Bußgeldurteil: Richterunterschrift entscheidet über Rechtskräftigkeit
Das Oberlandesgericht Brandenburg hat ein Bußgeldurteil des Amtsgerichts Brandenburg wegen einer unzureichenden richterlichen Unterschrift aufgehoben. Dies stellt einen wichtigen Präzedenzfall dar, der die Bedeutung einer klaren und identifizierbaren Unterschrift unterstreicht, um die Rechtskräftigkeit eines Urteils zu gewährleisten. Das Urteil betont, dass auch kleine formelle Mängel weitreichende Konsequenzen haben können.
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✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Aufhebung des Bußgeldurteils: Aufgrund einer unzureichenden richterlichen Unterschrift.
- Rückverweisung zur neuerlichen Verhandlung: An das Amtsgericht Brandenburg.
- Wichtigkeit der richterlichen Unterschrift: Als grundlegendes Element für die Gültigkeit eines Urteils.
- Definition einer gültigen Unterschrift: Muss als Schriftzug erkennbar und dem Namen ähnlich sein.
- Mindeststandard an Ähnlichkeit erforderlich: Ein Dritter sollte den Namen erkennen können.
- Grundsatz der individuellen Gestaltung: Die Unterschrift muss die Identität des Unterzeichnenden kennzeichnen.
- Folgen einer fehlenden oder unzureichenden Unterschrift: Führt zur Ungültigkeit des Urteils.
- Rechtliche Konsequenzen für die Praxis: Betonung der formellen Korrektheit in juristischen Dokumenten.
Übersicht
Die Bedeutung richterlicher Unterschriften im Bußgeldverfahren
Im Bereich des Verkehrsrechts spielen Bußgeldurteile eine wesentliche Rolle. Ein solches Urteil kann tiefgreifende Folgen für Betroffene haben, beispielsweise in Form von Fahrverboten oder empfindlichen Geldstrafen. Doch was passiert, wenn formelle Aspekte dieser Urteile in Frage gestellt werden? Insbesondere die Richterunterschrift unter einem Urteil, ein scheinbar kleines Detail, kann eine enorme Tragweite haben. Diese Unterschrift bestätigt nicht nur die Authentizität des Urteils, sondern ist auch ein essentielles Element für dessen Gültigkeit.
Das Oberlandesgericht Brandenburg hat in einem aktuellen Fall ein Urteil des Amtsgerichts Brandenburg aufgehoben, da die richterliche Unterschrift nicht den gesetzlichen Anforderungen entsprach. Dieser Fall hebt die Bedeutung der Einhaltung formeller Kriterien in der Rechtsprechung hervor und zeigt auf, wie entscheidend scheinbar kleine Details sein können. Die richterliche Unterschrift symbolisiert mehr als nur einen Namen; sie steht für die Rechtmäßigkeit und Seriosität des gesamten juristischen Prozesses.
Bleiben Sie dran, um mehr über die spezifischen Umstände dieses Falles und die sich daraus ergebenden Implikationen für das Verkehrsrecht und die Rechtsprechung im Allgemeinen zu erfahren. Eine detaillierte Betrachtung dieses interessanten und bedeutenden Falles erwartet Sie.
Bußgeldurteil auf dem Prüfstand: Die Rolle der Richterunterschrift
Im Zentrum dieses Falles steht ein Bußgeldurteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel, das eine Person wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einem Bußgeld von 600,00 € und einem Fahrverbot von zwei Monaten verurteilte. Diese Entscheidung basierte auf einem Vorfall, der sich im Jahr 2021 auf einer Bundesautobahn ereignete. Die Betroffene legte gegen das Urteil Rechtsbeschwerde ein, wobei sie die Verletzung formellen und sachlichen Rechts anführte. Besonders bemerkenswert ist, dass die Generalstaatsanwaltschaft Brandenburg die Rechtsbeschwerde zunächst als unbegründet ablehnen wollte.
Der Wendepunkt: Rechtsbeschwerde und formelle Mängel
Die Rechtsbeschwerde, formal korrekt gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG und den entsprechenden Paragraphen der StPO eingereicht, fand schließlich Gehör. Das Oberlandesgericht Brandenburg entschied, das Urteil aufzuheben und zur neuerlichen Verhandlung an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Der Grund für diese Entscheidung lag in einem Detail, das oft übersehen wird, jedoch von entscheidender Bedeutung ist: die Richterunterschrift unter dem Urteil. Das Oberlandesgericht stellte fest, dass die Unterschrift des Richters am Amtsgericht Brandenburg den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Unterschrift nicht entsprach. Dieser formelle Mangel hatte zur Folge, dass das Urteil in seiner Gesamtheit nicht standhalten konnte.
Anforderungen an eine gültige Richterunterschrift
Die höchstrichterliche und obergerichtliche Rechtsprechung legt klare Kriterien für die Gültigkeit einer richterlichen Unterschrift fest. Demnach muss der Schriftzug des Richters als solcher erkennbar sein und ein Mindestmaß an Ähnlichkeit mit dem ausgeschriebenen Namen aufweisen. Die Unterschrift soll die Identität des Unterzeichnenden eindeutig kennzeichnen und die Absicht einer vollständigen Unterzeichnung erkennen lassen. Im vorliegenden Fall war die Unterschrift jedoch nur ein handschriftlich angebrachtes Zeichen, das Ähnlichkeit mit einem „Q“ aufwies, und erfüllte daher nicht die gesetzlichen Anforderungen.
Zurück zum Amtsgericht: Neubewertung des Falles
Das Urteil des Amtsgerichts Brandenburg wird nun einer neuerlichen Überprüfung unterzogen. Diese Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg unterstreicht die Bedeutung formeller Genauigkeit in der Rechtsprechung. Es zeigt, wie ein scheinbar kleines Detail wie die Richterunterschrift die Gültigkeit eines gesamten Urteils beeinflussen kann. Diese Entwicklung könnte weitreichende Folgen für ähnliche Fälle im Verkehrsrecht haben und stellt die Wichtigkeit der Einhaltung formeller Kriterien in den Vordergrund.
Das kommende Verfahren am Amtsgericht Brandenburg wird mit besonderem Interesse verfolgt werden, da es zeigt, wie formelle Aspekte in der Rechtsprechung, insbesondere bei Bußgeldurteilen, gehandhabt werden.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Was sind die spezifischen Anforderungen an eine Richterunterschrift in einem Bußgeldurteil?
Die spezifischen Anforderungen an eine Richterunterschrift in einem Bußgeldurteil sind in § 275 Abs. 2 Satz 1 der Strafprozessordnung (StPO) festgelegt. Nach dieser Vorschrift muss das Urteil von den Richtern, die an der Entscheidung beteiligt waren, eigenhändig unterschrieben sein.
Die Unterschrift muss den vollen Namen des Richters enthalten und darf nicht nur aus den Initialen bestehen. Eine Paraphe oder ein Namenskürzel ist nicht ausreichend. Zudem darf die Unterschrift nicht durch einen Stempel oder eine andere Form der Automatisierung ersetzt werden.
Ein Bußgeldurteil, das nicht von dem Richter unterschrieben wurde, der die Entscheidung getroffen hat, ist ungültig. Dies gilt auch, wenn die Unterschrift unleserlich ist oder wenn sie durch einen Stempel oder eine andere Form der Automatisierung ersetzt wurde.
Das vorliegende Urteil
Oberlandesgericht Brandenburg – Az.: 1 OLG 53 Ss-OWi 584/22 – Beschluss vom 11.01.2023
Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 08. August 2022 mit den zu Grunde liegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Brandenburg an der Havel zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Brandenburg an der Havel hat gegen die Betroffene wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 62 km/h, begangen am … 2021 um … Uhr auf der Bundesautobahn … beim km … Fahrtrichtung Anschlussstelle …, ein Bußgeld in Höhe von 600,00 € festgesetzt sowie ein Fahrverbot für die Dauer von zwei Monaten unter Einräumung der Gestaltungsmöglichkeit des § 25 Abs. 2 a StVG angeordnet.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Betroffene mit ihrer Rechtsbeschwerde, mit der sie die Verletzung formellen und sachlichen Rechts rügt. Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg hat in ihrer Stellungnahme vom 25. November 2022 beantragt, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen.
II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthaft und entsprechend den §§ 79 Abs. 3 OWiG, 341, 344, 345 StPO form- und fristgerecht bei Gericht angebracht worden.
2. Die Rechtsbeschwerde hat – vorläufigen – Erfolg; sie ist begründet und führt auf die Sachrüge zu einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Brandenburg an der Havel.
Das angefochtene hält materiell-rechtlicher Überprüfung schon deshalb nicht stand, weil es bereits an der notwendigen Prüfungsgrundlage fehlt. Grundlage der Prüfung des Revisionsgerichts sind allein die schriftlichen Urteilsgründe, wobei das Fehlen einer individualisierbaren richterlichen Unterschrift dem völligen Fehlen der Urteilsgründe gleichzustellen ist (vgl. OLG Frankfurt a. M., NStZ-RR 2016, 287).
Die richterliche Unterschrift unter dem angefochtenen Urteil des Amtsgerichts Brandenburg an der Havel vom 08. August 2022 genügt nicht den Anforderungen, die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung an eine ordnungsgemäße Unterschrift gestellt werden.
Es entspricht ständiger höchstrichterlicher und obergerichtlicher Rechtsprechung, dass eine Unterschrift der handschriftlich angebrachte bürgerliche Name ist, wobei der Schriftzug zwar nicht lesbar sein, aber doch noch als „Schriftzug“ – ein aus Buchstaben bestehendes Gebilde – erkennbar sein muss. Bloße Striche oder geometrische Figuren genügen nicht. Es muss ein Mindestmaß an Ähnlichkeit mit dem ausgeschriebenen Namen jedenfalls in der Weise vorhanden sein, dass ein Dritter, der den Namen des Unterzeichnenden kennt, dessen Namen aus dem Schriftbild noch herauslesen kann (vgl. BGHSt 12, 317; OLG Oldenburg MDR 1988, 253; Brandenburgisches Oberlandesgericht, 2. Strafsenat, Beschluss vom 27. März 2012, (2 B) 53 Ss-OWi 37/12 (30/12); ständige Senatsrechtsprechung, vgl. zuletzt Senatsbeschluss vom 16. Februar 2019, (1 B) 53 Ss-OWi 608/18 (320/18)).
Was unter einer Unterschrift zu verstehen ist, ergibt sich zudem aus dem Sprachgebrauch und dem Zweck der Formvorschrift. Die Unterschrift soll gewährleisten, dass das Schriftstück auch tatsächlich vom Unterzeichner herrührt. Deshalb reicht es aus, dass ein die Identität des Unterschreibenden ausreichend kennzeichnender, individuell gestalteter Namenszug vorliegt, der die Absicht erkennen lässt, eine volle Unterschrift zu leisten, das Schriftstück also nicht nur mit einem abgekürzten Handzeichen zu versehen (vgl. statt vieler: BGH NJW 1985, 1227, BGH NJW 1997, 3380, 3381; OLG Köln NStZ-RR 2011, 348, 349; BayObLG NStZ-RR 2003, 305, 306; OLG Oldenburg NStZ 1988, 145). Der Bundesgerichtshof hat ergänzend – im Zusammenhang mit einer Unterschrift unter einem bestimmenden anwaltlichen Schriftsatz – darauf hingewiesen, dass zumindest in Fällen, in denen kein Zweifel an der Urheberschaft bestünde, ein „großzügiger Maßstab“ anzulegen sei (BGH NJW 1997, 3380, 3381; ebenso BGH NJW 2000, 607). Diese Grundsätze gelten auch für die Unterzeichnung eines Urteils durch den Bußgeldrichter.
Die hier zu beurteilende Unterschrift ist – auch unter Zugrundelegung des von der Rechtsprechung entwickelten großzügigen Maßstabes – nicht ausreichend, um von einer wirksamen Unterzeichnung gemäß § 275 Abs. 2 Satz 1 StPO auszugehen.
Die schriftlichen Urteilsgründe sind lediglich mit einem handschriftlich angebrachten Zeichen versehen, das Ähnlichkeit mit einem schmalen „Q“ aufweist. Eine Ähnlichkeit mit einem einzigen Buchstaben oder einer Buchstabenfolge aus dem Namen der Abteilungsrichterin des Amtsgerichts ist nicht erkennbar.
Der darunter maschinenschriftlich gedruckte Name der Richterin vermag die vom Gesetz geforderte Unterzeichnung des Urteils nicht zu ersetzen.