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Bußgeldverfahren –  nicht erfolgte Messunterlagenherausgabe – Verletzung faires Verfahren

Im Brennpunkt eines Bußgeldverfahrens wegen Geschwindigkeitsüberschreitung steht die Frage nach der Herausgabe von Messunterlagen. Das Oberlandesgericht Bremen hebt ein erstinstanzliches Urteil auf, da der Betroffenen der Zugang zu diesen Unterlagen verweigert wurde. Damit stärkt das Gericht die Rechte von Betroffenen und betont die Bedeutung eines fairen Verfahrens.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Das Gericht hob das Urteil des Amtsgerichts Bremen auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung zurück.
  • Der Fall betraf eine Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit und die Betroffene erhielt ein Bußgeld und Fahrverbot.
  • Die Betroffene legte Einspruch ein und forderte umfassende Akteneinsicht zu verschiedenen Messunterlagen.
  • Die Behörden stellten nicht alle geforderten Unterlagen zur Verfügung.
  • Die fehlende Herausgabe der Messunterlagen war zentraler Punkt des Verfahrens.
  • Das Gericht entschied, dass die fehlenden Unterlagen eine Verletzung des fairen Verfahrens darstellen.
  • Es wurde betont, dass ein faires Verfahren die vollständige Einsicht in alle relevanten Beweismittel beinhaltet.
  • Die Entscheidung unterstreicht die Verpflichtung der Behörden, transparente Beweisführung zu gewährleisten.
  • Die Auswirkungen des Urteils stärken die Rechte der Betroffenen in Bußgeldverfahren hinsichtlich der Akteneinsicht.

Geschwindigkeitsmessung ohne Akteneinsicht: Gericht hebt Bußgeld auf

Das Bußgeldverfahren ist ein komplexes Rechtsgebiet, das viele Fragen aufwirft. Besonders im Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten können sich Bürgerinnen und Bürger mit der Frage konfrontiert sehen, wieviel an Beweismitteln im Rahmen eines Verfahrens notwendig ist. So ist es zum Beispiel immer wieder Thema, wie mit der fehlenden Herausgabe von Messunterlagen durch die Behörden umgegangen werden muss.

Ist es so, dass die Behörden verpflichtet sind, die entsprechenden Unterlagen stets zu übergeben? Und wo liegt die Grenze zwischen einem fairen Verfahren und der notwendigen Durchsetzung von rechtmäßigem Verhalten? Diese Fragen bewegen viele Bürger und führen immer wieder zu juristischen Auseinandersetzungen. Um diese Fragestellungen besser zu verstehen, soll im Folgenden ein spannender Gerichtsfall vorgestellt werden, der sich mit der Thematik der fehlenden Herausgabe von Messunterlagen im Bußgeldverfahren auseinandersetzt.

### Gerechtigkeit im Bußgeldverfahren: Ihr Recht auf Akteneinsicht

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Der Fall vor Gericht


Messunterlagen verweigert: Oberlandesgericht hebt Bußgeldbescheid auf

Ausgangssituation und rechtliche Auseinandersetzung

Der vorliegende Fall dreht sich um ein Bußgeldverfahren wegen einer angeblichen Geschwindigkeitsüberschreitung. Der Betroffenen wurde vorgeworfen, am 6. August 2021 um 01:45 Uhr auf der A1 die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 57 km/h überschritten zu haben. Daraufhin erließ das zuständige Ordnungsamt einen Bußgeldbescheid über 360 Euro und verhängte ein einmonatiges Fahrverbot.

Die Betroffene legte gegen diesen Bescheid Einspruch ein. Ihr Verteidiger beantragte umfassende Akteneinsicht und forderte die Herausgabe zahlreicher Unterlagen und Informationen zur Geschwindigkeitsmessung. Dazu gehörten unter anderem die Falldatei der Messung, Statistikdaten, Eichscheine, Bedienungsanleitungen, Reparaturnachweise sowie Informationen zu den konkreten Bauteilen des Messgeräts.

Verweigerte Herausgabe und erstinstanzliche Verurteilung

Das Amtsgericht Bremen verurteilte die Betroffene am 24. Februar 2023 wegen der vorgeworfenen Ordnungswidrigkeit. Dabei verwehrte es ihr den Zugang zu den angeforderten Messunterlagen. Das Gericht begründete dies damit, dass kein Anspruch auf Überlassung dieser Unterlagen bestehe und die Verteidigung auch ohne diese Informationen möglich sei.

Entscheidung des Oberlandesgerichts Bremen

Gegen das Urteil des Amtsgerichts legte die Betroffene Rechtsbeschwerde ein. Das Oberlandesgericht Bremen gab dieser Beschwerde mit Beschluss vom 20. Oktober 2023 statt. Es hob das erstinstanzliche Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an das Amtsgericht zurück.

In seiner Begründung stellte das Oberlandesgericht klar, dass die Verweigerung der Herausgabe von Messunterlagen durch die Behörde und das Amtsgericht gegen den Anspruch auf ein faires Verfahren verstößt. Dieser Anspruch ergibt sich aus Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention und ist elementarer Bestandteil eines rechtsstaatlichen Verfahrens.

Bedeutung der Entscheidung für Betroffene

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Bremen stärkt die Rechte von Betroffenen in Bußgeldverfahren erheblich. Sie unterstreicht, dass Behörden und Gerichte verpflichtet sind, der Verteidigung Zugang zu relevanten Messunterlagen zu gewähren. Dies ermöglicht es Betroffenen, die gegen sie erhobenen Vorwürfe effektiv zu überprüfen und sich angemessen zu verteidigen.

Für Bürgerinnen und Bürger, die mit einem Bußgeldbescheid konfrontiert sind, bedeutet dies konkret: Sie haben das Recht, Einsicht in die Messunterlagen zu verlangen. Wird ihnen dieser Zugang verwehrt, kann dies ein Grund sein, gegen den Bescheid vorzugehen. Die Entscheidung betont, dass die vollständige Offenlegung der Beweismittel ein wesentlicher Bestandteil eines fairen Verfahrens ist.

Die Schlüsselerkenntnisse


Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Bremen bekräftigt den fundamentalen Grundsatz des fairen Verfahrens im Bußgeldrecht. Die Verweigerung der Herausgabe von Messunterlagen verstößt gegen diesen Anspruch und kann zur Aufhebung des Urteils führen. Betroffene haben ein Recht auf umfassende Akteneinsicht, um sich effektiv verteidigen zu können. Diese Entscheidung stärkt die Rechte der Bürger in Bußgeldverfahren und unterstreicht die Bedeutung der vollständigen Offenlegung von Beweismitteln.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Wenn Sie einen Bußgeldbescheid erhalten haben und Zweifel an der Messung haben, haben Sie nun aufgrund dieses Urteils einen stärkeren Anspruch darauf, Einsicht in alle relevanten Messunterlagen zu erhalten. Das bedeutet, dass Sie beispielsweise die Rohmessdaten, Eichscheine oder Bedienungsanleitungen des Messgeräts einsehen können. Diese Informationen können Ihnen dabei helfen, die Messung besser zu verstehen und mögliche Fehler aufzudecken. Sollten Ihnen diese Unterlagen verweigert werden, können Sie sich auf dieses Urteil berufen und darauf bestehen, dass Ihr Recht auf ein faires Verfahren gewahrt wird. Dies kann entscheidend sein, um sich erfolgreich gegen einen Bußgeldbescheid zur Wehr zu setzen.


FAQ – Häufige Fragen

Sie haben einen Bußgeldbescheid wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung erhalten? Dann stellt sich die Frage: Welche Möglichkeiten habe ich, die Messung anzufechten? Ein wichtiger Punkt ist der Zugang zu Messunterlagen im Bußgeldverfahren. Unsere FAQ-Rubrik informiert Sie umfassend über Ihre Rechte und das Vorgehen bei der Anforderung von Messdaten. Lesen Sie hier, welche Unterlagen Sie einsehen können und wie Sie Ihre Rechte durchsetzen.


Habe ich das Recht, im Bußgeldverfahren Einsicht in die Messunterlagen zu verlangen?

Im Rahmen eines Bußgeldverfahrens haben Betroffene grundsätzlich das Recht, Einsicht in die Messunterlagen zu verlangen. Dieses Recht ergibt sich aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör und dem Recht auf ein faires Verfahren. Die Einsichtnahme ermöglicht es den Betroffenen, die Korrektheit und Zuverlässigkeit der gegen sie verwendeten Beweismittel zu überprüfen.

Die Messunterlagen umfassen in der Regel verschiedene Dokumente. Dazu gehören das Messprotokoll, Eichzertifikate des verwendeten Messgeräts, Schulungsnachweise der durchführenden Beamten sowie Fotos oder Videoaufzeichnungen der Messung. Diese Unterlagen sind für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit und Verwertbarkeit der Messung von entscheidender Bedeutung.

Behörden sind verpflichtet, auf Antrag Einsicht in diese Unterlagen zu gewähren. Ein formloser schriftlicher Antrag bei der zuständigen Bußgeldbehörde ist hierfür ausreichend. Die Verweigerung der Akteneinsicht kann einen Verfahrensfehler darstellen und die Rechtmäßigkeit des Bußgeldbescheids in Frage stellen.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Einsichtnahme in die Messunterlagen nicht automatisch zur Aufhebung des Bußgeldbescheids führt. Sie bietet jedoch die Möglichkeit, eventuelle Fehler oder Unregelmäßigkeiten bei der Messung aufzudecken. Diese Erkenntnisse können dann im Rahmen eines Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid vorgebracht werden.

Die Verweigerung der Akteneinsicht durch die Behörde kann weitreichende Konsequenzen haben. In solchen Fällen kann argumentiert werden, dass das Recht auf ein faires Verfahren verletzt wurde. Dies kann dazu führen, dass das gesamte Verfahren als rechtswidrig eingestuft wird.

Betroffene sollten sich bewusst sein, dass die Einsichtnahme in die Messunterlagen mit gewissen Kosten verbunden sein kann. Die Behörde darf für die Bereitstellung der Unterlagen eine angemessene Gebühr erheben. Diese Kosten sollten jedoch nicht davon abhalten, von diesem wichtigen Recht Gebrauch zu machen.

Es empfiehlt sich, die Einsichtnahme zeitnah nach Erhalt des Bußgeldbescheids zu beantragen. Dadurch bleibt genügend Zeit, die Unterlagen gründlich zu prüfen und gegebenenfalls fristgerecht Einspruch einzulegen. Die Einspruchsfrist beträgt in der Regel zwei Wochen ab Zustellung des Bußgeldbescheids.

Bei der Prüfung der Messunterlagen ist es ratsam, auf verschiedene Aspekte zu achten. Dazu gehören die korrekte Kalibrierung und Eichung des Messgeräts, die ordnungsgemäße Durchführung der Messung gemäß den Herstellervorgaben und die Qualifikation des durchführenden Personals. Auch die Überprüfung der Messbedingungen, wie etwa Witterungsverhältnisse oder mögliche Störfaktoren, kann relevant sein.

Das Recht auf Einsichtnahme in die Messunterlagen ist ein wichtiges Instrument zur Wahrung der Rechte von Betroffenen in Bußgeldverfahren. Es trägt dazu bei, die Transparenz und Fairness des Verfahrens zu gewährleisten und ermöglicht eine fundierte Entscheidung über das weitere Vorgehen. Die Nutzung dieses Rechts kann entscheidend für den Ausgang des Verfahrens sein und sollte daher in jedem Fall in Betracht gezogen werden.

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Was kann ich tun, wenn die Behörde mir die Einsicht in die Messunterlagen verweigert?

Wenn die Behörde die Einsicht in Messunterlagen verweigert, stehen Betroffenen mehrere rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung, um ihr Recht auf ein faires Verfahren durchzusetzen. Der erste Schritt besteht darin, einen förmlichen Antrag auf Akteneinsicht bei der zuständigen Bußgeldbehörde zu stellen. Dieser Antrag sollte schriftlich erfolgen und die gewünschten Unterlagen konkret benennen. Dazu gehören typischerweise die Rohmessdaten, Eichprotokolle, Bedienungsanleitungen des Messgeräts sowie Wartungs- und Kalibrierungsnachweise.

Lehnt die Behörde den Antrag ab, kann ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG beim zuständigen Amtsgericht gestellt werden. Das Gericht überprüft dann, ob die Verweigerung der Akteneinsicht rechtmäßig ist. Dieser Antrag muss innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der ablehnenden Entscheidung der Behörde eingereicht werden.

Sollte das Amtsgericht den Antrag zurückweisen, besteht die Möglichkeit, Beschwerde beim übergeordneten Landgericht einzulegen. Die Beschwerde muss ebenfalls innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des ablehnenden Beschlusses erfolgen. In der Beschwerdebegründung sollte dargelegt werden, warum die Einsicht in die Messunterlagen für die Verteidigung notwendig ist.

Ein weiterer wichtiger Schritt ist die Dokumentation aller Bemühungen um Akteneinsicht. In der Hauptverhandlung kann dann ein Antrag auf Aussetzung des Verfahrens gestellt werden, wenn die Einsicht in relevante Unterlagen nicht gewährt wurde. Dies dient dazu, dem Gericht die Bedeutung der Messunterlagen für die Verteidigung zu verdeutlichen.

In besonders schwerwiegenden Fällen, wenn alle anderen Rechtsmittel ausgeschöpft sind, kann eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht in Betracht gezogen werden. Hierbei muss argumentiert werden, dass die Verweigerung der Akteneinsicht das Recht auf ein faires Verfahren und effektive Verteidigung verletzt.

Es ist ratsam, frühzeitig einen auf Verkehrsrecht spezialisierten Anwalt hinzuzuziehen. Dieser kann die rechtlichen Schritte professionell einleiten und die Erfolgsaussichten im Einzelfall besser einschätzen. Die konsequente Verfolgung des Einsichtsrechts kann entscheidend für den Ausgang des Bußgeldverfahrens sein, da nur durch vollständige Kenntnis aller relevanten Unterlagen eine effektive Verteidigung möglich ist.

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Welche Messunterlagen sind für den Einspruch relevant?

Für einen Einspruch im Bußgeldverfahren sind verschiedene Messunterlagen von Bedeutung. Die Eichscheine der verwendeten Messgeräte spielen eine zentrale Rolle. Sie belegen die ordnungsgemäße Kalibrierung und Funktionsfähigkeit der Geräte zum Zeitpunkt der Messung. Ohne gültige Eichscheine kann die Zuverlässigkeit der Messergebnisse in Frage gestellt werden.

Die Falldateien, auch als Rohmessdaten bezeichnet, sind ebenfalls unverzichtbar. Sie enthalten detaillierte Informationen über den konkreten Messvorgang, einschließlich Uhrzeit, Ort und gemessene Geschwindigkeit. Diese Daten ermöglichen eine genaue Rekonstruktion des Vorfalls und können potenzielle Messfehler aufdecken.

Statistikdaten der Messgeräte liefern wertvolle Erkenntnisse über die Zuverlässigkeit und Genauigkeit der Messungen über einen längeren Zeitraum. Sie können Aufschluss über mögliche systematische Fehler oder Unregelmäßigkeiten geben. Die Analyse dieser Daten kann die Glaubwürdigkeit der Messung stärken oder schwächen.

Bedienungsanleitungen und Schulungsnachweise der Messbeamten sind weitere relevante Unterlagen. Sie zeigen, ob das Gerät korrekt eingesetzt wurde und ob die durchführenden Beamten ausreichend qualifiziert waren. Fehler in der Bedienung oder mangelnde Schulung können die Messergebnisse beeinflussen und somit Grundlage für einen Einspruch sein.

Fotos oder Videoaufnahmen der Messsituation, falls vorhanden, können ebenfalls bedeutsam sein. Sie dokumentieren die äußeren Umstände der Messung und können Aufschluss über mögliche Störfaktoren geben. Visuelle Beweise können in manchen Fällen Zweifel an der Korrektheit der Messung aufkommen lassen.

Wartungsprotokolle der Messgeräte geben Auskunft über den technischen Zustand und die Zuverlässigkeit der Geräte. Regelmäßige Wartungen sind essentiell für die Genauigkeit der Messungen. Lücken in der Wartung können die Verlässlichkeit der Messergebnisse in Frage stellen.

Die Messstellenbescheinigung ist ein weiteres wichtiges Dokument. Sie bestätigt, dass der Messort für die verwendete Messtechnik geeignet war. Ungeeignete Messstellen können zu fehlerhaften Ergebnissen führen und somit einen Ansatzpunkt für den Einspruch bieten.

Bei Lasermessungen sind zusätzlich die Schulungsnachweise für die spezifische Laserpistole relevant. Die korrekte Handhabung dieser Geräte erfordert besondere Fähigkeiten. Mangelnde Schulung kann die Genauigkeit der Messung beeinträchtigen.

Die Herausgabe dieser Unterlagen ist für ein faires Verfahren von großer Bedeutung. Sie ermöglicht dem Betroffenen, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe umfassend zu prüfen und sich angemessen zu verteidigen. Die Verweigerung der Herausgabe kann als Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren gewertet werden.

Die Anforderung und sorgfältige Prüfung dieser Messunterlagen bilden die Grundlage für einen fundierten Einspruch im Bußgeldverfahren. Sie ermöglichen es, potenzielle Fehler oder Unregelmäßigkeiten in der Messung aufzudecken und die Rechtmäßigkeit des Bußgeldbescheids in Frage zu stellen.

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Wie wirkt sich die Verweigerung der Messunterlagen auf die Fairness des Verfahrens aus?

Die Verweigerung der Herausgabe von Messunterlagen durch die Behörden kann die Fairness eines Verfahrens erheblich beeinträchtigen. Das Recht auf ein faires Verfahren ist ein fundamentaler Grundsatz des Rechtsstaats und umfasst unter anderem die Waffengleichheit zwischen Anklage und Verteidigung. Wenn relevante Unterlagen wie Messprotokolle oder Eichzertifikate zurückgehalten werden, wird dieses Gleichgewicht empfindlich gestört.

Der Betroffene hat in einem Bußgeldverfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung ein berechtigtes Interesse daran, die Zuverlässigkeit und Richtigkeit der Messung überprüfen zu können. Ohne Zugang zu den vollständigen Messunterlagen ist eine effektive Verteidigung kaum möglich. Die Verteidigung kann potenzielle Messfehler oder Unregelmäßigkeiten nicht erkennen und somit auch nicht geltend machen. Dies schränkt die Möglichkeiten der Verteidigung erheblich ein und verletzt den Grundsatz der Waffengleichheit.

Besonders problematisch ist, dass die Behörden durch die Verweigerung der Herausgabe einen Wissensvorsprung behalten. Sie kennen alle Details der Messung, während der Betroffene im Dunkeln tappt. Diese Informationsasymmetrie widerspricht dem Prinzip eines fairen Verfahrens grundlegend. Der Betroffene wird dadurch in eine passive Rolle gedrängt und kann die Anschuldigungen nicht auf Augenhöhe hinterfragen.

Die Nichtherausgabe der Messunterlagen kann zudem den Anschein der Willkür erwecken. Wenn Behörden selektiv entscheiden, welche Informationen sie preisgeben, untergräbt dies das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens. Ein faires Verfahren setzt Transparenz und Nachvollziehbarkeit voraus. Werden wichtige Unterlagen zurückgehalten, ist diese Transparenz nicht gegeben.

Ein weiterer Aspekt ist die mögliche Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör. Dieses Recht beinhaltet, dass der Betroffene sich zu allen entscheidungserheblichen Tatsachen äußern kann. Ohne Kenntnis der vollständigen Messunterlagen ist eine fundierte Stellungnahme jedoch kaum möglich. Der Betroffene kann nicht beurteilen, ob die Messung ordnungsgemäß durchgeführt wurde oder ob Anhaltspunkte für Fehler vorliegen.

Die Verweigerung der Herausgabe kann auch die Wahrheitsfindung behindern. In einem rechtsstaatlichen Verfahren geht es darum, den wahren Sachverhalt zu ermitteln. Werden relevante Unterlagen zurückgehalten, erschwert dies die umfassende Aufklärung des Sachverhalts. Das Gericht kann ohne Kenntnis aller Umstände möglicherweise keine faire und ausgewogene Entscheidung treffen.

Ein konkretes Beispiel verdeutlicht die Problematik: Angenommen, bei einer Geschwindigkeitsmessung gab es technische Störungen, die im Messprotokoll vermerkt sind. Wird dieses Protokoll nicht herausgegeben, bleibt dieser wichtige Umstand im Verborgenen. Der Betroffene hat keine Chance, diesen Punkt zu seiner Entlastung vorzubringen.

Die Verweigerung der Herausgabe von Messunterlagen kann somit in mehrfacher Hinsicht die Fairness des Verfahrens beeinträchtigen. Sie verletzt zentrale rechtsstaatliche Prinzipien wie die Waffengleichheit, das rechtliche Gehör und die Transparenz des Verfahrens. Eine effektive Verteidigung wird erschwert und das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit kann Schaden nehmen. Um ein faires Verfahren zu gewährleisten, ist es daher von großer Bedeutung, dass alle relevanten Unterlagen zugänglich gemacht werden.

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Kann ein unvollständiges Verfahren zum Aufheben des Bußgeldbescheides führen?

Ein unvollständiges Verfahren kann in der Tat zur Aufhebung eines Bußgeldbescheides führen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn wichtige Messunterlagen nicht herausgegeben werden. Die Nichtherausgabe solcher Unterlagen kann als Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren gewertet werden.

Das Recht auf ein faires Verfahren ist ein fundamentaler Grundsatz im deutschen Rechtssystem. Es beinhaltet unter anderem das Recht des Beschuldigten, sich effektiv verteidigen zu können. Dazu gehört auch der Zugang zu allen relevanten Informationen und Beweismitteln. Im Kontext von Bußgeldverfahren wegen Verkehrsverstößen sind die Messunterlagen oft von entscheidender Bedeutung.

Wenn die Behörde die Herausgabe dieser Unterlagen verweigert oder verzögert, kann dies als Behinderung der Verteidigung interpretiert werden. Der Betroffene wird dadurch in seiner Möglichkeit eingeschränkt, die gegen ihn erhobenen Vorwürfe zu überprüfen und gegebenenfalls zu entkräften. Dies stellt eine erhebliche Beeinträchtigung seiner Verfahrensrechte dar.

Gerichte bewerten solche Verfahrensmängel zunehmend kritisch. Sie sehen darin einen Verstoß gegen den Grundsatz der Waffengleichheit zwischen Anklage und Verteidigung. In einigen Fällen haben Gerichte entschieden, dass die Nichtherausgabe von Messunterlagen so schwerwiegend ist, dass sie zur Aufhebung des Bußgeldbescheides führen muss.

Es ist wichtig zu betonen, dass nicht jede Unvollständigkeit im Verfahren automatisch zur Aufhebung des Bußgeldbescheides führt. Die Gerichte prüfen jeden Fall individuell. Sie wägen ab, ob der Verfahrensmangel so erheblich ist, dass er die Fairness des gesamten Verfahrens in Frage stellt.

Für Betroffene bedeutet dies, dass sie bei der Verteidigung gegen einen Bußgeldbescheid besonders auf die Vollständigkeit der Akten und die Herausgabe aller relevanten Unterlagen achten sollten. Werden wichtige Dokumente vorenthalten, kann dies ein starkes Argument für die Aufhebung des Bescheides sein.

Die rechtliche Bewertung solcher Fälle entwickelt sich stetig weiter. Gerichte setzen zunehmend strenge Maßstäbe an die Verfahrensfairness in Bußgeldsachen. Dies stärkt die Position der Betroffenen und erhöht die Anforderungen an die Behörden, ein transparentes und faires Verfahren zu gewährleisten.

Betroffene sollten sich bewusst sein, dass die Strategie, auf die Herausgabe von Messunterlagen zu bestehen, ein wirksames Mittel der Verteidigung sein kann. Es empfiehlt sich, frühzeitig rechtlichen Rat einzuholen, um die spezifischen Umstände des eigenen Falls beurteilen zu lassen und die bestmögliche Verteidigungsstrategie zu entwickeln.

Die Möglichkeit, dass ein unvollständiges Verfahren zur Aufhebung eines Bußgeldbescheides führen kann, unterstreicht die Bedeutung prozessualer Rechte im deutschen Rechtssystem. Sie dient als wichtiges Korrektiv gegen mögliche behördliche Willkür und stellt sicher, dass auch in vermeintlich kleinen Verfahren wie Bußgeldsachen die Grundsätze eines fairen Rechtsstaats gewahrt bleiben.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Messunterlagen: Dokumente und Daten, die bei einer Geschwindigkeitsmessung erfasst werden. Dazu gehören Falldateien, Statistikdaten, Eichscheine, Bedienungsanleitungen und Reparaturnachweise des Messgeräts. Diese Unterlagen sind entscheidend, um die Korrektheit und Zuverlässigkeit der Messung zu überprüfen. Im Bußgeldverfahren haben Betroffene das Recht, Einsicht in diese Unterlagen zu verlangen, um ihre Verteidigung vorzubereiten. Die Verweigerung der Herausgabe kann als Verstoß gegen den Grundsatz eines fairen Verfahrens gewertet werden und zur Aufhebung des Bußgeldbescheids führen.
  • Akteneinsicht: Das Recht einer Partei in einem Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren, die Akten einzusehen, die die Behörde oder das Gericht über den Fall angelegt hat. Im Bußgeldverfahren umfasst dies insbesondere die Messunterlagen bei Geschwindigkeitsübertretungen. Die Akteneinsicht ermöglicht es dem Betroffenen, die Beweislage zu prüfen und seine Verteidigung vorzubereiten. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil des Rechts auf ein faires Verfahren und kann bei Verweigerung zur Aufhebung des Bußgeldbescheids führen, wie im vorliegenden Fall durch das OLG Bremen entschieden.
  • Faires Verfahren: Ein Grundprinzip des Rechtsstaats, das in Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert ist. Es garantiert jedem Beteiligten in einem Gerichtsverfahren bestimmte Rechte, darunter das Recht auf Akteneinsicht und Zugang zu Beweismitteln. Im Bußgeldverfahren bedeutet dies, dass der Betroffene alle relevanten Unterlagen einsehen können muss, um sich effektiv zu verteidigen. Die Verweigerung der Herausgabe von Messunterlagen kann als Verletzung dieses Prinzips gewertet werden und zur Aufhebung des Urteils führen, wie im Fall des OLG Bremen.
  • Rechtsbeschwerde: Ein Rechtsmittel gegen Entscheidungen in Ordnungswidrigkeitenverfahren, das beim nächsthöheren Gericht eingelegt wird. Sie dient der Überprüfung der Entscheidung auf Rechtsfehler. Im vorliegenden Fall legte die Betroffene Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Bremen ein, das ihr die Einsicht in die Messunterlagen verweigert hatte. Das Oberlandesgericht gab der Beschwerde statt und hob das erstinstanzliche Urteil auf. Die Rechtsbeschwerde ist ein wichtiges Instrument, um die Rechte von Betroffenen in Bußgeldverfahren zu wahren.
  • Rohmessdaten: Die unverarbeiteten Daten, die ein Messgerät bei einer Geschwindigkeitsmessung erfasst. Sie enthalten detaillierte Informationen über den Messvorgang, wie z.B. genaue Zeitpunkte, Geschwindigkeitswerte und technische Parameter. Rohmessdaten sind besonders wichtig für die Überprüfung der Messung, da sie mögliche Fehler oder Unregelmäßigkeiten aufzeigen können. Im Bußgeldverfahren haben Betroffene das Recht, Einsicht in diese Daten zu verlangen, um die Korrektheit der Messung zu prüfen und ihre Verteidigung vorzubereiten.
  • Eichschein: Ein amtliches Dokument, das die Eichung (Kalibrierung) eines Messgeräts bestätigt. Es enthält Informationen über die Genauigkeit und Zuverlässigkeit des Geräts. Im Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung ist der Eichschein des verwendeten Messgeräts ein wichtiges Beweismittel. Er zeigt, ob das Gerät zum Zeitpunkt der Messung ordnungsgemäß geeicht war. Betroffene haben das Recht, den Eichschein einzusehen, um die Rechtmäßigkeit der Messung zu überprüfen. Die Verweigerung der Einsicht kann als Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren gewertet werden.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • Artikel 6 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK): Garantiert das Recht auf ein faires Verfahren, einschließlich des Rechts auf Verteidigung und Zugang zu Beweismitteln. Im konkreten Fall wurde argumentiert, dass die Verweigerung der Messunterlagen dieses Recht verletzt.
  • Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG): Regelt das Verfahren bei Ordnungswidrigkeiten, wie z.B. Geschwindigkeitsüberschreitungen. Im vorliegenden Fall wurde das OWiG angewendet, um den Bußgeldbescheid zu erlassen und das Verfahren durchzuführen.
  • Straßenverkehrsordnung (StVO): Legt die zulässigen Höchstgeschwindigkeiten fest und definiert Verkehrsregeln. Die Geschwindigkeitsüberschreitung, die dem Bußgeldbescheid zugrunde liegt, stellt einen Verstoß gegen die StVO dar.
  • Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG): Regelt das allgemeine Verwaltungsverfahren, einschließlich des Rechts auf Akteneinsicht. Die Betroffene berief sich auf das VwVfG, um Einsicht in die Messunterlagen zu erhalten.
  • Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH): Spielt eine wichtige Rolle bei der Auslegung von Gesetzen und der Festlegung von Verfahrensstandards. Im vorliegenden Fall bezog sich das Oberlandesgericht Bremen auf die Rechtsprechung des BGH, um zu entscheiden, dass die Verweigerung der Messunterlagen einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren darstellt.

Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Bremen – Az.: 1 ORbs 25/23 – Beschluss vom 20.10.2023

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 24. Februar 2023 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Bremen zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Ordnungsamt … setzte mit Bußgeldbescheid vom 13.10.2021 gegen die Betroffene wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 57 km/h, die diese am 06.08.2021 um 01:45 Uhr in der Gemeinde …, A1 Höhe Kilometer 104,4 Spur 3 Fahrtrichtung …, als Führerin des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen … begangen haben soll, ein Bußgeld in Höhe von 360,00 € fest und verhängte ein Fahrverbot von einem Monat. Hiergegen legte die Betroffene durch Schriftsatz ihres Verteidigers vom 28.10.2021 Einspruch ein. Zugleich beantragte der Verteidiger umfassende Akteneinsicht unter Beifügung vorhandener und beizuziehender Beweismittel, Unterlagen und Informationen, insbesondere: Fotodokumentation der Betroffenen, Falldatei der Messung der Betroffenen sowie der gesamten Messreihe des Tattages nebst Zusatzdaten, Statistikdatei, Schlüssel (Keyfile), vollständig ausgefüllten Eichscheine und Einbauabnahmen ggf. Nacheichung des Messgeräts, Konformitätsbescheinigung und Konformitätserklärung, Bedienungsanleitung nebst Datum sowie Mitteilung der Softwareversion, vollständige Lebensakte mit Reparaturnachweisen, Informationen über die konkreten Bauteile des Messgeräts, Messprotokoll nebst Anordnung der Messung, Messliste, Ortsskizze/Standortprotokoll und Beschilderungsplan nebst straßenverkehrsrechtlicher Anordnung für die betreffende Beschilderung, Auswertungsprotokoll nebst Mitteilung der Softwareversion, Ausbildungsurkunden und Qualitätsnachweise des Auswertebeamten sowie dessen Bestallungsurkunde.

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Das Ordnungsamt … fügte daraufhin der Akte das Auswerteprotokoll, das Messprotokoll, den Eichschein und einen Wartungsnachweis bei und übersandte einen Ausdruck der elektronisch geführten Akte an den Verteidiger. Mit Schriftsatz vom 19.11.2021 beantragte der Verteidiger erneut die Einsicht in die Beweismittel und stellte mit der Begründung, dass die begehrten Unterlagen/Informationen durch Nichtübersendung verweigert worden seien, einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 62 OWiG. Hilfsweise beantragte er erneut die bereits angeforderten Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Die Betroffene wolle den gegen sie erhobenen Tatvorwurf auf breiter Grundlage prüfen und insbesondere nach etwaigen, allen Messungen anhaftenden, aber der Messung der Betroffenen nicht zu entnehmenden Fehlern suchen, die die Messbeständigkeit des Geräts in Frage stellen könnten, und nach denkbaren, auf einen Umbau oder eine ungewollte Neuausrichtung während des Messbetriebs hindeutenden Veränderungen der Bildausschnitte. Anhand der Falldatei der Messung der Betroffenen sowie den Falldateien der gesamten Messreihe mit Zusatzdaten/Rohmessdaten könnte die Validität der konkreten Messung der Betroffenen z. B. im Hinblick auf Auffälligkeiten oder eine hohe Annulierungsrate überprüft werden. Nur wenn die gesamte Messreihe geprüft werde, könnten z.B. Unregelmäßigkeiten bei der Dateneinblendung, eine hohe Anzahl verworfener Messungen bzw. sonstige Hinweise auf eine Fehlfunktion des Geschwindigkeitsmessgeräts oder eine fehlerhafte Inbetriebnahme oder Bedienung des Geräts durch den Messbeamten sowie Annulierungsraten und unplausible Messpositionen erkannt werden.

Mit Verfügung vom 25.11.2021 übersandte das Ordnungsamt … das Verfahren an das Amtsgericht Bremen unter Bezugnahme auf § 62 bzw. § 69 OWiG zur Entscheidung über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen Art und Umfang der gewährten Akteneinsicht. Mit weiterer Verfügung vom 26.11.2021 gab das Ordnungsamt … das Verfahren gemäß § 69 OWiG mit dem Hinweis, dass der Einspruch nicht begründet worden sei, an die Staatsanwaltschaft Bremen ab. Diese legte das Verfahren mit Verfügung vom 09.12.2021 dem Amtsgericht Bremen vor, bei welchem das Verfahren am 17.12.2021 einging.

Das Amtsgericht Bremen beraumte am 20.12.2021 einen Hauptverhandlungstermin für den 22.02.2022 an, zu welchem die Betroffene, der Verteidiger und als Zeuge der zuständige Messbeamte Polizeioberkommissar … geladen wurden.

Mit Schriftsatz vom 26.01.2022 beantragte der Verteidiger das Verfahren zur weiteren Sachaufklärung an die Verwaltungsbehörde zurückzuverweisen und die Hauptverhandlung wegen der fehlenden Akteneinsicht auszusetzen. Hilfsweise beantragte er die Verwaltungsbehörde anzuweisen, die begehrten Informationen/Unterlagen zur Verfügung zu stellen, und höchst hilfsweise Akteneinsicht in die begehrten Unterlagen/Informationen gegenüber dem Amtsgericht Bremen.

Mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft Bremen verwies das Amtsgericht Bremen die Sache mit Beschluss vom 10.02.2022 gemäß § 69 Abs. 5 OWiG zur weiteren Sachaufklärung an das Ordnungsamt … zurück. In den Gründen führt das Amtsgericht aus, dass seitens der Verwaltungsbehörde noch Zugang zu einer Abschrift der verwendeten Bedienungsanleitung, dem Beschilderungsplan bzw. Protokoll der Wechselverkehrszeichenanlage (WVZ), dem Schulungsnachweis des Messbeamten, der Falldatei nebst Keyfile, der Anordnung der zuständigen Straßenverkehrsbehörde bzgl. der Messstelle (soweit existent), der Statistikdatei (soweit existent) und der Ortsskizze/Standortprotokoll (soweit existent) gewährt werden müsse und die Softwareversion der Auswertesoftware mitzuteilen sei. Nicht erforderlich sei hingegen der Zugang zu den Daten der ganzen Messreihe, den Rohmessdaten – die bei dem vorliegenden Messverfahren Traffistar S 330 nicht erhoben werden würden – und einer Auflistung einzelner Bauteile.

Das Ordnungsamt … forderte daraufhin die benannten Unterlagen an und fügte der Akte sodann einen Ausdruck des Schaltprotokolls der Wechselverkehrszeichenanlage und eine dienstliche Stellungnahme des Messbeamten Polizeioberkommissar … vom 14.04.2022 bei. Dieser wies in der Stellungnahme darauf hin, dass die Bedienungsanleitung unter der Adresse www.jenoptik.de nach Anmeldung heruntergeladen werden könne und er selbst vom Hersteller in die Bedienung des Messgeräts eingewiesen worden sei, wobei eine Bescheinigung hierüber nicht erstellt werde. Die Auswertesoftware sei BiffProcess Rel. 2.3 (1.116). Für die Übermittlung von digitalen Dateien werde ein Datenträger benötigt und die Anordnung der zuständigen Straßenverkehrsbehörde, die Statistikdatei und eine Ortsskizze würden dort nicht vorliegen.

Mit Verfügung vom 03.05.2022 gab das Ordnungsamt … das Verfahren erneut an die Staatsanwaltschaft Bremen ab, die dieses am 23.05.2022 dem Amtsgericht Bremen vorlegte. Das Amtsgericht Bremen übersandte die dienstliche Stellungnahme des Polizeioberkommissars … vom 14.04.2022 an den Verteidiger und wies darauf hin, dass das Gericht mit einer Terminierung sechs Wochen zuwarten werde, damit die Falldatei nebst Keyfile durch Übersendung eines Datenträgers von der Polizei … – … – angefordert und ggf. überprüft werden könne.

Mit Schriftsatz vom 27.06.2022 wies der Verteidiger darauf hin, dass ihm im Zwischenverfahren seitens der Verwaltungsbehörde erneut keine Akteneinsicht gewährt worden sei und beantragte zu beschließen, das Verfahren endgültig an die Verwaltungsbehörde nach § 69 Abs. 5 S. 2, 3 OWiG zurückzugeben. Das Amtsgericht teilte dem Verteidiger daraufhin am 29.06.2022 mit, dass ein Vorgehen nach § 69 Abs. 5 S. 2 OWiG nicht beabsichtigt sei und das fehlende rechtliche Gehör im gerichtlichen Verfahren nachgeholt werden könne. Der Verteidiger habe nunmehr ausreichende Unterlagen erhalten, um etwaige Messfehler konkret zu benennen, was jedoch bisher unterblieben sei. Mit Schriftsatz vom 04.08.2022 verfolgte der Verteidiger seinen Zurückverweisungsantrag vorrangig weiter und beantragte hilfsweise Akteneinsicht, die sodann vom Amtsgericht mit Verfügung vom 09.08.2022 gewährt wurde.

Am 16.09.2022 bat der von der Betroffenen beauftragte Sachverständige, …, gegenüber dem Ordnungsamt … um Übersendung weiterer Unterlagen, u. a. die Falldatei der Betroffenen im sbf-Format, alle weiteren Falldateien des Messeinsatzes und den öffentlichen Schlüssel als pk-Datei. Nachdem das Ordnungsamt … dieses Schreiben an das Amtsgericht weitergeleitet hatte, wurde die Polizei … von dort aufgefordert, die angeforderten Unterlagen an den Sachverständigen soweit vorhanden zu übermitteln. Mit dienstlicher Stellungnahme vom 11.11.2022 erklärte Polizeihauptkommissar …, dass Originalmessdaten einer kompletten Messreihe aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht weitergegeben würden, die Messreihe aber an der Dienststelle … der Polizei … eingesehen werden könne. Mit der Stellungnahme übersandte Polizeihauptkommissar … eine CD mit der Bedienungsanleitung für das Messgerät, dem Schaltplan im Querformat, der Falldatei im Originalformat, der Falldatei im JPG-Format mit den dabei automatisiert erstellten zwei Textdateien, die Statistik für diese Messreihe, dem Tatfoto als Screenshot mit Schlosssymbol und einer Übersicht der A1 im Bremer Bereich inkl. der stationären Messanlage.

Am 20.11.2022 beraumte das Amtsgericht Bremen für den 24.02.2023 einen neuen Termin zur Hauptverhandlung an und übersandte die dienstliche Stellungnahme vom 11.11.2022 sowie die Daten-CD an den Verteidiger.

Der Verteidiger erklärte mit Schriftsatz vom 14.12.2022, dass der von ihm beauftragte Sachverständige mitgeteilt habe, dass zum Öffnen der auf der CD gespeicherten SBF-Datei der öffentliche Schlüssel als pk-Datei benötigt werde. Darüber hinaus würden von dem Sachverständigen die WVZ-Logdateien als Siemens log-Datei und RUSP.log Datei benötigt. Entsprechend werde erneut beantragt, die Verwaltungsbehörde anzuweisen, den öffentlichen Schlüssel als pk-Datei, die WVZ-Logdateien als Siemens log-Datei und RUSP.log Datei, die Konformitätsbescheinigung und Konformitätserklärung für den Fall des Inverkehrbringens des Messgeräts nach dem 31.12.2014, die nach § 31 Abs. 2 Nr. 4 MessEG vorgeschriebenen Wartungs- und Reparaturnachweise, den Schulungsnachweis des Messbeamten, alle Falldateien des Messeinsatzes, die Rohmessdaten, d. h. die digitalisierten, unselektierten, nicht von einem Algorithmus verarbeiteten Messsignale sowie sämtliche Rohmessdaten der Messung der Betroffenen zur Verfügung zu stellen, hilfsweise werde gegenüber dem Amtsgericht die Beiziehung der Unterlagen/Informationen und anschließende Akteneinsicht beantragt.

Mit Verfügung vom 16.12.2022 wies das Amtsgericht Bremen darauf hin, dass der Sachverständige die noch begehrten Daten bei der Polizei – … – einsehen könne und Schlüsseldaten nicht versandt würden, da sie für eine Vielzahl von Messungen in Gebrauch seien. Mit Schriftsatz vom 22.12.2022 verfolgt der Verteidiger sein Ziel auf Beiziehung der genannten Unterlagen, insbesondere der Übersendung der Schlüsseldatei und der Daten der Messreihe, weiter. Das Amtsgericht wies mit gerichtlichem Schreiben vom 03.01.2023 darauf hin, dass die Falldatei dem Sachverständigen in unverschlüsselter Form (umgewandelt in jpg. und txt.-Datei) vorliege. Soweit es für erforderlich erachtet werde, deren Inhalt mit der entschlüsselten sbf.-Datei abzugleichen, sei ein Aufsuchen der Räumlichkeiten der Polizei durchaus zumutbar.

Mit Schriftsatz vom 17.01.2023 übersandte der Verteidiger zwei Stellungnahmen des beauftragten Sachverständigen vom 18.11.2022 und 23.12.2022 und wies darauf hin, dass er diese ausdrücklich inhaltlich zum Vortrag seines Schriftsatzes mache. Der Sachverständige benötige die Dateien in der Form, dass sie ihm in seinem Büro zur Verfügung stehen. Weder seien auf den Computern der Polizei üblicherweise Softwareprogramme zu finden, mit denen die Messdaten vollständig überprüft werden könnten, noch könne der Sachverständige an diesem Computer sein Gutachten erstellen. Entsprechend verbleibe es bei den Anträgen in den Schriftsätzen vom 14.12.2022 und 22.12.2022, welche vorsorglich erneut gestellt würden.

Im Rahmen der Hauptverhandlung vom 24.02.2023 widersprach der Verteidiger der Verlesung bzw. der Inaugenscheinnahme und der Verwertung als Urkunde bzw. Inaugenscheinobjekt jedes einzelnen Beweismittels zum Nachweis der Durchführung der Geschwindigkeitsmessung, da mangels abgespeicherter Rohmessdaten ein Beweisverwertungsverbot bestehe und der Unmittelbarkeitsgrundsatz durch die Verlesung anstelle einer Zeugenvernehmung verletzt werde. Zudem beantragte er erneut die Beiziehung der im Schriftsatz vom 14.12.2022 genannten Unterlagen sowie des Eichscheins des WVZ-Anbindungsrechners und stellte zudem den Antrag, das Verfahren an die Verwaltungsbehörde zurückzuweisen und die Hauptverhandlung – auch wegen der fehlenden Akteneinsicht – auszusetzen, hilfsweise die Verwaltungsbehörde anzuweisen, die begehrten Informationen zur Verfügung zu stellen. Das Amtsgericht ordnete daraufhin durch Beschluss die Inaugenscheinnahme der Lichtbilder auf Bl. 1 und 15 d. A. sowie die Verlesung des Auswerteprotokolls (Bl. 45 d. A.), des Messprotokolls (Bl. 46 d. A.), des Eichscheins (Bl. 47-48 d. A.), des Schaltprotokolls (Bl. 70 d. A.) sowie der Datenzeile des Messfotos (Bl. 142 d. A.) an und führte diese sodann durch. Der Verteidiger erhob anschließend erneut Widerspruch gegen die Inaugenscheinnahme und Verlesung der jeweiligen Schriftstücke unter Bezugnahme auf den zuvor gestellten Antrag. Zudem stellte er den Antrag, den aufgrund einer dauerhaften Erkrankung nicht erschienenen Polizeioberkommissar … als Zeugen zu laden und zu vernehmen und ein technisches Sachverständigengutachten einzuholen. Das Amtsgericht lehnte die Beweisanträge des Verteidigers mit der Begründung, dass die Beweiserhebung zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich sei, unter Verweis auf § 77 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 OWiG ab. Die Anträge auf Beiziehung von Beweismitteln und auf Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde und Aussetzung der Hauptverhandlung lehnte das Amtsgericht mit der Begründung ab, dass Akteneinsicht bereits hinreichend gewährt worden und der Grundsatz der Parität des Wissens gewahrt sei.

Mit Urteil vom 24.02.2023 verurteilte das Amtsgericht Bremen die Betroffene wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 57 km/h zu einer Geldbuße von 360,00 € und verhängte zudem ein Fahrverbot von einem Monat. Zur Begründung führte das Amtsgericht u. a. aus, dass die Messung unter Verwendung eines standardisierten Messverfahrens erfolgt sei, Zweifel an der Richtigkeit der Messung nicht bestehen würden und auch nicht konkret geltend gemacht worden seien. Eine weitere Beweiserhebung sei daher nicht von Amts wegen geboten und die Anträge der Verteidigung seien zurückzuweisen gewesen. Es seien auch keinerlei konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen von Messfehlern ersichtlich, weshalb die Vernehmung des Messbeamten … vorliegend untunlich gewesen sei. Es sei nicht ersichtlich, warum es einem beauftragten Sachverständigen, der ohnehin regelmäßig Ortstermine wahrzunehmen habe, unzumutbar sein solle, die Messdaten bei der Polizei einzusehen. Die Betroffene habe lediglich das Recht, Kenntnis von solchen Inhalten zu erlangen, die zum Zweck der Ermittlungen entstanden, aber nicht zur Akte genommen worden seien. Die Möglichkeit der Kenntnisnahme könne in jeder geeigneten Art und Weise, also auch durch Einsicht bei der Polizei erfolgen. Dies gelte umso mehr, da die Schlüssel bzw. Token über Jahre verwendet würden und daher nicht herausgegeben werden könnten ohne unbegrenzten Zugang zu verschlüsselten Messdaten zu geben, welche nicht im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Messung stehen würden. Entsprechend liege dem Vorgehen der Polizei … bzgl. der Umsetzung des Einsichtsrechts ein sachlicher Grund zugrunde.

Der Verteidiger beantragte mit Schriftsatz vom 27.02.2023 erneut die Überlassung der bereits benannten Unterlagen gegenüber dem Amtsgericht Bremen.

Gegen das Urteil hat die Betroffene mit Schriftsatz ihres Verteidigers vom 02.03.2023, eingegangen am selben Tag, Rechtsbeschwerde eingelegt, die mit Schriftsatz vom 20.04.2023 begründet worden ist. Die Betroffene rügt u. a., dass der von ihr im Rahmen der Hauptverhandlung erhobene Widerspruch wegen fehlender Rohmessdaten nicht beschieden worden sei bzw. sich das Amtsgericht mit diesem nicht im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auseinandergesetzt habe. Hierin liege eine Verletzung des rechtlichen Gehörs, des Rechtes auf ein faires Verfahren und des Rechtsstaatsprinzips. Zudem liege auch in dem Umstand, dass die digitale Falldatei der Geschwindigkeitsmessung der Messserie der Betroffenen nicht verschafft und in unverschlüsselter Form, das hieße einschließlich der unverschlüsselten Rohmessdaten sowie – falls dann noch erforderlich – den dazugehörigen öffentlichen Schlüsseln/Token zur Verfügung gestellt worden sei, ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör und ein faires Verfahren. Auch habe das Amtsgericht durch die Verlesung des Messprotokolls in der Hauptverhandlung trotz Widerspruch der Betroffenen gegen den Unmittelbarkeitsgrundsatz verstoßen. Die Ablehnung der Anträge der Verteidigung auf Zurückverweisung, Aussetzung der Hauptverhandlung und Beiziehung von Unterlagen sei ebenfalls fehlerhaft erfolgt. Die Betroffene begehre in diesem Verfahren Informationen, die sie mit Hilfe sachverständiger Begutachtung in die Lage versetzen sollen, die Ordnungsgemäßheit der Messung zu prüfen. Die Betroffene habe die gegen sie erhobenen Tatvorwürfe auf breiter Grundlage prüfen und insbesondere nach etwaigen, allen Messungen anhaftenden, aber der Messung der Betroffenen nicht zu entnehmenden Fehlern, die die Messbeständigkeit des Geräts in Frage stellen könnten, und nach denkbaren, während des Messbetriebs hindeutenden Veränderungen oder Fehlern suchen wollen. Der Verteidigung sei nicht der öffentliche Schlüssel als pk-Datei überlassen worden und ohne diesen könne der Falldatensatz nicht geöffnet und ausgewertet werden. Ein Verweis auf die Einsichtnahme in den Räumen der Polizei sei nicht ausreichend, da die Anreise eine unangemessene Beeinträchtigung darstelle. Ohne die Zurverfügungstellung der Falldateien der Messungen der gesamten Messreihe des Tattages seien keine Schlüsse auf mögliche Messfehler, z. B. aufgrund von Leerbildern, unplausiblen Geschwindigkeiten, also die Messsicherheit und Messbeständigkeit möglich. Datenschutzrechtliche Bedenken stünden der Einsicht in die gesamte Messreihe nicht entgegen, da das Interesse anderer abgebildeter Verkehrsteilnehmer gegenüber dem Recht des Betroffenen auf eine effektive Verteidigung zurückzustehen habe. Eine Verweigerung der Beiziehung und Herausgabe auch der weiteren Unterlagen/Informationen verletzte die Betroffene in ihrem Recht auf ein faires Verfahren, auf rechtliches Gehör und stelle eine unzulässige Einschränkung der Verteidigung durch Ablehnung des Antrages auf Aussetzung der Hauptverhandlung zur Einsicht in nicht bei den Akten befindliche amtliche Messunterlagen dar. In der Ablehnung der Vernehmung des Messbeamten Sven … und der Einholung eines Sachverständigengutachtens liege zudem ein Verstoß gegen die Aufklärungspflicht des Gerichts. Neben der Verletzung formellen Rechts werde auch die allgemeine Sachrüge erhoben.

Die Generalstaatsanwaltschaft Bremen hat in ihrer Stellungnahme vom 21.06.2023 beantragt, die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 24.02.2023 als unbegründet zu verwerfen. Der Verteidiger hat hierzu mit seiner Gegenerklärung vom 06.07.2023 Stellung genommen.

Die originär zuständige Einzelrichterin hat die Sache mit Beschluss vom heutigen Tag zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (§ 80a Abs. 1 und 3 OWiG).

II.

Die statthafte (§ 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 OWiG), form- und fristgerecht eingelegte (§§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 341 Abs. 1 StPO) und fristgerecht begründete (§§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 344, 345 StPO) Rechtsbeschwerde ist insgesamt zulässig. In der Sache hat sie (vorläufig) Erfolg.

1. Das angefochtene Urteil ist unter Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren (Art. 6 EMRK) auf verfahrensfehlerhafter Grundlage ergangen, was die Betroffene formgerecht gerügt hat. Die von der Betroffenen zulässig erhobene Verfahrensrüge der unzulässigen Beschränkung der Verteidigung wegen der Verletzung des Grundsatzes des fairen Verfahrens im Hinblick auf die im Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und im bisherigen gerichtlichen Bußgeldverfahren verweigerte Gewährung des begehrten Zugangs zu verschiedenen Daten und Unterlagen erweist sich jedenfalls bzgl. des öffentlichen Schlüssels des verwendeten Messgeräts als begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils mitsamt seinen Feststellungen. Grundsätzlich kann ein Betroffener mit der Rüge unzulässiger Informationsbeschränkung im gerichtlichen Verfahren nur durchdringen, sofern er den Zugang zu nicht zur Akte genommenen Unterlagen – wie hier geschehen – schon frühzeitig im Bußgeldverfahren beantragt und im Verfahren nach § 62 Abs. 1 OWiG weiterverfolgt hat. Durch die Ablehnung der Anträge auf Überlassung des öffentlichen Schlüssels, zuletzt durch den in der Hauptverhandlung verkündeten Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 24.02.2023, mit dem auch der entsprechende Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung abgelehnt worden ist, hat das Amtsgericht gegen das Recht der Betroffenen auf ein faires Verfahren verstoßen, womit die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt im Sinne von § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. § 338 Nr. 8 StPO durch einen Beschluss des Gerichts unzulässig beschränkt wurde, wobei der Senat nicht ausschließen kann, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht oder beruhen kann.

a. Das Recht auf ein faires Verfahren gem. Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK zählt zu den wesentlichen Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens und beansprucht auch für das gerichtliche Bußgeldverfahren Geltung (vgl. Hanseatisches OLG in Bremen, Beschluss vom 31.10.2011 – 2 SsRs 28/11, juris Rn. 12, NStZ 2012, 220). Es gewährleistet dem Betroffenen, prozessuale Rechte und Möglichkeiten mit der erforderlichen Sachkunde selbständig wahrzunehmen und Übergriffe der im vorstehenden Sinn rechtsstaatlich begrenzten Rechtsausübung staatlicher Stellen oder anderer Verfahrensbeteiligter angemessen abwehren zu können (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 02.06.2022 – 1 OWi 2 SsRs 19/21, juris Rn. 15). Der Anspruch auf ein faires Verfahren ist durch das Verlangen nach verfahrensrechtlicher „Waffengleichheit“ von Ankläger und Beschuldigtem gekennzeichnet und dient damit in besonderem Maße dem Schutz des Beschuldigten, für den bis zur Verurteilung die Vermutung seiner Unschuld streitet (BVerfG, Beschluss vom 12.11.2020 – 2 BvR 1616/18, juris Rn.32, NJW 2021, 455; Beschluss vom 21.06.2023 – 2 BvR 1082/21, juris Rn. 37).

Aus dem Recht auf ein faires Verfahren folgt insofern, dass der Beschuldigte eines Strafverfahrens neben der Möglichkeit, prozessual im Wege von Beweisanträgen oder Beweisermittlungsanträgen auf den Gang der Hauptverhandlung Einfluss zu nehmen, grundsätzlich auch das Recht hat, Kenntnis von solchen Inhalten zu erlangen, die zum Zweck der Ermittlung entstanden sind, aber nicht zur Akte genommen wurden. Dadurch werden seine Verteidigungsmöglichkeiten erweitert, weil er selbst nach Entlastungsmomenten suchen kann, die zwar fernliegen mögen, aber nicht schlechthin auszuschließen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.11.2020 – 2 BvR 1616/18 a.a.O.). Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip gewährleistet dem Betroffenen auch im Ordnungswidrigkeitenverfahren ebenso wie dem Beschuldigten im Strafverfahren das Recht auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.03.1992 – 2 BvR 1/91, juris Rn. 23, NJW 1992, 2472). Zwar bestehen zwischen dem Recht der Ordnungswidrigkeiten und dem allgemeinen Strafrecht wesentliche Unterschiede im Sanktionscharakter, weshalb die Strenge des anzuwendenden Maßstabs im Ordnungswidrigkeitenrecht vermindert sein kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.11.2020 – 2 BvR 1616/18, juris Rn. 54; s. a. BGH, Beschluss vom 19.08.1993 – 4 StR 627/92, juris Rn. 26, BGHSt 39,291), aber auch im Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz kann der Betroffene ein Interesse daran haben, den Vorwurf betreffende Informationen, die nicht zur Bußgeldakte genommen wurden, eigenständig auf Entlastungsmomente hin zu untersuchen (BVerfG a.a.O. und Beschluss vom 21.06.2023 – 2 BvR 1082/21, juris Rn. 54). Die Einsicht in solche, regelmäßig sich nicht bei der Bußgeldakte befindliche Unterlagen kann für den Betroffenen notwendig sein, um dem gegen ihn erhobenen, auf ein standardisiertes Messverfahren (was bei dem hier verwendeten Gerät gegeben ist, vgl. Hanseatisches OLG in Bremen, Beschlüsse vom 06.04.2020 – 1 SsRs 10/20 – und vom 31.03.2023 – 1 SsRs 61/22) gestützten Tatvorwurf in erheblicher Weise entgegen treten zu können. Denn (nur) dann, wenn der Betroffene konkrete Anhaltspunkte für einen Messfehler auch benennen kann, ist das Tatgericht gehalten, das Messergebnis zu überprüfen und sich von der Zuverlässigkeit der Messung zu überzeugen (vgl. zu den Grundsätzen des standardisierten Messverfahrens: BVerfG, Beschluss vom 12.11.2020 – 2 BvR 1616/18, juris Rn. 43; BGH, Beschlüsse vom 19.08.1993 – 4 StR 627/92, juris Rn. 25, BGHSt 39, 291 ff., und vom 30.10.1997 – 4 StR 24/97, juris Rn. 26; BGHSt 43, 277 ff.; Hanseatisches OLG in Bremen, Beschluss vom 06.04.2020 – 1 SsRs 10/20; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 02.06.2022 – 1 OWi 2 SsRs 19/21, juris Rn. 15).

b. Das Bundesverfassungsgericht hat allerdings darauf hingewiesen, dass das Recht auf Zugang zu außerhalb der Akte befindlichen Informationen im Bereich massenhaft vorkommender Ordnungswidrigkeiten nicht unbegrenzt ist. Gerade dort ist eine sachgerechte Eingrenzung des Informationszugangs geboten. Andernfalls bestünde die Gefahr der uferlosen Ausforschung, erheblicher Verfahrensverzögerungen und des Rechtsmissbrauchs. Vielmehr müssen die begehrten, hinreichend konkret benannten Informationen deshalb zum einen in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Ordnungswidrigkeitenvorwurf stehen und zum anderen aus der maßgeblichen Perspektive des Betroffenen erkennbar eine Relevanz für die Verteidigung aufweisen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.11.2020 – 2 BvR 1616/18, juris Rn. 57; Beschluss vom 21.06.2023 – 2 BvR 1082/21, juris Rn. 51; BGH, Beschluss vom 30.03.2022 – 4 StR 181/21, juris Rn. 15, NStZ-RR 2022, 220). Entscheidend ist, ob der Betroffene eine Information verständigerweise für die Beurteilung des Ordnungswidrigkeitenvorwurfs im Einzelfall für bedeutsam halten darf. Die Verteidigung kann grundsätzlich jeder auch bloß theoretischen Aufklärungschance nachgehen, wohingegen die Bußgeldbehörden und schließlich die Gerichte von einer weitergehenden Aufklärung gerade in Fällen standardisierter Messverfahren grundsätzlich entbunden sind. Bei entsprechenden Zugangsersuchen obliegt es den Bußgeldbehörden und den Gerichten, im Einzelfall zu entscheiden, ob sich das Gesuch innerhalb des durch diese Voraussetzungen gesetzten Rahmens hält (vgl. BVerfG Beschluss vom 12.11.2020 – 2 BvR 1616/18, juris Rn. 58). Der Gewährung eines Informationszugangs können insofern gewichtige verfassungsrechtlich verbürgte Interessen wie beispielsweise die Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege oder auch schützenswerte Interessen Dritter widerstreiten. Schließlich müssen auch unter dem Gesichtspunkt der „Waffengleichheit“ in der Rollenverteilung begründete verfahrensspezifische Unterschiede in den Handlungsmöglichkeiten von Verfolgungsbehörde und Verteidigung nicht in jeder Beziehung ausgeglichen werden (vgl. hierzu: BVerfG, Beschluss vom 12.01.1983 – 2 BvR 864/81, juris Rn. 64 ff., BVerfGE 63, 45).

Auch der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung über eine Divergenzvorlage des Oberlandesgerichts Zweibrücken (BGH, Beschluss vom 30.03.2022 – 4 StR 181/21, DAR 2022, 350; vorgehend OLG Zweibrücken, Beschluss vom 04.05.2021 – 1 Owi 2 SsRs 19/21, ZfSch 2021, 349) dessen Rechtsauffassung bestätigt, dass nicht jedwedem Informationsverlangen eines Betroffenen ohne gerichtliche Prüfung seiner Berechtigung nachzukommen ist. Vielmehr ist das im Rahmen seines Auskunftsverlangens gehaltene Vorbringen eines Betroffenen einer gerichtlichen Prüfung zu unterziehen. Die Verweigerung der Herausgabe nicht bei den Akten befindlicher Unterlagen und Daten berührt den Grundsatz eines fairen Verfahrens nur dann, wenn deren Relevanz für die Verteidigung des Betroffenen nicht oder jedenfalls nicht sicher abzusprechen ist (BGH a.a.O., juris Rn. 9). Im Rahmen dieser Prüfung kann insbesondere auf sachverständige Äußerungen oder Stellungnahmen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) zurückgegriffen werden (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 27.10.2020 – 1 OWi 2 SsBs 103/20, juris Rn. 16). Die Beurteilung der Relevanz der Informationen für die Verteidigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren im Wege einer entsprechenden Verfahrensrüge zur Überprüfung durch das Oberlandesgericht gestellt werden. Dieses hat dann zu prüfen, ob das Tatgericht einen zutreffenden rechtlichen Maßstab an den Begriff der Relevanz gelegt hat und die erforderliche Klärung auf tatsächlichem Gebiet herbeigeführt hat. Moniert der Betroffene im Rechtsbeschwerdeverfahren einen diesbezüglichen Rechtsverstoß, bedarf es, wenn sich die Relevanz der Unterlagen im Hinblick auf den Tatvorwurf nicht ohne weiteres ergibt, entsprechenden Vortrags. Denn nur dadurch wird das Rechtsbeschwerdegericht in die Lage gesetzt zu überprüfen, ob das Tatgericht diesen Vortrag zutreffend gewürdigt und rechtsfehlerfrei seiner Entscheidung über den Antrag auf Einsicht zugrunde gelegt hat. Ob aus der Perspektive eines Betroffenen die begehrten Messdaten für die Bewertung der Verlässlichkeit der ihn belastenden Geschwindigkeitsmessung Relevanz haben können, unterliegt damit (tat-) richterlicher Prüfung (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 02.06.2022 – 1 OWi 2 SsRs 19/21, juris Rn. 17).

c. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Grundsätze hat die Ablehnung der Anträge auf Überlassung des öffentlichen Schlüssels des Messgeräts zur Prüfung der Falldatei der Betroffenen, zuletzt durch den in der Hauptverhandlung verkündeten Beschluss des Amtsgerichts Bremen vom 24.02.2023 mit dem auch der entsprechende Antrag auf Aussetzung der Hauptverhandlung abgelehnt worden ist, die Betroffene in ihrem Recht auf ein faires Verfahren verletzt.

aa. Der vorliegend in Frage stehende Anspruch der Betroffenen auf Informationszugang bei der Bußgeldbehörde ist – wie bereits dargelegt – unter anderem davon abhängig, dass die Informationen in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Ordnungswidrigkeitenvorwurf stehen und erkennbar eine Relevanz für die Verteidigung aufweisen. Der Verteidiger hat vorliegend bereits in seinem Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 19.11.2021 darauf hingewiesen, dass die Betroffene den gegen sie erhobenen Tatvorwurf auf breiter Grundlage prüfen und insbesondere nach etwaigen, allen Messungen anhaftenden, aber der Messung der Betroffenen nicht zu entnehmenden Fehlern, die die Messbeständigkeit in Fragen stellen könnten, und nach denkbaren, auf einen Umbau oder eine ungewollte Neuausrichtung während des Messbetriebes hindeutende Veränderung der Bildausschnitte suchen wolle. Ohne Schlüssel könne der Falldatensatz nicht geöffnet und ausgewertet werden. Mit Schriftsatz vom 17.01.2023 weist der Verteidiger unter Bezugnahme auf die Stellungnahmen des von der Betroffenen beauftragten Sachverständigen vom 18.11.2022 und 23.12.2022 erneut darauf hin, dass eine Überprüfung der Signatur der übersandten Falldatei auf Integrität und Authentizität ohne den öffentlichen Schlüssel des Messgeräts nicht möglich sei und wiederholt die bereits mehrfach gestellten Anträge auf Beiziehung der Unterlagen und Akteneinsicht. Auch der in der Hauptverhandlung gestellte Antrag auf Aussetzung und Zurückverweisung wird von der Verteidigung entsprechend begründet. Die Betroffene hat damit ihr Begehren hinsichtlich des Zugangs zu dem öffentlichen Schlüssel des Messgeräts hinreichend dargelegt. Die Falldatei der Betroffenen, die ohne den öffentlichen Schlüssel nicht auf Integrität und Authentizität geprüft werden kann, ist originäres Beweismittel für die verfahrensgegenständliche Messung (vgl. OLG Oldenburg, Beschluss vom 06.05.2015 – 2 Ss (Owi) 65/15, BeckRS 2015, 12484 Rn. 10), deren Relevanz für die Verteidigung nicht von der Hand zu weisen ist. Da die Verteidigung die ihr überlassenen Falldatei ohne den dazugehörigen Schlüssel nicht überprüfen kann, ist auch dessen Relevanz aus der Perspektive der Betroffenen für die Bewertung der Verlässlichkeit der sie belastenden Geschwindigkeitsmessung offenkundig (vgl. zur Überlassung der Falldatei nebst öffentlichem Schlüssel OLG Karlsruhe, Beschluss vom 27.09.2019 – 1 Rb 10 Ss 531/19, BeckRS 2019, 26449 und Beschluss vom 22.08.2023 – 1 Orbs 34 Ss 468/23, BeckRS 2023, 23037 Rn. 28). Auch das Amtsgericht hat in seinem Beschluss vom 10.02.2022 darauf hingewiesen, dass die Verwaltungsbehörde Zugang zu der Falldatei nebst  Keyfile  zu gewähren hat, und mithin zunächst zutreffend eine Relevanz der benannten Informationen angenommen.

bb. Entgegen der später vom Amtsgericht Bremen in seiner Verfügung vom 16.12.2023 vertretenen Auffassung, die wohl auch dem ablehnenden Beschluss in der Hauptverhandlung vom 24.02.2023 zugrunde liegt, kann der Verteidiger hinsichtlich des öffentlichen Schlüssels nicht auf eine Einsichtnahme auf der zuständigen Polizeidienststelle verwiesen werden.Grundsätzlich besteht nach § 147 StPO im Hinblick auf amtlich verwahrte Beweismittel – zu denen die Falldatei gehört – nur ein Recht auf Besichtigung am Ort der Verwahrung. Dem liegt zugrunde, dass Beweisstücke anders als die Verfahrensakten in den Händen der Ermittlungsbehörden verbleiben sollen, um die Gefahr eines Beweismittelverlustes auszuschließen. Diese Differenzierung zwischen Akten und Beweismitteln ist im Hinblick auf „klassische Beweismittel“ – wie beispielsweise Tatwaffen, Spuren vom Tatort oder Dokumente mit Originalunterschrift oder Fingerabdruck – nachvollziehbar, um einen Beweismittelverlust oder eine (unbewusste) Manipulation der Beweismittel zu unterbinden. Bei digitalen Beweismitteln besteht allerdings die Besonderheit, dass in der Regel durch einen (staatlichen) Kopiervorgang ein Duplikat erstellt werden kann, welches der Verteidigung mitgegeben werden kann, ohne die Authentizität des im amtlichen Gewahrsam befindlichen Beweismittels zu beeinträchtigen. Dies steht generell der Gefahr eines Beweisverlusts oder einer Beweismanipulation bei der Erstellung von Kopien von digitalen Beweismitteln entgegen (vgl.  Graßie / Hiéramente  in Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 4, 2. Aufl., § 147 StPO). In dem im Jahr 2018 eingeführten § 32e StPO ist in Abs. 1 S. 2 nunmehr auch geregelt, dass Ausgangsdokumente, die als Beweismittel sichergestellt wurden und nicht in der (elektronischen) Form der Akte vorliegen, in diese Form übertragen werden können. Die Strafprozessordnung sieht mithin bereits eine Möglichkeit einer Digitalisierung von Beweismitteln und der Aufnahme dieser Kopie in die Akte vor.

Auch im vorliegenden Fall ist es grundsätzlich möglich, die Falldatei der Betroffenen – wie geschehen – und den öffentlichen Schlüssel des Messgeräts zu duplizieren und auf einem externen Datenträger zu speichern, sodass kein Substanzverlust des Beweismittels droht. Weiter ist in Ansehung der konkreten Umstände im hiesigen Verfahren zu berücksichtigen, dass eine Anreise des Verteidigers und des von ihm beauftragte Sachverständige mit einem nicht unerheblichen Kosten- und Zeitaufwand einhergeht, der außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht. Auch ist entsprechend dem Vortrag der Verteidigung davon auszugehen, dass der Sachverständige sodann sein Gutachten nicht in der Dienststelle der Polizei und innerhalb deren Öffnungszeiten wird erstellen können. (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 29.03.2023 – 1 ORbs 35 Ss 72/23, juris Rn. 21, VRR 2023, Nr. 6, 25; OLG Stuttgart, Beschluss vom 03.08.2021 – 4 Rb 12 Ss 1094/20, juris Rn. 13, NStZ-RR 2022, 60). Jedenfalls in Fällen wie dem vorliegenden, in denen kein Substanzverlust des Beweismittels droht, auf Seiten der Betroffenen ein konkretes Bedürfnis für die Übersendung nachvollziehbar dargelegt ist und zudem keine Rechte Dritter direkt oder auch nur mittelbar betroffen sind, ist eine Übersendung der duplizierten digitalen Unterlagen – hier Falldatei der Betroffenen nebst öffentlichem Schlüssel des Messgeräts – anstelle der Besichtigung vor Ort zulässig und auch geboten. Dem kann letztlich auch nicht, wie vom Amtsgericht in seiner Verfügung vom 16.12.2022 geschehen, entgegengehalten werden, dass die Schlüsseldateien für eine Vielzahl von Messungen in Gebrauch sind. Weder wird durch die Übersendung des öffentlichen Schlüssels die Arbeit der Verkehrsüberwachung beeinträchtigt, da auch der öffentliche Schlüssel duplizierbar ist, noch sind Rechte Dritter betroffen. Zwar kann der öffentliche Schlüssel zur Überprüfung weiterer Falldateien anderer Verkehrsteilnehmer, die vom selben Messgerät erfasst wurden, benutzt werden, dies aber eben nur dann, wenn diese zur Verfügung gestellt werden, was vorliegend – wie noch auszuführen sein wird (2.a.) – nicht der Fall ist. Zudem werden diese Daten lediglich an den Verteidiger als Organ der Rechtspflege sowie einen von diesem beauftragten Sachverständigen herausgegeben und damit datenschutzrechtliche Bedenken weiter verringert, da die Erwartung besteht, dass die diesen übermittelten Daten nicht an Dritte weitergegeben werden und mithin allein zum Zwecke des vorliegenden Verfahrens verwendet werden (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.08.2023, BeckRS 2023, 23037 Rn. 28).Nach alledem wäre das Amtsgericht spätestens auf das von der Verteidigung in der Hauptverhandlung erneut angebrachte Ersuchen um die Gewährung von Zugang zu dem öffentlichen Schlüssel des Messgeräts und dem gleichfallsgestellten Aussetzungsantrag hin gehalten gewesen, diesen anzufordern und der Verteidigung der Betroffenen zur Verfügung zu stellen.Insofern lag ein rechtzeitiges und begründetes Zugangsersuchen vor, dem mangels entgegenstehender gewichtiger verfassungsrechtlich verbürgter Interessen hätte entsprochen werden müssen. Der ablehnende Beschluss des Amtsgerichts Bremen in der Hauptverhandlung hat die Betroffene mithin in ihrem Recht auf ein faires Verfahren verletzt, wobei der Senat nicht ausschließen kann, dass das Urteil auf diesem Rechtsfehler beruht.

2. Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin:

a. Die Verteidigung hat neben der Übersendung der Falldatei der Betroffenen gegenüber der Bußgeldbehörde und nachfolgend im gerichtlichen Verfahren vor dem Amtsgericht Bremen zudem die Übersendung der Daten der gesamten Messreihe aus der am Vorfallstag durchgeführten Geschwindigkeitsmessung verlangt und mit ihrer Rechtsbeschwerde auch insoweit die Verletzung des Rechtes der Betroffenen auf ein faires Verfahren gerügt. Wenn auch das Urteil des Amtsgerichts Bremen vom 24.02.2023 bereits aufgrund der dargelegten durchgreifenden Verfahrensrüge aufzuheben war, ist für das weitere Verfahren darauf hinzuweisen, dass einer entsprechenden Rüge hinsichtlich der Übersendung der Daten der gesamten Messreihe der Erfolg zu versagen ist. Das Amtsgericht hat zu Recht bereits in seiner Entscheidung vom 10.02.2022, mit der es das Verfahren an die Verwaltungsbehörde zurückverwiesen hatte, und später in seinem ablehnenden Beschluss in der Hauptverhandlung einen Rechtsanspruch auf die Bereitstellung dieser Daten verneint.

Wie bereits dargelegt, hat das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, dass das Recht auf Zugang zu außerhalb der Akte befindlichen Informationen im Bereich massenhaft vorkommender Ordnungswidrigkeiten nicht unbegrenzt ist. Die begehrten, hinreichend konkret benannten Informationen müssten zum einen in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Tatvorwurf stehen und zum anderen erkennbar eine Relevanz für die Verteidigung aufweisen. Insofern ist maßgeblich auf die Perspektive des Betroffenen beziehungsweise seines Verteidigers abzustellen. Entscheidend ist, ob dieser eine Information verständiger Weise für die Beurteilung des Tatvorwurfs für bedeutsam halten darf, wobei die Verteidigung grundsätzlich jeder auch bloß theoretischen Aufklärungschance nachgehen kann, wohingegen die Bußgeldbehörden und schließlich die Gerichte von einer weitergehenden Aufklärung gerade in Fällen standardisierter Messverfahren grundsätzlich entbunden sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.11.2020 – 2 BvR 1616/18, juris Rn. 57, NJW 2021, 455).

Die begehrten Daten der „gesamten Messreihe“ haben auch aus der hier maßgeblichen Perspektive der Betroffenen keine Relevanz für deren Verteidigungsverhalten. Dass Messdaten dritter Verkehrsteilnehmer (soweit solche tatsächlich gespeichert wurden) für die Überprüfung der Zuverlässigkeit der tatgegenständlichen Messung bedeutsam sind und damit für das Verteidigungsvorbringen Relevanz haben können, ist nicht erkennbar (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 01.02.2022 – 3 OWi 32 SsBs 99/21, juris Rn. 39, DAR 2022, 218; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 02.06.2022 – 2 Owi 1 SsRs 19/21, juris Rn. 18; Beschluss vom 01.03.2023 – 1 OWi 2 SsBs 49/22, juris Rn. 3, ZfSch 2023, 353; OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.08.2016 – 2 Ss-OWi 589/16, juris Rn. 12 ff., NStZ-RR 2016, 320). Die PTB hat in ihrer öffentlich zugänglichen Stellungnahme vom 30.03.2020 plausibel und nicht auf ein bestimmtes Messgerät beschränkt erläutert, weshalb aus der Statistikdatei, der Betrachtung der „gesamten Messreihe“ sowie der Annulierungsrate kein relevanter Erkenntnisgewinn zu erwarten ist:

„Manche Messgeräte zur amtlichen Geschwindigkeitsüberwachung speichern gewisse Daten in einer sogenannten Statistikdatei. Deren Inhalt ist zwar für den Verwender ggf. interessant, aber kann zur Überprüfung einer spezifischen Einzelmessung nichts beitragen. Gleiches gilt für die Betrachtung der gesamten Messreihe und für die Anzahl der Annullationen, selbst wenn diese gehäuft auftreten (…). Die gesamte Messreihe bringt selbst dann keine verwertbare Aussage, wenn eine Einzelmessung deutlich außerhalb des Bereiches von Geschwindigkeiten fällt, die üblicherweise am jeweiligen Messort gefahren werden. Nur weil viele nur wenig zu schnell fahren, heißt das nicht, dass nicht ab und zu jemand deutlich schneller unterwegs gewesen sein kann. (…) Selbst solch extreme Geschwindigkeitsüberschreitungen, ob an der Referenzanlage der PTB oder bei einem geeichten Gerät zur amtlichen Verkehrsüberwachung, können keinen Zweifel an der Korrektheit der Messung wecken.“

Folglich ergibt sich aus den Daten einer Messreihe allein, dass es neben der Betroffenen noch weitere Personen gab, deren Fahrzeuge während eines bestimmten Zeitraumes mit demselben Gerät als zu schnell gemessen wurden. Daneben erlauben die statistischen Daten der anderweitigen Messungen eine Aussage darüber, mit welcher Rate das Messgerät andere Messungen aufgrund der internen Fehlerkontrolle storniert hat. Selbst eine hohe Annullierungsrate dürfte aber nur belegen, dass das Gerät bei anderen Messungen Unregelmäßigkeiten festgestellt und diese Messungen deshalb verworfen hat. Ein Rückschluss darauf, dass auch die verfahrensgegenständliche Messung unrichtig sei, lässt sich hieraus nach Auffassung des Senats nicht gewinnen. Vielmehr ist gerade im Umkehrschluss zu folgern, dass bei nachgewiesener Funktion der Selbstkorrektur des Gerätes bei der verfahrensgegenständlichen Messung keine Unregelmäßigkeiten festgestellt wurden, die das Gerät zu ihrer Verwerfung veranlassen konnten. Ein die Messreihe insgesamt betreffender Fehler, der sich in anderen Dateien abbildet, müsste danach auch in der Messdatei des konkreten Verkehrsverstoßes zu erkennen sein. Gleiches gilt für etwaige Aufbaufehler, sofern sich solche überhaupt aus der Messdatei ablesen und nicht nur über die Aussagen oder Dokumentationen der Messbeamten feststellen ließen. Ergeben sich aus den verfahrensgegenständlichen Daten schon keine Besonderheiten, kann daher aus Besonderheiten in anderen Falldateien grundsätzlich nicht auf eine Fehlerhaftigkeit der Messung geschlossen werden (vgl. OLG Koblenz a.a.O.). Dass die diesbezüglichen Ausführungen der PTB in den maßgebenden Fachkreisen als umstritten und daher nicht als dort allgemein anerkannt gelten können, wird von Seiten der Betroffenen weder behauptet noch ist dies in sonstiger Weise für den Senat ersichtlich.

Die begehrten Daten der gesamten Messreihe haben danach keine Relevanz für das Verteidigungsverhalten der Betroffenen. Dessen ungeachtet ist es der Betroffenen nicht verwehrt, diese an der Dienststelle … der Polizei … – wie von dort angeboten – einzusehen. Soweit das Thüringer Oberlandesgericht zur potentiellen Beweisbedeutung dieser Messdaten eine abweichende Auffassung vertritt (Beschluss vom 17.03.2021 – 1 OLG 331 SsBs 23/20, juris Rn. 15, VRS 140, 33; im Ergebnis ebenso: OLG Stuttgart, Beschluss vom 03.08.2021 – 4 Rb 12 Ss 1094/20, juris Rn. 9), wäre der Senat an diese auf rein tatsächlicher Ebene liegende Bewertung auch im Falle einer Entscheidung in der Sache nicht gebunden (vgl. auch den auf die Vorlage des OLG Zweibrücken, Beschluss vom 04.05.2021 – 4 StR 181/21 – a.a.O. ergangenen Beschluss des BGH vom 30.03.2022 – 4 StR 181/21, juris Rn. 11, NStZ-RR 2022, 220). Diese ist jedoch derzeit – wie bereits dargelegt – nicht veranlasst.

b. Soweit die Verteidigung annimmt, dass ein Beweisverwertungsverbot für die Ergebnisse eines Messverfahrens mit einem Messgerät, welches keine Rohmessdaten speichert, besteht und im Falle einer Verwertung eine Verletzung des Rechtes auf ein faires Verfahren und eine verfassungswidrige Beschränkung des Rechtes auf eine wirksame Verteidigung vorliegt, muss auch einer solchen Rüge der Erfolg versagt bleiben.

Der Senat hat bereits entschieden, dass die fehlende Speicherung von Rohmessdaten der Verwertung der Messergebnisse eines standardisierten Messverfahrens nicht entgegensteht (vgl. Hanseatisches OLG in Bremen, Beschluss vom 06.04.2020 – 1 SsRs 10/20, juris Rn. 12) und sich damit der nahezu einhelligen Rechtsprechung der anderen Oberlandesgerichte angeschlossen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 09.12.2019 – 202 ObOWi 1955/19, BeckRS 2019, 31165; KG Berlin, Beschluss vom 15.05.2014 – 3 Ws (B) 249/14 – 122 Ss 73/14, juris Rn. 13, VRS 127, Nr. 44; OLG Brandenburg, Beschluss vom 27.01.2020 – (1Z) 54 Ss-OWi 13/20 (13/20), juris Rn. 12; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 10.01.2019 – 2 RBs 1/19, juris Rn. 8; Beschluss vom 10.03.2020 – 2 RBs 30/20, juris Rn. 4; OLG Hamm, Beschluss vom 13.01.2020 – 1 RBs 255/19, juris Rn. 5; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 08.01.2020 – 3 Rb 33 Ss 763/19, juris Rn. 16 ff.; OLG Köln, Beschluss vom 27.09.2019 – 1 RBs 339/19, Rn. 6, DAR 2019, 695; OLG Oldenburg, Beschluss vom 09.09.2019 – 2 Ss (OWi) 233/19, juris Rn. 23 f., NdsRpfl 2019, 399; OLG Schleswig, Beschluss vom 20.12.2019 – II OLG 65/19, juris Rn. 28, SchlHA 2020, 42; OLG Stuttgart, Beschluss vom 19.09.2019 – 1 Rb 28 Ss 300/19, juris Rn. 4, DAR 2019, 697; kritisch ferner, aber i.E. offengelassen in VerfGH Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15.01.2020 – VGH B 19/19, juris Rn. 48, NZV 2020, 97; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 29.08.2019 – 1 OWi 2 Ss Bs 68/19, juris Rn. 6, a.A. VerfGH Saarland, Urteil vom 05.07.2019 – Lv 7/17, juris Rn. 125, NJW 2019, 2456).

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu den Grundsätzen der Anwendung von standardisierten Messverfahren besteht ein Erfordernis, dass sich das Tatgericht von der Zuverlässigkeit der Messungen im konkreten Fall überzeugt, nur dann, wenn konkrete Anhaltspunkte für Messfehler gegeben sind (siehe BGH, Beschluss vom 19.08.1993 -4 StR 627/92, juris Rn. 28, BGHSt 39, 291; Beschluss vom 30.10.1997 – 4 StR 24/97, juris Rn. 26, BGHSt 43, 277). Diese Grundsätze würden nicht beachtet, wenn auch ohne das Vorliegen solcher konkreten Anhaltspunkte für Messfehler allein wegen der fehlenden Speicherung von Rohmessdaten die Messergebnisse des betreffenden Geräts als unverwertbar angesehen würden (siehe BayObLG, a.a.O., juris Rn. 5; OLG Schleswig, a.a.O.). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine Überprüfung der Messergebnisse eines standardisierten Messverfahrens nur bei Vorliegen von konkreten Anhaltspunkten für Messfehler geboten und dieser Rechtsstandpunkt schließt es zugleich aus, diese Messergebnisse schon wegen des allgemeinen Umstands der nicht erfolgten Speicherung von Rohmessdaten als unverwertbar anzusehen. Dies ist nicht mit dem Fehlen einer nachträglichen Richtigkeitskontrolle des Messergebnisses eines standardisierten Messergebnisses gleichzusetzen, sondern es ist das Überprüfungsinteresse vielmehr dadurch gewahrt, dass bei begründeten Zweifeln an der Konformität des in Rede stehenden Gerätes mit den zulassungstechnischen Vorgaben der PTB oder bei Vermutung eines Gerätedefekts die Möglichkeit einer Befundprüfung durch die zuständige Eichbehörde oder eine staatlich anerkannte Prüfstelle besteht, mit der festgestellt werden kann, ob ein geeichtes bzw. eichfähiges Messgerät die Verkehrsfehlergrenzen einhält (vgl. Hanseatisches OLG in Bremen, Beschluss vom 06.04.2020 – 1 SsRs 10/20, juris Rn. 13).

Das Bundesverfassungsgericht hat zudem jüngst in einem Nichtannahmebeschluss vom 21.06.2023 (2 BvR 1082/21, juris Rn. 58 ff.) ausgeführt, dass eine Verpflichtung der Verwaltungsbehörden zum Einsatz von Messgeräten, die Rohmessdaten speichern, über die bloße Herausgabe von vorhandenen Informationen hinausgeht. Im dort zu entscheidenden Fall wurde jedoch seitens des Betroffenen nicht substantiiert dargelegt, dass aus dem verfassungsrechtlich verankerten Recht auf ein faires Verfahren − aus Gründen der „Waffengleichheit“ oder in sonstiger Hinsicht − eine staatliche Pflicht folgt, potentielle Beweismittel zur Wahrung von Verteidigungsrechten vorzuhalten beziehungsweise zu schaffen. Dies gelte erst recht in Anbetracht der besonderen Substantiierungsanforderungen im Falle von Handlungspflichten der öffentlichen Gewalt. Das Vorbringen sei auf ein für verfassungsrechtlich geboten gehaltenes Recht auf Vorhaltung beziehungsweise Schaffung von Beweismitteln und damit auf eine Veränderung der Anforderungen an ein standardisiertes Messverfahren gestützt. Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu standardisierten Messverfahren bei Geschwindigkeitsmessungen konstatiere jedoch lediglich ein Recht auf erweiterten Zugang zu vorhandenen Informationen und dies auch nicht unbegrenzt, sondern abhängig von dem jeweiligen Einzelfall. Das Bundesverfassungsgericht führt weiter aus, dass es in Anbetracht der nicht hinreichenden rechtlichen Substantiierung nicht mehr darauf ankomme, dass das Vorbringen auch in tatsächlicher Hinsicht den Begründungsanforderungen nicht genügen dürfte. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund der offenkundigen tatsächlichen Unsicherheiten im Hinblick auf die Relevanz von „Rohmessdaten“ für die Verteidigungsmöglichkeiten eines Betroffenen (BVerfG a.a.O. Rn. 60). Auch wenn das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerde im dortigen Verfahren nicht zur Entscheidung angenommen hat, hat es Bedenken gegenüber einer Ausweitung der bisher konstatierten Anforderungen an ein standardisiertes Messverfahren hinsichtlich eines Anspruchs auf Vorhaltung bzw. Schaffung von Beweismitteln erkennen lassen.

3. Aufgrund des dargelegten Rechtsfehlers ist das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben (§§ 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, 353 StPO). Die Sache war zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Bremen zurückzuverweisen (§§ 79 Abs. 3 OWiG, 354 Abs. 2 StPO), wobei kein Anlass besteht, eine Zurückverweisung an einen anderen Richter des Amtsgerichts Bremen auszusprechen (§ 79 Abs. 6 OWiG).

4. Eine Kostenentscheidung konnte der Senat nicht treffen, weil der Erfolg des Rechtsmittels aufgrund der Zurückverweisung noch ungewiss ist. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens war deshalb dem Amtsgericht zu übertragen (KK-Gieg, 8. Aufl., § 464 StPO Rn. 3).


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