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Bußgeldverfahren – Anfechtbarkeit einer gewährten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Rechtsmittel Erfolgreich: Unanfechtbarkeit von Wiedereinsetzungsentscheidungen der Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren

In einem bemerkenswerten Beschluss des Landgerichts Memmingen (Az.: 2 Qs 31/08) vom 7. März 2008 wurde ein vorangegangener Beschluss des Amtsgerichts Memmingen aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. Der Fall drehte sich um die Frage, ob das Amtsgericht die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde, in diesem Fall der Zentralen Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt, über die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand überprüfen und aufheben darf. Das Hauptproblem lag in der Interpretation der Zuständigkeiten und der Bindungswirkung der Entscheidungen der Verwaltungsbehörde im Rahmen eines Bußgeldverfahrens.

Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 2 Qs 31/08  >>>

Unzulässiger Einspruch und die Rolle der Verwaltungsbehörde

Das Amtsgericht Memmingen hatte den Einspruch des Betroffenen gegen einen Bußgeldbescheid als unzulässig verworfen. Die Zentrale Bußgeldstelle hatte zuvor die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt, da der Betroffene glaubhaft machen konnte, keine Kenntnis vom Bußgeldbescheid gehabt zu haben. Das Amtsgericht ging jedoch davon aus, dass der Einspruch verspätet eingereicht wurde und sah die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung nicht als erfüllt an. Es vertrat die Ansicht, nicht an eine möglicherweise fehlerhafte Entscheidung der Verwaltungsbehörde gebunden zu sein.

Sofortige Beschwerde und die Rechtsauffassung des Landgerichts

Der Betroffene legte gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde ein. Er argumentierte, dass die Entscheidung der Verwaltungsbehörde über die Wiedereinsetzung nicht der Überprüfung durch das Amtsgericht unterliege. Das Landgericht Memmingen stimmte dieser Auffassung zu und hob den Beschluss des Amtsgerichts auf. Es betonte, dass die Entscheidung der Verwaltungsbehörde unanfechtbar und unwiderruflich sei, selbst wenn sie fehlerhaft sein sollte.

Bindungswirkung und die Rolle des § 52 Abs. 2 OWiG

Das Landgericht verwies auf § 52 Abs. 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG), der der Verwaltungsbehörde die primäre Zuständigkeit für das Wiedereinsetzungsverfahren zuweist. Die Entscheidung der Verwaltungsbehörde hat Bindungswirkung für das gerichtliche Bußgeldverfahren. Daher ist der Einspruch nach gewährter Wiedereinsetzung als zulässig anzusehen.

Praktische Implikationen und Kosten des Verfahrens

Das Landgericht räumte ein, dass diese Regelung in der Praxis zu Schwierigkeiten führen könnte. Dennoch sei eine Abänderung der unanfechtbaren Entscheidung der Verwaltungsbehörde durch das Amtsgericht rechtlich nicht möglich. Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat das Amtsgericht bei der erneuten Sachentscheidung zu entscheiden.

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Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in Bußgeldverfahren –  kurz erklärt


Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist ein Rechtsmittel, das im Bußgeldverfahren angewendet werden kann, wenn bestimmte Fristen, wie zum Beispiel die Einspruchsfrist gegen einen Bußgeldbescheid, versäumt wurden. Durch die Wiedereinsetzung wird das Verfahren in den Zustand zurückversetzt, der vor dem Fristablauf bestand. Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss schriftlich und mit Begründung innerhalb eines Monats nach Wegfall der Hindernisse, die zur Fristversäumnis geführt haben, gestellt werden.

Die Wiedereinsetzung ist im § 52 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) geregelt. Über den Antrag entscheidet die Behörde, die auch über die versäumte Handlung zu befinden hat. Wenn die Verwaltungsbehörde den Antrag verwirft, kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung Einspruch eingelegt werden. Eine zentrale Voraussetzung für die Gewährung der Wiedereinsetzung ist das Nichtverschulden der Fristversäumnis. Das bedeutet, die betroffene Person muss glaubhaft machen können, dass sie ohne eigenes Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert war.

Es ist wichtig zu beachten, dass der Antrag auf Wiedereinsetzung allein den Einspruch nicht ersetzt. Das versäumte Rechtsmittel muss also gleichzeitig mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung nachgeholt werden.


Das vorliegende Urteil

LG Memmingen – Az.: 2 Qs 31/08 – Beschluss vom 07.03.2008

1. Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen wird der Beschluss des Amtsgerichts Memmingen vom 17.1.2008 aufgehoben.

2. Die Sache wird zur erneuten Verhandlung an das Amtsgericht Memmingen zurückverwiesen.

Gründe

1. Das Amtsgericht Memmingen hat mit Beschluss vom 17.1.2008 den Einspruch des Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid der Zentralen Bußgeldstelle im Bayerischen Polizeiverwaltungsamt vom 17.7.2006 (Az.: D-7090-047629-06/0) wegen Verspätung als unzulässig verworfen.

Da eine Zustellung des Bußgeldbescheides nicht möglich war, hatte die Zentrale Bußgeldstelle am 16.11.2006 die öffentliche Zustellung des Bußgeldbescheides verfügt. Mit Schreiben vom 30.7.2007 beantragte der Verteidiger des Betroffenen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legte zugleich Einspruch ein. Mit Verfügung vom 1.8.2007 gewährte die Zentrale Bußgeldstelle Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und half dem Einspruch nicht ab. Mit Schreiben vom 5.11.2007 erläuterte die Zentrale Bußgeldstelle gegenüber dem Amtsgericht die Wiedereinsetzung dahingehend, dass sie das Vorbringen des Betroffenen, er habe bis zu einem Anruf der Polizei am 24.7.2007 keine Kenntnis vom Bußgeldbescheid gehabt, für glaubhaft erachtet habe und deshalb großzügig Wiedereinsetzung gewährt habe, um diesem nicht den ersten Zugang zum Gericht zu verwehren.

Das Amtsgericht Memmingen ging hiervon abweichend von einer Zustellung des Bußgeldbescheides durch Einlegung in den Briefkasten am 29.8.2006 aus, so dass der am 30.7.2007 eingegangene Einspruch verspätet war. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung hielt es im Gegensatz zur Verwaltungsbehörde nicht für erfüllt, so dass es den Einspruch verwarf. Das Amtsgericht Memmingen vertritt die Meinung, dass es an eine rechtsfehlerhafte Entscheidung der Verwaltungsbehörde, insbesondere wenn diese willkürlich und ohne Begründung erfolgt sei, nicht gebunden sei. Nach Artikel 20 Abs. 3 des Grundgesetzes sei die Verwaltung an Gesetz und Recht gebunden. Artikel 19 Abs. 4 GG mache den Rechtsweg von der Einhaltung formaler Voraussetzungen abhängig, die vorliegend nicht erfüllt seien. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Beschluss vom 17.1.2008 Bezug genommen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Betroffene mit seiner sofortigen Beschwerde vom 19.2.2008. Zur Begründung führt der Verteidiger aus, dass die stattgebende Entscheidung der Bußgeldbehörde über die Wiedereinsetzung nicht der Überprüfung durch das Amtsgericht unterliege. Da die Bußgeldbehörde Wiedereinsetzung gewährt habe, sei der Einspruch zulässig. Das Amtsgericht habe keine Befugnis, nicht anfechtbare Entscheidungen der Bußgeldbehörde aufzuheben und anders zu bewerten.

II.

Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Nach § 52 Abs. 2 OWiG entscheidet über die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Verwaltungsbehörde. Die Verwaltungsbehörde gewährt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, wenn sie den Antrag für zulässig und begründet hält. Die Entscheidung bedarf keiner Begründung. Sie ist aktenkundig zu machen und dem Antragsteller formlos mitzuteilen. Die Wiedereinsetzung durch die Verwaltungsbehörde ist entgegen der vom Amtsgericht Memmingen vertretenen Ansicht unanfechtbar und unwiderruflich. Sie kann nicht zurückgenommen oder aufgehoben werden, auch wenn sie fehlerhaft ist. Die Bindungswirkung erstreckt sich auf das gerichtliche Bußgeldverfahren, so dass nach gewährter Wiedereinsetzung der Einspruch als zulässig anzusehen ist (vgl. Karlsruher Kommentar, OWiG, 3. Aufl., § 52 Rdziff. 34-36).

§ 52 Abs. 2 OWiG weist der Verwaltungsbehörde die primäre Zuständigkeit für das Wiedereinsetzungsverfahren zu. Die Entscheidung über die Wiedereinsetzung ist mit Verfügung vom 1.8.2007 aktenkundig gemacht. Der Verteidiger hat seinen Antrag mit Schriftsatz vom 30.7.2007, bei der Zentralen Bußgeldstelle eingegangen am 31.7.2007, gestellt und begründet. Ob die Gewährung der Wiedereinsetzung rechtlich zutreffend ist, obliegt nicht der Überprüfung durch das Amtsgericht. Eine Entscheidung zulasten des Betroffenen, wie sie das Amtsgericht in seiner ausführlichen und interessanten Begründung getroffen hat, ist zur Überzeugung der Beschwerdekammer nach der in § 52 Abs. 2 OWiG vorgegebenen Rechtslage nicht möglich. Dass diese Regelung im Einzelfall zu Schwierigkeiten in der Praxis führt, sieht die Beschwerdekammer. Die Rechtslage verbietet jedoch eine Abänderung der unanfechtbaren Entscheidung der Verwaltungsbehörde durch das Amtsgericht.

Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat das Amtsgericht bei der Sachentscheidung mit zu entscheiden.

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