgeldverfahren folgt dem Untersuchungsgrundsatz, und die Verwaltungsbehörde muss den Sachverhalt aufklären.
  8. Die Verwaltungsbehörde kann nach der endgültigen Rückgabe des Verfahrens die mutmaßliche Tat nicht mehr unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit ahnden.

Bußgeldverfahren und rechtliche Herausforderungen

Im Zentrum des vorliegenden Falles steht ein Bußgeldverfahren, das vom Amtsgericht Landstuhl unter dem Aktenzeichen 1 OWi 4396 Js 6726/23 jug bearbeitet wurde. Der Beschluss wurde am 10.07.2023 gefasst und besagt, dass die Angelegenheit gemäß § 69 Abs. 5 S. 2 OWiG endgültig an die Verwaltungsbehörde – Zentrale Bußgeldstelle beim Polizeipräsidium Rheinpfalz – zurückgegeben wird.

Mängel in der Sachaufklärung

Der Kern des Problems liegt in der ungenügenden Aufklärung des Sachverhalts durch die Verwaltungsbehörde. Nach einer ersten Zurückverweisung des Verfahrens durch das Gericht am 10.03.2023 hat die Verwaltungsbehörde nicht die erforderlichen Nachermittlungen durchgeführt. Stattdessen hat sie lediglich allgemeine Ausführungen zu ihrer Rechtsauffassung gemacht und Mutmaßungen über eine mögliche Gefährdungslage angestellt. Dies wurde vom Gericht als unzureichend erachtet.

Rechtliche Aspekte und Betriebserlaubnis

Die rechtliche Herausforderung in diesem Fall liegt in der korrekten Anwendung des § 69 Abs. 5 OWiG und der damit verbundenen Pflicht der Verwaltungsbehörde, den Sachverhalt ausreichend aufzuklären. Das Gericht stellte fest, dass es nicht zu erwarten ist, dass der zuvor verneinte hinreichende Tatverdacht einer Ordnungswidrigkeit anders beurteilt wird, wenn ihm das Verfahren ohne weitere Aufklärung erneut vorgelegt wird.

Ein weiterer strittiger Punkt war die Frage der Betriebserlaubnis für Fahrzeugteile, insbesondere Felgen. Die Verwaltungsbehörde argumentierte, dass die Betriebserlaubnis nicht „teilweise erlöschen“ könne. Das Gericht wies jedoch darauf hin, dass das Fehlen einer allgemeinen Betriebserlaubnis für Teile, wie die Felgen, nicht automatisch eine Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer bedeutet. Es muss vielmehr nachgewiesen werden, dass durch die vorgenommenen Änderungen eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer mit einem gewissen Maß an Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist.

Das Gericht zitierte auch den Bundesgerichtshof (BGH), der klargestellt hat, dass nicht bereits das Vorliegen einer abstrakten Gefährdung ausreichend ist, um die Betriebserlaubnis gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StVZO erlöschen zu lassen. Es ist erforderlich, dass durch die nachträgliche Veränderung mit einem gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit eine Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer geschaffen wird.

Die Verwaltungsbehörde hat in diesem Fall nicht ausreichend ermittelt, ob von den verwendeten Felgen eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeht. Sie hat sich stattdessen auf allgemeine Erwägungen zur Gefährlichkeit verlassen und nicht die notwendige Sachverhaltsaufklärung im Einzelfall durchgeführt.

Fazit und rechtliche Konsequenzen

Das Fazit des Urteils ist, dass die Verwaltungsbehörde ihre Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nicht erfüllt hat. Das Gericht hat das Verfahren daher an die Verwaltungsbehörde zurückverwiesen. Es ist der Verwaltungsbehörde nun verwehrt, den Bußgeldbescheid zurückzunehmen und wegen derselben prozessualen Tat einen neuen Bußgeldbescheid gegen den Betroffenen zu erlassen.

Wichtige Begriffe kurz erklärt


§ 69 Abs. 5 S. 2 OWiG: Rückgabe des Verfahrens an die Verwaltungsbehörde

§ 69 Abs. 5 S. 2 OWiG regelt die Rückgabe eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens an die Verwaltungsbehörde. Diese Regelung kommt zum Einsatz, wenn das zuständige Amtsgericht der Ansicht ist, dass der Sachverhalt offensichtlich ungenügend aufgeklärt wurde und weitere Ermittlungen erforderlich sind. In solchen Fällen kann das Amtsgericht, unter Angabe der Gründe und mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft, das Verfahren an die Verwaltungsbehörde zurückverweisen. Mit dem Eingang der Akten bei der Verwaltungsbehörde wird diese wieder für die Verfolgung und Ahndung der Ordnungswidrigkeit zuständig.

Die Verwaltungsbehörde ist nach der Rückverweisung des Verfahrens verpflichtet, die erforderlichen Nachermittlungen durchzuführen. Allerdings ist sie nicht daran gehindert, das Verfahren sofort wieder über die Staatsanwaltschaft dem Gericht vorzulegen, wenn sie der Meinung ist, dass keine weiteren Ermittlungen notwendig sind. Jedoch hat § 69 Abs. 5 S. 2 OWiG die Funktion, ein solches Vorgehen zu vermeiden, um eine effektive Sachaufklärung sicherzustellen.

Wenn die Verwaltungsbehörde trotz der Rückverweisung des Verfahrens keine ausreichenden Nachermittlungen vornimmt und das Gericht weiterhin der Ansicht ist, dass ein hinreichender Tatverdacht nicht besteht, kann das Verfahren gemäß § 69 Abs. 5 S. 2 OWiG endgültig an die Verwaltungsbehörde zurückgegeben werden. In diesem Fall kann die mutmaßliche Tat nicht mehr unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit geahndet werden.

Betriebserlaubnis im Kontext von Fahrzeugteilen

Die Betriebserlaubnis ist ein Konzept, das insbesondere im Zusammenhang mit Fahrzeugteilen relevant ist. Um eine Betriebserlaubnis für Fahrzeugteile, wie z.B. Felgen, zu erhalten, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Dazu gehört, dass die betreffenden Teile keine Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer verursachen. Behörden und Gerichte müssen für jeden konkreten Einzelfall ermitteln, ob die betreffende Veränderung eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern nicht nur für möglich erscheinen, sondern erwarten lässt.

Fehlt eine Betriebserlaubnis für Fahrzeugteile, kann dies rechtliche Folgen haben, wie z.B. den Verlust der allgemeinen Betriebserlaubnis für das gesamte Fahrzeug. In solchen Fällen können Bußgelder und Punkte in Flensburg drohen. Um solche Konsequenzen zu vermeiden, sollten Fahrzeugbesitzer darauf achten, dass sie für ihre Fahrzeugteile eine gültige Betriebserlaubnis besitzen, z.B. in Form einer Allgemeinen Betriebserlaubnis (ABE) oder eines Teilegutachtens.


Das vorliegende Urteil

AG Landstuhl – Az.: 1 OWi 4396 Js 6726/23 jug – Beschluss vom 10.07.2023

Die Sache wird gemäß § 69 Abs. 5 S. 2 OWiG endgültig an die Verwaltungsbehörde ‒ Zentrale Bußgeldstelle bei dem Polizeipräsidium Rheinpfalz ‒ zurückgegeben.

Gründe

1.

Die Verwaltungsbehörde hat die nach der (ersten) Zurückverweisung des Verfahrens durch Beschluss des hiesigen Gerichts vom 10.03.2023 gebotenen Nachermittlungen nicht vorgenommen, sondern vielmehr lediglich allgemeine Ausführungen zu ihrer Rechtsauffassung gemacht und Mutmaßungen zum Bestehen einer Gefährdungslage angestellt. Dies reicht nicht aus.

1.1

Zwar ist die Verwaltungsbehörde grundsätzlich auch nach einer (ersten) Zurückverweisung des Verfahrens aus Rechtsgründen nicht daran gehindert, die Sache sofort wieder über die Staatsanwaltschaft dem Gericht vorzulegen, jedoch hat die Vorschrift des § 69 Abs. 5 S. 2 OWiG gerade die Funktion, ein solches Vorgehen zu vermeiden (Gertler, in: BeckOK-OWiG, 38. Ed. 2023, § 69 Rn. 139). Denn es ist nicht zu erwarten, dass das Gericht den zuvor verneinten hinreichenden Tatverdacht einer Ordnungswidrigkeit anders beurteilt als zuvor, wenn ihm das Verfahren ohne weitere Aufklärung wieder vorgelegt wird. Aus diesem Grund ist es, abgesehen von Ausnahmefällen, regelmäßig aussichtslos und daher untunlich, dem Gericht ‒ wie vorliegend ‒ das Verfahren nach Zurückverweisung gem. § 69 Abs. 5 S. 1 OWiG sofort wieder über die Staatsanwaltschaft vorzulegen, ohne zuvor eine weitere Sachaufklärung veranlasst zu haben (Seitz/Bauer, in: Göhler, OWiG, 18. Aufl. 2021, § 69 Rn. 59).

1.2

Hieran ändert es auch nichts, dass die Verwaltungsbehörde mit der erneuten Übersendung eigene, sich mit der Rechtsauffassung des Gerichts nicht deckende, Erwägungen zur Sach- und Rechtslage angestellt hat. Denn diese Erwägungen sind teilweise rechtsirrig und stehen zudem nicht im Einklang mit der hierzu ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung.

Soweit die Verwaltungsbehörde ausgeführt hat, die Betriebserlaubnis könne „nicht teilweise erlöschen“, ist ihr hierin zwar grundsätzlich zuzustimmen. Die Ausführungen lassen jedoch besorgen, dass der Beschluss des Gerichts vom 10.03.2023 von der Verwaltungsbehörde fehlverstanden worden ist. Denn in dem Beschluss wird an keiner Stelle die Behauptung aufgestellt, dass eine Betriebserlaubnis teilweise erlöschen könne. Vielmehr hat das Gericht lediglich darauf hingewiesen, dass das Fehlen einer allgemeinen Betriebserlaubnis für Teile (§ 22 StVZO), wie vorliegend die Felgen, für die auch eine Einzelbetriebserlaubnis nach §§ 21, 22 Abs. 2 S. 4 StVZO oder ein Nachtrag zur Betriebserlaubnis des Fahrzeugs (§ 22 Abs. 3, § 19 Abs. 3 Nr. 1 lit. b StVZO) nicht vorliegen, nicht im Sinne eines Automatismus dazu führt, dass gemäß § 19 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 StVZO auch die Betriebserlaubnis für das Fahrzeug erlischt. Vielmehr setzt dies voraus, dass die nachträgliche Veränderung mit einem gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit eine Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer verursacht (so ausdrücklich BGH, BeckRS 2019, 35942 (Rn. 30 m.w.N.)).

Hiervon scheint auch die Verwaltungsbehörde grundsätzlich auszugehen, da sie hinsichtlich des Erlöschens der allgemeinen Betriebserlaubnis im vorliegenden Fall ‒ im Ausgangspunkt noch zutreffend ‒ auf die Regelung des § 19 Abs. 2 S. 2 StVZO abstellt. Indes ist die von der Verwaltungsbehörde gezogene Schlussfolgerung, aus dem Fehlen eines Zulässigkeitsnachweises für die Felgen sei auch auf das Vorliegen einer Gefährdung zu schließen, rechtsfehlerhaft.

Der Bundesgerichtshof hat hierzu ausgeführt (BGH, BeckRS 2019, 35942 (Rn. 31 f.), Hervorhebung durch das Gericht):

„Ausweislich der Gesetzesmaterialien ist weder die Veränderung von Fahrzeugteilen, deren Beschaffenheit vorgeschrieben ist, noch die bloße Möglichkeit einer Gefährdung ausreichend, um die Betriebserlaubnis gemäß § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StVZO erlöschen zu lassen (BR-Drucks. 629/93, S. 17; VGH Baden-Württemberg, a.a.O. [Anm. des Gerichts: Urteil vom 31. Mai 2011 – 10 S 1857/09, juris] Rn. 31; vgl. auch KG, a.a.O [Anm des Gerichts.: Beschluss vom 27. März 1998 – 2 Ss 341/97 – 3 Ws (B) 76/98, juris Rn. 7, 9]). Dem steht der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entgegen (BR-Drucks. a.a.O.). Erforderlich ist daher, dass durch die nachträgliche Veränderung mit einem gewissen Grad an Wahrscheinlichkeit eine Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer geschaffen wird (VGH Baden-Württemberg, a.a.O.; OLG Köln, NZV 1997, 283, 284; KG, a.a.O. Rn. 9; OLG Düsseldorf, NZV 1996, 40, 41). Dabei lässt sich das Maß der für ein Erlöschen der Betriebserlaubnis erforderlichen Gefahr nicht abstrakt und absolut bestimmen. Denn der zu fordernde Wahrscheinlichkeitsgrad hängt von der Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter und dem Ausmaß des möglichen Schadens ab (VGH Baden-Württemberg, a.a.O. Rn. 32). Behörden und Gerichte haben daher für jeden konkreten Einzelfall zu ermitteln, ob die betreffende Veränderung ‒ sei es durch unsachgemäßen Anbau eines an sich ungefährlichen Fahrzeugteils, sei es durch den Betrieb eines sachgerecht angebauten, aber gefährlichen Teils ‒ eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern nicht nur für möglich erscheinen, sondern erwarten lässt (VGH Baden-Württemberg, a.a.O. Rn. 31, 32; OLG Köln, a.a.O.).

Die vereinzelt von Zivilgerichten vertretene Auffassung, die Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StVZO seien regelmäßig erfüllt, wenn Änderungen vorgenommen würden, die das Fahrverhalten beeinflussten, was bei Änderungen an Reifen, Felgen und Fahrzeugwerk ohne weiteres der Fall sei (OLG Bamberg, DAR 2005, 619), trifft daher nicht zu. Es mag zwar sein, dass bei Veränderungen an den Rädern eines Fahrzeugs ein Indiz für eine zu erwartende Gefährdung von Verkehrsteilnehmern besteht, weil sie für die Verkehrssicherheit von besonderer Bedeutung sind (KG, a.a.O. Rn. 9). Gleichwohl setzt die erforderliche Prognose der Wahrscheinlichkeit einer Gefährdung der Verkehrsteilnehmer Feststellungen zu Art und Typ der geänderten Bereifung, zu Art und Umfang der Abweichung vom Originalzustand und zu dem Einfluss der Abweichung auf die Verkehrssicherheit voraus (KG, a.a.O.).“

Ausreichend für eine Gefährdung im Sinne des § 19 Abs. 2 StVZO ist nicht bereits das Vorliegen einer abstrakten Gefährdung. Zum Erlöschen der allgemeinen Betriebserlaubnis reicht es daher nicht aus, wenn Änderungen vorgenommen wurden, aus denen eine Gefährdung von Verkehrsteilnehmern lediglich resultieren kann. Erforderlich ist vielmehr, dass durch die vorgenommenen Änderungen eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer mit einem gewissen Maß an Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. Dies setzt allerdings umgekehrt auch nicht die Feststellung einer konkreten Gefährdung voraus, sondern lediglich ein gewisses Maß an Wahrscheinlichkeit (BGH, NJW 2020, 1287 (1288); OLG Düsseldorf, NZV 1995, 329 f.; OLG Koblenz, NStZ 2020, 430; VGH Mannheim, NJOZ 2012, 904 (905, Rn. 30 ff.); Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, StVR, 47. Aufl. 2023, § 19 StVZO Rn. 8; jurisPK-StVR/Neu, 2. Aufl. 2022 (Werksstand), Aktualisierung 2/2023, § 19 StVZO Rn. 37).

Das Vorliegen des hiernach erforderlichen gewissen Maßes an Wahrscheinlichkeit für eine von den verwendeten Felgen ausgehende Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer hat die Verwaltungsbehörde vorliegend nicht zureichend ermittelt. Insbesondere ersetzen die von der Verwaltungsbehörde angestellten allgemeinen Erwägungen zur Gefährlichkeit nicht die gebotene Sachverhaltsaufklärung im Einzelfall.

Indem die Verwaltungsbehörde darauf abhebt, der Betroffene habe den ordnungsgemäßen Anbau zu keiner Zeit nachgewiesen, verkennt sie zudem die Beweislastverteilung im Bußgeldverfahren. Hier gilt (in gleicher Weise wie im Strafverfahren) nicht der Beibringungs-, sondern der Untersuchungsgrundsatz. Für eine Verurteilung ist es daher erforderlich, dass die Erwartbarkeit einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer nachgewiesen ist; es ist hingegen nicht die Aufgabe des Betroffenen, das Nichtvorliegen einer erwartbaren Gefährdung zu beweisen. Die hierzu erforderliche Tatsachengrundlage zu ermitteln, ist (schon vor Erlass eines Bußgeldbescheids, da dieser anderenfalls gar nicht erst erlassen werden darf) Aufgabe der Verwaltungsbehörde. Sie ist, wie § 69 Abs. 5 OWiG zeigt, auch nach Abgabe des Verfahrens über die Staatsanwaltschaft an das Gericht nicht von der Durchführung erforderlicher (Nach-) Ermittlungen befreit. Das Gericht ist zwar berechtigt, erforderlich werdende weitere Ermittlungen im Einzelfall auch selbst durchzuführen; eine Verpflichtung hierzu besteht jedoch nicht. Die grundlegende Aufklärung des Sachverhalts ist Aufgabe der Verwaltungsbehörde, die sie nicht auf das Gericht abwälzen kann.

Dieser Aufklärungspflicht ist die Verwaltungsbehörde vorliegend, trotz Zurückverweisung des Verfahrens an sie gem. § 69 Abs. 5. S. 1 OWiG wegen offensichtlich ungenügender Aufklärung des Sachverhalts durch Beschluss des hiesigen Gerichts vom 10.03.2023, nicht nachgekommen. Es wäre vielmehr geboten gewesen, entweder die mit der Fahrzeugkontrolle befassten Polizeibeamten ergänzend zu befragen oder notfalls sogar sachverständige Hilfe zum Vorliegen einer erwartbaren Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer in Anspruch zu nehmen. Sofern die Verwaltungsbehörde der Auffassung gewesen wäre, dass der Tatnachweis mit zumutbarem Ermittlungsaufwand nicht zu führen gewesen wäre, hätte es ihr auch freigestanden, das Verfahren (ggf. unter Opportunitätsgesichtspunkten) einzustellen, da sie nach der (ersten) Zurückverweisung des Verfahrens nach § 69 Abs. 5 S. 1 OWiG wieder zur Herrin des Verfahrens geworden ist. Eine erneute Übersendung an das Gericht hätte dann unterbleiben können.

Ein hinreichender Tatverdacht besteht jedenfalls nach wie vor nicht. Die Sache ist daher gem. § 69 Abs. 5 S. 2 OWiG endgültig an die Verwaltungsbehörde zurückzugeben.

2.

Für die weitere Bearbeitung weist das Gericht darauf hin, dass die Verwaltungsbehörde an die endgültige Rückgabe des Verfahrens gebunden ist. Dies hat zur Folge, dass die mutmaßliche Tat nicht mehr unter dem rechtlichen Gesichtspunkt einer Ordnungswidrigkeit geahndet werden kann. Insbesondere ist es der Verwaltungsbehörde verwehrt, den Bußgeldbescheid zurückzunehmen und wegen derselben prozessualen Tat einen neuen Bußgeldbescheid, ggf. auch unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt, gegen den Betroffenen zu erlassen (vgl. etwa Gertler, in: BeckOK-OWiG, 38. Ed. 2023, § 69 Rn. 145).

3.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 69 Abs. 5 S. 3 OWiG).

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