Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Der Fall vor dem OLG Oldenburg: Herausgabe der Messreihe bei Geschwindigkeitsverstoß im Fokus
- Der Gang der Dinge: Vom Amtsgericht zum Oberlandesgericht
- Die Argumentation des Betroffenen und die formelle Rüge
- Die Entscheidung des OLG Oldenburg: Teilweise Aufhebung des Urteils
- Die Begründung des OLG: Anspruch auf Messreihe, aber keine Entscheidung in der Sache
- Auswirkungen und Bedeutung für Verkehrsteilnehmer
- Das Bußgeldverfahren: Ein Überblick
- Die Rolle der Straßenverkehrsordnung (StVO)
- Die Bedeutung der Tatsachenbehauptung
- Ausblick
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Benötigen Sie Hilfe?
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Unterlagen kann ich bei einem Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung anfordern?
- Ab wann muss ich die Herausgabe der Messreihe beantragen?
- Was passiert, wenn die Behörde die Herausgabe der Messreihe verweigert?
- Welche Kosten entstehen bei der Anforderung der Messreihe?
- Wie kann ich die Messreihe für meine Verteidigung nutzen?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: OLG Oldenburg
- Datum: 09.11.2023
- Aktenzeichen: 2 ORbs 188/23 (785 Js 27970/23)
- Verfahrensart: Rechtsbeschwerde im Ordnungswidrigkeitenverfahren
- Rechtsbereiche: Verkehrsrecht, Ordnungswidrigkeitenrecht
- Beteiligte Parteien:
- Betroffener: Wendet sich mit der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil, in dem ihm wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 338 € und ein einmonatiges Fahrverbot auferlegt wurde. Er macht insbesondere den Anspruch auf Herausgabe der Messreihe geltend.
- Amtsgericht Cloppenburg: Hat im ursprünglichen Urteil den Betroffenen verurteilt und damit im Rechtsfolgenausspruch die entsprechenden Sanktionen festgelegt, die nun im Umfang aufgehoben wurden.
- Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Betroffene wurde aufgrund des fahrlässigen Überschreitens der Höchstgeschwindigkeit verurteilt. Neben der Geldbuße und dem Fahrverbot besteht insbesondere Streit darüber, ob er einen Anspruch auf die Herausgabe der vollständigen Messreihe der ermittelten Geschwindigkeitswerte hat.
- Kern des Rechtsstreits: Es geht um die Frage, ob der Betroffene einen Anspruch auf die vollständige Messreihe hat und ob die verfahrens- und materiellrechtlichen Rügen gegen das erstinstanzliche Urteil ausreichend berücksichtigt wurden.
- Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Urteil des Amtsgerichts Cloppenburg wird im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben, während die Rechtsbeschwerde im Übrigen als unbegründet verworfen wird. Zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch hinsichtlich der Kosten der Rechtsbeschwerde – wird der Fall an das Amtsgericht zurückverwiesen.
- Begründung: Die Verfahrensrüge des Betroffenen wurde ordnungsgemäß dargelegt, insbesondere im Hinblick auf seinen Anspruch auf Herausgabe der Messreihe, zu dessen Klärung es noch offenen Ermessensspielraum gibt. Da der Senat noch keine Entscheidung über den Anspruch getroffen hat und der Betroffene nachweislich die Messreihenbilder anfordern wollte, wurde der Fall zur weiteren Prüfung über diesen Anspruch an das Amtsgericht zurückverwiesen.
- Folgen: Das ursprüngliche Urteil verliert in Bezug auf die festgesetzten Rechtsfolgen seine Wirksamkeit. Das Amtsgericht muss den Fall neu verhandeln und dabei auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde entscheiden.
Der Fall vor Gericht
Der Fall vor dem OLG Oldenburg: Herausgabe der Messreihe bei Geschwindigkeitsverstoß im Fokus

Dieser Artikel beleuchtet einen Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Oldenburg vom 09.11.2023 (Az.: 2 ORbs 188/23), der sich mit der Frage auseinandersetzt, inwieweit ein Betroffener in einem Bußgeldverfahren Anspruch auf die Herausgabe der gesamten Messreihe bei einem Geschwindigkeitsverstoß hat. Der Fall ist besonders relevant für Verkehrsteilnehmer, die mit einem Bußgeldbescheid oder sogar einem Fahrverbot konfrontiert sind und die Rechtmäßigkeit der Geschwindigkeitsmessung anzweifeln.
Der Gang der Dinge: Vom Amtsgericht zum Oberlandesgericht
Das Amtsgericht Cloppenburg hatte den Betroffenen zuvor wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 338 Euro und einem einmonatigen Fahrverbot verurteilt. Gegen dieses Urteil legte der Betroffene Rechtsbeschwerde ein, da er der Ansicht war, dass das Urteil sowohl formelle als auch materielle Rechtsfehler enthalte.
Der Einzelrichter des OLG Oldenburg übertrug den Fall dem Senat, da die Frage, ob ein Anspruch auf die Herausgabe der gesamten Messreihe besteht, bisher nicht höchstrichterlich entschieden war. Es ging also um die Frage der Beweisführung im Geschwindigkeitsverstoß.
Die Argumentation des Betroffenen und die formelle Rüge
Der Betroffene rügte, dass ihm die vollständige Messreihe nicht zur Verfügung gestellt wurde, was seiner Ansicht nach seine Verteidigung beeinträchtigte. Er argumentierte, dass er nur so die Möglichkeit habe, die Genauigkeit der Geschwindigkeitsmessung zu überprüfen und mögliche Fehlerquellen aufzudecken. Er hatte sich nachweislich darum bemüht, die Messreihenbilder zu erhalten. Diese Akteneinsicht ist ein wichtiger Bestandteil der Verteidigung in einem Bußgeldverfahren.
Die Entscheidung des OLG Oldenburg: Teilweise Aufhebung des Urteils
Das OLG Oldenburg entschied, dass die Rechtsbeschwerde des Betroffenen teilweise Erfolg hat. Das Urteil des Amtsgerichts Cloppenburg wurde im Rechtsfolgenausspruch (also hinsichtlich der Höhe der Geldbuße und des Fahrverbots) mit den diesbezüglichen Feststellungen aufgehoben. Im Übrigen wurde die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen. Das bedeutet, dass das OLG die Verurteilung an sich (also die Feststellung, dass eine Geschwindigkeitsüberschreitung vorlag) nicht beanstandete, aber die Höhe der Strafe und das Fahrverbot neu überprüft werden müssen.
Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen. Das Amtsgericht muss also den Fall in Bezug auf die Strafzumessung erneut aufrollen und dabei die Argumente des Betroffenen berücksichtigen.
Die Begründung des OLG: Anspruch auf Messreihe, aber keine Entscheidung in der Sache
Das OLG Oldenburg hat in seinem Beschluss nicht abschließend entschieden, ob dem Betroffenen tatsächlich ein Anspruch auf die Herausgabe der gesamten Messreihe zusteht. Dies war der Grund für die Übertragung des Falls auf den Senat. Allerdings deutet die Entscheidung darauf hin, dass das Gericht die Bedeutung der Messreihe für die Verteidigung des Betroffenen anerkennt. Das OLG beanstandete, dass das Amtsgericht die Bedeutung der Messreihe für die Urteilsfindung nicht ausreichend berücksichtigt hat.
Auswirkungen und Bedeutung für Verkehrsteilnehmer
Die Entscheidung des OLG Oldenburg ist ein wichtiger Hinweis für Verkehrsteilnehmer, die mit einem Bußgeldbescheid wegen Geschwindigkeitsüberschreitung konfrontiert sind. Sie zeigt, dass es sich lohnen kann, die Geschwindigkeitsmessung kritisch zu hinterfragen und Messdaten anzufordern. Ob tatsächlich ein Anspruch auf die gesamte Messreihe besteht, ist zwar noch nicht abschließend geklärt, aber die Entscheidung des OLG deutet darauf hin, dass die Gerichte die Bedeutung dieser Daten für die Verteidigung anerkennen.
Es ist ratsam, sich in einem solchen Fall von einem Rechtsanwalt im Verkehrsrecht beraten zu lassen. Dieser kann die Erfolgsaussichten eines Einspruch gegen Bußgeld einschätzen und bei der Anforderung der notwendigen Unterlagen (wie z.B. der Messreihe) behilflich sein. Die Messreihe kann wichtige Informationen über die Messgenauigkeit und mögliche Fehlerquellen enthalten. Ein Rechtsanwalt im Verkehrsrecht kann auch Akteneinsicht beantragen und prüfen, ob die Bußgeldstelle alle relevanten Vorschriften eingehalten hat.
Das Bußgeldverfahren: Ein Überblick
Ein Bußgeldverfahren beginnt in der Regel mit einem Anhörungsbogen, den der Betroffene von der Bußgeldstelle erhält. Hier hat der Betroffene die Möglichkeit, sich zu dem Vorwurf zu äußern. Oftmals folgt dann ein Bußgeldbescheid, der die Geldbuße und gegebenenfalls ein Fahrverbot festsetzt. Gegen diesen Bescheid kann innerhalb von zwei Wochen Einspruch eingelegt werden.
Im weiteren Verlauf des Verfahrens kann es zu einer Gerichtsverhandlung kommen, in der das Gericht über die Rechtmäßigkeit des Bußgeldbescheids entscheidet. Hierbei spielt die Beweisführung Geschwindigkeitsverstoß eine entscheidende Rolle. Das Gericht muss feststellen, ob die Geschwindigkeitsüberschreitung tatsächlich stattgefunden hat und ob die Messung ordnungsgemäß erfolgt ist. Die Verkehrssicherheit ist zwar ein wichtiger Aspekt, aber auch die Rechte des Betroffenen müssen gewahrt werden.
Die Rolle der Straßenverkehrsordnung (StVO)
Die Straßenverkehrsordnung (StVO) regelt unter anderem die zulässigen Höchstgeschwindigkeiten im Straßenverkehr. Wer diese überschreitet, begeht eine Ordnungswidrigkeit und muss mit einem Bußgeld rechnen. Die Höhe des Bußgeldes richtet sich nach dem Grad der Geschwindigkeitsüberschreitung. Bei besonders schweren Verstößen droht auch ein Fahrverbot.
Die Bedeutung der Tatsachenbehauptung
Im Rahmen eines Bußgeldverfahrens ist die Tatsachenbehauptung der Bußgeldstelle von entscheidender Bedeutung. Diese muss nachweisen, dass der Betroffene die Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hat. Hierbei spielen die Blitzerbilder und die Messdaten eine wichtige Rolle. Der Betroffene hat jedoch das Recht, diese Tatsachenbehauptung zu bestreiten und eigene Beweise vorzulegen.
Ausblick
Das Verfahren vor dem Amtsgericht Cloppenburg wird nun fortgesetzt. Es bleibt abzuwarten, wie das Gericht die Sache nach der Zurückverweisung durch das OLG Oldenburg beurteilen wird. Die Entscheidung des OLG hat jedoch bereits jetzt gezeigt, dass die Frage der Herausgabe der Messreihe ein wichtiger Aspekt bei der Verteidigung gegen einen Bußgeldbescheid wegen Geschwindigkeitsüberschreitung ist.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das OLG Oldenburg hat die Frage nach dem Anspruch auf Herausgabe der gesamten Messreihe bei Geschwindigkeitsmessungen an den Senat übertragen, da hierzu bisher keine einheitliche Rechtsprechung existiert. Während einige Gerichte wie das OLG Jena einen Anspruch bejahen, wird dies von anderen Gerichten und der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) kritisch gesehen. Die Kernfrage ist, ob die Analyse der kompletten Messreihe tatsächlich Rückschlüsse auf Fehler bei der einzelnen Messung zulassen kann.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als Betroffener eines Bußgeldverfahrens wegen Geschwindigkeitsüberschreitung können Sie die Herausgabe der gesamten Messreihe beantragen, um mögliche Fehler in der Messung nachzuweisen. Allerdings ist die Rechtslage derzeit noch nicht eindeutig geklärt – während einige Gerichte diesem Antrag stattgeben, lehnen andere ihn ab. Bei der Verteidigung gegen einen Bußgeldbescheid sollten Sie sich daher nicht allein auf die Analyse der Messreihe verlassen, sondern auch andere Verteidigungsmöglichkeiten in Betracht ziehen. Es empfiehlt sich, fachkundige Unterstützung einzuholen, um Ihre Erfolgsaussichten besser einschätzen zu können.
Benötigen Sie Hilfe?
Fachliche Unterstützung bei der Prüfung von Messdaten im Bußgeldverfahren
Wer in einem Verfahren mit Fragen zur Vollständigkeit und Genauigkeit der Messreihe konfrontiert wird, sieht sich oft mit komplexen verfahrensrechtlichen Herausforderungen konfrontiert. Insbesondere wenn Zweifel an der zugrunde liegenden Beweisführung bestehen, ist eine sorgfältige Überprüfung der vorliegenden Daten entscheidend, um Klarheit über den Sachverhalt und die daraus resultierenden Konsequenzen zu gewinnen.
Unsere Kanzlei unterstützt Sie dabei, Ihre individuelle Situation präzise zu analysieren und die relevanten Aspekte Ihres Falls zu beleuchten. In einem strukturierten und sachlichen Beratungsgespräch erörtern wir, wie die vorhandenen Messdaten in Ihrem Verfahren gewürdigt werden müssen und welche rechtlichen Schritte zur Wahrung Ihrer Interessen angezeigt sein können.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Unterlagen kann ich bei einem Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung anfordern?
Bei einem Bußgeldverfahren wegen Geschwindigkeitsüberschreitung haben Sie das Recht auf Einsicht in eine Vielzahl von Unterlagen. Dieses Recht ergibt sich aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens.
Messunterlagen und technische Daten
Digitale Falldateien des kompletten Messvorgangs sind ein zentraler Bestandteil der Akteneinsicht. Diese umfassen nicht nur Ihre eigene Messung, sondern die gesamte Messreihe des Tattages einschließlich der notwendigen Passwörter oder Token-Dateien.
Technische Dokumentation des Messgeräts muss ebenfalls zugänglich gemacht werden. Dazu gehören:
- Die Bedienungsanleitung des Messgeräts
- Der gültige Eichschein
- Die Lebensakte des Messgeräts für den Zeitraum zwischen der letzten und nächsten Eichung
- Wartungs- und Reparaturunterlagen
Personalbezogene Unterlagen
Die Qualifikationsnachweise des Messpersonals sind ebenfalls einsehbar. Hierzu zählen die Schulungsnachweise der Messbeamten.
Dokumentation der Messsituation
In der Ermittlungsakte finden Sie wichtige Unterlagen wie:
- Das Beweisfoto
- Das Messprotokoll
- Den Beschilderungsnachweis der Messstelle
Die Bußgeldakte enthält zusätzlich den Bußgeldbescheid sowie die Zustellnachweise.
Kosten der Akteneinsicht
Für die Akteneinsicht fallen Kosten in Höhe von 12 Euro an, wenn die Dokumente postalisch versendet werden müssen. Bei einer Online-Akteneinsicht entstehen keine Kosten.
Ab wann muss ich die Herausgabe der Messreihe beantragen?
Für die Anforderung der Messreihe existiert keine gesetzlich festgelegte Frist. Sie können den Antrag zu verschiedenen Zeitpunkten im Verfahren stellen:
Frühester Zeitpunkt
Bereits nach Erhalt des Anhörungsbogens können Sie die Herausgabe der Messreihe beantragen. Dies ist der optimale Zeitpunkt, da Sie so frühzeitig Zugang zu allen relevanten Daten erhalten.
Während des laufenden Verfahrens
Wenn Sie einen Bußgeldbescheid erhalten haben, können Sie die Herausgabe der Messreihe zusammen mit dem Einspruch beantragen. Die Bußgeldstelle muss dann die Akten innerhalb von drei Tagen dem zuständigen Gericht vorlegen.
Im gerichtlichen Verfahren
Auch während des gerichtlichen Verfahrens können Sie noch die Herausgabe der Messreihe beantragen. Das Gericht ist dann verpflichtet, der Bußgeldstelle aufzugeben, Ihnen die vollständige Messreihe zur Verfügung zu stellen.
Die Behörde muss Ihnen dabei nicht nur die Daten Ihrer eigenen Messung, sondern die gesamte Messreihe des Tattages zur Verfügung stellen. Dies umfasst auch die notwendigen Passwörter oder Token-Dateien. Ein bloßes Angebot zur Einsichtnahme in den Räumlichkeiten der Behörde ist dabei nicht ausreichend.
Was passiert, wenn die Behörde die Herausgabe der Messreihe verweigert?
Wenn die Behörde die Herausgabe der Messreihe verweigert, können Sie einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG stellen. Dieser Antrag wird dann dem zuständigen Amtsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Rechtliche Grundlage
Die Verweigerung der Herausgabe vollständiger Messunterlagen durch die Verwaltungsbehörde beschränkt Sie erheblich in Ihren Verteidigungsmöglichkeiten. Ohne diese Daten können Sie mögliche Messfehler nicht substantiiert und fundiert vortragen, wie es die Rechtsprechung verlangt.
Vorgehensweise
Sie sollten die Messunterlagen möglichst frühzeitig im Verfahren anfordern, idealerweise bereits bei der Verwaltungsbehörde nach Erhalt des Anhörungsbogens. Dies umfasst insbesondere:
- Digitale Falldatensätze mit unverschlüsselten Rohmessdaten
- Statistikdatei
- Wartungs- und Instandsetzungsnachweise des Messgeräts
- Eichnachweise
Rechtsmittel
Bei einer Ablehnung durch das Amtsgericht können Sie innerhalb von zwei Wochen Beschwerde gegen diese Entscheidung einlegen. Spätestens zu Beginn der Hauptverhandlung sollten Sie einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens stellen, bis die begehrten Messunterlagen vollständig vorgelegt wurden.
Die Verweigerung der Herausgabe kann eine Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren darstellen. Das Oberlandesgericht hat in mehreren Entscheidungen betont, dass die vollständige Offenlegung der Beweismittel ein wesentlicher Bestandteil eines fairen Verfahrens ist.
Welche Kosten entstehen bei der Anforderung der Messreihe?
Bei der Anforderung der Messreihe im Bußgeldverfahren fallen verschiedene Gebühren an. Die Grundgebühr für die Akteneinsicht vor Ort beträgt 0 Euro. Wenn Sie die Messreihe jedoch per Post anfordern, wird eine pauschale Gebühr von 12 Euro für Versand und Rücksendung der Akten erhoben.
Zusätzliche Verwaltungskosten
Neben den Kosten für die Messreihe fallen reguläre Verwaltungsgebühren an. Diese setzen sich zusammen aus einer Bearbeitungsgebühr von 25 Euro und einer Zustellungsgebühr von 3,50 Euro.
Kostenerstattung bei erfolgreicher Verteidigung
Wenn das Bußgeldverfahren eingestellt oder Sie freigesprochen werden, haben Sie Anspruch auf Erstattung der notwendigen Auslagen durch die Staatskasse. Dies umfasst auch die Kosten für die Anforderung der Messreihe.
Rechtliche Grundlage der Akteneinsicht
Die Herausgabe der vollständigen Messreihe ist ein grundlegendes Recht im Bußgeldverfahren. Das Amtsgericht Köln hat in einer wegweisenden Entscheidung festgestellt, dass die Verwaltungsbehörde verpflichtet ist, die komplette Messreihe zur Verfügung zu stellen. Eine Begrenzung der herauszugebenden Datensätze ist nicht zulässig, da Sie selbst entscheiden können müssen, welche Messungen für Ihre Verteidigung relevant sind.
Die elektronische Übermittlung der Messreihe ist in der Regel kostenfrei. Wenn Sie zusätzliche Kopien oder Ausdrucke benötigen, können dafür weitere Gebühren nach der gültigen Verwaltungsgebührenordnung anfallen.
Wie kann ich die Messreihe für meine Verteidigung nutzen?
Die Messreihe ermöglicht eine umfassende technische Überprüfung der gegen Sie durchgeführten Geschwindigkeitsmessung.
Grundlegende Überprüfungsmöglichkeiten
Die vollständige Messreihe enthält alle am Tattag durchgeführten Messungen und erlaubt die Identifizierung möglicher Messfehler. Ein Sachverständiger kann anhand der Daten beispielsweise erkennen, ob es zu nicht dokumentierten Änderungen am Messaufbau gekommen ist.
Relevante Auswertungsaspekte
Bei der Auswertung der Messreihe sind mehrere technische Aspekte von Bedeutung. Die Analyse kann Aufschluss geben über:
- Positionsänderungen des Messgeräts während der Messreihe
- Technische Auffälligkeiten bei anderen Messungen, die Rückschlüsse auf die Zuverlässigkeit Ihrer Messung zulassen
- Systematische Fehler in der Messreihe
Praktische Durchführung
Die Auswertung der Messreihe erfordert technischen Sachverstand. Ein technischer Sachverständiger kann die Rohmessdaten, Statistikdateien und Falldaten der gesamten Messreihe analysieren. Die Überprüfung kann auch Wartungsnachweise und Eichscheine des Messgeräts einbeziehen.
Bedeutung für das Verfahren
Wenn Sie ein standardisiertes Messverfahren anfechten möchten, müssen Sie konkrete Einwendungen gegen die Messung vorbringen. Die Analyse der vollständigen Messreihe versetzt Sie in die Lage, solche konkreten Einwendungen zu formulieren und mögliche Fehler in der Messung zu belegen.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Rechtsbeschwerde
Eine Rechtsbeschwerde ist ein Rechtsmittel gegen Entscheidungen unterer Gerichte, das sich ausschließlich auf die Überprüfung von Rechtsfragen beschränkt. Sie kann nur eingelegt werden, wenn dies gesetzlich ausdrücklich zugelassen ist, etwa nach § 79 OWiG im Ordnungswidrigkeitenverfahren. Anders als die Berufung ermöglicht sie keine neue Beweisaufnahme oder Tatsachenprüfung.
Beispiel: Ein Autofahrer wird wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße verurteilt. Mit der Rechtsbeschwerde kann er nicht bestreiten, dass er zu schnell fuhr, aber rügen, dass das Gericht ihm rechtswidrig die Einsicht in die Messunterlagen verweigert hat.
Messreihe
Die Messreihe bezeichnet bei Geschwindigkeitsmessungen die Gesamtheit aller aufgezeichneten Messwerte innerhalb eines bestimmten Zeitraums, einschließlich der Messungen vor und nach dem konkreten Verstoß. Sie ist wichtig für die Überprüfung der Messgenauigkeit und Funktionsfähigkeit des Messgeräts gemäß § 1 MessEG.
Beispiel: Bei einer Geschwindigkeitskontrolle werden über mehrere Stunden hunderte Fahrzeuge gemessen. Die Messreihe enthält alle diese Werte, nicht nur den einzelnen Verstoß.
Rechtsfolgenausspruch
Der Rechtsfolgenausspruch ist der Teil eines Urteils, der die konkreten Sanktionen gegen den Betroffenen festlegt. Er enthält die verhängten Strafen oder Maßnahmen wie Geldbußen oder Fahrverbote. Die rechtliche Grundlage findet sich in § 260 StPO in Verbindung mit § 71 OWiG.
Beispiel: Das Gericht verhängt im Rechtsfolgenausspruch eine Geldbuße von 338 Euro und ein einmonatiges Fahrverbot wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung.
Verfahrensrüge
Eine Verfahrensrüge ist die förmliche Beanstandung von Verfahrensfehlern im Rahmen eines Rechtsmittels. Der Betroffene muss dabei konkret darlegen, welche Verfahrensvorschriften verletzt wurden und wie sich dies auf die Entscheidung ausgewirkt hat. Die Grundlage findet sich in § 344 Abs. 2 StPO.
Beispiel: Ein Betroffener rügt, dass das Gericht seinen Antrag auf Herausgabe der Messreihe rechtswidrig abgelehnt und damit sein Recht auf rechtliches Gehör verletzt hat.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 79 OWiG (Gesetz über Ordnungswidrigkeiten): Regelt die Rechtsbeschwerde gegen Urteile in Ordnungswidrigkeitenverfahren. Sie ist statthaft, wenn das Urteil Rechtsfehler enthält oder das Verfahren mangelhaft war. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Betroffene legt Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts ein, was gemäß § 79 OWiG zulässig ist, da er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
- Art. 6 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) i.V.m. dem Grundsatz des fairen Verfahrens: Garantiert das Recht auf ein faires Verfahren und beinhaltet das Recht auf effektive Verteidigung. Dies umfasst das Recht, Beweismittel einzusehen und zu prüfen, die für die Beurteilung des Falles relevant sein könnten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Betroffene beruft sich auf eine Verletzung seines Rechts auf ein faires Verfahren, da ihm die Einsicht in die vollständige Messreihe verweigert wird.
- § 26 StPO (Strafprozessordnung) analog im Ordnungswidrigkeitenrecht: Befasst sich mit dem Anspruch des Beschuldigten auf Akteneinsicht, um sich effektiv verteidigen zu können. Dieser Anspruch kann sich auch auf Beweismittel erstrecken, die nicht unmittelbar die eigene Tat betreffen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Betroffene begehrt die Herausgabe der gesamten Messreihe, um mögliche Fehlerquellen aufzudecken, die die Messbeständigkeit des Gerätes in Frage stellen könnten.
- § 46 OWiG i.V.m. § 244 StPO (Strafprozessordnung) – Beweisantragsrecht: Gewährt dem Betroffenen das Recht, Beweisanträge zu stellen, um Tatsachen zu beweisen, die für seine Verteidigung relevant sind. Das Gericht muss diese Anträge grundsätzlich berücksichtigen, es sei denn, sie sind offensichtlich ungeeignet oder irrelevant. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Betroffene argumentiert, dass die Einsicht in die gesamte Messreihe erforderlich ist, um die Zuverlässigkeit der Geschwindigkeitsmessung in Frage zu stellen und somit Beweisanträge auf Basis dieser Daten zu stellen.
Das vorliegende Urteil
OLG Oldenburg – Az.: 2 ORbs 188/23 (785 Js 27970/23) – Beschluss vom 09.11.2023
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