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Übersicht
- ✔ Kurz und knapp
- Beweisführung im Bußgeldverfahren: Oberlandesgericht Düsseldorf kippt Urteil wegen fehlender Identifizierung
- ✔ Der Fall vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf
- ✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
- ✔ FAQ – Häufige Fragen: Beweisführung in Bußgeldverfahren
- § Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- ⬇ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf
✔ Kurz und knapp
- Die Urteilsgründe müssen eine wirksame Bezugnahme auf das Beweisfoto enthalten oder eine ausführliche Beschreibung der Identifizierungsmerkmale liefern.
- Die bloße Angabe der Fundstelle des Fotos in den Akten reicht für eine Bezugnahme nicht aus.
- Die Aufzählung weniger physiognomischer Merkmale ist für eine Identifizierung unzureichend.
- Das Urteil muss Ausführungen zur Bildqualität und Bildschärfe sowie eine präzise Beschreibung mehrerer charakteristischer Identifizierungsmerkmale enthalten.
- Die Ablehnung von Beweisanträgen muss stets begründet und die Begründung muss überprüfbar sein.
- Zur Überprüfbarkeit gehören Angaben zum Verfahrensstadium und zur Aussetzungsfolge bei rechtzeitigem Vorbringen.
- Die Begründung darf sich nicht auf eine Wiedergabe des Gesetzestextes beschränken.
Beweisführung im Bußgeldverfahren: Oberlandesgericht Düsseldorf kippt Urteil wegen fehlender Identifizierung
Verkehrsverstöße wie Geschwindigkeitsüberschreitungen sind ein häufiges Phänomen im Straßenverkehr. In solchen Fällen kann ein Bußgeldverfahren eingeleitet werden, in dem das zuständige Gericht über die Ahndung des Vergehens entscheidet. Die Urteilsbegründung spielt hierbei eine wichtige Rolle, da sie die rechtlichen Überlegungen des Gerichts offenlegt und für den Betroffenen nachvollziehbar machen muss. Insbesondere wenn kein direkter Verweis auf ein vorliegendes Beweisfoto erfolgt, müssen die Urteilsgründe bestimmte Mindestanforderungen erfüllen, um eine rechtssichere Entscheidung zu gewährleisten. Der folgende Beitrag analysiert ein aktuelles Gerichtsurteil, das sich mit diesen Anforderungen an die Urteilsbegründung in Bußgeldverfahren befasst.
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✔ Der Fall vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf
Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung und fehlerhafter Beweisführung
Am 19. Februar 2020 soll der Betroffene um 16:11 Uhr mit einem Porsche auf der Autobahn A 57 in Fahrtrichtung Krefeld die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h erheblich überschritten haben. Laut Messung mit dem PoliScan Speed-System fuhr er mit 172 km/h. Das Amtsgericht Neuss verhängte daraufhin eine Geldbuße von 600 Euro und ein dreimonatiges Fahrverbot. Der Betroffene legte jedoch Rechtsbeschwerde ein, gestützt auf die Verletzung materiellen Rechts. Kern des Problems war die Identifizierung des Betroffenen als Fahrer des Fahrzeugs, die das Amtsgericht auf Grundlage eines Fotos vorgenommen hatte. Das Gericht beschrieb den Fahrer anhand physischer Merkmale wie hoher Stirn, rundem Gesicht und großen Ohren, hielt jedoch ein Sachverständigengutachten für unnötig.
Gerichtliche Entscheidung und Begründung der Aufhebung
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hob das Urteil des Amtsgerichts Neuss auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung zurück. Grund dafür war die unzureichende Beweiswürdigung zur Identität des Betroffenen. Das Amtsgericht hatte versäumt, das Beweisfoto rechtskonform in die Urteilsgründe aufzunehmen oder es detailliert zu beschreiben. Laut Bundesgerichtshof muss das Gericht entweder auf das Foto in den Akten eindeutig verweisen oder die abgebildete Person so präzise beschreiben, dass die Identifizierung nachvollziehbar ist. Die bloße Aufzählung weniger, nicht markanter Merkmale wie hier reichte nicht aus, um die Identität des Fahrers zweifelsfrei festzustellen.
Bedeutung der ordnungsgemäßen Beweisführung
Das Urteil verdeutlicht die hohen Anforderungen an die Beweisführung in Bußgeldverfahren. Eine fehlerhafte oder unzureichende Dokumentation kann zur Aufhebung des Urteils führen. In diesem Fall mangelte es an der notwendigen Bezugnahme auf das Beweisfoto und einer detaillierten Beschreibung der abgebildeten Person. Der Tatrichter muss klar machen, dass das Foto Teil der Urteilsurkunde ist und ausreichend scharf und erkennbar zur Identifizierung geeignet ist. Ohne diese Standards ist es dem Rechtsbeschwerdegericht nicht möglich zu überprüfen, ob die Verurteilung des Betroffenen zu Recht erfolgt ist.
Hinweise für das weitere Verfahren
Für die neue Verhandlung am Amtsgericht Neuss gibt das Oberlandesgericht ergänzende Hinweise zur Beweisführung. Insbesondere muss bei der Ablehnung von Beweisanträgen nach § 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG und § 244 StPO eine ausreichende Begründung gegeben werden, die über die bloße Wiedergabe des Gesetzestextes hinausgeht. Die Begründung muss klar die tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des Gerichts darstellen und dem Antragsteller die Möglichkeit geben, seine Rechte weiter zu verfolgen. Auch die Angabe, warum ein Beweisantrag als verspätet angesehen wird und warum eine Beweiserhebung zur Aussetzung der Hauptverhandlung führen würde, ist zwingend erforderlich.
✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall
Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Düsseldorf unterstreicht die hohen Anforderungen an die Beweisführung in Bußgeldverfahren. Gerichte müssen Beweisfotos rechtskonform in die Urteilsgründe aufnehmen oder die abgebildete Person detailliert beschreiben, um die Identifizierung des Betroffenen zweifelsfrei nachvollziehbar zu machen. Eine mangelhafte Dokumentation kann zur Aufhebung des Urteils führen. Bei der Ablehnung von Beweisanträgen ist eine substantielle Begründung über die bloße Gesetzeswiedergabe hinaus erforderlich.
✔ FAQ – Häufige Fragen: Beweisführung in Bußgeldverfahren
Was sind die Anforderungen an die Beweiswürdigung zur Identität des Betroffenen in Bußgeldverfahren?
Die Anforderungen an die Beweiswürdigung zur Identität des Betroffenen in Bußgeldverfahren sind klar definiert und müssen sorgfältig beachtet werden, um die Rechtmäßigkeit des Urteils sicherzustellen. Diese Anforderungen betreffen insbesondere die Qualität und die Beschreibung des Beweisfotos sowie die methodische Vorgehensweise des Tatrichters.
Das Gericht muss die Qualität des Beweisfotos bewerten und darlegen, ob es hinreichend scharf und klar ist, um die abgebildete Person zu identifizieren. Es müssen spezifische Merkmale der Person beschrieben werden, die eine eindeutige Identifizierung ermöglichen. Dazu gehören beispielsweise Gesichtszüge, Haarfarbe, Frisur und andere individuelle Merkmale. Ein unscharfes oder schlecht beleuchtetes Foto kann die Identifizierung erschweren und die Beweiswürdigung beeinträchtigen.
Das Gericht kann im Urteil auf das in der Akte befindliche Beweisfoto verweisen (§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG). Dieser Verweis muss eindeutig und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht werden. Wenn das Foto zur Identifizierung geeignet ist, sind keine weiteren detaillierten Beschreibungen erforderlich. Der Verweis muss jedoch klar und unmissverständlich erfolgen, damit das Rechtsmittelgericht die Identifizierung nachvollziehen kann.
Wenn das Gericht nicht auf das Beweisfoto verweist, muss es eine detaillierte Beschreibung der abgebildeten Person liefern. Diese Beschreibung muss so präzise sein, dass das Rechtsmittelgericht die Identifizierung anhand der beschriebenen Merkmale überprüfen kann. Es reicht nicht aus, nur das Ergebnis der Überzeugungsbildung mitzuteilen; die Merkmale müssen ausführlich und nachvollziehbar dargestellt werden. Dies ist notwendig, um sicherzustellen, dass das Foto hinreichend viele individuelle körperliche Merkmale wiedergibt, die eine Identifizierung ermöglichen.
In Fällen, in denen die Bildqualität nicht ausreicht, um eine eindeutige Identifizierung vorzunehmen, kann das Gericht ein anthropologisch-biometrisches Gutachten einholen. Ein solches Gutachten kann helfen, die Identität des Fahrers mit wissenschaftlichen Methoden zu klären, insbesondere wenn die Merkmale auf dem Foto nicht deutlich erkennbar sind.
Eine unzureichende Beweiswürdigung kann zur Aufhebung des Urteils führen. Das Rechtsmittelgericht muss in der Lage sein, die Eignung des Beweisfotos zur Identifizierung zu überprüfen. Wenn die Anforderungen an die Beweiswürdigung nicht erfüllt sind, kann das Urteil angefochten und das Verfahren zurückverwiesen werden. Dies stellt sicher, dass die Identifizierung des Betroffenen auf einer soliden und nachvollziehbaren Grundlage erfolgt, um rechtliche Fehler und ungerechtfertigte Verurteilungen zu vermeiden.
Diese Anforderungen gewährleisten, dass die Identifizierung des Betroffenen in Bußgeldverfahren auf einer soliden und nachvollziehbaren Grundlage erfolgt, um rechtliche Fehler und ungerechtfertigte Verurteilungen zu vermeiden.
Welche Folgen kann eine fehlerhafte oder unzureichende Dokumentation in Bußgeldverfahren haben?
Eine fehlerhafte oder unzureichende Dokumentation in Bußgeldverfahren kann erhebliche Folgen haben, insbesondere wenn es um die Beweiswürdigung zur Identität des Betroffenen geht. Die Konsequenzen einer mangelhaften Beweisführung können zur Aufhebung des Urteils führen und haben verschiedene rechtliche Implikationen.
Eine unzureichende Dokumentation der Beweismittel, insbesondere des Beweisfotos, kann dazu führen, dass das Gericht die Identität des Betroffenen nicht eindeutig feststellen kann. Dies ist besonders relevant, wenn das Foto unscharf oder schlecht beleuchtet ist und keine klaren Identifizierungsmerkmale wie Gesichtszüge oder andere individuelle Merkmale erkennbar sind. In solchen Fällen kann das Gericht die Beweiskraft des Fotos anzweifeln und die Beweiswürdigung als unzureichend betrachten.
Das Gericht hat die Möglichkeit, im Urteil auf das in der Akte befindliche Beweisfoto zu verweisen (§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG). Dieser Verweis muss jedoch eindeutig und zweifelsfrei erfolgen. Wenn das Foto zur Identifizierung geeignet ist, sind keine weiteren detaillierten Beschreibungen erforderlich. Fehlt dieser Verweis oder ist er unklar, kann dies die Beweiswürdigung beeinträchtigen und zur Aufhebung des Urteils führen.
Wenn das Gericht nicht auf das Beweisfoto verweist, muss es eine detaillierte Beschreibung der abgebildeten Person liefern. Diese Beschreibung muss so präzise sein, dass das Rechtsmittelgericht die Identifizierung anhand der beschriebenen Merkmale überprüfen kann. Eine unzureichende Beschreibung kann dazu führen, dass das Gericht die Identität des Betroffenen nicht eindeutig feststellen kann, was wiederum zur Aufhebung des Urteils führen kann.
In Fällen, in denen die Bildqualität nicht ausreicht, um eine eindeutige Identifizierung vorzunehmen, kann das Gericht ein anthropologisch-biometrisches Gutachten einholen. Ein solches Gutachten kann helfen, die Identität des Fahrers mit wissenschaftlichen Methoden zu klären. Fehlt ein solches Gutachten, obwohl es notwendig wäre, kann dies ebenfalls die Beweiswürdigung beeinträchtigen.
Eine unzureichende Beweiswürdigung kann zur Aufhebung des Urteils führen. Das Rechtsmittelgericht muss in der Lage sein, die Eignung des Beweisfotos zur Identifizierung zu überprüfen. Wenn die Anforderungen an die Beweiswürdigung nicht erfüllt sind, kann das Urteil angefochten und das Verfahren zurückverwiesen werden. Dies stellt sicher, dass die Identifizierung des Betroffenen auf einer soliden und nachvollziehbaren Grundlage erfolgt, um rechtliche Fehler und ungerechtfertigte Verurteilungen zu vermeiden.
Die rechtlichen Grundlagen für die Beweiswürdigung in Bußgeldverfahren sind in verschiedenen Gesetzen und Verordnungen festgelegt. Dazu gehören § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, § 71 Abs. 1 OWiG und § 286 Abs. 1 ZPO. Diese Vorschriften regeln die Anforderungen an die Beweiswürdigung und die Dokumentation der Beweismittel im Urteil.
Eine fehlerhafte oder unzureichende Dokumentation in Bußgeldverfahren kann somit erhebliche rechtliche Konsequenzen haben, einschließlich der Aufhebung des Urteils. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass die Beweiswürdigung sorgfältig und präzise erfolgt, um die Rechtmäßigkeit des Urteils sicherzustellen.
Worauf muss der Tatrichter bei der Bezugnahme auf das Beweisfoto achten?
Der Tatrichter muss bei der Bezugnahme auf das Beweisfoto im Bußgeldverfahren mehrere wesentliche Aspekte beachten, um die Beweisführung rechtlich einwandfrei und nachvollziehbar zu gestalten.
Zunächst muss das Beweisfoto eindeutig als Teil der Urteilsurkunde gekennzeichnet sein. Dies bedeutet, dass das Foto entweder direkt im Urteil abgedruckt oder klar auf das in der Akte befindliche Foto verwiesen werden muss. Ein solcher Verweis muss eindeutig und zweifelsfrei erfolgen, damit das Rechtsmittelgericht die Identifizierung nachvollziehen kann. Dies ist besonders wichtig, wenn das Foto zur Identifizierung des Fahrers herangezogen wird (§ 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG).
Das Foto muss von ausreichender Qualität sein, um die abgebildete Person eindeutig zu identifizieren. Dies umfasst die Schärfe und Klarheit des Bildes sowie die Sichtbarkeit charakteristischer Merkmale der Person, wie Gesichtszüge, Haarfarbe und Frisur. Ein unscharfes oder schlecht beleuchtetes Foto kann die Identifizierung erschweren und die Beweiswürdigung beeinträchtigen. In solchen Fällen muss der Tatrichter näher darlegen, warum er trotz der eingeschränkten Bildqualität den Betroffenen als Fahrer identifizieren kann.
Wenn das Gericht nicht auf das Beweisfoto verweist, muss es eine detaillierte Beschreibung der abgebildeten Person liefern. Diese Beschreibung muss so präzise sein, dass das Rechtsmittelgericht die Identifizierung anhand der beschriebenen Merkmale überprüfen kann. Es reicht nicht aus, nur das Ergebnis der Überzeugungsbildung mitzuteilen; die Merkmale müssen ausführlich und nachvollziehbar dargestellt werden. Dies ist notwendig, um sicherzustellen, dass das Foto hinreichend viele individuelle körperliche Merkmale wiedergibt, die eine Identifizierung ermöglichen.
In Fällen, in denen die Bildqualität nicht ausreicht, um eine eindeutige Identifizierung vorzunehmen, kann das Gericht ein anthropologisch-biometrisches Gutachten einholen. Ein solches Gutachten kann helfen, die Identität des Fahrers mit wissenschaftlichen Methoden zu klären, insbesondere wenn die Merkmale auf dem Foto nicht deutlich erkennbar sind.
Eine unzureichende Beweiswürdigung kann zur Aufhebung des Urteils führen. Das Rechtsmittelgericht muss in der Lage sein, die Eignung des Beweisfotos zur Identifizierung zu überprüfen. Wenn die Anforderungen an die Beweiswürdigung nicht erfüllt sind, kann das Urteil angefochten und das Verfahren zurückverwiesen werden. Dies stellt sicher, dass die Identifizierung des Betroffenen auf einer soliden und nachvollziehbaren Grundlage erfolgt, um rechtliche Fehler und ungerechtfertigte Verurteilungen zu vermeiden.
Diese Anforderungen gewährleisten, dass die Identifizierung des Betroffenen in Bußgeldverfahren auf einer soliden und nachvollziehbaren Grundlage erfolgt, um rechtliche Fehler und ungerechtfertigte Verurteilungen zu vermeiden.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 267 StPO: Diese Vorschrift regelt die Anforderungen an die Urteilsgründe im Strafprozess. Hierbei ist besonders wichtig, dass das Gericht bei der Identifizierung einer Person auf ein Foto in der Akte eindeutig verweisen muss, um die Beweiskraft des Fotos sicherzustellen. Im vorliegenden Fall wurde dies nicht ausreichend beachtet, was zur Aufhebung des Urteils führte.
- § 71 OWiG: Das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten verweist im Rahmen von Bußgeldverfahren auf die entsprechenden Vorschriften der Strafprozessordnung (§ 267 StPO). Dies betrifft die ordnungsgemäße Bezugnahme auf Beweismittel, wie z.B. Fotos. Der fehlende Verweis auf das Beweisfoto gemäß dieser Vorschrift war ein entscheidender Fehler im angefochtenen Urteil.
- § 79 OWiG: Diese Vorschrift ermöglicht die Rechtsbeschwerde gegen Urteile in Bußgeldverfahren. Der Betroffene hat von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, und das Gericht hat die Beschwerde aufgrund der unzureichenden Beweiswürdigung angenommen und das Urteil aufgehoben.
- §§ 353, 354 StPO: Diese Paragraphen regeln die Aufhebung und Zurückverweisung von Urteilen durch das Rechtsmittelgericht. Im vorliegenden Fall führte der Mangel an ordnungsgemäßer Beweiswürdigung zur Anwendung dieser Vorschriften, sodass das Urteil aufgehoben und zur neuen Verhandlung zurückverwiesen wurde.
- § 244 StPO: Beweisanträge im Strafverfahren müssen sorgfältig geprüft und begründet werden. Die Ablehnung von Beweisanträgen muss in einem gerichtlichen Beschluss klar und nachvollziehbar begründet werden. Im vorliegenden Fall wurden Bedenken hinsichtlich der Ablehnung von Beweisanträgen geäußert, die ebenfalls zur Aufhebung des Urteils beitrugen.
- § 77 OWiG: Diese Regelung betrifft die Ablehnung von Beweisanträgen im Bußgeldverfahren. Eine Ablehnung muss begründet erfolgen und dem Antragsteller die Gründe darlegen. Im Fall des Amtsgerichts Neuss wurden hier Fehler gemacht, die zur erneuten Prüfung des Verfahrens führten.
⬇ Das vorliegende Urteil vom Oberlandesgericht Düsseldorf
OLG Düsseldorf – Az.: IV-1 ORBs 77/23 – Beschluss vom 31.07.2023
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Neuss vom 24. August 2022 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Neuss zurückverwiesen.
Gründe
I.
Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 600,00 Euro festgesetzt (so jedenfalls im insoweit maßgebliche Urteilstenor, während die Gründe auf 300,00 Euro lauten) und ein dreimonatiges Fahrverbot verhängt. Dagegen wendet sich der Betroffene mit seiner auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Rechtsbeschwerde.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat schon mit der Sachrüge (jedenfalls vorläufig) Erfolg, so dass es eines Eingehens auf die zugleich erhobene Verfahrensrüge nicht bedarf. Das Urteil unterliegt der Aufhebung, weil die Beweiswürdigung zur Identität des Betroffenen mit dem bei Begehung des Verkehrsverstoßes abgelichteten Fahrzeugführer lückenhaft ist und deshalb revisionsrechtlicher Überprüfung nicht standhält.
1. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts soll der Betroffene am 19. Februar 2020 um 16:11 Uhr mit einem PKW der Marke Porsche, amtliches Kennzeichen D…., in Neuss die Autobahn A 57 in Fahrtrichtung Krefeld bei Kilometer 87,982 statt der mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h nach Abzug der anzurechnenden Toleranz mit einer Geschwindigkeit von 172 km/h befahren haben. Seine Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betroffenen stützt das Amtsgericht auf folgende Erwägungen:
„Auf den Lichtbildern Seiten I, II und 1 ist das vom System PoliScan Speed gemachte Foto zu sehen, auf dem der PKW und der Fahrzeugführer gut zu erkennen sind. Der Auswerterahmen des Messgeräts liegt ordnungsgemäß auf der Front des Fahrzeuges auf und erfasst sowohl das Kennzeichen, als auch einen Teil der Fahrbahn. Auf der Ausschnittsvergrößerung, auf der der Fahrzeugführer zu erkennen ist, war der Betroffene zwanglos als Fahrzeugführer zu erkennen. Hohe Stirn, rundes Gesicht, relativ große Ohren sind die Kennzeichen, die der Fahrzeugführer aufweist, aber auch der Betroffene. Der Betroffene war für den erkennenden Richter so eindeutig zu identifizieren, dass es der Einholung eines Sachverständigengutachtens hierzu nicht bedurfte.“
Zur Sache selbst heißt es im Rahmen der Beweiswürdigung weiter:
„Nach dem in der Hauptverhandlung verlesenen Messprotokoll Blatt 3 der Akten, wurde die Messstelle ordnungsgemäß eingerichtet und es ergaben sich keine Besonderheiten. Nach der Übersicht der zur Tatzeit geltenden Geschwindigkeitsbegrenzung auf der variablen Anzeige Blatt 4 der Akten waren zur Tatzeit 100 km/h an der Messstelle erlaubt, wie auch sonst die gesamte Zeit, was die Frage aufwirft, welchen Sinn eigentlich die variable Anzeige hat. Das Gerät war jedenfalls geeicht., Blatt 5 der Akten, in der Hauptverhandlung auszugsweise verlesen. Eine Dienstanweisung zur Einrichtung der Messstelle gab es auch, Blatt 6 der Akten, in der Hauptverhandlung auszugsweise verlesen. Die Standorte der Verkehrszeichen ergeben sich aus der Aufstellung Blatt 7 der Akten, in der Hauptverhandlung auszugsweise verlesen, danach gab es ein Verkehrszeichen in Höhe des Kilometers 90.3 und in Höhe des Kilometers 89,2, der Standort des Messgeräts war dann in Höhe des Kilometers 87.982. Das ist in Ordnung.“
2. Die vorstehend wiedergegebenen Ausführungen lassen nicht in der erforderlichen Weise erkennen, ob das Amtsgericht sich rechtsfehlerfrei von der Täterschaft des Betroffenen überzeugt hat.
a) Zwar hat über die Frage der Identifizierung eines Betroffenen als die auf dem Messfoto abgebildete Person allein der Tatrichter zu entscheiden. Indes müssen die Urteilsgründe so gefasst sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, ob das Messfoto überhaupt geeignet ist, die Identifizierung einer Person zu ermöglichen (BGHSt 41, 376, 382).
Zur Erfüllung dieser Anforderungen kann der Tatrichter in den Urteilsgründen auf das in der Akte befindliche Foto gemäß § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO i. V. m. § 71 Abs. 1 OWiG wegen der Einzelheiten verweisen. Die Verweisung muss deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht werden (BGH a. a. O.; OLG Düsseldorf NZV 1994, 202; Thür. OLG NZV 2008, 165). Macht der Tatrichter von der Möglichkeit des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO Gebrauch, so sind darüberhinausgehende Ausführungen zur konkreten Beschreibung des abgebildeten Fahrzeugführers entbehrlich, wenn das Foto – weil es die einzelnen Gesichtszüge erkennen lässt – zur Identifizierung uneingeschränkt geeignet ist (BGHSt 41, 376, 383; Thür. OLG a. a. O.)
Sieht der Tatrichter hingegen von der die Abfassung der Urteilsgründe erleichternden Verweisung auf das Beweisfoto ab, so genügt es weder, wenn er das Ergebnis seiner Überzeugungsbildung mitteilt, noch, wenn er – wie hier – die von ihm zur Identifizierung herangezogenen Merkmale auflistet. Vielmehr muss er dem Rechtsmittelgericht, dem das Foto dann nicht als Anschauungsobjekt zur Verfügung steht, durch eine entsprechend ausführliche Beschreibung die Prüfung ermöglichen, ob es für eine Identifizierung geeignet ist. Das Urteil muss dann Ausführungen zur Bildqualität, insbesondere zur Bildschärfe, enthalten und die abgebildete Person oder jedenfalls mehrere Identifizierungsmerkmale (in ihren charakteristischen Eigenarten) so präzise beschreiben, dass dem Rechtsbeschwerdegericht anhand der Beschreibung in gleicher Weise wie bei Betrachtung des Fotos die Prüfung dessen Ergiebigkeit ermöglicht wird (BGHSt 41, 376, 384 f.).
b) Gemessen an diesen Grundsätzen genügt das Urteil den Darlegungserfordernissen nicht. Es enthält weder eine wirksame Bezugnahme auf die in den Akten befindliche Kopie des Radarfotos im Sinne des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO in Verbindung mit § 71 Abs. 1 OWiG noch eine Beschreibung, die dem Senat die Prüfung ermöglicht, ob diese Kopie für eine Identifizierung geeignet ist.
aa) Die Bezugnahme auf ein Radarfoto muss in den Urteilsgründen deutlich und zweifelsfrei zum Ausdruck gebracht werden (BGHSt 41, 376, 382). Das muss nicht in der Weise geschehen, dass die Vorschrift des § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO angeführt und ihr Wortlaut verwendet wird, obwohl sich dieses Vorgehen als die kürzeste und deutlichste Form der Verweisung aufdrängt (Senat NZV 2007, 254, 255); OLG Hamm NStZ-RR 1998, 238 jeweils m.w.N.) Den Gründen muss aber eindeutig zu entnehmen sein, dass nicht nur der Vorgang der Beweiserhebung beschrieben, sondern durch die entsprechenden Ausführungen das Foto zum Bestandteil der Urteilsurkunde gemacht werden soll (Senat a.a.O.; OLG Hamm a.a.O.).
Hier verweist das angefochtene Urteil weder ausdrücklich auf § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO, noch verwendet es den Wortlaut dieser Vorschrift. Den Gründen kann auch sonst nicht entnommen werden, dass das Foto durch Bezugnahme Teil der Urteilsurkunde sein soll. Die bloße Mitteilung der Fundstelle in den Akten – hier: „Seiten I, II und 1“ – reicht dazu in der Regel nicht aus (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 66. Aufl. [2023], § 267 Rn. 8 m.w.N.). Zwar mag im Einzelfall aus der Angabe der Blattzahl darauf geschlossen werden können, dass der Tatrichter das Rechtsmittelgericht dazu auffordern wollte, sich durch die Betrachtung der an entsprechender Stelle zu findenden Abbildung einen eigenen Eindruck zu verschaffen, weil die Angabe der Fundstelle sonst keinen Sinn machen würde (so BGH Beschluss vom 28. Januar 2016 – 3 StR 425/15). Ein solches Bewusstsein kann dem Tatrichter aber nicht unterstellt werden, wenn – wie im angefochtenen Urteil – auch die Fundstellen einer Vielzahl in der Hauptverhandlung verlesener Urkunden angegeben werden, die keinesfalls durch Bezugnahme Bestandteil der Urteilsgründe werden können.
bb) Die Ausführungen zum Vergleich des Betroffenen mit der auf dem Lichtbild abgebildeten Person sind für den Senat nicht nachvollziehbar, weil sie sich in einer Aufzählung dreier wenig markanter, vom Tatrichter für übereinstimmend erachteter physiognomischer Merkmale erschöpfen, im Übrigen aber weder Aufschluss über die Bildqualität geben noch die erforderliche ausführliche Beschreibung der auf dem Foto erkennbaren Identifizierungsmerkmale der abgelichteten Person enthalten.
Aufgrund dieser nur lückenhaften Ausführungen vermag der Senat nicht zu überprüfen, ob die Verurteilung des Betroffenen zu Recht erfolgt ist.
3. Wegen des vorbezeichneten sachlich-rechtlichen Mangels ist das angefochtene Urteil nach § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, §§ 353, 354 Abs. 2 Satz 1 StPO aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
4. Für das weitere Verfahren weist der Senat vorsorglich ergänzend darauf hin, dass auch die mit der Verfahrensrüge beanstandete Behandlung des Beweisbegehrens rechtlichen Bedenken begegnet.
Die Ablehnung von Beweisanträgen nach § 77 Abs. 2 Nr. 2, § 244 Abs. 3, Abs. 4 S. 1 StPO hat auch im Bußgeldverfahren durch begründeten Gerichtsbeschluss zu erfolgen, wobei sich die Begründung nicht auf eine Wiedergabe des Gesetzestextes beschränken darf (BGH Beschl. v. 24.10.1979, NStZ 1981, 96 [Pf/M]; OLG Köln VRS 74, 372; 75, 119; VRS 88, 203). Mindestvoraussetzung ist, dass der Antragsteller über die zur Ablehnung führenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen des Gerichts aufgeklärt und dadurch in die Lage versetzt wird, die weitere Verfolgung seiner Rechte entsprechend einzurichten (st. Rspr., vgl. etwa BGHSt. 19, 24, 26 = NJW 1963, 1788; BGH NStZ 1983, 568; OLG Düsseldorf NJW 1970, 625; OLG Köln VRS 39, 70; KG VRS 39, 434; OLG Koblenz VRS 52, 206). Darüber hinaus muss die Begründung auch so beschaffen sein, dass sie im Falle der Rechtsbeschwerde dem Rechtsbeschwerdegericht die rechtliche Überprüfung der Entscheidung ermöglicht (BGHSt. 2, 284, 286 = NJW 1952, 714; BayObLG DAR 1974 187 [Rü]).
Bei der Zurückweisung eines Beweisantrages wegen verspäteten Vorbringens (§ 77 Abs. 2 Nr. 2 OWiG) ist im Beschluss zu begründen, weshalb nach Auffassung des Gerichts für die späte Antragstellung kein verständiger Grund vorliegt. Zur rechtlichen Überprüfung des Beschlusses ist in der Begründung auch mitzuteilen, in welchem Verfahrensstadium der Antrag gestellt worden ist. Schließlich muss der Beschluss darlegen, dass und weshalb eine Beweiserhebung zur Aussetzung der Hauptverhandlung führen würde und dass diese Folge bei rechtzeitigem Vorbringen vermieden worden wäre.