Skip to content
Menü

Bußgeldverfahren – Absehen von Fahrverbot bei langem Zeitablauf

Über drei Jahre nach einer drastischen Geschwindigkeitsüberschreitung hebt das Oberlandesgericht Hamm ein verhängtes Fahrverbot wieder auf. Das Gericht sieht den erzieherischen Effekt eines Fahrverbots nach so langer Zeit als fraglich an. Zudem hatte die Vorinstanz die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen nur unzureichend ermittelt.

➔ Zum vorliegenden Urteil Az.: III-5 RBs 331/22 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Hilfe anfordern


✔ Der Fall: Kurz und knapp

  • Der Betroffene wurde wegen einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 1.800 Euro und einem dreimonatigen Fahrverbot verurteilt.
  • Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen wurden nicht ausreichend dargelegt, obwohl diese für die Bemessung der Geldbuße relevant waren.
  • Es wurden keine ausreichenden Feststellungen zu den Einkünften aus den Betrieben des Betroffenen getroffen.
  • Das Gericht hat den Besitz eines teuren Fahrzeugs als Indiz für gute wirtschaftliche Verhältnisse gewertet, ohne zu klären, ob das Fahrzeug gekauft oder geleast war.
  • Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen war erfolgreich, da das Urteil in Bezug auf die Geldbuße und das Fahrverbot Rechtsfehler aufwies.
  • Das Fahrverbot wurde aufgehoben, weil zwischen Tat und Urteil fast drei Jahre lagen und kein weiteres Fehlverhalten des Betroffenen festgestellt wurde.
  • Ein Fahrverbot hat nach langer Zeit seinen erzieherischen Zweck verloren und ist daher nicht mehr gerechtfertigt.
  • Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Hattingen zurückverwiesen.

Langes Verfahren lässt Fahrverbot nach Geschwindigkeitsüberschreitung wegfallen

Verkehrsdelikte und die daraus resultierenden rechtlichen Konsequenzen sind häufig Gegenstand kontroverser Diskussionen. Eines der zentralen Themen in diesem Bereich ist das Bußgeldverfahren, insbesondere wenn es um die Verhängung von Fahrverboten geht. In der Praxis zeigt sich, dass die Dauer des Verfahrens eine entscheidende Rolle spielen kann. In manchen Fällen kann das lange Verstreichen der Zeit dazu führen, dass von einem Fahrverbot abgesehen wird – ein Thema, das in der Rechtsprechung immer wieder aufgegriffen wird. Im Folgenden werden wir einen konkreten Fall beleuchten und analysieren, in dem genau diese Problematik eine zentrale Rolle spielte.

Vermeiden Sie ein unnötiges Fahrverbot – Handeln Sie jetzt!

Stehen Sie vor dem Problem eines drohenden Fahrverbots und wissen nicht, wie Sie sich am besten wehren können? Die Unsicherheit und der Stress, die damit einhergehen, sind verständlich. Wir sind Experten in der Verteidigung von Verkehrsdelikten und kennen die Feinheiten der Rechtsprechung, die Ihnen helfen können, Ihre Fahrerlaubnis zu behalten. Lassen Sie uns Ihre Situation gemeinsam analysieren – fordern Sie noch heute eine unverbindliche Ersteinschätzung an und profitieren Sie von unserer Erfahrung, um Ihre rechtlichen Herausforderungen effektiv zu bewältigen. Ihre nächste Entscheidung könnte entscheidend sein!

Ersteinschätzung anfordern

✔ Der Fall vor dem Das Oberlandesgericht Hamm


Fahrverbot nach drei Jahren wegen überhöhter Geschwindigkeit aufgehoben

Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem Beschluss vom 17.01.2023 entschieden, dass ein vom Amtsgericht Hattingen verhängtes dreimonatiges Fahrverbot aufgehoben wird. Der Betroffene wurde wegen einer am 30.07.2019 begangenen vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 1.800 Euro verurteilt. Zwischen der Tat und dem Urteil lagen über drei Jahre.

Unzureichende Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen

Das Amtsgericht hatte die Regelgeldbuße von 600 Euro unter Berücksichtigung der als gut bis sehr gut angenommenen wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen auf 1.800 Euro erhöht. Diese Annahme wurde laut OLG jedoch durch die getroffenen Feststellungen nicht ausreichend belegt. Es fehlten aussagekräftige Umstände zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Betroffenen.

Das Amtsgericht hatte festgestellt, dass der Betroffene Inhaber eines Gastronomie- und Taxibetriebs ist und seinen steuerlichen Pflichten nachkommt. Zudem fährt er einen Audi R8 im Wert von ca. 150.000 Euro. Ob der Betroffene tatsächlich Eigentümer des Fahrzeugs ist oder es nur geleast hat, wurde jedoch nicht geklärt.

Kein erzieherischer Effekt des Fahrverbots nach langer Zeit

Die Generalstaatsanwaltschaft führte aus, dass das Fahrverbot vor allem eine Erziehungsfunktion hat und als „Denkzettel“ dienen soll. Dieser Sinn kann jedoch verloren gehen, wenn die Tat lange zurückliegt und die Verzögerung nicht vom Betroffenen zu verantworten ist. Nach der Rechtsprechung wird der Sinn eines Fahrverbots oft in Frage gestellt, wenn die Tat mehr als zwei Jahre zurückliegt.

Im vorliegenden Fall vergingen zwischen Tat und Urteil sogar über drei Jahre, ohne dass der Betroffene maßgeblich für die Verzögerung verantwortlich war. Zudem wurde kein weiteres Fehlverhalten im Straßenverkehr festgestellt. Der Senat schloss sich der Auffassung an, dass das Fahrverbot hier keinen erzieherischen Effekt mehr haben kann.

Urteil aufgehoben und zurückverwiesen

Aufgrund der festgestellten Rechtsfehler wurde das Urteil des Amtsgerichts im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen. Eine bloße Milderung des Fahrverbots kam aufgrund des deutlich überschrittenen 2-Jahres-Zeitraums nicht in Betracht. Das Verfahren wird nun beim Amtsgericht neu aufgerollt.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Ein Fahrverbot verliert seine erzieherische Wirkung, wenn zwischen Tat und Urteil ein zu langer Zeitraum liegt. Bei der Bemessung einer erhöhten Geldbuße müssen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen durch aussagekräftige Feststellungen belegt werden. Die Entscheidung zeigt, dass Gerichte bei der Verhängung von Rechtsfolgen sowohl den Sinn und Zweck der Maßnahme als auch eine ausreichende Tatsachengrundlage berücksichtigen müssen.


✔ FAQ – Häufige Fragen

Das Thema: Fahrverbot wirft bei vielen Lesern Fragen auf. Unsere FAQ-Sektion bietet Ihnen wertvolle Insights und Hintergrundinformationen, um Ihr Verständnis für dieses Thema zu vertiefen. Weiterhin finden Sie in der Folge einige der Rechtsgrundlagen, die für dieses Urteil wichtig waren.


Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit ein Fahrverbot ausgesprochen werden kann?

Ein Fahrverbot kann in Deutschland unter bestimmten Voraussetzungen ausgesprochen werden. Diese sind im Straßenverkehrsgesetz (StVG) und im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt.

Straßenverkehrsgesetz (StVG):
Ein Fahrverbot nach § 25 StVG kann verhängt werden, wenn eine Person eine Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr begeht. Dies umfasst Verstöße wie Geschwindigkeitsüberschreitungen, Abstandsverstöße oder das Fahren unter Alkoholeinfluss. Das Fahrverbot wird in der Regel für die Dauer von einem bis drei Monaten ausgesprochen. Es wird wirksam, sobald die Bußgeldentscheidung rechtskräftig ist und der Führerschein in amtliche Verwahrung gelangt. Bei ausländischen Führerscheinen wird das Fahrverbot durch einen Vermerk im Führerschein dokumentiert.

Strafgesetzbuch (StGB):
Nach § 44 StGB kann ein Fahrverbot auch als Nebenstrafe zu einer Freiheits- oder Geldstrafe verhängt werden. Dies ist möglich, wenn die Straftat im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeugs steht oder wenn das Fahrverbot zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung erforderlich erscheint. Das Fahrverbot kann hier für die Dauer von einem Monat bis zu sechs Monaten ausgesprochen werden. Es wird wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt.

Besonderheiten für Ausländer:
Für Ausländer mit Wohnsitz außerhalb Deutschlands wird das Fahrverbot durch einen Aufkleber im Führerschein vermerkt. Der Führerschein muss dafür bei der zuständigen Behörde eingereicht werden. Bei einem Wohnsitz in Deutschland wird der Führerschein für die Dauer des Fahrverbots amtlich verwahrt.

Beispiele:
Ein Fahrer, der innerorts die zulässige Höchstgeschwindigkeit um mehr als 30 km/h überschreitet, kann ein Fahrverbot von einem Monat erhalten. Ein Fahrer, der unter Alkoholeinfluss fährt, kann ebenfalls ein Fahrverbot erhalten, das in der Regel drei Monate dauert.

Wichtig: Ein Fahrverbot gilt nur im Land, in dem es verhängt wurde. Das bedeutet, dass ein in Deutschland verhängtes Fahrverbot grundsätzlich nur in Deutschland gilt. Allerdings kann das Fahren ohne gültigen Führerschein in anderen Ländern ebenfalls strafbar sein, wenn die ausländischen Behörden dies feststellen.


Hat man als Betroffener immer die Möglichkeit, ein Fahrverbot zu vermeiden?

Ein Fahrverbot kann unter bestimmten Umständen vermieden werden, jedoch ist dies nicht immer möglich und hängt stark vom Einzelfall ab. Ersttäter haben oft bessere Chancen, ein Fahrverbot in ein höheres Bußgeld umzuwandeln. Dies ist besonders dann möglich, wenn keine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer vorlag oder wenn der Verstoß durch Augenblicksversagen geschah, wie etwa bei einem Rotlichtverstoß, der durch einen kurzen Moment der Unachtsamkeit verursacht wurde.

Härtefälle sind eine weitere Möglichkeit, ein Fahrverbot zu umgehen. Wenn der Verlust des Führerscheins die berufliche Existenz gefährdet, kann das Fahrverbot in ein höheres Bußgeld umgewandelt werden. Dies gilt insbesondere, wenn der Betroffene nachweisen kann, dass er auf das Fahrzeug angewiesen ist und keine zumutbaren Alternativen wie öffentliche Verkehrsmittel zur Verfügung stehen.

Bei Alkohol- oder Drogenverstößen sowie bei wiederholten Verstößen sind die Chancen, ein Fahrverbot zu umgehen, deutlich geringer. In solchen Fällen wird in der Regel keine Umwandlung in ein Bußgeld vorgenommen.

Ein Einspruch gegen das Fahrverbot kann ebenfalls eingelegt werden, insbesondere wenn formale Fehler im Bußgeldbescheid vorliegen oder wenn der Verstoß nicht eindeutig nachgewiesen werden kann. Hierbei ist der Beistand eines Anwalts ratsam, um die Erfolgsaussichten zu prüfen und den Einspruch juristisch korrekt zu formulieren.

Falsche Angaben über den Fahrer, der den Verstoß begangen hat, sind nicht zu empfehlen, da dies als falsche Verdächtigung strafbar ist und zu einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren führen kann.

Insgesamt ist es ratsam, bei drohendem Fahrverbot einen Anwalt zu konsultieren, um die individuellen Möglichkeiten und Erfolgsaussichten zu prüfen.


Welche Rolle spielt die Dauer zwischen Tat und Urteil bei der Anordnung eines Fahrverbots?

Die Dauer zwischen der Tat und dem Urteil spielt eine wesentliche Rolle bei der Anordnung eines Fahrverbots. Ein Fahrverbot dient als erzieherische Maßnahme, um den Betroffenen zu einem verkehrsgerechten Verhalten zu bewegen. Wenn jedoch eine lange Zeitspanne zwischen der Tat und der gerichtlichen Entscheidung liegt, kann der erzieherische Zweck des Fahrverbots in Frage gestellt werden.

Ein Zeitraum von zwei Jahren zwischen der Tat und der letzten tatrichterlichen Entscheidung wird oft als kritischer Punkt betrachtet. In solchen Fällen muss sorgfältig geprüft werden, ob das Fahrverbot noch seinen erzieherischen Zweck erfüllt. Die Gerichte müssen dabei berücksichtigen, ob der Betroffene sich in der Zwischenzeit verkehrsgerecht verhalten hat und ob die lange Verfahrensdauer außerhalb seines Einflussbereichs lag.

Die Rechtsprechung zeigt, dass bei einer Verfahrensdauer von über zwei Jahren besondere Umstände vorliegen müssen, um die Notwendigkeit eines Fahrverbots zu rechtfertigen. In einigen Fällen wird bereits bei einer Verfahrensdauer von eineinhalb Jahren die erzieherische Wirkung des Fahrverbots in Frage gestellt.

Wichtig ist auch, dass die Zeit, die zwischen dem angefochtenen Urteil und der Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts vergeht, grundsätzlich nicht berücksichtigt wird. Es kommt hauptsächlich auf den Zeitraum zwischen der Tatbegehung und der letzten tatrichterlichen Entscheidung an.

Eine lange Verfahrensdauer kann dazu führen, dass von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen wird, wenn der erzieherische Zweck nicht mehr erreicht werden kann. Dies hängt jedoch von den spezifischen Umständen des Einzelfalls ab.


Welche Argumente kann man vorbringen, um ein Fahrverbot zu umgehen?

Um ein Fahrverbot zu umgehen, gibt es mehrere Argumente, die vorgebracht werden können. Ein häufig genutztes Argument ist das sogenannte Augenblicksversagen. Dies liegt vor, wenn der Verkehrsverstoß auf einer momentanen Unaufmerksamkeit oder einem Missverständnis beruht, wie etwa das Übersehen eines Verkehrsschildes oder einer Ampel aufgrund schlechter Sichtverhältnisse. In Ihrem Fall könnte die schlechte Sicht durch Dunkelheit und Sprühregen als mildernder Umstand geltend gemacht werden.

Ein weiteres Argument ist der Härtefall. Hierbei muss nachgewiesen werden, dass das Fahrverbot zu einer unzumutbaren Härte führen würde. Für Berufskraftfahrer wie Taxifahrer, die auf ihren Führerschein angewiesen sind, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen, kann dies zutreffen. Es muss jedoch überzeugend dargelegt werden, dass keine zumutbaren Alternativen, wie die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, zur Verfügung stehen.

Ein vermeidbarer Verbotsirrtum kann ebenfalls ein Argument sein. Dies liegt vor, wenn der Betroffene glaubhaft machen kann, dass er sich über die Rechtslage geirrt hat und dieser Irrtum vermeidbar war.

In einigen Fällen kann auch die lange Zeitspanne zwischen dem Verkehrsverstoß und dem Urteil als Argument dienen. Wenn viel Zeit vergangen ist, kann dies die Strenge der Maßnahme mildern.

Es ist ratsam, einen Anwalt für Verkehrsrecht hinzuzuziehen, um die Erfolgsaussichten zu erhöhen und die Argumente juristisch sauber zu formulieren. Ein Anwalt kann auch dabei helfen, den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid fristgerecht einzulegen, was eine Voraussetzung für die Prüfung der genannten Argumente ist.


Wie beeinflussen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen die Höhe der Geldbuße und die Verhängung eines Fahrverbots?

Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen können die Höhe der Geldbuße und die Verhängung eines Fahrverbots erheblich beeinflussen. Laut § 17 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) dürfen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Täters bei der Bemessung der Geldbuße berücksichtigt werden. Dies gilt sowohl für außergewöhnlich gute als auch besonders schlechte Verhältnisse. Bei geringfügigen Ordnungswidrigkeiten bleiben diese Verhältnisse jedoch in der Regel unberücksichtigt, es sei denn, sie sind außergewöhnlich gut oder schlecht.

  • Beispiel: Ein arbeitsloser Betroffener, der eine Geldbuße von 1.000 Euro nicht leisten kann, könnte eine reduzierte Geldbuße erhalten, wie in einem Fall, in dem die Geldbuße auf 500 Euro gesenkt wurde, weil der Betroffene Leistungen nach dem SGB XII erhielt.
  • Zahlungserleichterungen: Wenn es dem Betroffenen aufgrund seiner wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zumutbar ist, die Geldbuße sofort zu zahlen, kann ihm eine Zahlungsfrist oder die Zahlung in Raten gewährt werden. Dies ist in § 18 OWiG geregelt.
  • Fahrverbot: Die wirtschaftlichen Verhältnisse können auch die Verhängung eines Fahrverbots beeinflussen. In Ausnahmefällen kann von einem Fahrverbot abgesehen werden, wenn dies unverhältnismäßig wäre. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn der Betroffene aufgrund seiner wirtschaftlichen Lage besonders hart getroffen würde.

Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen spielen eine wichtige Rolle bei der Festsetzung der Geldbuße und können auch die Entscheidung über ein Fahrverbot beeinflussen. Gerichte berücksichtigen diese Verhältnisse, um sicherzustellen, dass die Sanktionen verhältnismäßig und gerecht sind.


§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 25 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Das Fahrverbot als Nebenfolge ist vorgesehen zur Ahndung schwerwiegender oder wiederholter Verkehrsverstöße. Bei erheblichen zeitlichen Verzögerungen verliert das Fahrverbot seine erzieherische Wirkung, was im vorliegenden Fall relevant ist.
  • § 79 OWiG (Ordnungswidrigkeitengesetz): Regelungen zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde, die im vorliegenden Fall angewendet wurde, um das ursprüngliche Urteil des Amtsgerichts anzufechten und eine erneute Verhandlung zu erzwingen.
  • § 17 OWiG: Die Bestimmung zur Bemessung der Geldbuße berücksichtigt die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen, weshalb das Gericht hier auch die finanziellen Umstände des Betroffenen, einschließlich seines Fahrzeugs, überprüfen musste.
  • Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH): Beinhaltet die allgemeine Rechtsauffassung, dass die erzieherische Wirkung eines Fahrverbots in Frage gestellt wird, wenn zwischen Tat und Urteil mehr als zwei Jahre liegen – was hier zutraf, da über drei Jahre vergangen waren.
  • Verhältnismäßigkeitsgrundsatz: Ein allgemeines Gebot des deutschen Verfassungsrechts, das im vorliegenden Fall zur Prüfung führte, ob das Fahrverbot noch eine verhältnismäßige Ahndung darstellt, was verneint wurde.
  • Erziehungsfunktion des Fahrverbots: Der pädagogische Aspekt des Fahrverbots, der laut Generalstaatsanwaltschaft und Gericht nach langer Zeit erlischt und somit seinen Zweck als „Denkzettel“ verfehlt.
  • Eigentumsverhältnisse und finanzielle Leistungsfähigkeit: Das Gericht muss klären, ob der Betroffene tatsächlich der Eigentümer des Fahrzeugs ist oder es nur geleast hat, da dies die Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse beeinflusst und somit auch die Höhe der Geldbuße.
  • Prozessuale Verzögerung: Wenn der Betroffene nicht für die Verzögerung im Verfahren verantwortlich ist, kann dies zugunsten des Betroffenen gewertet werden, wie im vorliegenden Fall, wo das Gericht feststellte, dass die dreijährige Verzögerung vom Betroffenen nicht verschuldet war.


⇓ Das vorliegende Urteil vom Das Oberlandesgericht Hamm

OLG Hamm – Az.: III-5 RBs 331/22 – Beschluss vom 17.01.2023

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Hattingen zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Hattingen hat den Betroffenen mit Urteil vom 12.05.2021 wegen einer am 30.07.2019 begangenen vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 1.800,00 Euro verurteilt und gegen ihn ein dreimonatiges Fahrverbot unter Gewährung von Vollstreckungsaufschub angeordnet.

Auf die hiergegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat der Senat mit Beschluss vom 02.11.2021 das Urteil wegen fehlender Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Amtsgericht Hattingen zurückverwiesen. Die weitergehende Rechtsbeschwerde hat der Senat verworfen.

Mit weiterem Urteil vom 27.07.2022 hat das Amtsgericht Hattingen den Betroffenen daraufhin unter Bewilligung von Zahlungserleichterungen erneut zu einer Geldbuße von 1.800 EUR verurteilt und gegen ihn zugleich ein Fahrverbot von drei Monaten unter Gewährung von Vollstreckungsaufschub angeordnet.

Zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen hat das Amtsgericht festgestellt, dass dieser über Einnahmen aus Gewerbebetrieben verfüge, da er Inhaber des Gastronomiebetriebes sowie eines Taxibetriebes sei. Seinen steuerlichen Verpflichtungen komme er nach. Zudem verfüge er über einen Steuerberater und fahre einen Audi R8 (Anschaffungskosten in Höhe von ca. 150.000 EUR). Auch wenn das Fahrzeug nur gemietet oder geleast sein sollte, sei von guten bis sehr guten wirtschaftlichen Verhältnisses des Betroffenen auszugehen. Die Geldbuße in Höhe von 1.800 EUR hat das Amtsgericht unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen bemessen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit welcher er die Verletzung materiellen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde mit der Maßgabe zu verwerfen, dass das Fahrverbot entfällt.

II.

Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Nr. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde ist form- und fristgerecht (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i. V. m. §§ 341 Abs. 1, 345 Abs. 1 StPO) angebracht und begründet worden. Sie hat auf die Sachrüge hin Erfolg und führt – nachdem der Schuldspruch bereits in Rechtskraft erwachsen ist – zur Aufhebung des Urteils im Rechtsfolgenausspruch mit den getroffenen Feststellungen sowie zur Zurückverweisung an das Amtsgericht Hattingen.

1)

Das Urteil weist sowohl in Bezug auf die Bemessung der Geldbuße als auch hinsichtlich der Anordnung des Fahrverbots den Betroffenen beschwerende Rechtsfehler auf.

a)

Bei der Bemessung der Geldbuße in Höhe von 1.800 EUR hat das Amtsgericht die für den Ordnungswidrigkeitentatbestand vorgesehene Regelgeldbuße in Höhe von 600 EUR nicht nur im Hinblick auf die vorsätzliche Begehungsweise und die Bedeutung des Tatvorwurfs sondern ausdrücklich auch unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen auf 1.800 EUR erhöht. Hierbei ist es von guten bis sehr guten wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen ausgegangen. Diese Annahme wird indes durch die insoweit getroffenen Feststellungen nicht belegt.

Sind nähere Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen wegen der wesentlichen Erhöhung der Regelgeldbuße – hier von 600 EUR auf 1.800 EUR – erforderlich oder werden die überdurchschnittlichen wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen als bußgelderhöhend gewertet, bedarf es im Urteil der Darlegung aussagekräftiger Umstände, die die Leistungsfähigkeit des Betroffenen beurteilen lassen (vgl. OLG Bamberg Beschluss vom 12.07.2007 – 3 Ss OWi 170/07, BeckRS 2007, 12701 Rn. 11, beck-online). Hieran fehlt es indes.

aa)

Soweit im Urteil dargelegt wird, dass der Betroffene Inhaber eines Gastronomie- sowie eines Taxibetriebes ist und seinen steuerlichen Verpflichtungen nachkomme, lassen diese Umstände keine sicheren Rückschlüsse auf überdurchschnittliche Einkommens- und Vermögensverhältnisse zu. Zu den Ertragssituationen der beiden Unternehmen sind keine Feststellungen getroffen worden, so dass sich nicht einmal in Ansätzen beurteilen lässt, in welchem Umfang der Betroffene durch diese Einnahmen erzielt.

bb)

Soweit im Urteil weiterhin darauf abgestellt wird, dass der Betroffene einen Audi R8 mit Anschaffungskosten in Höhe von ca. 150.000 EUR fahre, bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob der Kauf oder Leasing eines solchen Fahrzeugs einen Lebenszuschnitt belegen, der die Annahme überdurchschnittlicher wirtschaftlicher Verhältnisse rechtfertigt. Denn das Amtsgericht hat gerade keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Betroffene Eigentümer des Fahrzeugs ist oder dieses geleast hat. Es ist daher nicht ausgeschlossen, dass der Betroffene – wie in der Rechtsbeschwerdebegründung behauptet – nicht Eigentümer des Fahrzeugs ist, sondern dass dieses dessen Bruder gehört und er sich das Fahrzeug nur geliehen hatte.

b)

Hinsichtlich der Anordnung des Fahrverbotes hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Antragsschrift unter anderem ausgeführt:

„Das Fahrverbot nach § 25 Abs. 1 StVG hat nach der gesetzgeberischen Intention in erster Linie eine Erziehungsfunktion. Es ist als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme gedacht und ausgeformt (zu vgl. BVerfGE 27, 36 [42] = NJW 1969, 1623) und kann als solche seinen Sinn verloren haben, wenn die zu ahnende Tat lange zurückliegt, die für die lange Verfahrensdauer maßgeblichen Umstände außerhalb des Einflussbereichs des Betroffenen liegen und in der Zwischenzeit kein weiteres Fehlverhalten des Betroffenen im Straßenverkehr festgestellt worden ist (zu vgl. BayObLG, NZV 2004, 210; OLG Köln, NZV 2004, 422; OLG Celle, VRS 108, 118; KG, VRS 113, 69; OLG Jena, NZV 2008, 165; OLG Saarbrücken Beschl. v. 21.6.2011 – Ss (B) 125-10, BeckRS 2014, 17152 Hentschel/König/Dauer, § 25 StVG Rn. 24). Dabei wird der Sinn des Fahrverbotes nach einer in der obergerichtlichen Rechtsprechung erkennbaren Tendenz in Frage gestellt, wenn der zu ahnende Verkehrsverstoß mehr als zwei Jahre zurückliegt (zu vgl. OLG Saarbrücken, Beschl. v. 05.03.2013 – Ss [B] 135/2012 [6/13 OWi], BeckRS 2014, 17147; Beschl. v. 10.12.2013 – Ss [B] 92/2013 [75/13 OWi], BeckRS 2014, 17150; Beschl. v. 17.03.2014 – Ss [B] 52/2013 [54/13 OWi], BeckRS 2014, 17151). Bei einem Zeitablauf von über zwei Jahren zwischen Tat und Urteil bedarf es besonderer Umstände für die Annahme, dass ein Fahrverbot noch unbedingt notwendig ist (zu vgl. Bbg. OLG, Beschl. v. 19.01.2022 – 1 OLG 53 Ss-OWi 600/21; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl., StVG, § 25, Rn. 24 m.w.N.).

Vorliegend datiert der Verstoß auf den 30.07.2019. Das Urteil des AG Hattingen datiert auf den 27.07.2022 (Bl. 547 ff. d. A.). Zwischen Verstoß und letzter tatrichterlicher Entscheidung liegen damit – beinahe auf den Tag genau – drei Jahre. Das Amtsgericht hat den Umstand des erheblichen Zeitablaufs seit der Tatbegehung im angefochtenen Urteil nicht gewürdigt, obgleich es hierzu gehalten gewesen wäre. Die angefochtene Entscheidung kann daher keinen Bestand haben.

Mittlerweile sind seit dem Verstoß sogar deutlich über drei Jahre vergangen. Die für die lange Verfahrensdauer maßgeblichen Umstände lagen im Wesentlichen nicht im Einflussbereich des Betroffenen. Weiteres Fehlverhalten des Betroffenen im Straßenverkehr im Nachgang des in Rede stehenden Verstoßes ist nicht festgestellt worden. Es ist davon auszugehen, dass ein Fahrverbot seiner Erziehungsfunktion angesichts des langen Zurückliegens der Tat hier nicht mehr gerecht werden kann.“

Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich der Senat aufgrund eigener Sachprüfung an. Ergänzend ist anzumerken, dass bei einem mehrmonatigen Regelfahrverbot zwar auch die Prüfung veranlasst ist, ob das Fahrverbot komplett zu entfallen hat oder lediglich zu mildern ist (OLG Hamm NZV 2006, 50 m.w.N.). Im Hinblick darauf, dass der 2-Jahres-Zeitraum nunmehr deutlich überschritten ist (ca. 3 Jahre und 5 Monate) und bis zur erneuten Urteilsfällung weitere Zeit vergehen wird, kommt eine bloße Milderung vorliegend indes nicht mehr in Betracht.

2)

Das angefochtene war daher im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens – an das Amtsgericht Hattingen zurückzuverweisen.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

Haben Sie einen Bußgeldbescheid erhalten?

Mit unserer Hilfe teure Bußgelder und Fahrverbote vermeiden!

Wir überprüfen Ihren Bußgeldbescheid kostenlos und unverbindlich auf Fehler und die Möglichkeit eines Einspruchs.
Blitzer Bußgeld prüfen

Rechtstipps aus dem Verkehrsrecht

Urteile über Bußgeld und Ordnungswidrigkeiten

Unsere Kontaktinformationen

Rechtsanwälte Kotz GbR

Siegener Str. 104 – 106
D-57223 Kreuztal – Buschhütten
(Kreis Siegen – Wittgenstein)

Telefon: 02732 791079
(Tel. Auskünfte sind unverbindlich!)
Telefax: 02732 791078

E-Mail Anfragen:
info@ra-kotz.de
ra-kotz@web.de

Rechtsanwalt Hans Jürgen Kotz
Fachanwalt für Arbeitsrecht

Rechtsanwalt und Notar Dr. Christian Kotz
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Fachanwalt für Versicherungsrecht
Notar mit Amtssitz in Kreuztal

Bürozeiten:
MO-FR: 8:00-18:00 Uhr
SA & außerhalb der Bürozeiten:
nach Vereinbarung

Für Besprechungen bitten wir Sie um eine Terminvereinbarung!