Übersicht
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Hamburg
- Datum: 25.05.2023
- Aktenzeichen: 6 ORbs 19/23
- Verfahrensart: Rechtsbeschwerdeverfahren in Bußgeldsache
- Rechtsbereiche: Ordnungswidrigkeitenrecht, Rechtliches Gehör
Beteiligte Parteien:
- Betroffener: Der Betroffene legte Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid über 80 Euro wegen Geschwindigkeitsüberschreitung ein. Er argumentierte, dass sein rechtliches Gehör verletzt wurde, da wesentliche Beweisanträge im Verfahren unbeachtet blieben.
- Amtsgericht Hamburg-Altona, Abteilung 326b: Dieses Gericht erließ das ursprüngliche Urteil, welches der Betroffene anfocht. Es wurde kritisiert, weil es keine ausreichende Auseinandersetzung mit den Beweisanträgen des Betroffenen aufwies.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Der Betroffene erhielt einen Bußgeldbescheid über 80 Euro wegen einer Überschreitung der erlaubten Höchstgeschwindigkeit um 23 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften. Er legte Einspruch ein und beantragte die Zulassung der Rechtsbeschwerde, weil das Gericht seinen Anträgen und Begründungen im Verfahren keine Beachtung schenkte.
- Kern des Rechtsstreits: Die zentrale Frage war, ob das Gericht die Beweise und Anträge des Betroffenen während des Verfahrens angemessen berücksichtigt hat, insbesondere unter Berücksichtigung des Anspruchs auf rechtliches Gehör.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Die Rechtsbeschwerde wurde zugelassen, das Urteil des Amtsgerichts aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
- Begründung: Die Entscheidung wurde hauptsächlich damit begründet, dass das rechtliche Gehör des Betroffenen verletzt wurde. Das Gericht hatte wesentliche Tatsachen und die Einlassungen des Betroffenen nicht in seine Entscheidung einbezogen. Dies stellt einen Verfahrensfehler dar, der das Urteil beeinträchtigte.
- Folgen: Der Fall wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Hamburg-Altona zurücküberwiesen. Das Gericht muss die vom Betroffenen vorgebrachten Argumente und Beweisangebote umfassend berücksichtigen. Das angefochtene Urteil ist damit nicht rechtskräftig.
Abwesenheitsverhandlungen: Gefahr für Verteidigungsrechte im Bußgeldverfahren
Im Bußgeldverfahren haben Betroffene das Recht auf eine faire Verhandlung, was elementar für den Schutz ihrer Verteidigungsrechte ist. Besonders bei Abwesenheitsverhandlungen können Gehörsverletzungen auftreten, die den rechtlichen Rahmen des Verfahrens gefährden. Eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Bußgeld geahndet werden soll, erfordert eine korrekte Anhörung der Betroffenen, um die Prozessrechte nicht zu verletzen.
Wenn Entscheidungen in Abwesenheit des Beschuldigten getroffen werden, gefährdet dies den prozessualen Anspruch auf rechtlichen Beistand und kann zu unrechtmäßigen Urteilen führen. Im Folgenden wird ein konkreter Fall vorgestellt, der diese Problematik beleuchtet und die Verteidigungsmöglichkeiten sowie die Chancen einer Urteilsanfechtung erörtert.
Der Fall vor Gericht
Rechtsverletzung bei Geschwindigkeitsverfahren: Gericht übersieht wesentliche Verteidigung
Ein Bußgeldverfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 23 km/h innerhalb geschlossener Ortschaften muss neu verhandelt werden. Das Oberlandesgericht Hamburg hob das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Altona auf, das eine Geldbuße von 80 Euro gegen den Betroffenen verhängt hatte.
Missachtetes Verteidigungsvorbringen führt zur Aufhebung
Der Fall nahm seinen Anfang mit einem Bußgeldbescheid vom 24. August 2021. Nach mehrfacher Verlegung der Hauptverhandlung fand diese am 9. September 2022 in Abwesenheit des Betroffenen und seines Verteidigers statt. Der Betroffene war zuvor von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbunden worden.
Grundlegende Verfahrensfehler bei der Beweisaufnahme
Der Verteidiger hatte bereits im Juni 2022 einen bedeutsamen Einwand zur Messung vorgebracht: Im Messfeld des verwendeten Messgeräts PoliscanSpeed FM1 habe sich ein großflächig reflektierendes Objekt befunden. Dies stehe im Widerspruch zur Gebrauchsanweisung des Geräts, die solche Objekte im Mess- und Erfassungsbereich ausschließe. Unter diesen Umständen hätte das Gericht nicht von einem standardisierten Messverfahren ausgehen dürfen.
Verletzung des rechtlichen Gehörs führt zur Zurückverweisung
Das Oberlandesgericht Hamburg stellte fest, dass das Amtsgericht diesen wichtigen Einwand vollständig überging. Nach ständiger Rechtsprechung muss sich ein Gericht mit konkreten Anhaltspunkten für mögliche Messfehler auseinandersetzen. Dies gilt auch für Einwände, die außerhalb der Hauptverhandlung vorgebracht wurden. Da weder das Urteil noch das Hauptverhandlungsprotokoll eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Betroffenen erkennen ließen, sah das Oberlandesgericht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs.
Der Fall wurde zur neuen Verhandlung an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Hamburg-Altona zurückverwiesen. Das Oberlandesgericht betonte, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Gericht unter Berücksichtigung des Vortrags des Betroffenen zu einem anderen Urteil gelangt wäre. Die ursprünglich verhängte Geldbuße von 80 Euro ist damit vorerst aufgehoben.
Die Schlüsselerkenntnisse
Ein Bußgeldurteil ist ungültig, wenn das Gericht wichtige Einwände des Betroffenen zur Messung ignoriert – auch wenn diese vor der Verhandlung eingereicht wurden. Gerichte müssen sich mit allen konkreten Zweifeln an der Richtigkeit einer Geschwindigkeitsmessung auseinandersetzen, selbst wenn der Betroffene nicht persönlich zur Verhandlung erscheint. Die bloße Abwesenheit in der Verhandlung rechtfertigt nicht, dass Verteidigungsargumente übergangen werden.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wenn Sie einen Bußgeldbescheid erhalten und konkrete Zweifel an der Messung haben, können Sie diese auch schriftlich vor der Verhandlung einreichen. Das Gericht muss Ihre Einwände prüfen und im Urteil darauf eingehen – selbst wenn Sie nicht zur Verhandlung kommen können oder wollen. Werden Ihre Argumente ignoriert, haben Sie gute Chancen, das Urteil erfolgreich anzufechten. Sie können also auch ohne persönliches Erscheinen Ihre Verteidigungsrechte wahrnehmen und müssen nicht befürchten, dass Ihre schriftlichen Einwände wertlos sind.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet rechtliches Gehör im Bußgeldverfahren?
Das rechtliche Gehör ist ein verfassungsrechtlich garantiertes Recht nach Artikel 103 Absatz 1 des Grundgesetzes, das Ihnen die Möglichkeit gibt, sich zu einem Vorwurf zu äußern, bevor eine Entscheidung gegen Sie getroffen wird.
Umsetzung im Bußgeldverfahren
Im Bußgeldverfahren erfolgt die Gewährung des rechtlichen Gehörs durch den Anhörungsbogen, den Sie von der Behörde erhalten. Dieser Bogen ermöglicht es Ihnen, Ihre Sicht der Dinge darzulegen und sich zu dem Vorwurf zu äußern.
Freiwilligkeit der Äußerung
Die Beantwortung des Anhörungsbogens ist grundsätzlich freiwillig. Sie müssen lediglich die Angaben zu Ihrer Person (Name, Adresse, Geburtsdatum) korrekt machen. Zu allen anderen Punkten können Sie schweigen, ohne dass Ihnen daraus Nachteile entstehen.
Bedeutung für das Verfahren
Das rechtliche Gehör bedeutet nicht nur, dass Sie sich äußern dürfen, sondern auch, dass die Behörde Ihre Aussagen zur Kenntnis nehmen und würdigen muss. Sie sind damit nicht nur Objekt des Verfahrens, sondern können aktiv Einfluss auf dessen Verlauf und Ergebnis nehmen.
Zeitpunkt der Anhörung
Die Anhörung muss vor Erlass des Bußgeldbescheids erfolgen. Wird ein Bußgeldbescheid ohne vorherige Gewährung des rechtlichen Gehörs erlassen, liegt ein Verfahrensfehler vor. Dies kann zur Aufhebung des Bescheids führen.
Welche Folgen hat die Verletzung des rechtlichen Gehörs?
Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt vor, wenn dem Betroffenen keine Möglichkeit eingeräumt wurde, sich zu allen entscheidungserheblichen und nachteiligen Tatsachen sowie Beweisergebnissen zu äußern.
Rechtsmittel bei Gehörsverletzung
Bei einer Verletzung des rechtlichen Gehörs steht die Rechtsbeschwerde als Rechtsmittel zur Verfügung. Diese kann ohne Rücksicht auf die Höhe der Geldbuße zugelassen werden. Die Rechtsbeschwerde muss innerhalb einer Woche nach der Urteilsverkündung oder Zustellung eingelegt werden.
Voraussetzungen für die Zulassung
Die Rechtsbeschwerde wegen Gehörsverletzung muss bestimmte formale Anforderungen erfüllen:
- Die Verletzung muss in Form einer Verfahrensrüge geltend gemacht werden.
- Der Betroffene muss konkret darlegen, was er vorgetragen hätte, wenn ihm rechtliches Gehör gewährt worden wäre.
- Die Beschwerde muss von einem Rechtsanwalt oder Verteidiger unterzeichnet sein.
Erfolgsaussichten und Konsequenzen
Bei erfolgreicher Rechtsbeschwerde wird das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung an das Ausgangsgericht zurückverwiesen. Eine Gehörsverletzung liegt beispielsweise vor, wenn das Gericht:
- Das Vorbringen des Betroffenen nicht zur Kenntnis genommen hat
- Beweisanträge ohne ausreichende Begründung ablehnt
- Bei einer beabsichtigten Verurteilung wegen Vorsatzes den Betroffenen nicht darauf hinweist
Die Frist zur Begründung der Rechtsbeschwerde beträgt einen Monat ab Zustellung des schriftlichen Urteils.
Wie kann ich mein rechtliches Gehör im Bußgeldverfahren wahrnehmen?
Das rechtliche Gehör im Bußgeldverfahren können Sie auf verschiedenen Wegen wahrnehmen. Die erste Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten Sie durch den Anhörungsbogen, den die Bußgeldbehörde Ihnen zusendet. Dieser Bogen enthält alle wichtigen Informationen zum vorgeworfenen Verstoß und gibt Ihnen die Möglichkeit, sich zu äußern.
Schriftliche Stellungnahme
Bei der schriftlichen Stellungnahme haben Sie zwei grundlegende Optionen: Sie können den Verstoß einräumen oder bestreiten. Wenn Sie nicht selbst gefahren sind, können Sie in diesem Stadium auch den tatsächlichen Fahrer benennen.
Mündliche Stellungnahme
Eine mündliche Stellungnahme ist ebenfalls möglich, etwa im Rahmen einer Verkehrskontrolle oder direkt am Unfallort. Allerdings sollten Sie spontane Äußerungen gut überdenken, da diese später als Beweismittel verwendet werden können.
Gerichtliches Verfahren
Im gerichtlichen Verfahren haben Sie weitere Möglichkeiten zur Wahrnehmung des rechtlichen Gehörs. Sie können Beweisanträge stellen und Ihre Position ausführlich darlegen. Selbst wenn Sie von der Erscheinenspflicht in der Hauptverhandlung entbunden sind, können Sie eine schriftliche Stellungnahme einreichen.
Besondere Situationen
Wenn das Gericht von der ursprünglichen Einschätzung im Bußgeldbescheid abweichen will, etwa indem es statt Fahrlässigkeit Vorsatz annimmt, muss es Sie vorher darauf hinweisen. Bei kostenträchtigen Beweiserhebungen, wie der Einholung eines Sachverständigengutachtens, steht Ihnen ebenfalls ein vorheriges Anhörungsrecht zu.
Wann muss ich persönlich vor Gericht erscheinen?
Grundsätzlich sind Sie als Betroffener im Bußgeldverfahren verpflichtet, persönlich in der Hauptverhandlung zu erscheinen. Diese Anwesenheitspflicht gilt unabhängig davon, wie weit der Gerichtsort von Ihrem Wohnort entfernt ist.
Möglichkeit der Entbindung von der Anwesenheitspflicht
Sie können beim Gericht einen Antrag auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht stellen. Das Gericht wird diesem Antrag stattgeben, wenn zwei Voraussetzungen erfüllt sind:
- Sie haben sich bereits zur Sache geäußert oder erklärt, dass Sie sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werden
- Ihre Anwesenheit ist zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich
Vertretung durch einen Verteidiger
Wenn das Gericht Sie von der Anwesenheitspflicht entbunden hat, können Sie sich durch einen Verteidiger mit nachgewiesener Vollmacht vertreten lassen. Der Verteidiger nimmt dann Ihre Rechte in der Verhandlung wahr.
Folgen bei Nichterscheinen
Wenn Sie ohne ausreichende Entschuldigung nicht zum Termin erscheinen und nicht von der Anwesenheitspflicht entbunden wurden, wird das Gericht Ihren Einspruch gegen den Bußgeldbescheid durch Urteil verwerfen. Der ursprüngliche Bußgeldbescheid wird damit rechtskräftig.
Praktische Hinweise
Bei Verkehrsverstößen ist eine Entbindung von der Anwesenheitspflicht häufig möglich, wenn Sie als Fahrer bereits feststehen. In diesem Fall ist Ihre persönliche Anwesenheit zur Identifizierung nicht mehr erforderlich.
Der Antrag auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht kann frühestens zusammen mit dem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid gestellt werden. Bei der Antragstellung sollten Sie besondere Sorgfalt walten lassen, da die Formulierung für den Erfolg des Antrags entscheidend ist.
Welche Einwände muss das Gericht im Bußgeldverfahren berücksichtigen?
Das Gericht muss sich im Bußgeldverfahren mit allen erheblichen Einwänden des Betroffenen auseinandersetzen. Ein Einwand ist erheblich, wenn er bei Bestätigung den Vorwurf entkräften oder die Rechtsfolgen beeinflussen könnte.
Formelle Einwände
Bei formellen Einwänden prüft das Gericht insbesondere die korrekte Zustellung des Bußgeldbescheids und die Einhaltung der Verjährungsfristen. Wurde der Bußgeldbescheid beispielsweise nicht ordnungsgemäß zugestellt oder ist die Tat bereits verjährt, muss das Verfahren eingestellt werden.
Sachliche Einwände
Im Rahmen der sachlichen Einwände muss sich das Gericht mit allen Tatsachenbehauptungen befassen, die den Tatvorwurf betreffen. Dazu gehören:
- Einwände gegen die Messung und deren Richtigkeit
- Vorgebrachte Rechtfertigungsgründe
- Angaben zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen
- Benannte Entlastungszeugen
Verfahrensrechtliche Anforderungen
Die Einwände müssen rechtzeitig und formgerecht vorgebracht werden. Bei einer Hauptverhandlung muss das Gericht auch spontan vorgebrachte Einwände berücksichtigen. Im Beschlussverfahren werden dagegen nur die schriftlich eingereichten Einwände geprüft.
Grenzen der Berücksichtigung
Das Gericht muss offensichtlich unerhebliche oder rechtsmissbräuchliche Einwände nicht berücksichtigen. Ein Einwand ist unerheblich, wenn er selbst bei Wahrunterstellung den Tatvorwurf nicht entkräften könnte.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Bußgeldverfahren
Ein behördliches Verfahren zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten (leichtere Gesetzesverstöße). Es wird durch einen Bußgeldbescheid eingeleitet und kann bei Einspruch vor Gericht verhandelt werden. Geregelt ist dies im Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG). Anders als im Strafverfahren droht keine Freiheitsstrafe, sondern nur eine Geldbuße. Beispiel: Bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung erhält der Fahrer einen Bußgeldbescheid, gegen den er Einspruch einlegen kann.
Rechtliches Gehör
Ein verfassungsrechtlich garantiertes Grundrecht (Art. 103 Abs. 1 GG), das jedem Beteiligten eines Gerichtsverfahrens die Möglichkeit gibt, sich zu allen relevanten Punkten zu äußern. Das Gericht muss diese Äußerungen zur Kenntnis nehmen und bei der Entscheidung berücksichtigen. Eine Verletzung liegt vor, wenn wesentliche Einwände ignoriert werden. Beispiel: Ein Gericht übersieht den Einwand eines Autofahrers zur möglichen Fehlmessung eines Blitzgeräts.
Standardisiertes Messverfahren
Ein amtlich anerkanntes und geeichtes Verfahren zur Geschwindigkeitsmessung, dessen Messergebnisse grundsätzlich als zuverlässig gelten. Bei korrekter Anwendung müssen keine weiteren Nachweise zur Messgenauigkeit erbracht werden. Geregelt in der Mess- und Eichverordnung (MessEV). Die Zuverlässigkeit kann aber durch äußere Faktoren wie reflektierende Objekte beeinträchtigt werden, was dann zu überprüfen ist.
Abwesenheitsverhandlung
Eine Gerichtsverhandlung, die ohne persönliche Anwesenheit des Beschuldigten durchgeführt wird. Nach § 232 StPO ist dies möglich, wenn der Beschuldigte ordnungsgemäß von der Verhandlung benachrichtigt und von der Anwesenheitspflicht entbunden wurde. Es müssen trotzdem alle Verteidigungsrechte gewahrt bleiben. Beispiel: Ein Verkehrssünder muss nicht persönlich erscheinen, wenn sein Anwalt ihn vertritt.
Verteidigungsrechte
Die gesetzlich garantierten Rechte eines Beschuldigten zur Verteidigung gegen behördliche oder gerichtliche Vorwürfe. Sie umfassen u.a. das Recht auf rechtliches Gehör, Akteneinsicht und anwaltlichen Beistand. Geregelt in der StPO und im GG. Eine Verletzung dieser Rechte kann zur Aufhebung von Urteilen führen. Beispiel: Das Recht, Einwände gegen die Zuverlässigkeit einer Geschwindigkeitsmessung vorzubringen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 80 Abs 1 Nr. 2 OWiG: Diese Vorschrift regelt dieassung der Rechtsbeschwerde im Ordnungswidrigkeitenrecht, insbesondere wenn das Recht auf Gehör verletzt wurde. Sie ermöglicht es dem Betroffenen, gegen ein Urteil vorzugehen, wenn wesentliche Verfahrensfehler festgestellt werden. Im vorliegenden Fall hatte der Betroffene kein rechtliches Ge während der Hauptverhandlung, was die Zulassung der Rechtsbeschwerde rechtfertigte.
- § 74 OWiG: Dieser Paragraph beschreibt das Verfahren in Bußgeldsachen, insbesondere die Verpflichtung des Gerichts, dem Betroffenen das rechtliche Gehör zu gewähren. Da weder der Betroffene noch sein Verteidiger an der Hauptverhandlung teilgenommen haben, hätte das Gericht nach § 74 Abs. 1 S. 2 OWiG die früheren Einlassungen des Betroffenen in die Hauptverhandlung einführen müssen, um ein faires Verfahren sicherzustellen.
- §§ 79 Abs. 1 S. 2, 80 OWiG: Diese Vorschriften regeln die Form und Frist für den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Wichtig ist, dass die Frist nicht nur eingehalten, sondern auch die Begründung klar und deutlich formuliert sein muss. Im vorliegenden Fall wurde der Antrag rechtzeitig eingereicht, was zur Zulassung der Rechtsbeschwerde führte.
- § 341 StPO: Dieser Paragraph enhält Regelungen zu den Fristen für Begründungen von Rechtsmitteln im Strafprozess. Er stellt sicher, dass rechtliche Argumente innerhalb der gesetzten Fristen dargestellt werden. Hier war es entscheidend, dass die Begründung der Rechtsbeschwerde trotz vorzeitiger Einreichung formell gültig war, was die Akzeptanz der Beschwerde unterstützte.
- § 73 Abs. 3 OWiG: Diese Vorschrift behandelt die Vertretungsmöglichkeiten für den Betroffenen durch einen Verteidiger und regelt die Befugnisse zur Einreichung von Einlassungen. Im speziellen Fall war der Verteidiger bevollmächtigt und hätte in der Hauptverhandlung sprechen müssen, was die Notwendigkeit unterstreicht, diese Einlassungen in die Entscheidung einzubeziehen, um das rechtliche Gehör sicherzustellen.
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Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Hamburg – Az.: 6 ORbs 19/23 – Beschluss vom 25.05.2023
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