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Bußgeldverfahren – Absehen von Fahrverbot nach § 25 StVG

OLG Karlsruhe – Az.: 1 Rb 36 Ss 778/22 – Beschluss vom 17.01.2023

In dem Bußgeldverfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeit hat das Oberlandesgericht Karlsruhe – 1. Senat für Bußgeldsachen – am 13. Januar 2023 beschlossen:

1. Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 19. September 2022 im Schuldspruch klarstellend ergänzt und im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass die Betroffene wegen fahrlässigen Rotlichtverstoßes bei schon länger als 1 Sekunde andauernder Rotphase eines Wechsellichtzeichens zu einer Geldbuße von 200,00 Euro verurteilt wird.

2. Die Kosten dieses Rechtsbeschwerdeverfahrens und die der Betroffenen insoweit entstan-denen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse.

Zusammenfassung

Betroffene gewinnt Rechtsbeschwerde wegen Rotlichtverstoß.

Das Amtsgericht Karlsruhe hat eine Frau wegen fahrlässigen Rotlichtverstoßes zu einer Geldbuße von 400 Euro verurteilt. Die Frau hatte dagegen eine Rechtsbeschwerde eingelegt, die nun erfolgreich war. Wie aus dem Urteil hervorgeht, hatte die Frau die Rechtsbeschwerde auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt und lediglich die Erhöhung der im Bußgeldkatalog vorgesehenen Regelgeldbuße angegriffen. Die Generalstaatsanwaltschaft hatte zwar einen Rechtsfehler bei der Rechtsfolgenbemessung gesehen, jedoch hatte das Amtsgericht die Rechtsbeschwerde zulässigerweise auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.

Die Entscheidung des Gerichts entspricht damit dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe. Bei der Rechtsfolgenbemessung hat das Amtsgericht jedoch einen Rechtsfehler begangen, da es nicht berücksichtigt hatte, dass ein Absehen von einem Fahrverbot auch dann in Betracht kommt, wenn dessen Verhängung aufgrund von Zeitabläufen nicht mehr geboten erscheint. Da die zu ahndende Tat mehr als zwei Jahre zurückliegt und die Verfahrensverzögerungen nicht in der Sphäre der Betroffenen liegen, kann der Senat nach § 79 Abs. 6 OWiG die Geldbuße selbst festsetzen. Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 3 StPO.

Gründe

Mit Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 19.09.2022 wurde die Betroffene wegen fahrlässigen Rotlichverstoßes zu einer Geldbuße von 400,00 € verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützte und von vornherein auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte Rechtsbeschwerde der Betroffenen hiergegen hat vollen Erfolg. Entgegen der Einschätzung der Generalstaatsanwaltschaft in ihrem Antrag vom 13.12.2022, auf den wegen der Einzelheiten des Verfahrens Bezug genommen wird, wurde die gegen das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 19.09.2022 durch ihren Verteidiger form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde der Betroffenen – was der Verteidiger mit Schriftsatz vom 30.12.2022 auch nochmals klargestellt hat – konkludent auf den Rechtsfolgen-ausspruch beschränkt, als allein die Erhöhung der im Bußgeldkatalog für den qualifizierten Rotlichverstoß vorgesehenen Regelgeldbuße (von 200 Euro auf 400 Euro) angegriffen wurde. In der Rechtsbeschwerdebegründung vom 17.11.2022 ist abschließend auch mitgeteilt, dass gegen die Festsetzung einer Geldbuße, welche 200 Euro nicht übersteigt, durch den Senat (§79 Abs. 6 OWiG) keine Bedenken bestünden.

Die Entscheidung entspricht im Übrigen dem Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Karlsruhe, welche in ihrer Zuschrift vom 13.12.2022 in Bezug auf die Rechtsfolgenbemessung folgendes ausgeführt hat:

„b) Die Rechtsfolgenbemessung ist jedoch rechtsfehlerhaft.

Die für und gegen den Betroffenen sprechenden Gesichtspunkte nach dem in der Hauptverhandlung gewonnenen Gesamteindruck gegeneinander abzuwägen, ist grundsätzlich Aufgabe des Ta-trichters (vgl. BGH, Urteil v. 28.03.2013,- 4 StR 467/12 -, BeckRS 2013, 6623). In die Zumessung des Tatrichters darf das Rechtsbeschwerdegericht nur bei Vorliegen eines Rechtsfehlers eingreifen (Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung/Kuckein/Bartel, 8. Aufl. 2019. StPO, § 267, Rn. 25). Die Urteilsgründe müssen jedoch so beschaffen sein, dass das Rechtsbeschwerdegericht prüfen kann, welche Erwägungen gemäß § 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 3 StPO für die Wahl und die Bemessung der Geldbuße und der sonstigen Rechtsfolgen maßgebend waren (BeckOK OWiG/Hettenbach, 33. Ed. 01.01.2022, OWiG, § 71 Rn. 81).

Das Amtsgericht hat sich bei der Rechtsfolgenbemessung zunächst im Ausgangspunkt zutreffend an den Sätzen der Nummer 132.3 der Bußgeldkatalog-Verordnung in der zur Tatzeit geltenden Fassung orientiert, die eine Geldbuße von 200,00 EUR und ein Fahrverbot von einem Monat vorsieht. Das Amtsgericht ist zudem zutreffend davon ausgegangen, dass grundsätzlich die Vor-aussetzungen des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 3BKatV vorliegen, die eine grobe Pflichtverletzung im Sinne des § 25 Abs. 1 S. 1 StVG und die Erforderlichkeit und Angemessenheit eines Regelfahrverbotes von einem Monat indizieren. Ebenso zutreffend ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass ein Absehen von einem Regelfahrverbot nicht aufgrund eines Augenblickversagens angenommen werden kann (vgl. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 02.08.2021, 1 Rb 34 Ss 457/21 -).

Das Amtsgericht hat sich jedoch nicht damit auseinandergesetzt, dass ein Absehen von einem Fahrverbot nach § 25 StVG auch dann in Betracht kommt, wenn dessen Verhängung aufgrund Zeitablaufs nicht mehr geboten erscheint, weil dessen Erziehungsfunktion die warnende Wirkung des Fahrverbots nicht mehr erfordert (vgl. BVerfGE 27, 36; OLG Stuttgart BeckR.S 2017, 101244; BeckOK OWiG/Euler, 36. Ed. 01.10.2022, § 25, Rn. 6). Voraussetzung hierfür ist, dass die zu ahndende Tat lange (in der Regel mehr als zwei Jahre) zurückliegt, dass die für die lange Verfahrensdauer maßgeblichen Umstände außerhalb des Einflussbereiches des Betroffenen liegen und dieser sich in der Zwischenzeit verkehrsgerecht verhalten hat (OLG Zweibrücken BeckRS 2017, 133176; OLG Celle NZV 2011, 46; OLG Jena NZV 2008, 165 mwN: BeckOK OWiG/Euler, aaO). Vorliegend waren seit der Tat vom 22.05.2020 bis zum Urteil des Amtsgerichts am 19.09.2022 2 Jahre und 4 Monate vergangen. Ausweislich des Urteils ist die Betroffene verkehrsrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten. Die Ursachen der erheblichen Verfahrensverzögerungen sind nicht der Sphäre der Betroffenen zuzurechnen Aufgrund des erheblichen Zeitablaufs kam daher die Verhängung eines Fahrverbots nicht in Betracht. Damit liegen bereits die Tatbestandsvoraussetzungen des § 25 StVG nicht vor, sodass es für die vom Amtsgericht vorgenommene Anwendung des § 4 Abs. 4 BKatV, die zur Erhöhung der Regelgeldbuße geführt hat, keine Grundlage mehr gibt (vgl. NK-GVR/Krumm. 3. Aufl. 2021, StVG, § 25. Rn.12).

Da ausgeschlossen erscheint. dass insoweit bei einer Zurückverweisung weitergehende Fest-stellungen getroffen werden können, die nicht zu einem Absehen von der Verhängung eines Fahr-verbots wegen des Zeitablaufs seit der Tat führen würden. kann der Senat nach § 79 Abs. 6 OWiG die Geldbuße auf den Regelbetrag von 200,00 Euro selbst festsetzen.“

Dieser Bewertung schließt sich der Senat an und entscheidet, da weitere ergänzende Feststellungen nicht erforderlich und auch nicht zu erwarten sind (entsprechend auch dem in der Rechtbeschwerdebegründung vorn 17.11.2022 gestellten Antrag), gem. § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst. Um dem Erfordernis, den Tatbestand „präzise und für die Prozessbeteiligten und die Öffentlichkeit griffig und verständlich zu bezeichnen“ (Stuckenberg in KMR StPO, 23. EL, § 260 Rn. 43) und damit seiner Funktion, ,,als Grundlage für die Vollstreckung und die Eintragung in das …Verkehrszentralregister“ [nunmehr Fahreignungsregister zu dienen (Thüringer OLG, Beschluss vorn 23.09.2010 – 1 Ss Bs 17/11), Rechnung zu tragen, war der Tenor des Urteils im Schuldspruch dahingehend zu ergänzen. dass er erkennen lässt, dass es sich nach den rechtskräftigen Urteilsgründen (vgl. UA unter II., III., IV.) um einen sogenannten fahrlässigen qualifizierten Rotlichtverstoß (d.h. als Kfz-Führer rotes Wechsellichtzeichen bei schon länger als eine Sekunde andauernder Rotphase fahrlässig nicht befolgt) handelt. Die gebotene Schuldspruchergänzung konnte der Senat auf die zulässige Rechtsbeschwerde der Betroffenen hin selbst vornehmen, da sich in den Urteilsgründen dazu ausreichende und in sich widerspruchsfreie tatsächliche Fest-stellungen befinden und ausgeschlossen werden kann, dass die Betroffene sich gegen den ergänzten Schuldvorwurf anders hätte verteidigen können (Meyer-Goßner/Schmitt, 65. Aufl. 2022, § 354 Rn. 33; Göhler, OWiG, 18. Aufl. 2021, § 79 Rn. 45d, jeweils mwN).

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 3 StPO (vgl. Maier, Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2019, § 473 Rn. 147 mwN).

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