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Bußgeldverfahren – Durchsuchungsbeschluss – Feststellung Fahrzeugführer

LG Oldenburg – Az.: 5 Qs 99/16 – Beschluss vom 15.03.2016

Die Beschwerde vom 16.02.2016 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Cloppenburg vom 17.09.2015 wird auf Kosten der Beschwerdeführerin als unbegründet zurückgewiesen.

Gründe

Durch den vorgenannten Beschluss ordnete das Amtsgericht Cloppenburg die Durchsuchung der Geschäftsräume und Fahrzeuge der Firma B. GmbH an, deren Geschäftsführerin die Beschwerdeführerin ist. Ziel war die Suche nach Unterlagen oder Datenträgern, aus denen sich ergibt, wer zur Tatzeit einer Verkehrsordnungswidrigkeit (16.07.2015, 12:09 Uhr) verantwortlicher Fahrzeugführer eines auf die Firma zugelassenen Pkws (amtliches Kennzeichen …) gewesen ist. Das Amtsgericht hat zugleich die Beschlagnahme entsprechender Gegenstände angeordnet. Die Beschwerdeführerin hat schließlich Herrn R. B. als Fahrer benannt, so dass eine Durchsuchung nicht mehr erforderlich war. Nachdem die Kammer durch Beschluss vom 28.01.2016 – 5 Qs 31/16 – die Beschwerde des R. B. als unzulässig verworfen hatte, wendet sich nunmehr die jetzige Beschwerdeführerin gegen den Durchsuchungsbeschluss. Auf die Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz ihres Verteidigers vom 16.02.2016 wird Bezug genommen.

Die Beschwerde hat wiederum keinen Erfolg, sie ist unbegründet.

Der angegriffene Durchsuchungsbeschluss erweist sich nach §§ 98, 103, 105 StPO i.V.m. § 46 OWiG als rechtmäßig, insbesondere auch als verhältnismäßig.

Bereits im Beschluss vom 28.01.2016 (s.o.) hat die Kammer Folgendes ausgeführt:

Gestattet war […] lediglich die Durchsuchung von Geschäftsräumen und Fahrzeugen der Firma B. GmbH. Die Durchsuchungsanordnung war insbesondere auch nicht deshalb entbehrlich, weil sich in der Akte ein Messfoto des Fahrzeugführers befindet. Denn einerseits wird im Ordnungswidrigkeitenverfahren die Qualität des Messfotos von Betroffenen und Verteidigern erfahrungsgemäß häufig beanstandet. Zudem war der jetzige Beschwerdeführer nach Einschätzung der Polizeibeamtin, die zunächst mit der Fahrerermittlung vor Ort beauftragt worden war, augenscheinlich nicht der Fahrzeugführer auf dem Messbild. Hätte die Bußgeldstelle hier keine weiteren Ermittlungen veranlasst, wäre mit großer Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen gewesen, dass ihr von dem Beschwerdeführer oder seinem Verteidiger eben dies im anschließenden Verfahren zum Vorwurf gemacht worden wäre. Auch der Vollzug der Durchsuchungsmaßnahme war verhältnismäßig. Die Durchsuchung selbst lief offenbar dezent und ohne Erregung von Aufsehen ab. Nach Eröffnung des Beschlusses nannte die Geschäftsführerin den Namen des Fahrzeugführers, so dass eine Durchsuchung im eigentlichen Sinn gar nicht notwendig war. Entsprechend gering war auch die Eingriffsintensität.

Bei dieser Einschätzung bleibt es auch unter Berücksichtigung des neuerlichen Beschwerdevorbringens. Die Frage, ob eine Durchsuchung zum Auffinden einer Fahrtenschreiberscheibe etc. im Rahmen der Aufklärung einer Verkehrsordnungswidrigkeit zulässig ist, ist im Einzelnen umstritten. Während teilweise bei „leichteren“ Verkehrsordnungswidrigkeiten eine Durchsuchungsanordnung pauschal als unverhältnismäßig angesehen wird (Tsambikakis, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 105 Rn. 67 unter Verweis auf AG Landau, NStZ-RR 2002, 220), wird die Frage im Übrigen ganz überwiegend – und so auch von der Kammer – unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls differenziert betrachtet (Unzulässigkeit bejaht wurde danach etwa von: EGMR NJW 2006, 1495 in einem Fall, in dem weitere Beweismittel vorlagen; BVerfG NJW 2006, 3411 im Falle der Durchsuchung einer Rechtsanwaltskanzlei wegen einer mit 15 € bedrohten Ordnungswidrigkeit; LG Freiburg, Beschluss vom 03.02.2014, Az. 3 Qs 9/14 – zitiert nach juris – bei einem Geschwindigkeitsverstoß von 27 km/h durch einen Motorradfahrer; von der Zulässigkeit einer Durchsuchungsanordnung sind demgegenüber ausgegangen: EGMR, Entscheidung vom 15.11.2011, Az. 43005/07 – zitiert nach juris – bei einem Geschwindigkeitsverstoß von 44 km/h durch einen Lkw; BVerfG, Beschluss vom 20.07.2007, Az. 2 BvR 254/07 – zitiert nach juris – bei einem Geschwindigkeitsverstoß von mehr als 100 km/h; LG Tübingen, Beschluss vom 20.12.2011, Az. 1 Qs 248/11 Owi – zitiert nach juris – bei einem Geschwindigkeitsverstoß durch einen Motorradfahrer von 39 km/h; LG Oldenburg, Beschluss v. 21.09.2015 – 5 Qs 345/15 – bei einem mit regelmäßig 80 € bußgeldbewehrten Geschwindigkeitsverstoß, in dem keine anderen Ermittlungsansätze bestanden haben).

Im hier zu entscheidenden Fall war die Durchsuchungsmaßnahme geeignet, den Fahrer zu ermitteln, da bei Firmenfahrzeugen regelmäßig zu erwarten ist, dass durch Fahrtenbücher oder ggf. auch elektronische Dokumente aufgezeichnet ist, wer zu einem bestimmten Zeitpunkt das Fahrzeug geführt hat.

Die Maßnahme war darüber hinaus erforderlich. Andere ebenso wirksame Ermittlungsansätze standen nicht zur Verfügung. Die Ausführungen des Verteidigers zur vermeintlichen Eindeutigkeit der Fahrereigenschaft des R. B. sind für die Kammer nicht nachvollziehbar. Dessen Passbild (Blatt 9 VA) wurde im Rahmen der Ermittlungen vor Ort von einer Polizeibeamtin beigezogen, die hierzu vermerkt hat, dass die darauf abgebildete Person augenscheinlich nicht der Fahrzeugführer sei. Tatsächlich ist das Messfoto (Blatt 1 VA) ebenso wie dessen Vergrößerung (Blatt 36 VA) relativ schlecht konturiert. Das Gesicht des Fahrers wird teilweise durch eine Sonnenbrille verdeckt. Die Einschätzung der Kopfform wird dadurch erschwert, dass dessen Konturen mit dem Hintergrund verschwimmen. Gleiches gilt für die rechte Gesichtshälfte. Bei dieser Sachlage kann jedenfalls nicht davon gesprochen werden, dass eine Überführung von Herrn B. allein mit dem Messfoto sicher möglich und eine Durchsuchung daher nicht erforderlich gewesen wäre. Eine Übersendung der Lichtbilder an einen rechtsmedizinischen oder anthropologischen Sachverständigen wäre bereits im Hinblick auf die kurze Verjährungsfrist nicht erfolgversprechend gewesen. Da auch Ermittlungen vor Ort (Blatt 8 VA) keinen Erfolg gebracht haben, war die Durchsuchungsmaßnahme letztendlich ein eingriffsintensives aber auch das letzte Mittel, um die Fahrereigenschaft zu ermitteln.

Nicht nachvollziehbar im Beschwerdeschriftsatz sind auch die Ausführungen zur vermeintlichen Verjährung. Der Abstandsverstoß ist am 16.07.2016 festgestellt worden. Verfolgungsverjährung war daher weder zum Zeitpunkt des Erlasses des angegriffenen Durchsuchungsbeschlusses (17.09.2015) noch zum Zeitpunkt von dessen Vollzug (15.10.2015) eingetreten. Verjährungsunterbrechende Maßnahmen wären zu diesem Zeitpunkt noch möglich gewesen, auch wenn sie seitens der Polizeibeamten nicht ergriffen worden sind.

Der Durchsuchungsbeschluss ist schließlich auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Hier war zwar zu berücksichtigen, dass es „lediglich“ um die Aufklärung eines Abstandsverstoßes ging, der nach 12.7.1 BKat in der Regel mit einem Bußgeld von 100 € geahndet wird. Andererseits sind Abstandsverstöße auf Autobahnen eine der Hauptunfallursachen, so dass eine konsequente Verfolgung entsprechender Ordnungswidrigkeiten zum Schutze anderer Verkehrsteilnehmer erforderlich ist. Ferner konnte nicht außer Betracht bleiben, dass die Durchsuchung nicht bei dem (zu diesem Zeitpunkt noch nicht feststehenden) Betroffenen, sondern bei einer dritten Person, nämlich der Beschwerdeführerin, durchgeführt wurde. In diesem Fall sind im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung regelmäßig höhere Anforderungen zu stellen. Dieser Umstand relativiert sich hier aber dadurch, dass die Beschwerdeführerin dem Fahrer das Fahrzeug offenbar selbst zur Verfügung gestellt hat und ihr zuvor bereits schriftlich Gelegenheit gegeben worden ist, dessen Namen freiwillig preiszugeben.

Hätten die Verwaltungsbehörden in Fällen wie diesem nicht die Möglichkeit, gegebenenfalls beim Fahrzeughalter zu durchsuchen, wäre in einer Vielzahl von Verkehrsverstößen die Identität der Fahrer nicht aufzuklären, sofern entsprechende Fahrtenschreiberausdrucke, Fahrtenbücher etc. nicht freiwillig zur Verfügung gestellt würden. Dies jedoch wäre mit der staatlichen Pflicht, die Sicherheit im Straßenverkehr zu gewährleisten und Verstöße dementsprechend auch zu ahnden, nicht zu vereinbaren (so bereits Beschl. d. Kammer v. 21.09.2015, 5 Qs 345/15).

Auch im Übrigen erweist sich die konkrete Anordnung und Durchführung der Durchsuchungsmaßnahme als verhältnismäßig im engeren Sinne. Der angegriffene Durchsuchungsbeschluss bezeichnet den Zeitpunkt und den Ort der Geschwindigkeitsüberschreitung konkret. Die gesuchten Unterlagen werden zudem so bestimmt bezeichnet, dass im Prinzip ausschließlich die Beschlagnahme von Fahrtenbüchern oder Rechnern mit entsprechenden elektronischen Einträgen als Beschlagnahmegegenstände in Betracht kamen (vgl. EGMR, Entscheidung vom 15.11.2011 (s.o.), Rn. 30). Gestattet war zudem lediglich die Durchsuchung von Geschäftsräumen und Fahrzeugen der Beschwerdeführerin.

Die Durchsuchung selbst lief ausweislich des entsprechenden polizeilichen Vermerks vom 15.20.2015 dezent und ohne Erregung von Aufsehen im Büro der Beschwerdeführerin ab. Die entgegenstehenden Behauptungen ihres Verteidigers bleiben ohne Substanz. Tatsächlich ist ganz offensichtlich keine standardmäßige Durchsuchung vollzogen worden. Dies war nach der telefonischen Mitteilung der Beschwerdeführerin, wer am Vorfallstage gefahren ist, nicht mehr notwendig. Soweit behauptet wird, „sämtliche Mitarbeiter“ hätten von der Maßnahme Kenntnis erlangt, wird nicht mitgeteilt, wer dies gewesen sein soll. Ausweislich des polizeilichen Berichts ist nämlich vielmehr davon auszugehen, dass lediglich die Tochter der Beschwerdeführerin angetroffen worden ist. Auch ergeben sich keine Hinweise darauf, dass beispielsweise Kunden des Betriebes Kenntnis von der beabsichtigten Durchsuchung erlangt haben. Eine Gefährdung des „guten Rufs“ der Beschwerdeführerin bestand demnach nicht. Die weitere Behauptung des Verteidigers, der Geschäftsbetrieb sei „im erheblichen Maße gestört“ worden, ist ebenfalls unsubstantiiert. Worin diese Störung gelegen haben soll, wird nämlich weder mitgeteilt, noch ist dies aus dem Akteninhalt ersichtlich.

Danach besteht auch weder eine Verletzung von Art. 13 GG noch von Art. 8 EMRK. Insbesondere sind auch die Anforderungen des EGMR aus seinem Urteil vom 20.04.2005 (NJW 2006, 1495) erfüllt. Die Beschwerde konnte demnach keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO.

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