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Bußgeldverfahren – Einspruch per elektronisches Dokument notwendig?

OLG Frankfurt: Einspruch gegen Bußgeldbescheid per Telefax weiterhin zulässig

In einem aktuellen Fall hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschieden, dass Einsprüche gegen Bußgeldbescheide per Telefax weiterhin zulässig sind. Das Amtsgericht Groß-Gerau hatte den Einspruch einer Betroffenen gegen einen Bußgeldbescheid wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit als unzulässig verworfen. Das OLG Frankfurt hob diese Entscheidung nun auf und verwies die Sache zurück an das Amtsgericht.

Direkt zum Urteil: Az.: 1 Ss-OWi 1460/22 springen.

Entscheidung des OLG Frankfurt

Das OLG Frankfurt stellte klar, dass die Vorschrift des § 32d Satz 2 StPO, die im Bußgeldverfahren gemäß § 110c OWiG entsprechend gilt, auf die Einlegung von Einsprüchen gegen Bußgeldbescheide keine Anwendung findet. Die Regelung beschränkt sich auf bestimmte Verfahrenserklärungen im Strafverfahren. Der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid ist jedoch ein „Rechtsbehelf eigener Art“, der die Sache aus dem Verwaltungsverfahren ins gerichtliche Verfahren bringt.

Auswirkungen für Betroffene

Für Betroffene bedeutet dies, dass die Einspruchseinlegung gegen einen Bußgeldbescheid per Telefax auch nach der Einführung der Pflicht zur elektronischen Übermittlung von Dokumenten weiterhin möglich und wirksam ist. Die Verwerfung des Einspruchs im vorliegenden Fall war demnach rechtsfehlerhaft, und das OLG verwies die Sache zurück an das Amtsgericht Groß-Gerau.

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Das vorliegende Urteil

OLG Frankfurt am Main – Az.: 1 Ss-OWi 1460/22 – Beschluss vom 28.02.2023

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Groß-Gerau – Richter in Bußgeldsachen – vom 30. September 2022 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde und die der Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Groß-Gerau zurückverwiesen.

Gründe:

Bußgeldverfahren – Einspruch per elektronisches Dokument notwendig?
(Symbolfoto: P. Qvist/Shutterstock.com)

Das Regierungspräsidium K. hat mit Bußgeldbescheid vom 22. Juni 2022 gegen die Betroffene wegen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 27 km/h eine Geldbuße in Höhe von 150,00 Euro festgesetzt. Gegen den ihr am 25. Juni 2022 zugestellten Bußgeldbescheid legte die Betroffene durch Telefax ihres Verteidigers vom 27. Juni 2022, das am selben Tag beim Regierungspräsidium K. einging, Einspruch ein. Das Amtsgericht hat durch das in der Hauptverhandlung vom 30. September 2022 verkündete Urteil den Einspruch der Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid des Regierungspräsidiums Kassel vom 22. Juni 2022 als unzulässig verworfen und zur Begründung ausgeführt, der Einspruch sei mangels Wahrung der gesetzlichen Formvorschriften nach §§ 67, 110c OWiG, § 32d StPO unwirksam und unzulässig.

Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Betroffenen, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts und die Verletzung von Rechtsnormen über das Verfahren rügt.

Die Einzelrichterin hat die Sache mit Beschluss vom 24. Februar 2023 gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG zur Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 4 OWiG statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde der Betroffenen ist zulässig. Sie hat auch in der Sache – zumindest vorläufig – Erfolg, weil die auf die zulässig erhobene Sachrüge im Freibeweis vorzunehmende Prüfung des Senats ergeben hat, dass das Amtsgericht den Einspruch zu Unrecht wegen Nichteinhaltung der Formvorschrift der § 110c OWiG, § 32d Satz 2 StPO als unzulässig erachtet und daher ohne Sachprüfung verworfen hat. Soweit ersichtlich, ist diese Frage obergerichtlich bislang noch nicht geklärt worden.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts hat die Betroffene mit dem an das Regierungspräsidium K. gerichteten Telefax ihres Verteidigers vom 27. Juni 2022 wirksam Einspruch gegen den Bußgeldbescheid vom 22. Juni 2022 eingelegt. Die Vorschrift des § 32d Satz 2 StPO, die im Bußgeldverfahren gemäß § 110c OWiG entsprechend gilt, findet auf die Einlegung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid keine Anwendung. Ausweislich der Gesetzesmaterialien (BT-Drucksache 18/9416, S. 50, 51) sieht § 32d Satz 2 StPO eine Rechtspflicht zur elektronischen Einreichung von Dokumenten nur für bestimmte Verfahrenserklärungen vor, die aufgrund der Besonderheiten des Strafverfahrens auf die hier abschließend aufgeführten Erklärungen beschränkt werden soll. Da in den Gesetzesmaterialien zu § 110c OWiG auf diese Ausführungen verwiesen wird (BT-Drucksache 18/9416, S. 76), sind diese Grundsätze auch für die Anordnung der entsprechenden Anwendung von § 32d StPO im Bußgeldverfahren zugrunde zu legen. Im Hinblick darauf, dass das Bußgeldverfahren Berufung, Privatklage und Nebenklage nicht kennt, können die in § 32d StPO abschließend aufgeführten Verfahrenserklärungen nur für den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde, die Einlegung der Rechtsbeschwerde, ihre Begründung und die Gegenerklärung gelten, für die gemäß §§ 79 Abs. 3, 80 Abs. 3 OWiG die Vorschriften der Strafprozessordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes über die Revision entsprechend gelten. Der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid und die Einspruchsbegründung gehören demgegenüber der Sache nach weder vom Wortlaut noch von der systematischen Einordnung her zu den in § 32d Satz 2 StPO abschließend aufgeführten Verfahrenserklärungen; vielmehr handelt es sich um einen „Rechtsbehelf eigener Art“, der die Sache aus einem Verfahren bei der Verwaltungsbehörde in das gerichtliche Verfahren bringt (Seitz/Bauer in: Göhler, OWiG, 18. Auflage, Vor § 67 Rn. 1). Zudem ist die Begründung des Einspruchs – anders als bei der Rechtsbeschwerde – zur Vermeidung seiner Verwerfung nicht erforderlich. Vielmehr ist der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid in systematischer Hinsicht eher mit dem Einspruch gegen einen Strafbefehl vergleichbar, der in § 32d Satz 2 StPO gerade keine Erwähnung findet. Dabei ist weiter zu bedenken, dass der Bußgeldbescheid von der Verwaltungsbehörde erlassen wird, den Strafbefehl aber ausschließlich das Gericht erlassen kann. Wenn man vor diesem Hintergrund in den Blick nimmt, dass § 32d Satz 2 StPO ausschließlich wesentliche Verfahrenshandlungen vor Gericht aufzählt und dabei den Einspruch gegen den (gerichtlichen) Strafbefehl auslässt, kann der Einspruch gegen den (verwaltungsbehördlichen) Bußgeldbescheid erst recht nicht unter diese Norm fallen (vgl.: van Endern in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 4, 2. Aufl., § 110c OWiG Rn. 8.3; im Ergebnis zustimmend: BeckOK OWiG/Gertler, 37. Ed. 1.1.2023, OWiG § 67 Rn. 68; offen gelassen bei: Krenberger/Krumm, 7. Aufl. 2022, OWiG § 110c Rn. 13). Der Hinweis des Amtsgerichts auf die Ausnahmeregelung in § 335 Abs. 2a Satz 1 und Satz 2 Nr. 2 HGB geht in diesem Zusammenhang schon deshalb fehl, weil zunächst – wie vorstehend geschehen – im Wege der Auslegung zu ermitteln ist, in welchem Umfang die Ausnahmeregelung des § 32d Satz 2 StPO einer entsprechenden Anwendung im Bußgeldverfahren zugänglich ist.

Dies zugrunde legend ist die Einspruchseinlegung gegen einen Bußgeldbescheid auch nach der am 01. Januar 2022 erfolgten Einführung der Pflicht zur elektronischen Übermittlung von Dokumenten weiterhin per Telefax von dem Faxgerät des Betroffenen oder eines Rechtsanwalts – wie vorliegend – möglich und wirksam (Seitz/Bauer in: Göhler, OWiG, § 67 Rn. 21 mN).

Die Verwerfung des Einspruchs gegen den Bußgeldbescheid als unzulässig war demnach rechtsfehlerhaft und das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache an das Amtsgericht Groß-Gerau zurückzuverweisen. Für die Zurückverweisung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts besteht kein Anlass.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

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