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Bussgeldverfahren – Fernbleiben von Hauptverhandlung – Einspruchsverwerfung

Zahnarztbesuch schlägt Bußgeldverfahren: Ein Autofahrer, der wegen einer kurzfristigen Zahnoperation nicht vor Gericht erscheinen konnte, erkämpft sich sein Recht auf rechtliches Gehör zurück. Das Oberlandesgericht Naumburg hebt ein Urteil auf, das den Betroffenen in Abwesenheit verurteilt hatte, und stellt klar: Auch ein schmerzgeplagter Patient hat Anspruch auf eine faire Verhandlung. Ein Sieg für den gesunden Menschenverstand im juristischen Dschungel.

Das Wichtigste: Kurz & knapp

  • Das Urteil betrifft die Aufhebung eines Bußgeldbescheids aufgrund einer formellen Rechtsbeschwerde des Betroffenen.
  • Der Zusammenhang besteht darin, dass der Betroffene gegen einen Bußgeldbescheid wegen Geschwindigkeitsüberschreitung Einspruch erhob.
  • Schwierigkeiten traten auf, weil das Amtsgericht dem Betroffenen das rechtliche Gehör vorenthalten hatte.
  • Das Gericht hat entschieden, das Urteil des Amtsgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückzuverweisen.
  • Die Entscheidung basiert auf der Feststellung, dass die Verletzung des rechtlichen Gehörs vorlag, was eine Aufhebung des Urteils erforderlich machte.
  • Die Auswirkungen dieser Entscheidung sind, dass der Betroffene die Möglichkeit erhält, seinen Einspruch erneut vorzutragen und rechtliche Argumente vorzubringen.

Fernbleiben von der Hauptverhandlung: Auswirkungen auf das Bußgeldverfahren

Das Bußgeldverfahren ist ein wichtiger Bestandteil des deutschen Ordnungswidrigkeitenrechts. Es regelt, wie Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften geahndet werden, beispielsweise im Straßenverkehr oder im Bereich des Umweltschutzes. Bei diesen Verfahren hat der Beschuldigte das Recht, seine Sicht der Dinge in einer Hauptverhandlung darzulegen. Doch was geschieht, wenn der Betroffene nicht zur Verhandlung erscheint? Dies kann erhebliche Folgen für den Verlauf des Verfahrens haben, denn das Fernbleiben kann unter bestimmten Umständen zur Verwerfung des Einspruchs führen.

Die rechtliche Grundlage hierfür findet sich in den Vorschriften der Strafprozessordnung sowie in spezifischen Regelungen für Ordnungswidrigkeiten. Ein Bußgeldverfahren zielt darauf ab, nicht nur die Tat zu ahnden, sondern auch dem Beschuldigten die Möglichkeit zu geben, sich zu verteidigen. Das Fehlen des Beschuldigten kann dazu führen, dass die Verteidigungslinie nicht gehört und eine Entscheidung ohne seine Einlassungen getroffen wird. In der Folge kann dies nicht nur zu einer Verurteilung, sondern auch zu einer endgültigen Ablehnung des Einspruchs führen, was für den Betroffenen gravierende Konsequenzen hat.

Im folgenden Abschnitt wird ein konkreter Fall beleuchtet, der verdeutlicht, wie das Fernbleiben von der Hauptverhandlung die Entscheidung eines Gerichts beeinflussen kann.

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Der Fall vor Gericht


Bußgeldverfahren: Einspruch trotz Abwesenheit

Im Mai 2024 befasste sich das Oberlandesgericht Naumburg mit einem Fall, der die Rechte von Betroffenen in Bußgeldverfahren in den Fokus rückte. Ein Autofahrer hatte gegen einen Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt, nachdem ihm vorgeworfen worden war, die zulässige Höchstgeschwindigkeit fahrlässig überschritten zu haben. Für dieses Vergehen war ursprünglich ein Bußgeld von 150 Euro festgesetzt worden. Der Fall nahm eine unerwartete Wendung, als der Betroffene zum angesetzten Gerichtstermin nicht erschien.

Gerichtliche Entscheidung und Rechtsbeschwerde

Das Amtsgericht Bernburg verwarf daraufhin den Einspruch des Betroffenen in seiner Abwesenheit. Diese Entscheidung stieß auf Widerstand, und der Autofahrer legte Rechtsbeschwerde ein. Er beanstandete das Verfahren und machte geltend, dass sein Recht auf rechtliches Gehör verletzt worden sei. Die Generalstaatsanwaltschaft unterstützte diese Position und beantragte, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, das Urteil des Amtsgerichts aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.

Gründe für das Fernbleiben und gerichtliche Pflichten

Der Verteidiger des Betroffenen hatte dem Gericht am Tag vor der Verhandlung mitgeteilt, dass sein Mandant sich einer kurzfristigen Zahnoperation unterziehen musste. Laut ärztlicher Anweisung sollte der Betroffene keine anstrengenden Aktivitäten unternehmen und war bis einschließlich des Verhandlungstages arbeits- und verhandlungsunfähig. Eine entsprechende Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wurde dem Gericht vorgelegt. Der Verteidiger versicherte zudem, dass sein Mandant aufgrund der Einnahme starker Schmerzmittel nicht in der Lage war, verständlich zu sprechen.

Rechtliche Bewertung und Aufklärungspflicht des Gerichts

Das Oberlandesgericht Naumburg kam zu dem Schluss, dass das Amtsgericht die vorgebrachten Entschuldigungsgründe zu Unrecht übergangen und dadurch den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzt hatte. Es betonte, dass es nicht darauf ankomme, ob sich der Betroffene genügend entschuldigt habe, sondern ob eine von Amts wegen vorzunehmende Prüfung ergebe, dass das Fernbleiben genügend entschuldigt sei. Das Gericht wäre verpflichtet gewesen, die Angaben des Betroffenen im Wege des Freibeweises aufzuklären, beispielsweise durch Rückfrage bei dem behandelnden Zahnarzt.

Entscheidung des Oberlandesgerichts

Das Oberlandesgericht Naumburg hob das Urteil des Amtsgerichts Bernburg auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurück. Es kritisierte, dass das Amtsgericht den Antrag auf Terminverlegung in den Urteilsgründen unerwähnt gelassen und sich nicht inhaltlich mit den vorgebrachten Entschuldigungsgründen auseinandergesetzt hatte. Die Richter stellten klar, dass es für eine genügende Entschuldigung ausreiche, wenn dem Betroffenen das Erscheinen vor Gericht aufgrund einer Erkrankung nicht möglich oder nicht zuzumuten sei. Eine Verhandlungsunfähigkeit im strengen Sinne sei nicht erforderlich.

Die Schlüsselerkenntnisse


Diese Entscheidung unterstreicht die fundamentale Bedeutung des rechtlichen Gehörs in Bußgeldverfahren. Sie verdeutlicht die Pflicht der Gerichte, vorgebrachte Entschuldigungsgründe für das Nichterscheinen eines Betroffenen sorgfältig zu prüfen und von Amts wegen aufzuklären. Die Schwelle für eine ausreichende Entschuldigung wird dabei niedrig angesetzt: Nicht Verhandlungsunfähigkeit, sondern bereits die Unzumutbarkeit des Erscheinens genügt. Dies stärkt die Verfahrensrechte der Betroffenen erheblich.


Was bedeutet das Urteil für Sie?

Dieses Urteil stärkt Ihre Rechte im Bußgeldverfahren erheblich. Sollten Sie aufgrund einer Erkrankung oder anderer triftiger Gründe nicht zu einer Gerichtsverhandlung erscheinen können, haben Sie nun bessere Chancen, dass Ihr Einspruch nicht einfach verworfen wird. Es reicht aus, wenn Sie oder Ihr Anwalt dem Gericht rechtzeitig plausible Entschuldigungsgründe mitteilen – etwa durch eine ärztliche Bescheinigung. Das Gericht muss diese Gründe dann sorgfältig prüfen und gegebenenfalls weitere Nachforschungen anstellen, bevor es über Ihren Einspruch entscheidet. Damit wird sichergestellt, dass Sie trotz unverschuldeter Abwesenheit Ihre Argumente vorbringen können.


FAQ – Häufige Fragen

In unserer FAQ-Rubrik finden Sie umfassende Informationen zu häufig gestellten Fragen rund um das Thema Bußgeldverfahren und Abwesenheit. Hier erhalten Sie prägnante Antworten und hilfreiche Tipps, um Ihre rechtlichen Anliegen effizient zu klären. Tauchen Sie ein in unsere sorgfältig ausgewählten Inhalte und gewinnen Sie wertvolle Einblicke in die Abläufe und Ihre Möglichkeiten.


Was passiert, wenn man in einem Bußgeldverfahren der Hauptverhandlung fernbleibt?

Wenn Sie in einem Bußgeldverfahren der Hauptverhandlung fernbleiben, hat dies in der Regel schwerwiegende Folgen. Das Gericht wird Ihren Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ohne mündliche Verhandlung durch Urteil verwerfen. Dies bedeutet, dass der ursprüngliche Bußgeldbescheid rechtskräftig wird und Sie die darin festgesetzte Geldbuße zahlen müssen.

Voraussetzungen für die Verwerfung des Einspruchs

Damit das Gericht Ihren Einspruch verwerfen kann, müssen folgende Bedingungen erfüllt sein:

  1. Sie wurden ordnungsgemäß geladen. Das heißt, die Ladung zur Hauptverhandlung muss Ihnen rechtzeitig und in korrekter Form zugestellt worden sein.
  2. In der Ladung wurden Sie ausdrücklich darauf hingewiesen, dass bei Ihrem Ausbleiben der Einspruch verworfen werden kann.
  3. Sie sind unentschuldigt der Verhandlung ferngeblieben. Wenn Sie einen triftigen Grund für Ihr Fernbleiben haben, sollten Sie diesen dem Gericht unverzüglich mitteilen.

Wichtig: Auch wenn Sie einen Verteidiger beauftragt haben, müssen Sie in der Regel persönlich erscheinen, es sei denn, das Gericht hat Sie ausdrücklich von der Anwesenheitspflicht befreit.

Mögliche Ausnahmen

In bestimmten Fällen kann das Gericht von einer Verwerfung des Einspruchs absehen:

  • Wenn Sie rechtzeitig eine genügende Entschuldigung für Ihr Fernbleiben vorgebracht haben.
  • Wenn das Gericht Ihre Anwesenheit für entbehrlich hält und Sie von der Verpflichtung zum Erscheinen befreit hat.

Was können Sie tun, wenn Ihr Einspruch verworfen wurde?

Wurde Ihr Einspruch verworfen, haben Sie folgende Möglichkeiten:

  1. Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand: Wenn Sie ohne Verschulden verhindert waren, der Hauptverhandlung beizuwohnen, können Sie binnen einer Woche nach Wegfall des Hindernisses einen solchen Antrag stellen. Sie müssen dabei glaubhaft machen, warum Sie unverschuldet nicht erscheinen konnten.
  2. Rechtsbeschwerde: In bestimmten Fällen können Sie gegen das Verwerfungsurteil Rechtsbeschwerde einlegen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn bestimmte formelle Voraussetzungen nicht eingehalten wurden, z.B. wenn die Ladung fehlerhaft war.

Beachten Sie: Die Fristen für diese Rechtsmittel sind sehr kurz, meist nur eine Woche. Handeln Sie daher schnell, wenn Sie von einem Verwerfungsurteil erfahren.

Um unangenehme Überraschungen zu vermeiden, sollten Sie der Hauptverhandlung in einem Bußgeldverfahren stets beiwohnen oder sich rechtzeitig entschuldigen, wenn dies nicht möglich ist. Ihr persönliches Erscheinen gibt Ihnen die Chance, Ihre Sicht der Dinge darzulegen und möglicherweise eine Reduzierung der Geldbuße oder sogar eine Einstellung des Verfahrens zu erreichen.

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Welche Gründe für das Fernbleiben von einer Bußgeldverhandlung gelten als ausreichend entschuldigt?

Für das Fernbleiben von einer Bußgeldverhandlung können verschiedene Gründe als ausreichende Entschuldigung gelten. Entscheidend ist, dass Sie triftige und nachvollziehbare Umstände darlegen, die Ihr Nichterscheinen rechtfertigen.

Medizinische Gründe

Akute Erkrankungen werden in der Regel als ausreichende Entschuldigung anerkannt. Wenn Sie plötzlich erkranken und nicht in der Lage sind, an der Verhandlung teilzunehmen, sollten Sie dies umgehend dem Gericht mitteilen und ein ärztliches Attest nachreichen. Beachten Sie: Eine leichte Erkältung reicht meist nicht aus. Es muss sich um eine Erkrankung handeln, die Ihre Verhandlungsfähigkeit erheblich beeinträchtigt.

Berufliche Verpflichtungen

In bestimmten Fällen können auch dringende berufliche Gründe als Entschuldigung akzeptiert werden. Wenn Sie beispielsweise kurzfristig zu einer wichtigen Dienstreise abgeordnet werden oder ein unaufschiebbarer Geschäftstermin ansteht, kann dies als Entschuldigungsgrund gelten. Allerdings müssen Sie nachweisen, dass der Termin tatsächlich nicht verschoben werden konnte und Sie rechtzeitig versucht haben, eine Verlegung der Verhandlung zu beantragen.

Persönliche Notfälle

Unvorhersehbare persönliche Notfälle können ebenfalls als Entschuldigung dienen. Dazu zählen etwa schwere Erkrankungen oder Unfälle von nahen Angehörigen, die Ihre unmittelbare Anwesenheit erfordern. Auch hier gilt: Informieren Sie das Gericht so schnell wie möglich und reichen Sie entsprechende Nachweise ein.

Verkehrsbedingte Verzögerungen

In Ausnahmefällen können auch erhebliche Verkehrsbehinderungen als Entschuldigung anerkannt werden. Wenn Sie beispielsweise in einen schweren Verkehrsunfall verwickelt wurden oder aufgrund eines Unwetters keine Möglichkeit hatten, rechtzeitig zum Gerichtstermin zu erscheinen, kann dies als Entschuldigung gelten. Wichtig ist, dass Sie alle zumutbaren Anstrengungen unternommen haben, um pünktlich zu erscheinen und die Verzögerung nicht vorhersehbar war.

Beachten Sie: Die bloße Verspätung ohne triftigen Grund reicht in der Regel nicht aus. Das Gericht ist verpflichtet, eine angemessene Wartezeit einzuhalten, bevor es den Einspruch verwirft. Diese beträgt üblicherweise mindestens 15 Minuten.

Vorgehen bei Verhinderung

Wenn Sie erkennen, dass Sie nicht zur Verhandlung erscheinen können, sollten Sie:

  1. Das Gericht unverzüglich informieren – telefonisch und schriftlich.
  2. Den Grund für Ihr Fernbleiben detailliert darlegen.
  3. Nachweise für Ihre Verhinderung einreichen (z.B. ärztliches Attest, Bescheinigung des Arbeitgebers).
  4. Gegebenenfalls einen Antrag auf Verlegung des Termins stellen.

Wichtig: Die Entscheidung, ob ein Entschuldigungsgrund als ausreichend angesehen wird, liegt letztlich im Ermessen des Gerichts. Es prüft jeden Fall individuell. Stellen Sie daher sicher, dass Sie Ihre Gründe so ausführlich und nachvollziehbar wie möglich darlegen.

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Welche Pflichten haben Gerichte bei der Prüfung von Entschuldigungen für das Fernbleiben in Bußgeldverfahren?

Gerichte haben bei der Prüfung von Entschuldigungen für das Fernbleiben in Bußgeldverfahren umfassende Pflichten, die dem Schutz der Rechte des Betroffenen dienen. Die zentrale Aufgabe des Gerichts besteht darin, sorgfältig zu prüfen, ob eine genügende Entschuldigung für das Ausbleiben vorliegt.

Sorgfältige Prüfung der Entschuldigung

Das Gericht muss alle vorgebrachten Gründe für das Fernbleiben gründlich untersuchen. Es reicht nicht aus, die Entschuldigung nur oberflächlich zu betrachten. Vielmehr muss das Gericht alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen und eine umfassende Abwägung vornehmen. Dabei sind sowohl die persönliche Situation des Betroffenen als auch die Bedeutung der Sache zu berücksichtigen.

Berücksichtigung der Zumutbarkeit

Ein wichtiger Aspekt bei der Prüfung ist die Frage der Zumutbarkeit. Das Gericht muss abwägen, ob es dem Betroffenen unter den gegebenen Umständen zumutbar war, zur Hauptverhandlung zu erscheinen. Dabei gilt grundsätzlich, dass die Pflicht zum Erscheinen vor Gericht Vorrang vor privaten oder beruflichen Angelegenheiten hat. Allerdings können unaufschiebbare Geschäfte, berufliche Verpflichtungen von erheblicher Bedeutung oder private Interessen, deren Zurückstellung mit gravierenden Nachteilen verbunden wäre, eine Ausnahme rechtfertigen.

Aktive Aufklärungspflicht

Das Gericht hat eine aktive Aufklärungspflicht. Es muss von sich aus alle relevanten Umstände ermitteln, die für die Beurteilung der Entschuldigung wichtig sind. Wenn die vorgebrachte Entschuldigung nicht ausreichend erscheint, sollte das Gericht beim Betroffenen nachfragen und um weitere Erläuterungen oder Nachweise bitten. Diese Pflicht besteht auch dann, wenn der Betroffene selbst keine detaillierten Angaben gemacht hat.

Berücksichtigung besonderer Umstände

Besondere Umstände, wie etwa ein lange im Voraus gebuchter Auslandsaufenthalt, müssen vom Gericht angemessen berücksichtigt werden. In solchen Fällen muss das Gericht prüfen, ob eine Unterbrechung oder Abkürzung des Aufenthalts zumutbar gewesen wäre. Dabei spielen Faktoren wie die Dauer des Aufenthalts, der Zweck (z.B. Urlaub oder berufliche Verpflichtungen) und mögliche finanzielle oder berufliche Konsequenzen eine Rolle.

Verhältnismäßigkeitsprüfung

Das Gericht muss auch die Verhältnismäßigkeit berücksichtigen. Bei weniger schwerwiegenden Ordnungswidrigkeiten sollten die Belange des Betroffenen stärker gewichtet werden als bei schweren Verstößen. Die Bedeutung der Sache muss also in einem angemessenen Verhältnis zu den Folgen stehen, die eine Verwerfung des Einspruchs für den Betroffenen hätte.

Wenn Sie von einem Bußgeldverfahren betroffen sind und nicht zur Hauptverhandlung erscheinen können, ist es wichtig, dass Sie dem Gericht möglichst frühzeitig und detailliert die Gründe für Ihr Fernbleiben mitteilen. Je mehr Informationen und Nachweise Sie vorlegen können, desto besser kann das Gericht die Situation beurteilen und eine faire Entscheidung treffen.

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Welche rechtlichen Möglichkeiten bestehen, wenn ein Einspruch wegen Abwesenheit verworfen wird?

Gerichte haben bei der Prüfung von Entschuldigungen für das Fernbleiben in Bußgeldverfahren umfassende Pflichten, die dem Schutz der Rechte des Betroffenen dienen. Die zentrale Aufgabe des Gerichts besteht darin, sorgfältig zu prüfen, ob eine genügende Entschuldigung für das Ausbleiben vorliegt.

Sorgfältige Prüfung der Entschuldigung

Das Gericht muss alle vorgebrachten Gründe für das Fernbleiben gründlich untersuchen. Es reicht nicht aus, die Entschuldigung nur oberflächlich zu betrachten. Vielmehr muss das Gericht alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigen und eine umfassende Abwägung vornehmen. Dabei sind sowohl die persönliche Situation des Betroffenen als auch die Bedeutung der Sache zu berücksichtigen.

Berücksichtigung der Zumutbarkeit

Ein wichtiger Aspekt bei der Prüfung ist die Frage der Zumutbarkeit. Das Gericht muss abwägen, ob es dem Betroffenen unter den gegebenen Umständen zumutbar war, zur Hauptverhandlung zu erscheinen. Dabei gilt grundsätzlich, dass die Pflicht zum Erscheinen vor Gericht Vorrang vor privaten oder beruflichen Angelegenheiten hat. Allerdings können unaufschiebbare Geschäfte, berufliche Verpflichtungen von erheblicher Bedeutung oder private Interessen, deren Zurückstellung mit gravierenden Nachteilen verbunden wäre, eine Ausnahme rechtfertigen.

Aktive Aufklärungspflicht

Das Gericht hat eine aktive Aufklärungspflicht. Es muss von sich aus alle relevanten Umstände ermitteln, die für die Beurteilung der Entschuldigung wichtig sind. Wenn die vorgebrachte Entschuldigung nicht ausreichend erscheint, sollte das Gericht beim Betroffenen nachfragen und um weitere Erläuterungen oder Nachweise bitten. Diese Pflicht besteht auch dann, wenn der Betroffene selbst keine detaillierten Angaben gemacht hat.

Berücksichtigung besonderer Umstände

Besondere Umstände, wie etwa ein lange im Voraus gebuchter Auslandsaufenthalt, müssen vom Gericht angemessen berücksichtigt werden. In solchen Fällen muss das Gericht prüfen, ob eine Unterbrechung oder Abkürzung des Aufenthalts zumutbar gewesen wäre. Dabei spielen Faktoren wie die Dauer des Aufenthalts, der Zweck (z.B. Urlaub oder berufliche Verpflichtungen) und mögliche finanzielle oder berufliche Konsequenzen eine Rolle.

Verhältnismäßigkeitsprüfung

Das Gericht muss auch die Verhältnismäßigkeit berücksichtigen. Bei weniger schwerwiegenden Ordnungswidrigkeiten sollten die Belange des Betroffenen stärker gewichtet werden als bei schweren Verstößen. Die Bedeutung der Sache muss also in einem angemessenen Verhältnis zu den Folgen stehen, die eine Verwerfung des Einspruchs für den Betroffenen hätte.

Wenn Sie von einem Bußgeldverfahren betroffen sind und nicht zur Hauptverhandlung erscheinen können, ist es wichtig, dass Sie dem Gericht möglichst frühzeitig und detailliert die Gründe für Ihr Fernbleiben mitteilen. Je mehr Informationen und Nachweise Sie vorlegen können, desto besser kann das Gericht die Situation beurteilen und eine faire Entscheidung treffen.

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Wie sollte man vorgehen, um eine Terminverlegung in einem Bußgeldverfahren zu beantragen?

Wie sollte man vorgehen, um eine Terminverlegung in einem Bußgeldverfahren zu beantragen?

Um eine Terminverlegung in einem Bußgeldverfahren zu beantragen, sollten Sie folgende Schritte beachten:

1. Rechtzeitige Antragstellung

Stellen Sie den Antrag auf Terminverlegung unverzüglich nach Erhalt der Ladung. Je früher Sie den Antrag einreichen, desto höher sind die Chancen auf eine Genehmigung. Vermeiden Sie es, den Antrag erst kurz vor dem Verhandlungstermin zu stellen.

2. Schriftlicher Antrag

Reichen Sie den Antrag schriftlich beim zuständigen Gericht ein. Adressieren Sie ihn an den Vorsitzenden Richter oder das Gericht, das in der Ladung angegeben ist.

3. Begründung

Führen Sie in Ihrem Antrag stichhaltige Gründe für die gewünschte Terminverlegung an. Erhebliche Gründe können beispielsweise sein:

  • Eine bereits geplante Geschäftsreise oder ein Urlaub
  • Eine ärztlich attestierte Erkrankung
  • Ein anderer wichtiger Gerichtstermin

4. Nachweise beifügen

Fügen Sie Ihrem Antrag aussagekräftige Belege bei, die Ihre Begründung unterstützen. Das können sein:

  • Ein ärztliches Attest bei Krankheit
  • Eine Kopie der Ladung zu einem anderen Gerichtstermin
  • Buchungsbestätigungen für eine Reise

5. Alternativtermine vorschlagen

Es kann hilfreich sein, dem Gericht Alternativtermine vorzuschlagen, an denen Sie verfügbar wären. Dies erleichtert dem Gericht die Neuterminierung.

6. Höfliche Formulierung

Formulieren Sie Ihren Antrag höflich und respektvoll. Vermeiden Sie einen fordernden Ton, da die Entscheidung über die Terminverlegung im Ermessen des Gerichts liegt.

7. Eingangsbestätigung

Bitten Sie um eine Eingangsbestätigung Ihres Antrags. So können Sie sicher sein, dass Ihr Schreiben das Gericht erreicht hat.

8. Nachfassen

Sollten Sie bis kurz vor dem ursprünglichen Termin keine Antwort erhalten haben, fragen Sie telefonisch beim Gericht nach dem Stand Ihres Antrags.

Beachten Sie: Eine Terminverlegung wird nur in begründeten Ausnahmefällen gewährt. Wenn Ihr Antrag abgelehnt wird, müssen Sie zum festgesetzten Termin erscheinen oder einen Vertreter schicken. Andernfalls riskieren Sie, dass Ihr Einspruch verworfen wird.

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Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

  • Rechtliches Gehör: Das Recht auf rechtliches Gehör ist ein fundamentales Prinzip im deutschen Rechtssystem. Es bedeutet, dass jeder Beteiligte in einem Gerichtsverfahren die Möglichkeit haben muss, sich zu äußern und seine Sicht der Dinge darzulegen, bevor das Gericht eine Entscheidung trifft. Im Bußgeldverfahren ist dies besonders wichtig, da der Betroffene die Chance haben muss, sich gegen den Vorwurf zu verteidigen. Eine Verletzung dieses Rechts kann zur Aufhebung eines Urteils führen, wie im vorliegenden Fall geschehen. Das Oberlandesgericht Naumburg betonte die Bedeutung dieses Grundsatzes und kritisierte das Amtsgericht für die Nichtbeachtung der Entschuldigungsgründe des Betroffenen.
  • Einspruchsverwerfung: In einem Bußgeldverfahren kann das Gericht den Einspruch des Betroffenen verwerfen, wenn dieser ohne ausreichende Entschuldigung nicht zur Hauptverhandlung erscheint. Dies bedeutet, dass der ursprüngliche Bußgeldbescheid rechtskräftig wird. Die Einspruchsverwerfung ist eine ernsthafte Konsequenz, da sie dem Betroffenen die Möglichkeit nimmt, sich vor Gericht zu verteidigen. Im diskutierten Fall hatte das Amtsgericht den Einspruch verworfen, was vom Oberlandesgericht als fehlerhaft beurteilt wurde. Die Entscheidung verdeutlicht, dass Gerichte sehr sorgfältig prüfen müssen, ob tatsächlich ein Grund für eine Einspruchsverwerfung vorliegt.
  • Aufklärungspflicht: Die gerichtliche Aufklärungspflicht verpflichtet das Gericht, den Sachverhalt umfassend zu ermitteln, bevor es eine Entscheidung trifft. Im Kontext von Bußgeldverfahren bedeutet dies, dass das Gericht aktiv prüfen muss, ob vorgebrachte Entschuldigungsgründe für das Nichterscheinen des Betroffenen stichhaltig sind. Das Oberlandesgericht Naumburg betonte in seinem Urteil, dass das Amtsgericht dieser Pflicht nicht nachgekommen war, indem es die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und die Erklärungen des Verteidigers nicht ausreichend berücksichtigt hatte. Die Aufklärungspflicht dient dazu, eine faire und ausgewogene Entscheidungsfindung zu gewährleisten.
  • Rechtsbeschwerde: Die Rechtsbeschwerde ist ein Rechtsmittel, das in Bußgeldsachen gegen Urteile des Amtsgerichts eingelegt werden kann. Sie dient dazu, die Entscheidung eines untergeordneten Gerichts durch ein höheres Gericht überprüfen zu lassen. Im vorliegenden Fall legte der Betroffene erfolgreich Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts ein. Die Rechtsbeschwerde muss bestimmte formale Anforderungen erfüllen und kann nur auf bestimmte Gründe gestützt werden, wie etwa die Verletzung des rechtlichen Gehörs. Sie ist ein wichtiges Instrument, um Fehler in der Rechtsprechung zu korrigieren und die Rechte der Betroffenen zu schützen.
  • Freibeweis: Der Freibeweis ist eine Form der Beweiserhebung, bei der das Gericht nicht an die strengen Regeln der Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung gebunden ist. Er kommt häufig bei der Klärung von Verfahrensfragen zum Einsatz, wie etwa bei der Prüfung von Entschuldigungsgründen für das Nichterscheinen eines Beteiligten. Im diskutierten Fall hätte das Amtsgericht laut Oberlandesgericht im Wege des Freibeweises die Gültigkeit der Entschuldigungsgründe des Betroffenen überprüfen müssen, beispielsweise durch Rückfrage beim behandelnden Zahnarzt. Der Freibeweis ermöglicht es dem Gericht, flexibel und effizient Sachverhalte aufzuklären, die für das Verfahren relevant sind.
  • Verhandlungsunfähigkeit: Verhandlungsunfähigkeit liegt vor, wenn eine Person aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage ist, an einer Gerichtsverhandlung teilzunehmen oder ihre Interessen angemessen zu vertreten. Das Oberlandesgericht Naumburg stellte in seinem Urteil klar, dass für eine ausreichende Entschuldigung im Bußgeldverfahren keine Verhandlungsunfähigkeit im strengen Sinne erforderlich ist. Es genügt, wenn dem Betroffenen das Erscheinen vor Gericht aufgrund einer Erkrankung nicht möglich oder nicht zuzumuten ist. Diese Auslegung erweitert den Schutz für Betroffene in Bußgeldverfahren und unterstreicht die Bedeutung einer individuellen Betrachtung der Umstände jedes Einzelfalls.

Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 74 Abs. 2 OWiG (Verwerfung des Einspruchs): Dieses Gesetz regelt, dass ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid verworfen werden kann, wenn der Betroffene ohne genügende Entschuldigung nicht zur Hauptverhandlung erscheint. Im vorliegenden Fall wurde der Einspruch des Betroffenen zunächst verworfen, da er aufgrund einer Zahnoperation nicht zur Verhandlung erscheinen konnte.
  • § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO (Begründung einer Verfahrensrüge): Diese Vorschrift legt fest, wie eine Verfahrensrüge im Rahmen einer Rechtsbeschwerde begründet werden muss. Die Tatsachen, die den behaupteten Verfahrensmangel begründen, müssen so detailliert dargelegt werden, dass das Rechtsbeschwerdegericht den behaupteten Mangel allein anhand der Rechtsbeschwerdebegründung prüfen kann. Im vorliegenden Fall wurde die Verfahrensrüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs ordnungsgemäß begründet, da der Verfahrensgang und die Entschuldigungsgründe des Betroffenen ausführlich dargelegt wurden.
  • Art. 103 Abs. 1 GG (Anspruch auf rechtliches Gehör): Dieses Grundrecht garantiert jedem das Recht, in einem gerichtlichen Verfahren gehört zu werden. Im vorliegenden Fall wurde das rechtliche Gehör des Betroffenen verletzt, da das Amtsgericht seine Entschuldigungsgründe nicht ausreichend geprüft hat.
  • § 244 Abs. 2 StPO (Freibeweis): Diese Vorschrift erlaubt es dem Gericht, im Rahmen des Freibeweises alle Beweismittel zu berücksichtigen, die zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen können. Im vorliegenden Fall hätte das Amtsgericht die Angaben des Betroffenen zur Zahnoperation beispielsweise durch eine Rückfrage beim behandelnden Zahnarzt überprüfen können.
  • § 71 Abs. 1 OWiG (Entschuldigungsgründe): Dieses Gesetz besagt, dass ein Betroffener ausreichend entschuldigt ist, wenn ihm das Erscheinen vor Gericht aufgrund einer Erkrankung nicht möglich oder nicht zuzumuten ist. Im vorliegenden Fall war der Betroffene aufgrund seiner Zahnoperation und der damit verbundenen Schmerzen nicht in der Lage, an der Verhandlung teilzunehmen, und somit ausreichend entschuldigt.

Das vorliegende Urteil

Oberlandesgericht Naumburg – Az.: 1 ORbs 98/24 – Beschluss vom 07.05.2024


* Der vollständige Urteilstext wurde ausgeblendet, um die Lesbarkeit dieses Artikels zu verbessern. Klicken Sie auf den folgenden Link, um den vollständigen Text einzublenden.

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In der Bußgeldsache hat der Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Naumburg am 7. Mai 2024 b e s c h l o s s e n  :

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Bernburg vom 24. Januar, mit den zugrundeliegenden Feststellungen, aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

Gründe:

I.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 15. August 2022 verworfen. Im Bußgeldbescheid war gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit ein Bußgeld von 150,00 € festgesetzt worden.

Gegen das Urteil des Amtsgerichts richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, in der dieser das Verfahren beanstandet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde wegen Verletzung des rechtlichen Gehörs zuzulassen, das Urteil des Amtsgerichts aufzuhaben und die Sache an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

Der Senat hat mit Beschluss vom 6. Mai 2024 die Rechtsbeschwerde zugelassen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und begründet. Dies führt zur Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Bernburg mit den zugrundeliegenden Feststellungen und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift ausgeführt:

„Die form- und fristgerecht begründete Rechtsbeschwerde des Betroffenen ist gemäß § 79 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG zuzulassen, weil es geboten ist, das Urteil des Amtsgerichts Bernburg wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben.

1.

Die Verfahrensrüge der Verletzung rechtlichen Gehörs ist gem. § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG i.V.m. § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO in zulässiger Form erhoben.

Nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO müssen zur Begründung einer Verfahrensrüge, die den behaupteten Verfahrensmangel enthaltenden Tatsachen so vollständig und genau wiedergegeben werden, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Rechtsbeschwerdebegründungsschrift prüfen kann, ob der behauptete Verfahrensmangel vorliegt, wenn die dargelegten Tatsachen bewiesen werden. Für eine formgerechte Begründung der Verfahrensrüge der Verletzung des § 74 Abs. 2 OWiG muss daher der Verfahrensgang mitgeteilt werden und es müssen die die Entschuldigung begründenden bestimmten Tatsachen so schlüssig vorgetragen werden, dass sich dem Rechtsbeschwerdegericht die Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Terminteilnahme konkret erschließt (KG Urt. v. 7.2.2022 ‒ 3 Ws (B) 328/21 – 162 Ss 156/21, BeckRS 2022, 2055, Rn. 9, beck-online).

Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung des Betroffenen gerecht, indem darin das gesamte Verfahrensgeschehen, einschließlich des genauen Wortlauts der Anträge auf Terminsverlegung und der hierauf ergangenen gerichtlichen Entscheidungen, vollständig mitgeteilt wird. Dem Rügevorbringen lassen sich insbesondere auch die Art der Erkrankung des Betroffenen, deren Symptomatik und die daraus resultierenden körperlichen Beeinträchtigungen entnehmen.

So wird in der Beschwerdebegründung ausgeführt, dass der Verteidiger des Betroffenen dem Gericht am 23.1.2024 mitgeteilt hat, dass der Betroffene erkrankt sei und sich einer kurzfristigen Zahn-OP unterziehen musste, weshalb dieser starke Schmerzmittel einnehme, nicht sprechen könne und daher bis einschließlich zum 24.1.2024 arbeits- und verhandlungsunfähig erkrankt sei (RB S. 9 f.). Hierzu wird in der Beschwerdebegründung der genaue Wortlaut des anwaltlichen Schriftsatzes vom 23.1.2024, der dem Gericht zugleich vorgelegten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit dem ICD-Code Z 98.8 sowie einer an den Verteidiger gerichteten E-Mail des Betroffenen vom 22.1.2024, in welcher dieser schildert, infolge einer Zahn-OP auf ärztlichen Rat keine anstrengenden Aktivitäten, Autofahrten o. ä. durchführen zu können, mitgeteilt. In dem Schriftsatz vom 23.1.2024 hat der Verteidiger anwaltlich versichert, dass der Betroffene im Rahmen eines mit ihm geführten Telefonats nicht in der Lage gewesen sei, verständlich zu sprechen.

Einer Darlegung, was der Betroffene im Termin zur Hauptverhandlung zur Sache vorgetragen hätte, bedurfte es im vorliegenden Fall zwar nicht, da er sich auf eine Nichtberücksichtigung eines Entschuldigungsgrundes im Rahmen einer Verwerfung des Einspruchs nach § 74 Abs. 2 OWiG beruft (OLG Oldenburg Beschl. v. 31.8.2010 ‒ 2 SsRs 170/10, BeckRS 2010, 21730 Rn. 6, beck-online).

Gleichwohl lässt sich der Beschwerdebegründung entnehmen, dass der Betroffene sich zu seiner besonderen persönlichen und beruflichen Situation und zu seinem Nachtatverhalten erklärt, den Tatvorwurf bestritten und Anhaltspunkte vorgetragen hätte, aus denen sich Zweifel an der technischen Richtigkeit der gegenständlichen Verkehrsüberwachung ergeben hätten (RB S. 20).

 

2.

Die von dem Betroffenen in verfahrensrechtlicher Hinsicht erhobene Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs ist auch begründet.

Das Amtsgericht hat den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzt, indem es seinen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 15.8.2022 zu Unrecht gem. § 74 Abs. 2 OWiG verworfen hat.

Bleibt der Betroffene trotz ordnungsgemäßer Ladung der Hauptverhandlung fern und wird daraufhin sein Einspruch durch Urteil gemäß § 74 Abs. 2 OWiG verworfen, so kann die Einspruchsverwerfung das Recht des Betroffenen auf rechtliches Gehör verletzen, wenn rechtzeitig vorgebrachte und hinreichende Entschuldigungsgründe von dem erkennenden Gericht nicht berücksichtigt worden sind (KG Urt. v. 7.2.2022, a.a.O., Rn. 19).

Dabei kommt es nicht darauf an, dass sich der Betroffene genügend entschuldigt hat. Vielmehr genügt es, dass eine beim Vorhandensein von Anhaltspunkten von Amts wegen vorzunehmende Prüfung ergibt, dass das Fernbleiben des Betroffenen genügend entschuldigt ist (OLG Naumburg, Beschl. v. 26.6.2000 ‒ 1 Ss (B) 83/00 ‒, Rn. 4, juris).

Liegen dem Gericht danach Anhaltspunkte für eine genügende Entschuldigung des Betroffenen vor, hat sich das Gericht um Aufklärung zu bemühen. Insbesondere eine ärztliche Bescheinigung löst die gerichtliche Aufklärungspflicht aus, weil sich aus ihr zwanglos hinreichende – wenn auch im Rahmen der gerichtlichen Nachforschungspflicht gegebenenfalls zu verifizierende – Anhaltspunkte für eine genügende Entschuldigung ergeben. Dabei ist das Ausbleiben des Betroffenen nicht erst dann entschuldigt, wenn er verhandlungsunfähig ist.

Vielmehr ist es ausreichend, dass ihm infolge der Erkrankung das Erscheinen vor Gericht nicht möglich oder nicht zuzumuten ist (KG Urt. v. 7.2.2022, a.a.O., Rn. 21, 25).

Nach den vorgenannten Maßstäben wäre das Amtsgericht vorliegend gehalten gewesen, zunächst im Wege des Freibeweises aufzuklären, ob der von dem Betroffenen mit anwaltlichem Schriftsatz vom 24.1.2024 mitgeteilte Entschuldigungsgrund tatsächlich zutrifft. Eine solche Aufklärung wäre dem Gericht durch eine Nachfrage bei dem die Arbeitsunfähigkeit bescheinigenden Zahnarzt auch ohne weiteres möglich gewesen.

Hätte sich danach der mit Schriftsatz des Verteidigers vom 23.1.2024 vorgetragene Sachverhalt in tatsächlicher Hinsicht als zutreffend erwiesen, wäre dem Betroffenen ein Erscheinen vor Gericht am 24.1.2024 jedenfalls nicht zuzumuten gewesen. Denn danach habe dieser infolge einer Zahn-OP unter Einfluss starker Schmerzmittel gestanden, nicht verständlich sprechen können und es sei ihm ärztlich angeraten worden, bis einschließlich zum 24.1.2024 keine anstrengenden Aktivitäten, Autofahrten oder ähnliches zu unternehmen.

Soweit das Amtsgericht die übersandte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit Verfügung vom 23.1.2024 zur Glaubhaftmachung einer Reise- und Verhandlungsunfähigkeit des Betroffenen nicht als ausreichend erachtet hat, steht zu befürchten, dass dieses unzutreffend davon ausgegangen ist, der Betroffene müsse den von ihm behaupteten Entschuldigungsgrund gegenüber dem Gericht nachweisen (OLG Naumburg, Beschl. v. 26.6.2000, a.a.O., Rn. 5).

Das Amtsgericht hat die von dem Betroffenen vorgebrachten Entschuldigungsgründe daher zu Unrecht übergangen und hierdurch dessen Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

Dabei erweist sich das angefochtene Urteil vorliegend schon deshalb als rechtsfehlerhaft, weil es den Antrag des Verteidigers auf Terminsverlegung mit Schriftsatz vom 23.1.2024 sowie dessen Behandlung unerwähnt lässt und sich die Urteilsgründe mit den vorgebrachten Entschuldigungsgründen inhaltlich nicht auseinandersetzen (OLG Oldenburg Beschl. v. 31.8.2010 ‒ 2 SsRs 170/10, BeckRS 2010, 21730, Rn. 8; OLG Zweibrücken Beschl. v. 22.10.2009 ‒ 1 SsRs 34/09, BeckRS 2009, 28520, beck-online).

Allein der vorgenannte Rechtsfehler zwingt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, weshalb es auf das weitergehende Beschwerdevorbringen und die zugleich erhobene Sachrüge, die bei der Anfechtung eines Verwerfungsurteils nach § 74 Abs. 2 OWiG lediglich zur Überprüfung des Urteils auf das Fehlen von Verfahrensvoraussetzungen oder das Vorliegen von Verfahrenshindernissen führt (OLG Koblenz, Beschl. v. 31.8.2009 – 1 SsBs 93/09), kann nicht mehr entscheidend ankommt.“

Dem schließt sich der Senat an. Die Entscheidung über die Zurückverweisung folgt aus § 79 Abs. 6 OWiG.

 


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