Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Bußgeldverfahren: Ermessensspielraum und Präzedenzfälle im Fokus
- Der Fall vor Gericht
- Gurtpflicht in Bussen: Amtsgericht Bad Saulgau stellt Bußgeldverfahren gegen Busfahrer ein
- Rechtliche Zweifel an der Gurtpflicht für Busfahrer
- Unklare Fahrzeugklassifizierung und unverhältnismäßiger Ermittlungsaufwand
- Auslegung der Ausnahmeregelungen für Busfahrten
- Einstellung nach pflichtgemäßem Ermessen
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche Voraussetzungen müssen für eine Einstellung des Bußgeldverfahrens vorliegen?
- Wer trägt die Verfahrenskosten bei einer Einstellung des Bußgeldverfahrens?
- Welche Rolle spielt die Verhältnismäßigkeit bei der Einstellung eines Bußgeldverfahrens?
- Welche Rechtsmittel stehen zur Verfügung, wenn eine Einstellung abgelehnt wird?
- Wie läuft das Verfahren zur Einstellung eines Bußgeldverfahrens ab?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Amtsgericht Bad Saulgau
- Datum: 17.07.2024
- Aktenzeichen: 1 OWi 12 Js 12046/24
- Verfahrensart: Bußgeldverfahren
- Rechtsbereiche: Ordnungswidrigkeitenrecht, Straßenverkehrsrecht
Beteiligte Parteien:
- Staatsanwaltschaft: Trat nicht in der Hauptverhandlung auf und sah keine Notwendigkeit zur weiteren Verfolgung des Verfahrens.
- Betroffener: Ihm wurde ein Verstoß gegen die Straßenverkehrsordnung (StVO) vorgeworfen, speziell im Zusammenhang mit der Gurtpflicht.
Um was ging es?
- Sachverhalt: Es ging um einen Vorwurf gegen den Betroffenen wegen Nichttragens eines Sicherheitsgurtes. Die unklare Sachlage betreffend die Verpflichtung zum Tragen eines Gurtes in bestimmten Kraftomnibussen spielte hierbei eine zentrale Rolle.
- Kern des Rechtsstreits: Ob der Betroffene zu Recht beschuldigt wurde, gegen die Gurtpflicht verstoßen zu haben, insbesondere in Bezug auf die Ausnahmevorschriften der StVO und StVZO für Kraftomnibusse.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Verfahren wurde eingestellt, die Staatskasse trägt die Kosten und notwendigen Auslagen des Betroffenen.
- Begründung: Die Staatsanwaltschaft muss der Einstellung nicht zustimmen, da nur eine Geldbuße bis zu 100 Euro verhängt worden wäre. Die Einstellung erfolgte, weil die Ahndung des Verstoßes nicht notwendig schien. Es bestand keine klare Verpflichtung des Betroffenen zur Gurtbenutzung in dem fraglichen Fahrzeugtyp. Der zusätzliche Ermittlungsaufwand wäre unverhältnismäßig hoch gewesen.
- Folgen: Der Betroffene muss keine Sanktionen wegen des angeblichen Verstoßes gegen die Gurtpflicht hinnehmen und hat Anspruch darauf, dass die Staatskasse seine Auslagen übernimmt. Das Urteil verdeutlicht die Notwendigkeit klarer Feststellungen bei ähnlichen Verstößen im Straßenverkehr.
Bußgeldverfahren: Ermessensspielraum und Präzedenzfälle im Fokus
Bußgeldverfahren sind ein wesentlicher Bestandteil des Ordnungswidrigkeitenrechts und betreffen zahlreiche Bürger im Alltag, sei es bei Verkehrsverstößen oder anderen Regelwidrigkeiten. Innerhalb dieser Verfahren kommt dem § 47 Abs. 2 OWiG eine besondere Rolle zu, da er den Behörden einen Ermessensspielraum gewährt, um das Verfahren in bestimmten Fällen einzustellen. Grundsätzlich liegt es im pflichtgemäßen Ermessen der Verwaltungsbehörde, ob und wann eine Einstellung des Bußgeldverfahrens erfolgt, was für die betroffenen Personen von erheblicher Bedeutung sein kann.
Eine Einstellung kann eingeleitet werden, wenn etwa Einwendungen gegen den Bußgeldbescheid vorliegen oder wenn die Umstände des Einzelfalls eine Strafmilderung rechtfertigen. Die Entscheidungshorizonte der Behörden sind dabei vielseitig und werden häufig durch Präzedenzfälle beeinflusst. Im folgenden Abschnitt wird ein konkreter Fall betrachtet, der sich mit der Einstellung eines Bußgeldverfahrens befasst.
Der Fall vor Gericht
Gurtpflicht in Bussen: Amtsgericht Bad Saulgau stellt Bußgeldverfahren gegen Busfahrer ein

Das Amtsgericht Bad Saulgau hat am 17. Juli 2024 ein Bußgeldverfahren gegen einen Busfahrer wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Gurtpflicht eingestellt. Die ursprünglich verhängte Geldbuße lag unter einhundert Euro. Das Gericht ordnete zudem an, dass die Staatskasse sowohl die Verfahrenskosten als auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen zu tragen hat.
Rechtliche Zweifel an der Gurtpflicht für Busfahrer
Im Zentrum des Falls stand die grundsätzliche Frage nach der Gurtpflicht in bestimmten Kraftomnibussen. Das Gericht äußerte erhebliche Zweifel an der Verpflichtung des betroffenen Busfahrers zum Tragen eines Sicherheitsgurtes. Diese Zweifel stützen sich auf die Vorschriften der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) und der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO). Konkret verweist das Gericht auf §§ 35a Abs. 6 StVZO und 21a StVO, wonach in bestimmten Kraftomnibussen grundsätzlich keine Gurtpflicht besteht.
Unklare Fahrzeugklassifizierung und unverhältnismäßiger Ermittlungsaufwand
Eine eindeutige Zuordnung des im Verfahren relevanten Busses zu den in § 35a Abs. 6 StVZO genannten Fahrzeugkategorien war nicht möglich. Das Gericht stellte fest, dass zur Klärung dieser Frage weitere Ermittlungen notwendig gewesen wären. Diese erschienen jedoch angesichts des geringfügigen Vorwurfs unverhältnismäßig.
Auslegung der Ausnahmeregelungen für Busfahrten
Das Gericht widersprach der Auffassung der Bußgeldbehörde, nach der die bloße Ausstattung eines Fahrzeugs mit Sicherheitsgurten automatisch zu einer Gurtpflicht führe. Besondere Bedeutung maß das Gericht dabei § 21a Abs. 1 Nr. 4 StVO bei, der eine weitere Ausnahme von der Gurtpflicht für „Fahrten in Kraftomnibussen“ vorsieht. Der Wortlaut dieser Norm unterscheidet nicht zwischen Fahrgästen und Fahrer, sondern bezieht sich allgemein auf Fahrten in Kraftomnibussen. Diese Auslegung wird durch die weiteren Ausnahmetatbestände des § 21a Abs. 1 Nr. 1-6 StVO gestützt.
Einstellung nach pflichtgemäßem Ermessen
Die Entscheidung zur Einstellung des Verfahrens traf das Gericht nach pflichtgemäßem Ermessen gemäß § 47 Abs. 2 OWiG. Bei der Ermessensausübung berücksichtigte das Gericht insbesondere den erforderlichen Aufwand zur Aufklärung der unklaren Sachlage sowie die Verhältnismäßigkeit weiterer Ermittlungen. Eine Zustimmung der Staatsanwaltschaft zur Einstellung war nicht erforderlich, da diese bereits erklärt hatte, an der Hauptverhandlung nicht teilzunehmen.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Urteil stellt klar, dass die bloße Ausstattung eines Fahrzeugs mit Sicherheitsgurten nicht automatisch zu einer Gurtpflicht führt. Für bestimmte Kraftomnibusse besteht gemäß §§ 35a Abs. 6 StVZO, 21a StVO keine Gurtpflicht, wobei diese Ausnahme sowohl für Fahrgäste als auch für Busfahrer gilt. Das Gericht hat bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten einen Ermessensspielraum zur Einstellung des Verfahrens, wenn der Ermittlungsaufwand unverhältnismäßig erscheint.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Als Busfahrer oder Fahrgast müssen Sie nicht in jedem Bus einen Sicherheitsgurt anlegen, auch wenn dieser damit ausgestattet ist. Die Gurtpflicht hängt von der Art des Busses ab. Sollten Sie einen Bußgeldbescheid wegen Nichtanlegen des Gurtes in einem Bus erhalten, können Sie sich auf dieses Urteil berufen und die genaue Prüfung der Busart einfordern. Bei geringfügigen Verstößen mit Bußgeldern unter 100 Euro ist eine Einstellung des Verfahrens möglich, wenn die Sachaufklärung unverhältnismäßig aufwendig wäre.
Unsicherheiten bei der Gurtpflicht im Bus?
Das Urteil des Amtsgerichts Bad Saulgau zeigt, wie komplex die Rechtslage zur Gurtpflicht in Bussen sein kann. Gerade bei Unsicherheiten hinsichtlich der Fahrzeugkategorie und den geltenden Ausnahmeregelungen ist es ratsam, die Situation rechtlich prüfen zu lassen. Wir unterstützen Sie gerne dabei, Ihre Rechte als Busfahrer oder Fahrgast zu wahren und helfen Ihnen, im Falle eines Bußgeldbescheids die richtige Strategie zu entwickeln. Sprechen Sie uns an, um Ihre individuelle Situation zu besprechen und Klarheit zu gewinnen.
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Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche Voraussetzungen müssen für eine Einstellung des Bußgeldverfahrens vorliegen?
Eine Einstellung des Bußgeldverfahrens ist nach dem Opportunitätsprinzip möglich, wobei verschiedene Voraussetzungen erfüllt sein müssen.
Einstellung durch die Verfolgungsbehörde
Die Verfolgungsbehörde kann das Verfahren nach pflichtgemäßem Ermessen einstellen, solange es bei ihr anhängig ist. Dabei müssen folgende Kriterien berücksichtigt werden:
- Die Schwere der Tat muss als gering einzustufen sein
- Es darf kein besonderes öffentliches Interesse an der Verfolgung bestehen
- Die Entscheidung muss dem Gleichheitsgrundsatz entsprechen
Einstellung durch das Gericht
Wenn das Verfahren bereits bei Gericht anhängig ist, kann eine Einstellung erfolgen, wenn:
- Das Gericht eine Ahndung nicht für geboten hält
- Die Staatsanwaltschaft der Einstellung zustimmt
Bei Geldbußen bis zu 100 Euro ist die Zustimmung der Staatsanwaltschaft nicht erforderlich, wenn diese erklärt hat, nicht an der Hauptverhandlung teilzunehmen.
Weitere Einstellungsgründe
Ein Bußgeldverfahren kann auch eingestellt werden bei:
- Beweismangel oder wenn Zweifel an der Person des Täters bestehen
- Unverhältnismäßigkeit zwischen Verfolgungsaufwand und zu erwartender Strafe
- Verjährung der Ordnungswidrigkeit
Wichtige Einschränkungen
Die Einstellung darf nicht von der Zahlung eines Geldbetrages an gemeinnützige Einrichtungen abhängig gemacht werden. Zudem müssen Behörden und Gerichte ihre Ermessensentscheidung an einer einheitlichen Verwaltungspraxis ausrichten.
Wenn Sie beispielsweise nachts an einer leeren Kreuzung ein Stoppschild missachten und dabei niemanden gefährden, könnte die Behörde das Verfahren wegen geringer Schwere der Tat einstellen.
Wer trägt die Verfahrenskosten bei einer Einstellung des Bußgeldverfahrens?
Bei einer Einstellung des Bußgeldverfahrens nach § 47 OWiG hängt die Verteilung der Verfahrenskosten vom Zeitpunkt und den Gründen der Einstellung ab.
Einstellung vor Erlass des Bußgeldbescheids
Wenn die Verwaltungsbehörde das Verfahren bereits vor dem Erlass eines Bußgeldbescheids einstellt, entstehen keine nennenswerten Kosten. In diesem Fall erfolgt keine Kostenentscheidung, und jeder Beteiligte trägt seine bis dahin entstandenen Auslagen selbst.
Einstellung nach Erlass des Bußgeldbescheids
Wird ein Bußgeldverfahren nach Erlass des Bußgeldbescheids eingestellt, trägt die Staatskasse grundsätzlich die Verfahrenskosten. Dies umfasst sowohl die Gerichtskosten als auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen, wie etwa Anwaltskosten.
Kostenverteilung bei verschiedenen Einstellungsgründen
Die konkrete Kostenverteilung richtet sich nach den Einstellungsgründen:
- Bei Beweismangel oder Zweifel an der Person des Täters übernimmt die Staatskasse in der Regel die Kosten.
- Bei einer Einstellung aus Opportunitätsgründen nach § 47 Abs. 2 OWiG können die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse auferlegt werden.
- Wenn die Einstellung auf einem Verschulden des Betroffenen beruht, etwa bei Säumnis oder unwahren Angaben, können ihm die Kosten auferlegt werden.
Besonderheiten bei Anwaltskosten
Wenn Sie einen Rechtsanwalt eingeschaltet haben, gelten die Anwaltskosten als Notwendige Auslagen. Diese werden bei einer Verfahrenseinstellung grundsätzlich von der Staatskasse übernommen, sofern die Einstellung nicht auf einem Verschulden des Betroffenen beruht.
Die Kostenentscheidung muss von der Behörde oder dem Gericht ausdrücklich getroffen und begründet werden. Fehlt eine solche Begründung, können Sie dagegen vorgehen.
Welche Rolle spielt die Verhältnismäßigkeit bei der Einstellung eines Bußgeldverfahrens?
Die Verhältnismäßigkeit ist ein zentrales Prinzip bei der Entscheidung über die Einstellung eines Bußgeldverfahrens. Wenn Sie von einem Bußgeldverfahren betroffen sind, prüft die Verfolgungsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen, ob eine Ahndung des Verstoßes im konkreten Fall angemessen ist.
Ermessensentscheidung der Behörde
Die Verfolgungsbehörde muss bei ihrer Entscheidung den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie das Übermaßverbot beachten. Dabei werden verschiedene Faktoren gegeneinander abgewogen:
- Die Bedeutung der Tat
- Der Grad der Vorwerfbarkeit
- Das öffentliche Interesse an der Verfolgung
Praktische Anwendung
Stellen Sie sich vor, Sie fahren nachts an einem Stoppschild vorbei, ohne anzuhalten, während weit und breit kein anderer Verkehrsteilnehmer zu sehen ist. In diesem Fall könnte die Polizei nach dem Verhältnismäßigkeitsprinzip von einer Verfolgung absehen, da niemand gefährdet oder behindert wurde.
Gerichtliche Überprüfung
Wenn ein Verfahren bereits bei Gericht anhängig ist, kann auch das Gericht eine Einstellung vornehmen, sofern es eine Ahndung nicht für geboten hält. Dabei spielen auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen eine wichtige Rolle. Eine Geldbuße darf nicht unverhältnismäßig hoch sein und muss die finanzielle Leistungsfähigkeit berücksichtigen.
Die Verhältnismäßigkeitsprüfung kann auch den Aufwand der Ermittlungen einbeziehen. Wenn zur Klärung der Sach- oder Rechtslage ein unverhältnismäßiger Aufwand erforderlich wäre, kann dies ein Grund für die Einstellung des Verfahrens sein.
Welche Rechtsmittel stehen zur Verfügung, wenn eine Einstellung abgelehnt wird?
Rechtsmittel gegen die Ablehnung
Bei einer Ablehnung der Einstellung eines Bußgeldverfahrens steht Ihnen der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid als primäres Rechtsmittel zur Verfügung. Nach erfolgtem Einspruch wird das Verfahren an das zuständige Amtsgericht weitergeleitet.
Gerichtliches Verfahren
Im gerichtlichen Verfahren können Sie einen erneuten Antrag auf Einstellung nach § 47 Abs. 2 OWiG stellen. Das Gericht entscheidet dann nach pflichtgemäßem Ermessen über die Einstellung, wobei die Zustimmung der Staatsanwaltschaft erforderlich ist. Eine Ausnahme besteht bei Geldbußen bis zu einhundert Euro, wenn die Staatsanwaltschaft erklärt hat, nicht an der Hauptverhandlung teilzunehmen.
Rechtsbeschwerde
Wird das Verfahren nicht eingestellt und ergeht ein Urteil, können Sie Rechtsbeschwerde einlegen, wenn:
- die festgesetzte Geldbuße mehr als 250 Euro beträgt
- ein Fahrverbot angeordnet wurde
- der Einspruch durch Urteil als unzulässig verworfen wurde
Die Frist für die Rechtsbeschwerde beträgt eine Woche ab Urteilsverkündung oder Zustellung. Die Beschwerdebegründung muss innerhalb eines Monats erfolgen und von einem Rechtsanwalt unterzeichnet sein.
Kostenaspekte
Bei einer Verfahrenseinstellung trägt die Staatskasse die Gerichtskosten. Die notwendigen Auslagen des Betroffenen werden jedoch nicht automatisch erstattet. Wird das Verfahren nicht eingestellt und Sie werden verurteilt, müssen Sie neben den eigenen Anwaltskosten auch die Gerichtskosten tragen.
Wie läuft das Verfahren zur Einstellung eines Bußgeldverfahrens ab?
Das Verfahren zur Einstellung eines Bußgeldverfahrens durchläuft mehrere Stufen und kann sowohl im Vorverfahren als auch im gerichtlichen Verfahren erfolgen.
Einstellung im Vorverfahren
Die Verfolgungsbehörde kann das Verfahren in eigener Zuständigkeit einstellen, solange es bei ihr anhängig ist. Dies basiert auf dem Opportunitätsprinzip, wonach die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde liegt.
Einstellung im gerichtlichen Verfahren
Wenn das Verfahren bereits bei Gericht anhängig ist, gelten besondere Regelungen:
Das Gericht kann das Verfahren einstellen, wenn es eine Ahndung nicht für geboten hält. Hierfür ist grundsätzlich die Zustimmung der Staatsanwaltschaft erforderlich.
Eine Ausnahme besteht bei Geldbußen bis zu 100 Euro: In diesen Fällen ist keine Zustimmung der Staatsanwaltschaft notwendig, wenn diese erklärt hat, nicht an der Hauptverhandlung teilzunehmen.
Verfahrensablauf bei Gericht
Der konkrete Ablauf gestaltet sich wie folgt:
Das Gericht prüft zunächst, ob eine Ahndung geboten ist. Hält es eine Einstellung für angemessen, wird in der Hauptverhandlung die Staatsanwaltschaft angehört. Die Verwaltungsbehörde erhält ebenfalls Gelegenheit zur Stellungnahme, kann die Einstellung jedoch nicht verhindern.
Der Einstellungsbeschluss wird sofort rechtskräftig und ist nicht anfechtbar. Eine Begründung des Beschlusses ist nicht erforderlich.
Kostenfolgen
Bei einer Einstellung trägt die Staatskasse die Gerichtskosten. Die notwendigen Auslagen (wie etwa Anwaltskosten) müssen Sie als Betroffener in der Regel selbst tragen.
Wichtig: Die Einstellung darf nicht von der Zahlung eines Geldbetrages an eine gemeinnützige Einrichtung abhängig gemacht werden.
Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung ersetzen kann. Haben Sie konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – wir beraten Sie gerne.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Ordnungswidrigkeit
Eine Ordnungswidrigkeit ist eine rechtswidrige und vorwerfbare Handlung, die gegen geltendes Recht verstößt, aber nicht die Schwere einer Straftat erreicht. Sie wird mit einer Geldbuße geahndet. Die rechtliche Grundlage findet sich im Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG). Typische Beispiele sind Verkehrsverstöße wie Falschparken oder überhöhte Geschwindigkeit. Im Gegensatz zu Straftaten werden Ordnungswidrigkeiten nicht ins Führungszeugnis eingetragen.
Pflichtgemäßes Ermessen
Die Befugnis einer Behörde oder eines Gerichts, nach eigenem Ermessen zu entscheiden, dabei aber an rechtliche Vorgaben und Prinzipien gebunden zu sein. Die Entscheidung muss sachgerecht, verhältnismäßig und ohne Willkür erfolgen. Geregelt in § 40 VwVfG. Ein Beispiel wäre die Entscheidung einer Behörde, ob sie ein Bußgeldverfahren einstellt oder weiterführt – diese Entscheidung muss auf sachlichen Erwägungen basieren.
Bußgeldbescheid
Ein offizieller Bescheid einer Behörde, mit dem eine Geldbuße wegen einer Ordnungswidrigkeit festgesetzt wird. Er enthält die Vorwürfe, die Höhe der Geldbuße und Rechtsmittelbelehrung. Geregelt in §§ 65 ff. OWiG. Der Betroffene kann innerhalb von 2 Wochen Einspruch einlegen. Beispiel: Ein Autofahrer erhält einen Bußgeldbescheid wegen Geschwindigkeitsüberschreitung.
Verfahrenskosten
Die durch ein Gerichts- oder Verwaltungsverfahren entstehenden Kosten wie Gerichtsgebühren, Auslagen für Zeugen oder Sachverständige. Geregelt in §§ 105 ff. OWiG. Die Kosten trägt normalerweise der Unterlegene, bei Einstellung können sie aber auch der Staatskasse auferlegt werden. Beispiel: Bei Einstellung eines Bußgeldverfahrens muss oft die Staatskasse die Kosten übernehmen.
Notwendige Auslagen
Aufwendungen einer Verfahrenspartei, die für die zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nötig waren. Dazu gehören etwa Anwaltskosten, Fahrtkosten oder Verdienstausfall. Geregelt in § 464a StPO i.V.m. § 46 OWiG. Beispiel: Die Anwaltskosten eines freigesprochenen Beschuldigten werden als notwendige Auslagen von der Staatskasse erstattet.
Präzedenzfall
Eine gerichtliche Entscheidung, die für gleichgelagerte künftige Fälle als Orientierung oder Vorbild dient. Obwohl im deutschen Recht keine strikte Bindungswirkung wie im angloamerikanischen Recht besteht, haben Präzedenzfälle eine wichtige Leitfunktion für die Rechtsprechung. Sie tragen zur einheitlichen Rechtsanwendung bei. Beispiel: Eine höchstrichterliche Entscheidung zur Gurtpflicht wird von anderen Gerichten als Orientierung genutzt.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 47 Abs. 2 OWiG: Im Ordnungswidrigkeitengesetz wird geregelt, dass ein Verfahren eingestellt werden kann, wenn die Verfolgung der Ordnungswidrigkeit nicht geboten ist. Dies liegt im Ermessen des Gerichts und erlaubt es, die Sinnhaftigkeit und Verhältnismäßigkeit der weiteren Verfolgung abzuwägen. Im vorliegenden Fall entschied das Gericht, dass der Ermittlungsaufwand zur Klärung der unklaren Sachlage unverhältnismäßig ist und die Verfolgung nicht zwingend erforderlich erscheint.
- § 21a Abs. 1 Nr. 4 StVO: Diese Vorschrift regelt die Gurtpflicht für Insassen von Fahrzeugen, einschließlich Kraftomnibussen, und enthält Ausnahmen, z. B. bei bestimmten Fahrzeugtypen oder Fahrsituationen. Im Fall wurde argumentiert, dass eine Ausnahme für den betroffenen Bus und dessen Fahrer bestehen könnte, da die Vorschrift allgemein auf „Fahrten in Kraftomnibussen“ abstellt und keine Unterscheidung zwischen Fahrer und Fahrgästen trifft.
- § 35a Abs. 6 StVZO: Die Vorschrift legt fest, welche technischen Anforderungen an Kraftomnibusse gestellt werden, einschließlich der Ausstattung mit Sicherheitsgurten. Sie führt jedoch auch auf, dass bestimmte Omnibusse von der Gurtpflicht ausgenommen sind. Im Fall war unklar, ob der verfahrensgegenständliche Bus unter diese Ausnahme fällt, was weitergehende Ermittlungen erforderlich gemacht hätte.
- §§ 464, 467 Abs. 1 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG: Diese Regelungen betreffen die Kostenentscheidung in Straf- und Bußgeldverfahren. Sie sehen vor, dass die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen von der Staatskasse getragen werden, wenn das Verfahren eingestellt wird. Im konkreten Fall trägt die Staatskasse die Kosten aufgrund der Verfahrenseinstellung.
- Gassner/Seith, OWiG, 2. Auflage 2020, § 47 Rn. 49: Diese Kommentierung wird zitiert, um die Ermessensausübung des Gerichts zu untermauern. Sie betont, dass Aufwand und Nutzen der weiteren Ermittlungen abgewogen werden müssen und ein unverhältnismäßiger Aufwand gegen die Verfolgung sprechen kann. Im vorliegenden Fall wurde die Klärung der Gurtpflicht als unverhältnismäßig aufwendig bewertet.
Das vorliegende Urteil
Amtsgericht Bad Saulgau – Az.: 1 OWi 12 Js 12046/24 – Beschluss vom 17.07.2024
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