Beschwerde wegen verweigerter Akteneinsicht in Bußgeldverfahren vom LG Hof abgewiesen
Ein Fall, der das LG Hof, unter dem Aktenzeichen Az.: 4 Qs 135/21, beschäftigt hat, handelte von der Anfechtung eines Bußgeldbescheides und der damit einhergehenden Forderung nach Akteneinsicht. Im Kern der Streitigkeit stand die Verweigerung der Akteneinsicht in die Originalmessdaten und -fotos eines Verkehrsverstoßes, gegen den der Beschuldigte Beschwerde einlegte. Die aufgeworfene Frage drehte sich um den Umfang der Akteneinsicht und die Verpflichtung der Behörden, Informationen und Beweismaterial offenzulegen.
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Übersicht
Ablehnung der Beschwerde
Nachdem der Bußgeldbescheid erlassen und von dem Beschuldigten form- und fristgerecht Einspruch eingelegt wurde, kam es zu verschiedenen Anfragen hinsichtlich der Akteneinsicht. Insbesondere verlangte der Beschuldigte Zugang zu den „Originalmessfotos der Originalmessdaten der gesamten Messreihe (Rohdatensatz)“. Es wurden zwar einige Einsichten gewährt, jedoch nicht in Bezug auf bestimmte Aspekte, wie die „gegenständliche Videoaufzeichnung und Identfotos“. Daher wurde gerichtliche Entscheidung beantragt.
Das Ringen um Akteneinsicht
Trotz der gerichtlichen Entscheidung und der anschließenden Vorlegung der Akte durch die Staatsanwaltschaft Hof, verweigerte das Amtsgericht Hof die Herausgabe der Videoaufzeichnung. Die Begründung dafür war, dass eine Videosequenz von dieser Messung nicht existiere, sondern nur von den Messungen des gesamten Tages. Die Abgabe eines Videos der gesamten Messreihe könne nicht erfolgen.
Endgültige Gerichtsentscheidung und Folgen
Letztendlich wurde die Beschwerde des Betroffenen gegen die Entscheidungen des Amtsgerichts Hof als unzulässig verworfen. Der Beschwerdeführer wurde zudem zur Tragung der Kosten des Verfahrens verpflichtet. Trotz der umfangreichen juristischen Auseinandersetzung, einschließlich mehrerer Anträge auf Akteneinsicht, blieb die finale Gerichtsentscheidung bei der ursprünglichen Position.
Der vorliegende Fall verdeutlicht die Komplexität juristischer Verfahren im Kontext von Bußgeldbescheiden und dem Recht auf Akteneinsicht. Er hebt hervor, wie wichtig es ist, fundiertes juristisches Wissen zu haben, um die Tragweite und möglichen Konsequenzen juristischer Auseinandersetzungen richtig einschätzen zu können.
Das vorliegende Urteil
LG Hof – Az.: 4 Qs 135/21 – Beschluss vom 05.10.2021
I. Die Beschwerde des Betroffenen … gegen die Entscheidungen des Amtsgerichts Hof vom 24.09.2021 und 28.09.11.2021 – Az.: 8 OWi 2510 Js 6186/21 – wird als unzulässig verworfen.
II. Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
I.
Die Zentrale Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt erließ am 15.01.2021 gegen den Beschwerdeführer einen Bußgeldbescheid, der eine Geldbuße von 160,00 € und ein Fahrverbot von einem Monat vorsieht (Bl. 1 d.A.), gegen den er form- und fristgerecht am 25.01.2021 durch seinen Verteidiger Einspruch einlegte (Bl. 4 f. d.A.) und zugleich Akteneinsicht auch in die „Originalmessfotos der Originalmessdaten der gesamten Messreihe (Rohdatensatz)- sofern vorhanden“ (Bl. 5 d.A.) beantragte.
Mit Schriftsatz vom 09.03.2021 beantragte die Verteidigung für den Betroffenen über den Sachverständigen Dipl.-Ing. … in die „gegenständliche Videoaufzeichnung, das Referenzvideo der Messstelle, das Referenzprotokoll der Messstelle, VKS-Auswertung (Tabelle)/Messlinienpositionierungen, … Identfotos, … sämtliche Instandsetzungs-/Wartungsprotokolle bis zum heutigen Tage“ (Bl. 33 f. d.A.). In der Folge wurde Akteneinsicht in der beantragten Form mit Ausnahme der gegenständlichen Videoaufzeichnung und der Identfotos gewährt (Bl. 38 d.A.).
Gegen die Nichtübersendung der gegenständlichen Videoaufzeichnung und der Identfotos stellte der Verteidiger am 14.04.2021 Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Bl. 45 ff. d.A.).
Mit Verfügung vom 28.04.2021 legte die Staatsanwaltschaft Hof die Akte dem Amtsgericht Hof vor (Bl. 68 d.A.).
Auf Veranlassung des Amtsgerichts Hof wurden die Identfotos dem Verteidiger übersandt, im Übrigen ließ das Amtsgericht Hof dem Verteidiger mitteilen; dass eine „Videosequenz von dieser Messung nicht existiere, sondern nur von den Messungen des gesamten Tages“, eine Herausgabe des Videos der gesamten Messreihe könne nicht erfolgen (Bl. 73 R d.A.).
Am 28.06.2021 verfügte das Amtsgericht Hof, beim P. die Videosequenz beizuziehen (Bl. 75R d.A.) und bestimmte mit gesonderter Verfügung Termin zur Hauptverhandlung auf den 18.10.2021 (Bl. 76 f. d.A.).
Am 09.09.2021 konnte der Verteidiger antragsgemäß nochmals Akteneinsicht nehmen (Bl. 85 f. d.A.).
Mit am 23.09.2021 beim Amtsgericht Hof eingegangenem Schriftsatz vom 20.09.2021 forderte der Verteidiger nochmals Akteneinsicht in die Ermittlungsakte, insbesondere in die Videosequenz betreffend die Messung seines Mandanten. Zugleich wurde um Aufhebung des Gerichtstermins vom 18.10.2021 beantragt, da die entsprechende Videosequenz nach Erhalt sachverständigenseits nochmals überprüft werden solle (Bl. 87 f. d.A.).
Mit Verfügung vom 24.09.2021 lehnte das Amtsgericht Hof die Terminsverlegung ab und teilte mit, dass der nunmehr zuständige Richter eine Beiziehung der Videosequenz der gegenständlichen Messung derzeit nicht für erforderlich erachte (Bl. 89 d.A.).
Gegen die Entscheidung, die Videosequenz der gegenständlichen Messung nicht beizuziehen und herauszugeben, legte der Verteidiger mit Schriftsatz vom 27.09.2021 Beschwerde ein (Bl. 90 ff. d.A.).
Mit Beschluss vom 28.09.2021 half das Amtsgericht Hof der Beschwerde nicht ab (Bl. 93 d.A.).
Mit Verfügung vom 29.09.2021 beantragte die Staatsanwaltschaft Hof, die Beschwerde der Verteidigung kostenpflichtig zu verwerfen (Bl. 96 d.A.).
II.
Die statthafte Beschwerde ist bereits unzulässig gemäß § 46 Abs. 1 OWiG, § 305 Satz 1 StPO. Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen, unterliegen nicht der Beschwerde. Erfasst werden sowohl die Entscheidungen des Gerichts als auch die Verfügungen des Vorsitzenden oder beauftragten Richters (vgl. MüKoStPO/Neuheuser, 1. Aufl. 2016, StPO § 305 Rn. 7). Nach § 305 Satz 1 StPO unterliegen solche Entscheidungen der erkennenden Gerichte nicht der Beschwerde, die der Urteilsfällung vorausgehen. Die Vorschrift bezweckt, Verfahrensverzögerungen zu verhindern, die eintreten würden, wenn Entscheidungen der erkennenden Gerichte sowohl auf eine Beschwerde als auch auf das Rechtsmittel gegen das Urteil überprüft werden müssten. Der Ausschluss nach § 305 Satz 1 StPO gilt insofern für Entscheidungen, die in innerem Zusammenhang mit der Urteilsfällung stehen, ausschließlich ihrer Vorbereitung dienen, bei der Urteilsfällung selbst der nochmaligen Prüfung des Gerichts unterliegen und keine weiteren Verfahrenswirkungen äußern (LG Trier, Beschluss vom 14.09.2017, Az.: 1 Qs 46/17; LG Hanau, Beschluss vom 07.01.2019, Az.: 4b Qs 114/18; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Auflage 2021, § 305 Rn. 4). Unzulässig ist eine Beschwerde gegen Entscheidungen, die dem Urteil zeitlich und sachlich vorausgehen, wenn sie mit ihm in einem inneren Zusammenhang stehen (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.). Anfechtbar mit der Beschwerde sind hingegen Entscheidungen, bei denen die Beschwer des Betroffenen durch Anfechtung des Urteils nicht mehr beseitigt werden kann (LG Trier, a.a.O.; LG Hanau, a.a.O.). Insofern ist eine Beschwerde nur ausgeschlossen, wenn das Urteil anfechtbar ist (Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 305 Rn. 1).
Hiernach ist die Beschwerde nicht zulässig. Die angegriffene Entscheidung geht dem amtsgerichtlichen Urteil sachlich und zeitlich voraus und steht mit diesem zudem in einem inneren Zusammenhang. Weiter kann der Betroffene die vorliegende Entscheidung des Amtsgerichts im Rechtsbeschwerdeverfahren zur Überprüfung stellen, weil er letztlich die Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren geltend macht, § 79 OWiG in Verbindung mit § 338 Nr. 8 StPO, wodurch eine Beschwer des Betroffenen im Rechtsmittelverfahren beseitigt werden kann. Dass der Betroffene über seinen Verteidiger unter Umständen ein Recht auf Einsicht in die begehrten Unterlagen hat, folgt aus dem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 2 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG). Die Fachgerichte haben dem aus dem Recht auf ein faires Verfahren resultierenden Anspruch des Beschwerdeführers auf Informationszugang auch zu den nicht zur Bußgeldakte genommenen Informationen hinreichend Rechnung zu tragen. Aus dem Recht auf ein faires Verfahren folgt hiernach, dass der Beschuldigte eines Strafverfahrens (und der Betroffene eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens) neben der Möglichkeit, prozessual im Wege von Beweisanträgen oder Beweisermittlungsanträgen auf den Gang der Hauptverhandlung Einfluss zu nehmen, grundsätzlich auch das Recht haben kann, Kenntnis von solchen Inhalten zu erlangen, die zum Zweck der Ermittlung entstanden sind, aber nicht zur Akte genommen wurden, wobei das Recht auf Zugang zu den außerhalb der Akte befindlichen Informationen nicht unbegrenzt gilt. Die begehrten, hinreichend konkret benannten Informationen müssen zum einen in einem sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem jeweiligen Ordnungswidrigkeitenvorwurf stehen und zum anderen erkennbar eine Relevanz für die Verteidigung aufweisen (vgl. hierzu insgesamt: BVerfG, Beschluss vom 12.11.2020, 2 BvR 1616/18).
Die Ablehnung der Einsichtnahme in die begehrten Unterlagen seitens des Amtsgerichts ist grundsätzlich geeignet den Beschwerdeführer möglicherweise nach dem zuvor Gesagten in seinem Recht auf ein faires Verfahren zu verletzen. Insoweit greift jedoch der Beschwerdeausschluss nach § 305 Satz 1 StPO, denn eine eventuelle Verletzung des Betroffenen in seinem Recht auf ein faires Verfahren ist wiederum gem. § 79 OWiG in Verbindung mit § 338 Nr. 8 StPO Gegenstand eines Rechtsbeschwerdeverfahrens vor dem hier zuständigen BayObLG (vgl.: Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 338 Rn. 59; BayObLG, Beschluss vom 04.01.2021, Az.: 202 ObOWi 1532/20). Grundsätzlich hat der Beschwerdeführer ein anhängiges Bußgeldverfahren zu durchlaufen und im Falle einer Verurteilung den hierfür vorgesehenen fachgerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch zu nehmen. Insbesondere genügen sowohl finanzielle als auch aufgrund der zeitlichen Verzögerung resultierende Nachteile durch eine etwaige Wiederholung des erstinstanzlichen Verfahrens nicht, das (erstmalige) Durchlaufen des fachgerichtlichen Verfahrens vor dem Amtsgericht abzuwarten (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 09.08.2007 – 2 BvR 1277/07, Rn. 6, juris).
Die amtsgerichtliche Entscheidung ist demnach einer obergerichtlichen Prüfung zugänglich, so dass der Betroffene vorliegend auch nicht rechtsschutzlos gestellt ist.
Die eingelegte Beschwerde war demnach, auch unter Berücksichtigung der im Übrigen durch die Verteidigung aufgeführten Umstände, als unzulässig zu verwerfen.
III.
Die Entscheidung des Beschwerdegerichts entbindet das erkennende Gericht insbesondere auch nicht von seiner Verpflichtung, über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Bl. 45 d.A.) zu entscheiden.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.