Übersicht
- Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Bußgeldverfahren: Landgericht entscheidet über Erstattung notwendiger Kosten
- Der Fall vor Gericht
- Die Schlüsselerkenntnisse
- FAQ – Häufige Fragen
- Welche Auslagen gelten im Bußgeldverfahren als notwendig und werden erstattet?
- Unter welchen Umständen kann die Erstattung der notwendigen Auslagen im Bußgeldverfahren abgelehnt werden?
- Wie kann man gegen eine negative Kostenentscheidung im Bußgeldverfahren vorgehen?
- Was bedeutet die Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe für zukünftige Bußgeldverfahren?
- Welche Rolle spielen besondere Umstände bei der Entscheidung über die Kostenerstattung?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Das vorliegende Urteil
Das Wichtigste: Kurz & knapp
- Ein Bußgeldverfahren behandelt die Frage der Erstattung notwendiger Auslagen.
- Die Betroffene legte Beschwerde gegen ein Urteil des Amtsgerichts ein, welches die Übernahme dieser Kosten durch die Staatskasse verwehrte.
- Schwierigkeit besteht darin, ob die geltend gemachten Kosten als notwendig und verhältnismäßig betrachtet werden.
- Das Landgericht entschied zu Gunsten der Betroffenen und änderte die frühere Entscheidung dahingehend ab, dass die Staatskasse die Kosten trägt.
- Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass ein dringender Tatverdacht nicht ausreichend belegt war und keine besonderen Umstände vorlagen, die eine Versagung der Kostenerstattung gerechtfertigt hätten.
- Die Auswirkungen des Urteils bedeuten, dass in vergleichbaren Fällen, die Staatskasse für notwendige Auslagen aufkommen muss, sofern keine klaren Verhinderungsgründe vorliegen.
Bußgeldverfahren: Landgericht entscheidet über Erstattung notwendiger Kosten
Bußgeldverfahren sind ein fester Bestandteil unseres Rechtsstaates und dienen der Durchsetzung von Verkehrsregeln und anderen gesetzlichen Vorschriften. Wird ein Verkehrsverstoß begangen, droht in der Regel ein Bußgeld, das jedoch nicht nur die Geldstrafe selbst beinhaltet, sondern auch die Erstattung von entstandenen Kosten. Doch wann müssen diese Kosten tatsächlich erstattet werden? Und unter welchen Voraussetzungen kann von einer Erstattung abgesehen werden?
Oftmals werden im Rahmen eines Bußgeldverfahrens sogenannte „notwendige Auslagen“ geltend gemacht. Diese umfassen beispielsweise die Kosten der Bearbeitung des Bußgeldverfahrens, die Kosten der Sachverständigen oder die Kosten für die Durchführung von Ermittlungen. Doch die Erstattung solcher Kosten ist nicht immer unumstritten. In vielen Fällen wird die Frage gestellt, ob die geltend gemachten Kosten tatsächlich notwendig waren und ob sie im Verhältnis zum begangenen Verstoß angemessen sind.
Um diese Fragen zu klären, werden in der Praxis häufig Gerichte eingeschaltet. Im Folgenden möchten wir ein Gerichtsurteil näher beleuchten, das sich mit der Frage der Erstattung notwendiger Auslagen im Bußgeldverfahren auseinandersetzt.
Ihr Bußgeldverfahren wurde eingestellt? Erfahren Sie, ob Ihnen eine Kostenerstattung zusteht!
Wurde Ihr Bußgeldverfahren eingestellt, ohne dass Ihre Auslagen erstattet wurden? Wir verstehen die Frustration und Unsicherheit, die solche Situationen mit sich bringen. Unsere Kanzlei verfügt über langjährige Erfahrung im Verkehrsrecht und kennt die Feinheiten der Kostenerstattung. Kontaktieren Sie uns für eine unverbindliche Ersteinschätzung Ihres Falls. Wir prüfen Ihre Ansprüche und beraten Sie zu Ihren Möglichkeiten. Lassen Sie sich von uns unterstützen und Ihr Recht auf Kostenerstattung durchsetzen.
Der Fall vor Gericht
Kostenerstattung im Bußgeldverfahren: Landgericht Karlsruhe korrigiert Amtsgericht
Das Landgericht Karlsruhe hat in einem Beschluss vom 31. Januar 2024 eine wichtige Entscheidung zur Kostenerstattung in Bußgeldverfahren getroffen. Der Fall drehte sich um die Frage, ob die Betroffene in einem eingestellten Ordnungswidrigkeitsverfahren Anspruch auf Erstattung ihrer notwendigen Auslagen hat.
Die Vorgeschichte des Falls begann mit einem Bußgeldverfahren gegen die Betroffene wegen einer nicht näher bezeichneten Ordnungswidrigkeit. Das Amtsgericht Karlsruhe hatte das Verfahren am 25. August 2023 eingestellt, dabei aber entschieden, dass die Betroffene ihre eigenen Auslagen selbst tragen müsse. Diese Entscheidung begründete das Amtsgericht mit einer „Würdigung aller entscheidungserheblichen Umstände des Einzelfalls“.
Betroffene legt Beschwerde gegen Kostenentscheidung ein
Die Betroffene war mit dieser Kostenentscheidung nicht einverstanden und legte am 5. September 2023 Beschwerde beim Amtsgericht ein. Sie argumentierte, dass weder ein dringender Tatverdacht belegt sei, noch besondere Umstände vorlägen, die es rechtfertigen würden, ihr die Auslagenerstattung zu versagen. Die Betroffene sah sich im Recht und wollte erreichen, dass auch ihre notwendigen Auslagen von der Staatskasse übernommen werden.
Landgericht gibt Beschwerde der Betroffenen statt
Das Landgericht Karlsruhe hat nun der Beschwerde der Betroffenen stattgegeben und die ursprüngliche Kostenentscheidung des Amtsgerichts abgeändert. Der neue Beschluss lautet, dass die Staatskasse auch die notwendigen Auslagen der Betroffenen zu tragen hat. Damit wurde die Entscheidung des Amtsgerichts in diesem Punkt vollständig revidiert.
Bedeutung der Entscheidung für Betroffene in Bußgeldverfahren
Diese Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe ist von großer Bedeutung für Personen, die in Bußgeldverfahren verwickelt sind. Sie stellt klar, dass bei einer Verfahrenseinstellung grundsätzlich auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen von der Staatskasse zu erstatten sind, sofern keine besonderen Gründe dagegen sprechen.
Für Betroffene in Bußgeldverfahren bedeutet dies konkret:
- Bei einer Verfahrenseinstellung besteht grundsätzlich Anspruch auf Erstattung der notwendigen Auslagen.
- Eine Versagung der Auslagenerstattung muss besonders begründet werden und kann nicht pauschal erfolgen.
- Es lohnt sich, gegen negative Kostenentscheidungen Beschwerde einzulegen, wenn die Begründung nicht stichhaltig erscheint.
Betroffene sollten jedoch beachten: Die Frage, welche Auslagen als „notwendig“ gelten und damit erstattungsfähig sind, kann im Einzelfall komplex sein. Nicht jede Ausgabe im Zusammenhang mit dem Verfahren wird automatisch erstattet.
Die Schlüsselerkenntnisse
Die Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe stärkt die Rechte von Betroffenen in Bußgeldverfahren hinsichtlich der Kostenerstattung. Bei einer Verfahrenseinstellung haben Betroffene grundsätzlich Anspruch auf Erstattung ihrer notwendigen Auslagen durch die Staatskasse. Eine Versagung dieser Erstattung bedarf einer besonderen Begründung und darf nicht pauschal erfolgen. Dies unterstreicht die Bedeutung des Grundsatzes, dass bei Verfahrenseinstellungen die finanzielle Last nicht einseitig dem Betroffenen aufgebürdet werden sollte.
Was bedeutet das Urteil für Sie?
Wurde Ihr Bußgeldverfahren eingestellt und Ihre Auslagen nicht erstattet? Dieses Urteil könnte für Sie wichtig sein. Das Landgericht Karlsruhe hat entschieden, dass Betroffene bei einer Verfahrenseinstellung grundsätzlich Anspruch auf Erstattung ihrer notwendigen Auslagen haben. Das bedeutet: Wenn Ihr Verfahren eingestellt wurde, ohne dass Ihnen Kosten wie Anwaltsgebühren oder Fahrtkosten erstattet wurden, könnten Sie diese nun doch zurückbekommen.
Wichtig: Nicht jede Ausgabe wird automatisch erstattet. Nur „notwendige Auslagen“, die im direkten Zusammenhang mit dem Verfahren stehen, sind erstattungsfähig. Dazu können Anwaltskosten, Fahrtkosten zum Gericht oder Gutachterkosten gehören.
Was sollten Sie tun? Wenn Ihr Bußgeldverfahren eingestellt wurde und Sie keine Kostenerstattung erhalten haben, sollten Sie prüfen, ob Ihnen Auslagen entstanden sind, die Sie zurückfordern können. Im Zweifel lassen Sie sich rechtlich beraten, um Ihre Ansprüche durchzusetzen.
FAQ – Häufige Fragen
Sie wurden in ein Bußgeldverfahren verwickelt und sind sich nicht sicher, welche Kosten Ihnen erstattet werden? Kostenerstattung in Bußgeldverfahren ist ein komplexes Thema, das viele Fragen aufwirft. In unserer FAQ-Rubrik finden Sie verständliche Antworten auf die wichtigsten Fragen zu diesem Thema. So erhalten Sie einen Überblick über Ihre Rechte und können selbstbewusst Ihre Interessen vertreten.
Wichtige Fragen, kurz erläutert:
- Welche Auslagen gelten im Bußgeldverfahren als notwendig und werden erstattet?
- Unter welchen Umständen kann die Erstattung der notwendigen Auslagen im Bußgeldverfahren abgelehnt werden?
- Wie kann man gegen eine negative Kostenentscheidung im Bußgeldverfahren vorgehen?
- Was bedeutet die Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe für zukünftige Bußgeldverfahren?
- Welche Rolle spielen besondere Umstände bei der Entscheidung über die Kostenerstattung?
Welche Auslagen gelten im Bußgeldverfahren als notwendig und werden erstattet?
Im Bußgeldverfahren gelten grundsätzlich alle Auslagen als notwendig und erstattungsfähig, die zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung erforderlich sind. Dazu zählen in erster Linie die Anwaltskosten, sofern die Hinzuziehung eines Rechtsbeistands angemessen war. Dies ist bei komplexeren Fällen oder drohenden empfindlichen Rechtsfolgen wie einem Fahrverbot regelmäßig der Fall. Die Anwaltsgebühren richten sich dabei nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz und sind in der Regel vollständig erstattungsfähig.
Gerichtskosten werden ebenfalls von der Staatskasse übernommen, wenn das Verfahren eingestellt oder der Betroffene freigesprochen wird. Dazu gehören etwa Auslagen für Zeugen und Sachverständige, die das Gericht geladen hat.
Kosten für private Sachverständigengutachten können unter bestimmten Voraussetzungen erstattet werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Gutachten zur Verteidigung notwendig war und zur Einstellung des Verfahrens oder zum Freispruch beigetragen hat. Die Erstattung ist jedoch auf die Höhe der Kosten begrenzt, die bei Beauftragung durch das Gericht entstanden wären.
Fahrtkosten des Betroffenen zu Gerichtsterminen sind grundsätzlich erstattungsfähig. Bei Anreise mit dem eigenen PKW werden üblicherweise die Kilometerpauschalen nach dem Bundesreisekostengesetz angesetzt.
Aufwendungen für Kopien und Porto im Rahmen der Verteidigung gelten ebenfalls als notwendige Auslagen und werden in angemessenem Umfang erstattet.
Es ist wichtig zu beachten, dass die Erstattung notwendiger Auslagen nur erfolgt, wenn das Verfahren eingestellt wird oder mit einem Freispruch endet. Bei einer Verurteilung trägt der Betroffene in der Regel seine Kosten selbst.
In bestimmten Fällen kann das Gericht trotz Einstellung oder Freispruch von einer Kostenerstattung absehen. Dies ist etwa möglich, wenn der Betroffene die Einleitung des Verfahrens vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht hat. Auch bei einer Einstellung wegen Geringfügigkeit nach § 47 OWiG kann das Gericht die Auslagenerstattung versagen, wenn ein hinreichender Tatverdacht bestand.
Die Entscheidung über die Kostenerstattung trifft das Gericht im Rahmen der Kostenentscheidung. Gegen eine ablehnende Entscheidung kann der Betroffene Rechtsmittel einlegen. In der Praxis kommt es häufig zu Streitigkeiten über die Notwendigkeit und Angemessenheit einzelner Auslagen. Hier empfiehlt es sich, die Kosten detailliert aufzuschlüsseln und ihre Erforderlichkeit zu begründen.
Ein Beispiel verdeutlicht die Problematik: Bei einem Geschwindigkeitsverstoß lässt der Betroffene ein privates Gutachten zur Messgenauigkeit erstellen. Wird das Verfahren daraufhin eingestellt, kann er die Gutachterkosten grundsätzlich erstattet verlangen. Das Gericht prüft jedoch, ob das Gutachten tatsächlich erforderlich war oder ob die Einstellung auch ohne dieses erfolgt wäre.
Unter welchen Umständen kann die Erstattung der notwendigen Auslagen im Bußgeldverfahren abgelehnt werden?
Die Erstattung der notwendigen Auslagen im Bußgeldverfahren kann unter bestimmten Umständen abgelehnt werden. Ein wichtiger Grund dafür ist ein vorwerfbares prozessuales Fehlverhalten des Betroffenen. Dies liegt beispielsweise vor, wenn der Betroffene entlastende Umstände nicht rechtzeitig vorgebracht hat, obwohl er dazu in der Lage gewesen wäre. Die Behörde muss jedoch nachweisen können, dass der Betroffene tatsächlich Kenntnis von dem Bußgeldverfahren hatte und die Möglichkeit zur Äußerung bestand.
Ein weiterer Ablehnungsgrund kann ein ursprünglich dringender Tatverdacht sein, der sich erst im Laufe des Verfahrens entkräftet hat. In solchen Fällen kann das Gericht nach § 467 Abs. 4 StPO von der Auferlegung der notwendigen Auslagen an die Staatskasse absehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn feststeht, dass der Betroffene die Ordnungswidrigkeit tatsächlich begangen hat, das Verfahren aber aus Opportunitätsgründen eingestellt wurde.
Allerdings reicht die bloße Nichtäußerung des Betroffenen vor Erlass des Bußgeldbescheides nicht aus, um eine Auslagenerstattung zu verweigern. Es muss ein darüber hinausgehendes schuldhaftes Verhalten vorliegen. Die Behörde ist zudem verpflichtet, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären. Hat sie dies versäumt, kann dies nicht zu Lasten des Betroffenen gehen.
Bei einer Einstellung des Verfahrens wegen Verjährung ist eine Ablehnung der Auslagenerstattung in der Regel nicht gerechtfertigt. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Verjährung auf ein Versäumnis der Justiz zurückzuführen ist. In solchen Fällen wäre es unbillig, dem Betroffenen die Kosten aufzuerlegen.
Die Entscheidung über die Auslagenerstattung muss stets eine Ermessensentscheidung im Einzelfall sein. Das Gericht oder die Verwaltungsbehörde muss alle relevanten Umstände berücksichtigen und eine nachvollziehbare Begründung liefern. Ein pauschales Absehen von der Erstattung ohne konkrete Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten des Betroffenen ist nicht zulässig.
Bei Zweifeln an der Beweisbarkeit der Tat ist in der Regel eine Erstattung der notwendigen Auslagen anzuordnen. Dies gilt besonders in verkehrsrechtlichen Verfahren, wenn Messungen fehlerhaft sein könnten oder die erforderlichen tatrichterlichen Feststellungen nicht getroffen werden können.
Betroffene haben die Möglichkeit, gegen eine ablehnende Entscheidung der Verwaltungsbehörde einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG zu stellen. Das Gericht überprüft dann, ob die Ablehnung der Auslagenerstattung rechtmäßig war. Allerdings ist gegen die gerichtliche Entscheidung kein weiteres Rechtsmittel möglich.
Wie kann man gegen eine negative Kostenentscheidung im Bußgeldverfahren vorgehen?
Gegen eine negative Kostenentscheidung im Bußgeldverfahren stehen Betroffenen mehrere rechtliche Möglichkeiten zur Verfügung. Zunächst kann innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheids Einspruch bei der Verwaltungsbehörde eingelegt werden, die den Bußgeldbescheid erlassen hat. Der Einspruch muss schriftlich erfolgen oder zur Niederschrift bei der Behörde erklärt werden. Eine Begründung ist nicht zwingend erforderlich, kann aber die Erfolgsaussichten erhöhen.
Wird der Einspruch von der Verwaltungsbehörde zurückgewiesen, besteht die Option, einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 62 OWiG zu stellen. Dieser Antrag ist ebenfalls innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der ablehnenden Entscheidung beim zuständigen Amtsgericht einzureichen. Das Gericht überprüft dann die Kostenentscheidung der Behörde.
Bei Ablehnung des Antrags durch das Amtsgericht kann in bestimmten Fällen Rechtsbeschwerde zum Oberlandesgericht eingelegt werden. Dies ist jedoch nur möglich, wenn der Rechtsbeschwerdewert von 200 Euro überschritten wird oder das Amtsgericht die Rechtsbeschwerde zugelassen hat. Die Frist hierfür beträgt eine Woche ab Zustellung des amtsgerichtlichen Beschlusses.
Es ist wichtig zu beachten, dass die genannten Fristen Ausschlussfristen sind. Bei Versäumnis ist eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur unter engen Voraussetzungen möglich. Daher empfiehlt es sich, umgehend nach Erhalt einer negativen Kostenentscheidung zu handeln.
Inhaltlich sollte bei einem Vorgehen gegen die Kostenentscheidung dargelegt werden, warum die Ablehnung der Kostenerstattung rechtswidrig ist. Hierbei kann auf Verfahrensfehler, falsche Rechtsanwendung oder unzutreffende Tatsachenfeststellungen hingewiesen werden. Auch der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit kann eine Rolle spielen.
Ein häufiger Streitpunkt ist die Frage, ob die geltend gemachten Auslagen tatsächlich notwendig im Sinne des Gesetzes waren. Dies betrifft insbesondere Anwaltskosten. Hier ist zu argumentieren, warum die anwaltliche Vertretung im konkreten Fall erforderlich war, etwa aufgrund der Komplexität des Sachverhalts oder der rechtlichen Fragestellungen.
Bei der Einlegung von Rechtsmitteln gegen Kostenentscheidungen ist zu bedenken, dass hierdurch weitere Kosten entstehen können. Diese sind vom Betroffenen zu tragen, wenn das Rechtsmittel erfolglos bleibt. Eine sorgfältige Abwägung der Erfolgsaussichten ist daher ratsam.
In der Praxis erweist sich das Vorgehen gegen negative Kostenentscheidungen oft als schwierig. Die Gerichte räumen den Verwaltungsbehörden bei der Beurteilung der Notwendigkeit von Auslagen einen weiten Ermessensspielraum ein. Dennoch kann es sich lohnen, offensichtliche Fehler oder Ungerechtigkeiten nicht hinzunehmen und die zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten zu nutzen.
Was bedeutet die Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe für zukünftige Bußgeldverfahren?
Die Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe hat weitreichende Auswirkungen auf zukünftige Bußgeldverfahren. Sie stärkt die Position der Betroffenen hinsichtlich der Erstattung ihrer notwendigen Auslagen bei Verfahrenseinstellungen. Das Gericht betont, dass ein Absehen von der Auslagenerstattung nur in Ausnahmefällen zulässig ist und einer sorgfältigen Begründung bedarf.
Künftig müssen Gerichte bei Verfahrenseinstellungen nach § 47 OWiG genau prüfen und darlegen, warum sie gegebenenfalls von einer Erstattung der notwendigen Auslagen des Betroffenen absehen. Eine pauschale Verweigerung der Kostenerstattung ist nicht mehr möglich. Dies führt zu einer erhöhten Transparenz und Nachvollziehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen in Bußgeldverfahren.
Betroffene können nun mit größerer Wahrscheinlichkeit damit rechnen, dass ihnen bei einer Verfahrenseinstellung die entstandenen notwendigen Auslagen erstattet werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn Zweifel an der Beweisbarkeit des Vorwurfs bestehen oder wenn die Einstellung aus Opportunitätsgründen erfolgt, ohne dass die Schuld des Betroffenen feststeht.
Für die Praxis bedeutet dies, dass Gerichte ihre Ermessensentscheidungen bezüglich der Kostenerstattung sorgfältiger begründen müssen. Sie werden verstärkt abwägen müssen zwischen dem Interesse der Staatskasse an der Vermeidung von Kosten und dem berechtigten Anspruch des Betroffenen auf Erstattung seiner Auslagen, wenn das Verfahren eingestellt wird.
Die Entscheidung stärkt auch die Rolle der Verteidigung in Bußgeldverfahren. Anwälte können sich nun mit größerem Nachdruck für die Kostenerstattung einsetzen, wenn eine Verfahrenseinstellung in Betracht kommt. Sie können auf die Rechtsprechung des Landgerichts Karlsruhe verweisen und eine detaillierte Begründung fordern, falls das Gericht von einer Kostenerstattung absehen möchte.
Für Betroffene reduziert sich durch diese Entscheidung das finanzielle Risiko bei der Einlegung eines Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid. Sie müssen nun weniger befürchten, auf ihren Anwaltskosten sitzen zu bleiben, wenn das Verfahren eingestellt wird. Dies könnte dazu führen, dass mehr Betroffene von ihrem Recht auf Einspruch Gebrauch machen und eine gerichtliche Überprüfung des Bußgeldbescheids anstreben.
Behörden und Staatsanwaltschaften werden diese Entwicklung bei ihren Entscheidungen berücksichtigen müssen. Sie könnten in Zukunft genauer abwägen, ob die Fortführung eines Verfahrens sinnvoll ist, wenn die Beweislage unsicher ist. Die Möglichkeit, dass bei einer späteren Einstellung die Kosten des Betroffenen zu erstatten sind, könnte zu einer frühzeitigeren Verfahrenseinstellung durch die Behörden führen.
Für die Rechtsprechung bedeutet die Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe eine Konkretisierung der Anforderungen an die Ermessensausübung bei Kostenentscheidungen in Bußgeldverfahren. Andere Gerichte werden sich an dieser Linie orientieren müssen, was zu einer einheitlicheren Rechtsprechung in diesem Bereich führen kann.
Die Entscheidung fördert letztlich die Einzelfallgerechtigkeit in Bußgeldverfahren. Gerichte sind nun angehalten, die spezifischen Umstände jedes Falls genau zu betrachten und ihre Entscheidung über die Kostenerstattung entsprechend zu begründen. Dies trägt zur Akzeptanz gerichtlicher Entscheidungen bei und stärkt das Vertrauen in die Justiz.
Welche Rolle spielen besondere Umstände bei der Entscheidung über die Kostenerstattung?
Besondere Umstände spielen eine wichtige Rolle bei der Entscheidung über die Kostenerstattung in Bußgeldverfahren. Gerichte können gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO davon absehen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn ein Verfahrenshindernis vorliegt. Dies setzt jedoch voraus, dass zusätzlich zum Verfahrenshindernis weitere besondere Umstände hinzutreten, die es als billig erscheinen lassen, dem Betroffenen die Auslagenerstattung zu versagen.
Entscheidend ist dabei ein vorwerfbares prozessuales Fehlverhalten des Betroffenen. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn der Betroffene durch sein Verhalten die Einstellung des Verfahrens selbst herbeigeführt oder verzögert hat. Ein solches Fehlverhalten könnte darin bestehen, dass der Betroffene entlastende Umstände nicht rechtzeitig vorgebracht hat, obwohl ihm dies möglich und zumutbar gewesen wäre.
Die bloße Tatsache, dass eine Verurteilung ohne das Verfahrenshindernis wahrscheinlich gewesen wäre, reicht für sich genommen nicht aus. Die Gerichte müssen vielmehr sorgfältig prüfen, ob tatsächlich besondere Umstände vorliegen, die ein Abweichen vom Regelfall der Kostenerstattung rechtfertigen.
Bei einem in der Sphäre des Gerichts eingetretenen Verfahrenshindernis wird es in der Regel der Billigkeit entsprechen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen. Dies gilt insbesondere dann, wenn die Einstellung des Verfahrens auf Gründen beruht, die der Betroffene nicht zu vertreten hat.
Ein Beispiel für besondere Umstände wäre, wenn ein Betroffener in einem Bußgeldverfahren wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung zunächst behauptet, nicht gefahren zu sein, dann aber kurz vor Verjährungseintritt einräumt, doch am Steuer gesessen zu haben. In diesem Fall könnte das Gericht aufgrund des prozessualen Fehlverhaltens von einer Kostenerstattung absehen.
Die Gerichte müssen ihre Entscheidung, von der Kostenerstattung abzusehen, stets sorgfältig begründen. Eine pauschale Verweisung auf besondere Umstände ohne nähere Erläuterung ist nicht ausreichend. Die Begründung muss nachvollziehbar darlegen, warum im konkreten Fall ein Abweichen von der Regel gerechtfertigt ist.
Bei der Beurteilung besonderer Umstände spielt auch die Schwere des Tatvorwurfs eine Rolle. Je gravierender der Vorwurf, desto eher können besondere Umstände angenommen werden, die ein Absehen von der Kostenerstattung rechtfertigen. Allerdings darf dies nicht dazu führen, dass allein aufgrund eines schwerwiegenden Tatvorwurfs die Kostenerstattung versagt wird.
Die Entscheidung über das Vorliegen besonderer Umstände erfordert stets eine Einzelfallbetrachtung. Gerichte müssen alle relevanten Faktoren berücksichtigen und gegeneinander abwägen. Dabei ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten. Ein geringfügiges prozessuales Fehlverhalten rechtfertigt in der Regel kein vollständiges Absehen von der Kostenerstattung.
Betroffene sollten sich bewusst sein, dass ihr Verhalten im Verfahren Auswirkungen auf die spätere Kostenentscheidung haben kann. Es empfiehlt sich daher, von Anfang an offen und kooperativ mit den Behörden zusammenzuarbeiten und entlastende Umstände frühzeitig vorzubringen. Dies erhöht die Chancen auf eine vollständige Kostenerstattung im Falle einer Verfahrenseinstellung.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Notwendige Auslagen: Ausgaben, die im Zusammenhang mit einem Gerichtsverfahren entstehen und als erforderlich angesehen werden. Dazu zählen typischerweise Anwaltskosten, Fahrtkosten zum Gericht oder Gutachterkosten. Die Notwendigkeit wird dabei objektiv beurteilt – nicht jede Ausgabe gilt automatisch als notwendig. Im Bußgeldverfahren können Betroffene die Erstattung dieser Auslagen beantragen. Das Gericht prüft dann, ob die geltend gemachten Kosten tatsächlich notwendig und angemessen waren. Die Erstattung notwendiger Auslagen soll sicherstellen, dass Betroffenen durch ein Verfahren keine unverhältnismäßigen finanziellen Nachteile entstehen.
- Verfahrenseinstellung: Beendigung eines Gerichtsverfahrens ohne Urteil. Im Bußgeldverfahren kann dies erfolgen, wenn z.B. kein hinreichender Tatverdacht besteht oder die Schuld des Betroffenen als gering anzusehen ist. Die Einstellung hat zur Folge, dass keine Geldbuße verhängt wird. Allerdings stellt sich dann die Frage der Kostenverteilung, insbesondere ob der Betroffene Anspruch auf Erstattung seiner Auslagen hat. Die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung trifft das Gericht nach Prüfung aller Umstände. Sie kann sowohl zu Beginn als auch im Laufe des Verfahrens erfolgen.
- Beschwerde: Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen, das keine aufschiebende Wirkung hat. Im vorliegenden Fall legte die Betroffene Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Amtsgerichts ein. Die Beschwerde muss innerhalb bestimmter Fristen eingelegt werden und sollte begründet sein. Sie wird zunächst vom Gericht geprüft, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Hilft dieses der Beschwerde nicht ab, wird sie dem nächsthöheren Gericht zur Entscheidung vorgelegt. Die Beschwerde ist ein wichtiges Instrument, um vermeintlich fehlerhafte Entscheidungen überprüfen zu lassen.
- Staatskasse: Bezeichnet die Gesamtheit der finanziellen Mittel, die dem Staat zur Verfügung stehen. Im Kontext von Gerichtsverfahren ist die Staatskasse häufig für die Übernahme von Kosten zuständig, etwa wenn ein Verfahren eingestellt wird. Die Entscheidung, ob die Staatskasse die Kosten trägt, hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie dem Ausgang des Verfahrens oder dem Verhalten des Betroffenen. Im vorliegenden Fall entschied das Landgericht, dass die Staatskasse die notwendigen Auslagen der Betroffenen zu tragen hat. Dies bedeutet, dass die Kosten letztlich von der Allgemeinheit getragen werden.
- Dringender Tatverdacht: Liegt vor, wenn nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass der Beschuldigte die Tat begangen hat. Im Bußgeldverfahren kann ein dringender Tatverdacht dazu führen, dass dem Betroffenen die Erstattung seiner Auslagen versagt wird, selbst wenn das Verfahren später eingestellt wird. Die Beurteilung, ob ein dringender Tatverdacht vorliegt, erfolgt auf Basis der vorliegenden Beweise und Indizien. Im konkreten Fall argumentierte die Betroffene, dass kein dringender Tatverdacht belegt sei und daher ihre Auslagen erstattet werden müssten.
- Würdigung aller entscheidungserheblichen Umstände: Rechtlicher Grundsatz, nach dem ein Gericht bei seiner Entscheidungsfindung alle relevanten Fakten und Aspekte eines Falls berücksichtigen muss. Dies umfasst sowohl belastende als auch entlastende Umstände. Im vorliegenden Fall berief sich das Amtsgericht auf diesen Grundsatz, um seine Entscheidung gegen die Auslagenerstattung zu begründen. Die „Würdigung“ bedeutet dabei eine sorgfältige Abwägung und Bewertung aller Umstände. Gerichte müssen ihre Entscheidungen auf dieser Grundlage treffen und nachvollziehbar begründen. Dies soll eine faire und ausgewogene Rechtsprechung sicherstellen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO (Strafprozessordnung): Regelt die Kostentragungspflicht bei der Einstellung eines Strafverfahrens. Im konkreten Fall wurde diese Vorschrift herangezogen, um zu entscheiden, ob die Staatskasse die Auslagen der Betroffenen tragen muss.
- § 464 Abs. 1 StPO (Strafprozessordnung): Gibt den Rechtsweg für Beschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen vor. Im konkreten Fall legte die Betroffene Beschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts ein, ihre Auslagen nicht zu erstatten.
- Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG): Regelt das gesamte Verfahren bei Ordnungswidrigkeiten, von der Einleitung bis zur Vollstreckung. Im konkreten Fall ging es um ein Bußgeldverfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit, das nach den Vorschriften des OWiG geführt wurde.
- § 106 OWiG (Ordnungswidrigkeitengesetz): Dieser Paragraph regelt die Kosten im Bußgeldverfahren. Dazu gehören auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen. Im konkreten Fall wurde auf Basis dieses Paragraphen entschieden, dass die Staatskasse die Auslagen der Betroffenen tragen muss.
- § 46 OWiG (Ordnungswidrigkeitengesetz): Bestimmt, wann ein Bußgeldverfahren eingestellt werden kann. Im konkreten Fall wurde das Verfahren eingestellt, was zur Frage führte, ob die Auslagen der Betroffenen dennoch erstattet werden müssen.
Das vorliegende Urteil
Landgericht Karlsruhe – Az.: 4 Qs 46/23 – Beschluss vom 31.01.2024
In dem Bußgeldverfahren wegen Ordnungswidrigkeit hier: sofortige Beschwerde der Betroffenen hat das Landgericht Karlsruhe – 4. Große Strafkammer – am 31. Januar 2024 beschlossen:
Auf die sofortige Beschwerde der Betroffenen wird die Kostenentscheidung (Ziff. 2 Satz 2) im Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 25.08.2023 dahingehend abgeändert, dass die Staatskasse auch die notwendigen Auslagen der Betroffenen trägt.
Die Staatskasse hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe:
Wegen des Sachverhalts wird auf das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vorn 25.08.2023 verwiesen. Die Kostenentscheidung (nach § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO) hat das Amtsgericht mit der „Würdigung aller entscheidungserheblichen Umstände des Einzelfalls“ begründet.
Gegen die Versagung der Auslagenerstattung in diesem Urteil wendet sich die Betroffene mit der am 05.09.2023 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde. Weder sei ein dringender Tatverdacht belegt noch lägen zusätzlich zu dem Verfahrenshindernis weitere besondere Umstände vor, welche es als billig erscheinen lassen, der Betroffenen die Auslagenerstattung zu versagen.
1. Die sofortige Beschwerde der Betroffenen vom 05.09.2023 ist statthaft (§§ 464 Abs.
[…]
Lesen Sie jetzt weiter…
3 S 1 StPO, 46 OWiG). Sie wurde insbesondere auch form- und fristgerecht binnen einer Woche nach Bekanntmachung der Entscheidung (§ 311 Abs. 2 StPO) eingelegt.
2. Die Kostenentscheidung des Amtsgerichts Karlsruhe vom 25.08.2023 war auf die sofortige Beschwerde der Betroffenen insoweit aufzuheben, als darin angeordnet wurde, dass die Betroffene ihre notwendigen Auslagen im Bußgeldverfahren selbst zu tragen hat. Diese waren der Staatskasse aufzuerlegen.
Gemäß § 467 Abs. 1 StPO fallen grundsätzlich die Auslagen der Staatskasse und die notwendigen Auslagen des Angeschuldigten der Staatskasse zur Last, soweit das Verfahren gegen ihn eingestellt wird. Über § 46 Abs. 1 OWiG gilt diese Vorschrift sinngemäß auch für das Bußgeldverfahren. Gemäß §§ 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO, 46 OWiG kann das Gericht jedoch davon absehen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen, wenn er nur deshalb nicht verurteilt wird, weil ein Verfahrenshindernis besteht.
Ein Fall der §§ 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO, 46 OWiG ist indes in vorliegender Sache im Ergebnis nicht gegeben:
Soweit in dem Beschluss des Amtsgerichts zur Begründung auf die „Würdigung aller entschei-dungserheblichen Umstände des Einzelfalls“ abgestellt wird, bleibt schon unklar, ob damit ein
Tatverdacht gegen die Betroffene in einem für eine Anwendbarkeit des § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO erforderlichen Maß begründet werden sollte. In Rechtsprechung und Literatur gehen hinsichtlich der insoweit zu fordernden Tatverdachtsstufe die Ansichten auseinander: § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO verlangt, dass der Angeschuldigte wegen einer Straftat „nur deshalb nicht verurteilt wird“ weil ein Verfahrenshindernis besteht. Teilweise wird insoweit verlangt, dass bei Hinwegdenken des Verfahrenshindernisses mit Sicherheit von einer Verurteilung auszugehen sein müsse (vgl. etwa KK-StPO/Gieg, 9. Aufl. 2023, StPO § 467, Rn. 10a). Dies erscheint vorliegend mangels einer Beweisaufnahme zum Tatvorwurf in der Sache zumindest zweifelhaft. Nach anderer Ansicht und wohl herrschender Rechtsprechung genügt eine niedrigere Tatverdachtsstufe und insbesondere ein auf die bisherige Beweisaufnahme gestützter erheblicher Tatverdacht (vgl. etwa OLG Bamberg, Beschluss vorn 20.07.2010, Az.: 1 Ws 218/10). Letztlich kann die Frage der Verdachtsstufe aber vorliegend offen bleiben.
Die Möglichkeit, nach § 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO von einer Erstattung der notwendigen Auslagen abzusehen. besteht nämlich nur dann, wenn zusätzlich zu dem Verfahrenshindernis als alleinigem eine Verurteilung hindernden Umstand weitere besondere Umstände hinzutreten, die es als billig erscheinen lassen, dem Betroffenen die Auslagenerstattung zu versagen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26.05.2017, BvR 1821/16, NJW 2017, 2459). Die erforderlichen besonderen Umstände dürfen dabei aber gerade nicht in der voraussichtlichen Verurteilung und der zu Grunde liegenden Tat gefunden werden, denn das ist bereits Tatbestandsvoraussetzung für die Ermessensentscheidung des Gerichts (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 20.07.2010, 1 Ws 218/10) Grundlage für ein Absehen von der Erstattung notwendiger Auslagen muss vielmehr ein hinzutretendes vorwerfbar prozessuales Fehlverhalten des Betroffenen sein. Bei einem in der Sphäre der Verwaltungsbehörde oder des Gerichtes eingetretenen Verfahrenshindernis hingegen, wird es regelmäßig der Billiokeit entsprechen, die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzubürden (vgl. BVerfG. a.a.O., KK-StPO/Gieg, a.a.O., Rn 10b; LG Ulm, Beschluss vorn 06.11.2020 — 2 Qs 46/20, BeckRS 2020, 32961).
Im vorliegenden Fall liegt ein prozessuales Fehlverhalten der Betroffenen nicht vor. Der Grund für den Eintritt des Verfahrenshindernisses der Verjährung liegt vielmehr darin, dass eine wirksame Zustellung des Bußgeldbescheids (unter der ausweislich der Meldeauskunft vorn 02.11.2021 seit dem 13.10,2021 maßgeblichen Adresse „26 Rue in /Frankreich“) nicht erfolgt ist.
Vor diesem Hintergrund erscheint es im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung nach §§ 467 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 StPO. 46 OWiG unbillig, die Betroffene entgegen der gesetzlichen Regel nach §§ 467 Abs. 1 StPO, 46 OWiG mit ihren notwendigen Auslagen zu belasten.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 467 Abs. 1 StPO, 46 OWiG in entsprechender Anwendung.