OLG Zweibrücken – Az.: 1 OWi 2 Ss Bs 68/20 – Beschluss vom 07.05.2020
1. Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Speyer vom 17. Dezember 2019 wird als unbegründet verworfen.
2. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.
Gründe
Das Amtsgericht hat die Betroffene mit dem angefochtenen Urteil wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 27 km/h zu einer Geldbuße von 100 Euro verurteilt und gegen sie ein Fahrverbot von einem Monat mit Vollstreckungsaufschub angeordnet.
Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde der Betroffenen ist zulässig; insbesondere kann der Begründungsschrift vom 4. Februar 2020 hinreichend die Erhebung der allgemeinen Sachrüge entnommen werden. Das Rechtsmittel ist in der Sache jedoch nicht begründet.
I.
Das Urteil unterliegt nicht deshalb der Aufhebung, weil der Bußgeldbescheid bereits Rechtskraft erlangt hat. Zwar hat die Verteidigerin der Betroffenen mit aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach übersandten Schriftsatz vom 16. Dezember 2019 die Rücknahme des Einspruchs erklärt. Die Rücknahmeerklärung erzielt jedoch keine Wirkung.
Der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid kann nur bis zum Beginn der Verkündung des Amtsgerichtsurteils bzw. bis zum Erlass eines Beschlusses nach § 72 OWiG wirksam zurückgenommen werden (Ellbogen in KK-OWiG, 5. Aufl., § 67 Rn. 100; Krenberger/Krumm in Bohnert/Krenberger/Krumm, OWiG, 5. Aufl., § 67 Rn. 51). Nach diesem Grundsatz war die Erklärung der Rücknahme hier verspätet und daher wirkungslos.
1.
Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:
In der (ersten) Hauptverhandlung vom 9. August 2019 hat der Bußgeldrichter die Betroffene auf Antrag ihrer Verteidigerin vom persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden. Nach Durchführung einer Beweisaufnahme wurde die Hauptverhandlung durch Beschluss ausgesetzt, um der Verteidigerin Gelegenheit zu geben, zu den Voraussetzungen des Absehens vom Fahrverbot weiter vorzutragen. Zugleich hat der Bußgeldrichter eine neue Hauptverhandlung auf den 17. Dezember 2019 bestimmt und die Betroffene auch für diesen Termin vom persönlichen Erscheinen entbunden. Im Anschluss an die Hauptverhandlung vom 17. Dezember 2019, zu der weder die Betroffene noch ihre Verteidigerin erschienen waren, hat der Bußgeldrichter das angegriffene Urteil verkündet.
Noch am 16. Dezember 2019 war im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs mittels Übermittlung aus dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nach § 31a BRAO (beA) ein Schriftsatz der Verteidigerin im elektronischen Postfach des Amtsgerichts eingegangen, mit dem sie die Rücknahme des gegen den Bußgeldbescheid eingelegten Einspruchs erklärte. Auf dem (vermutlich zuvor eingescannten) Schriftsatz war eine Unterschrift der Verteidigerin angebracht; mit einer qualifizierten elektronischen Signatur war die elektronische Nachricht nicht versehen. Ausweislich der Verfügung des Bußgeldrichters vom 28. Januar 2019 war der Schriftsatz erst am 18. Dezember 2019 ausgedruckt und am 8. Januar 2020 zur Akte gebracht worden.
2.
Die Einspruchsrücknahme ist erst am 18. Dezember 2019 und damit nach Verkündung des Sachurteils vom 17. Dezember 2019 beim Amtsgericht eingegangen und damit wirkungslos geblieben.
a) Die Rücknahme des Einspruchs unterliegt den selben Formerfordernissen wie der Einspruch selbst (Krenberger/Krumm aaO. Rn. 52). Sie hat daher schriftlich oder zur Niederschrift der Verwaltungsbehörde zu erfolgen (vgl. § 67 Abs. 1 OWiG). Diesem Schriftformerfordernis genügt der im Wege des elektronischen Rechtsverkehrs eingegangene Schriftsatz der Verteidigerin vom 16. Dezember 2019 nicht. Zwar lässt § 32a Abs. 1 und 3 StPO i.V.m. § 110c S. 1 OWiG die Einreichung von Schriftsätzen in Form elektronischer Dokumente zu. Ein Dokument, das – wie hier die Einspruchsrücknahme – schriftlich abzufassen ist, muss aber um wirksam zu werden als elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein. § 32a Abs. 3 StPO sieht zwar vor, dass ein elektronisches Dokument nicht mit einer solchermaßen qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein muss, wenn es von der verantwortenden Person signiert und auf einem der in § 32a Abs. 4 StPO genannten sicheren Übermittlungswege, zu dem auch die Übermittlung zwischen dem beA und der elektronischen Poststelle des Gerichts gehört (§ 32a Abs. 4 S. 2 StPO), eingereicht wird. Der Bundesgesetzgeber hat jedoch den Landesregierungen in § 15 S. 1 EGStPO ermöglicht, durch Rechtsverordnung die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs hinauszuschieben und zu bestimmen, dass die Einreichung elektronischer Dokumente abweichend von § 32a StPO erst zum 1. Januar 2019 oder 2020 möglich und bis dahin § 41a StPO in der bis 31. Dezember 2017 geltenden Fassung [nachfolgend: a.F.] weiter anzuwenden ist (sog. „Opt-out“-Lösung; hierzu: BT-Drs. 18/9416, S. 71 und BT-Drs. 18/1330 S. 75). Hiervon hat das Land Rheinland-Pfalz Gebrauch gemacht und durch § 1 der Verordnung zur Ausführung des § 15 EGStPO und des § 134 OWiG festgelegt, dass die Einreichung elektronischer Dokumente nach Maßgabe des § 32a StPO in Verfahren nach der StPO, dem OWiG und solchen Gesetzen, die auf die Anwendung dieser Vorschriften verweisen, erst ab dem 1. Januar 2020 möglich ist. Bis zu diesem Zeitpunkt waren elektronische Dokumente im gerichtlichen Bußgeldverfahren nach dem OWiG daher weiterhin nach den Bedingungen des § 41a StPO a.F. einzureichen (Senat, Beschluss vom 11. April 2019 – 1 OWi 2 Ss Rs 131/18, juris Rn. 2 f.). Dem Schriftformerfordernis wäre durch den elektronischen Schriftsatz vom 16. Dezember 2019 daher nur Genüge getragen gewesen, wenn er – was nicht der Fall war – mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen gewesen wäre.
b) Der Formmangel ist auch nicht rechtzeitig geheilt worden.
Zwar kann die Form auch dadurch gewahrt werden, dass eine nicht den Anforderungen an ein elektronisches Dokument gerecht werdende elektronische Schrift im Geschäftsgang ausgedruckt und zur Akte genommen wird (BGH, Beschluss vom 18.03.2015 – XII ZB 424/14, juris Rn. 7 ff.; abl.: Müller, AnwBl. 2016, 27, 28). Hinsichtlich des Zeitpunkt des Eingangs ist dabei aber nicht auf den Zeitpunkt der Speicherung der Nachricht im elektronischen Postfach des Gerichts, sondern auf denjenigen abzustellen, zu dem das Dokument ausgedruckt worden ist (vgl. BGH, Beschluss vom 08.05.2019 – XII ZB 8/19, juris Rn. 12). Danach ist die Einspruchsrücknahme erst mit dem Ausdruck am 18. Dezember 2019 und damit nach dem Erlass des Urteils formgerecht erfolgt.
II.
Die auf die Sachrüge veranlasste umfassende Prüfung des Schuld- und Rechtsfolgenausspruchs des angefochtenen Urteils hat keinen die Betroffene benachteiligenden Rechtsfehler ergeben. Das Amtsgericht hat insbesondere im Rahmen der Bemessung des Bußgeldes in rechtlich nicht zu beanstandender Weise das nach Nr. 11.3.5 BKat bestimmte Regelbußgeld wegen einer Voreintragung erhöht, ein Regelfahrverbot nach § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV angeordnet und in ausreichender Weise zu erkennen gegeben, dass es sich der Möglichkeit des § 4 Abs. 4 BKatV bewusst gewesen ist.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO i.V.m. § 46 OWiG.