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Bußgeldverfahren – Fahreridentifizierung höchstwahrscheinlich

OLG Oldenburg – Az.: 2 Ss OWi 176/18 – Beschluss vom 22.06.2018

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Bersenbrück vom 31.1.2018 mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe

Durch das angefochtene Urteil hat das Amtsgericht dem Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 120 € verurteilt.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner vom Einzelrichter zugelassenen Rechtsbeschwerde.

Die Rechtsbeschwerde hat einen zumindest vorläufigen Erfolg.

Die Feststellungen zur Fahreridentität halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

Danach habe der Sachverständige ausgeführt, dass der Betroffene „höchstwahrscheinlich“ der Fahrer sei, die Begutachtung jedoch unter dem Vorbehalt stehe, dass nicht ein Blutsverwandter für die Fahrereigenschaft in Frage komme. Dem schließe sich das Gericht „in eigener Überzeugungsbildung“ an und sei davon überzeugt, dass der Betroffene das Fahrzeug geführt habe.

Diese Ausführungen entsprechen nicht den Grundsätzen, die der Senat im Zusammenhang mit der Identifizierung von Fahrzeugführern aufgestellt hat. Er hat im Beschluss vom 12. Oktober 2011 (2SsBs 241/11) folgendes ausgeführt:

Ausweislich der Urteilsgründe ist davon auszugehen, dass das Amtsgericht seine Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betroffenen allein auf das Sachverständigengutachten gestützt hat. Stützt das Amtsgericht seine Überzeugung von der Fahrereigenschaft des Betroffenen jedoch ausschließlich auf das Gutachten, wird dieses den Grundsätzen, die der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 10. Dezember 1995 (BGHSt 41, 377 ff) und dem folgend der Senat in seinem Beschluss vom 30.09.2008, (DAR 2009, 43 ff) aufgestellt hat, nicht gerecht:

Aus dem Umstand, dass das Amtsgericht Anlass gesehen hat, ein Sachverständigengutachten einzuholen, ergibt sich, dass es das Lichtbild zur Identifizierung des Betroffenen offensichtlich nur als eingeschränkt geeignet angesehen hat. Ausweislich der Urteilsgründe hat der Sachverständige die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Betroffene Fahrer gewesen sei, als „höchstwahrscheinlich“ angesehen. Dies ist zwar ein hoher Grad von Wahrscheinlichkeit, jedoch weniger als mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit. Auch wenn der Vergleich des Fotos mit dem Betroffenen für sich allein deshalb nicht den Schluss auf die Fahrereigenschaft zulässt, kann eine Gesamtwürdigung aller Umstände, der sich aus dem Foto ergebenen Anhaltspunkte sowie weiterer Indizien, etwa der Haltereigenschaft, der Fahrtstrecke oder -zeit gleichwohl zur Überführung des Betroffenen ausreichen (vgl. BGH a.a.O.). Der Senat hat in der oben genannten Entscheidung ausgeführt, dass eine seitens eines Sachverständigen festgestellte hohe Identitätswahrscheinlichkeit eine Verurteilung nicht allein trage, wenn das Foto eine mindere Qualität aufweise. Ein Rückschluss auf den Fahrer erfordere zumindest die zusätzliche Feststellung, dass der Betroffene entweder Halter des PKW sei oder in einer solchen Beziehung zum Halter des PKW stehe, dass ein Zugriff auf den PKW zu der fraglichen Zeit nicht auszuschließen sei.

Zwar spricht das Gericht von einer „eigenen Überzeugungsbildung“ bzw. dass es davon überzeugt sei, dass der Betroffene das Fahrzeug geführt habe. Diese Formulierungen könnten darauf hindeuten, dass das Gericht sich selbst anhand eines Vergleiches des Betroffenen mit dem Messfoto von der Fahrereigenschaft überzeugt hat. (Dem Senat scheint das ordnungsgemäß in Bezug genommene Messfoto zur Identifizierung auch durchaus geeignet zu sein). Dass dies jedoch nicht so ist, ergibt sich allerdings aus der Begründung, mit der es die Vernehmung des Zeugen … abgelehnt hat. Dort heißt es nämlich, dass der Sachverständige ausgeführt habe, dass der Betroffene „höchstwahrscheinlich“ der Fahrer gewesen sei und dies nur unter dem Vorbehalt stehe, dass nicht ein Blutsverwandter für die Fahrereigenschaft in Betracht komme. Damit stellt das Amtsgericht letztlich ausschließlich auf die Wertung des Sachverständigen ab. Auch wenn es sich bei dem Zeugen … nicht um einen Blutsverwandten handelt, bleibt es dabei, dass der Betroffene „nur“ höchstwahrscheinlich der Fahrer war.

Das Amtsgericht hat jedoch keine weiteren Gesichtspunkte aufgeführt, die für eine Fahrereigenschaft des Betroffenen sprechen. Dass jemand „höchstwahrscheinlich“ eine Straftat oder wie hier eine Ordnungswidrigkeit begangen hat, rechtfertigt eine Verurteilung jedoch nicht.

Auf die weiteren Rügen kommt es deshalb nicht an.

Der Senat hatte in der Vergangenheit in denjenigen Fällen, in denen zu erwarten war, dass das Amtsgericht die im Beschluss über die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde erteilten Hinweise zukünftig berücksichtigen werde, von der Zulassung der Rechtsbeschwerde abgesehen. An dieser Rechtsprechung sieht er sich jedoch durch den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 27.10.2015 – 2 BvR 3071/14, BeckRs 2016, 40852 gehindert.

Dort hat das Bundesverfassungsgericht beanstandet, dass das Oberlandesgericht eine Rechtsbeschwerde nicht ohne weiteres mit der Begründung als unzulässig habe verwerfen dürfen, dass die Entscheidung auf einem Fehler im Einzelfall beruhe, sich das Gericht nicht bewusst über die obergerichtliche Rechtsprechung hinweggesetzt habe und den Fehler angesichts der Ausführungen des Oberlandesgerichts nicht wiederholen werde. Da die Annahme des Oberlandesgerichts, es habe sich nur um einen Fehler im Einzelfall gehandelt, keine andere Grundlage als die Vermutung habe, dass sich das Gericht durch die Ausführungen des Oberlandesgerichts belehren lassen werden, werde der Zulassungsgrund der Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung in einer Weise ausgelegt und angewendet, die jede Vorhersehbarkeit zunichtemache und die Möglichkeit der Rechtsbeschwerde weitgehend leerlaufen lasse.

Der Senat konnte es deshalb nicht allein mit einem Hinweis auf seine entgegenstehende Rechtsprechung bewenden lassen.

Da weitere Feststellungen möglich erscheinen, war die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückzuverweisen.

 

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