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Bußgeldverfahren – Gutachterkostenerstattung für vorgerichtlich eingeholtes Gutachten

LG Aachen – Az.: 66 Qs 58/19 – Beschluss vom 30.09.2019

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 StPO) als unbegründet verworfen.

Gründe

I.

Gegen den früheren Betroffenen war ein Bußgeldverfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung anhängig. Er soll am 21.2.2017 den Pkw HS-XX 000 in H., S. Straße, statt mit den zulässigen 50 km/h mit 75 km/h geführt haben. Die Kreisverwaltung Heinsberg erließ am 1.6.2017 einen Bußgeldbescheid, mit welchem gegen den früheren Betroffenen eine Geldbuße von 80 EUR festgesetzt wurde. Hiergegen wehrte er sich mit fristgerecht eingelegtem Einspruch. Das AG Heinsberg – 8 Owi 73/17 – raumte auf den 15.12.2017 Termin zur Hauptverhandlung an. Der frühere Betroffene äußerte sich in dem Termin nicht zur Sache. Der Bußgeldrichter setzte die Hauptverhandlung aus und ordnete die Einholung eines anthropologischen Sachverständigengutachtens zur Identität des früheren Betroffenen mit dem am 21.2.2017 fotografierten Fahrer an. Dieses wurde am 27.1.2018 durch den Sachverständigen Prof. Dr. I2 erstellt, welcher zu dem Prädikat „Täteridentität wahrscheinlich“ gelangte. Das AG Heinsberg sprach den früheren Betroffenen daraufhin mit Beschluss (§ 72 OWiG) vom 15.3.2018 mangels nachgewiesener Fahrereigenschaft frei und legte die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse auf. Der Beschluss wurde rechtskräftig.

II.

Der frühere Betroffene begehrt nunmehr u. a. die Erstattung von 711,03 EUR vorgerichtlicher Sachverständigenkosten. Er teilte mit, dass er am 19.6.2017 ein Sachverständigenbüro mit einem Gutachten zur Verwertbarkeit der Geschwindigkeitsmessung vom 21.2.2017 beauftragt hatte. Dieses Gutachten wurde am 10.10.2017 erstellt. In der Hauptverhandlung vom 15.12.2017 spielte es ersichtlich keine Rolle.

Die Rechtspflegerin bei dem AG Heinsberg wies den Kostenerstattungsantrag mit Beschluss vom 15.7.2019 zurück. Hiergegen erhebt der frühere Betroffene sofortige Beschwerde.

III.

Die sofortige Beschwerde ist zwar zulässig, aber nicht begründet.

Die Entscheidung der Rechtspflegerin ist nicht zu beanstanden.

Die Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Kosten in Höhe von 711,03 EUR für das durch den früheren Betroffenen selbständig und privat eingeholte Sachverständigengutachten ist vorliegend zu Recht verneint worden.

Die Kammer hat sich mit dieser Fragestellung bereits in ihrem Beschluss vom 12.07.2018 – 66 Qs 31/18, veröffentlicht in NZV 2018, 480, m. Anm. von Sandherr bzw. in der BeckRS 2018, 16186, ausführlich befasst.

Sie hat damals ausgeführt:

„Im Ergebnis trägt also der Betroffene im Bußgeldverfahren in der Regel das volle Kostenrisiko für die Einholung eines Privatgutachtens… Wenn dann aber zunächst auf eigenes Kostenrisiko veranlasste private Ermittlungen sich tatsächlich entscheidungserheblich zugunsten des Betroffenen auswirken, sind die Kosten hierfür stets zu erstatten.“

Nach diesen Grundsätzen sind die von dem Beschwerdeführer verauslagten Sachverständigenkosten vorliegend nicht erstattungsfähig. Das von dem Beschwerdeführer eingeholte private Gutachten wurde im hiesigen Verfahren weder im Hauptverfahren noch im sich hieran anschließenden Kostenfestsetzungsverfahren zu irgendeinem Zeitpunkt vorgelegt. Das Gutachten hat bereits nicht zur Entscheidungsfindung beigetragen. Maßgeblich für den erfolgten Freispruch war das gerichtlich eingeholte Sachverständigengutachten der Sachverständigen Dipl. Biol. A.“

Genauso verhält es sich hier: Auch hier ist der frühere Betroffene nicht wegen eines Mangels der Geschwindigkeitsmessung, sondern deshalb freigesprochen worden, weil seine Fahrereigenschaft nicht erwiesen werden konnte. Das Privatgutachten zur Geschwindigkeitsmessung spielte ersichtlich im Bußgeldverfahren keine Rolle und wurde erstmals mit dem entsprechenden Kostenantrag vom 21.5.2017 offengelegt.

Im Übrigen schreibt Sandherr schreibt in seiner Anmerkung zu der Entscheidung vom 12.07.2018 zutreffend:

„Ich denke, man wird die Erstattungsfähigkeit an ein positives und ein negatives Kriterium knüpfen können. Positiv: Der Freispruch muss auf dem vom Sachverständigen herausgefundenen Messfehler beruhen. Negativ: Der Messfehler darf nicht evident sein. Ist der Messung der Fehler gleichsam auf die Stirn geschrieben, so kann der Betroffene nicht einfach einen Sachverständigen beauftragen und sodann liquidieren.“

Deshalb kommt hier, wo das vorgerichtlich eingeholte Gutachten in keiner Weise zum Freispruch beigetragen hat, eine Erstattung der Gutachterkosten nicht in Betracht.

Die Kammer hält an ihrer Rechtsprechung auch angesichts der hier bekannten, zitierten Entscheidung des LG Wuppertal vom 6.11.2018 – 26 Qs 210/18 = NZV 2019, 156 fest. Die dort niedergelegte, weitergehende Rechtsansicht des LG Wuppertal wird nicht geteilt.

Vielmehr schreibt Krenberger zutreffend zu dieser Entscheidung in NZV 2019, 156:

„In letzter Zeit war die Erstattungsfähigkeit von vorgerichtlichen Sachverständigenkosten bei standardisierten Messverfahren recht häufig Thema (LG Aachen, NZV 2018, 480 [Sandherr]; LG Wuppertal, Beschl. v. 8.2.2018 – 26 Qs 214/17, BeckRS 2018, 2186), wobei diese nur bejaht wurde, wenn das Verfahren aufgrund des Gutachtens eingestellt wurde. Während die frühere Entscheidung des LG Wuppertal diesen Konnex noch als gegeben vorfand, wird nunmehr das Beruhen der Einstellung auf dem Gutachten als gänzlich überflüssig angesehen und dies mit der Konstellation der standardisierten Messverfahren begründet.

Dies schießt aber deutlich über das Ziel hinaus. Denn es würde zum einen eine Sanierungseinladung für die Rechtsschutzversicherungen auf Kosten der Staatskasse bedeuten. Zum zweiten würde damit den Gerichten eben doch durch die Hintertür eine Pflicht zur Begutachtung der Verstöße auferlegt, die das standardisierte Messverfahren gerade nicht fordert. Und schließlich wird der Verteidiger völlig aus der Pflicht genommen, erst einmal selbst mit seinen Mitteln zu prüfen, ob Angriffspunkte gegen die Messung vorhanden sind. Letzten Endes muss es jedem Betroffenen offen stehen, sich der Richtigkeit des gegen ihn erhobenen Vorwurfs zu versichern, aber das kann nicht auf Kosten der Staatskasse gehen.

Eine Erstattungsfähigkeit bei Einstellung des Verfahrens gerade wegen des eingeholten Gutachtens halte ich für sachgerecht (so auch LG Aachen a.a.O.), nicht aber die hier getroffene Entscheidung.“

Aus diesen Gründen war die sofortige Beschwerde des früheren Betroffenen als unbegründet zu verwerfen.

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