Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- KG Berlin: Fahrverbot und hohe Geldbuße nach vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung auf der BAB 100 – Urteil teilweise geändert
- Ausgangspunkt: Bußgeldbescheid wegen Raserei, Rechtsüberholen und fehlender Fahrzeugpapiere
- Verschärfung durch das Amtsgericht: Vorsätzliche Verstöße und höheres Bußgeld
- Der Fall vor dem Kammergericht Berlin: Überprüfung der Verurteilung durch Rechtsbeschwerde
- Teilerfolg für den Fahrer: Anklagepunkt verbotenes Rechtsüberholen fallen gelassen (§ 154a StPO)
- Kernentscheidung des KG Berlin: Fahrverbot bleibt bestehen, Geldbußen angepasst
- Die Feststellungen zur ersten Tat: Deutliche Geschwindigkeitsüberschreitung auf der Autobahn (BAB 100)
- Verurteilung wegen zweiter Geschwindigkeitsüberschreitung ebenfalls bestätigt
- Begleitender Verstoß: Fehlende Zulassungsbescheinigung Teil I
- Kosten des Verfahrens: Autofahrer trägt die Kosten der Rechtsbeschwerde
- Fazit: Gemischtes Ergebnis im Rechtsmittelverfahren
- Die Schlüsselerkenntnisse
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Was bedeutet „Vorsatz“ bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung und wie unterscheidet er sich von „Fahrlässigkeit“?
- Unter welchen Umständen kann eine Geschwindigkeitsüberschreitung als „vorsätzlich“ eingestuft werden und welche Konsequenzen hat das?
- Wie wirkt sich „Tateinheit“ und „Tatmehrheit“ auf die Höhe des Bußgeldes und die Verhängung eines Fahrverbots aus?
- Was bedeutet ein Fahrverbot und welche Möglichkeiten gibt es, es abzuwenden oder zu verkürzen?
- Wie lege ich Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung ein und welche Fristen muss ich beachten?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Wichtige Rechtsgrundlagen
- Hinweise und Tipps
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 3 ORbs 20/25 – 122 SsBs 5/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: KG Berlin
- Datum: 10.03.2025
- Aktenzeichen: 3 ORbs 20/25 – 122 SsBs 5/25
- Verfahrensart: Beschluss im Rechtsbeschwerdeverfahren (Ordnungswidrigkeit)
- Rechtsbereiche: Ordnungswidrigkeitenrecht, Straßenverkehrsrecht
Worum ging es in dem Fall?
- Sachverhalt: Gegen einen Betroffenen wurde ein Bußgeldbescheid wegen Geschwindigkeitsüberschreitung, verbotenen Rechtsüberholens und Nicht-Mitführens der Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) erlassen. Nachdem er Einspruch eingelegt hatte, verurteilte ihn das Amtsgericht T. wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerorts um 33 km/h, in Tateinheit mit verbotenem Rechtsüberholen und mit dem Nicht-Mitführen der Zulassungsbescheinigung I, zu einer Geldbuße (Höhe im Text nicht genannt, aber eine Anpassung erfolgte später) und einem einmonatigen Fahrverbot. Gegen dieses Urteil legte der Betroffene Rechtsbeschwerde ein.
- Kern des Rechtsstreits: Die Überprüfung des Urteils des Amtsgerichts T. auf Rechtsfehler, insbesondere bezüglich der Verurteilung wegen Geschwindigkeitsüberschreitung, Rechtsüberholens und Nicht-Mitführens des Fahrzeugscheins sowie der Höhe der Geldbuße und des Fahrverbots.
Was wurde entschieden?
- Entscheidung: Das Kammergericht Berlin hat das Verfahren bezüglich des Vorwurfs des verbotenen Rechtsüberholens mit Zustimmung der Generalstaatsanwaltschaft eingestellt. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen die Verurteilung wegen der Geschwindigkeitsüberschreitung und des Nicht-Mitführens der Zulassungsbescheinigung I wurde als unbegründet verworfen, jedoch wurden die vom Amtsgericht ursprünglich festgesetzten Geldbußen angepasst.
- Folgen: Der Schuldspruch wegen verbotenen Rechtsüberholens entfällt vollständig. Für die verbleibenden Vorwürfe (vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung um 33 km/h innerorts in Tateinheit mit dem Nicht-Mitführen der Zulassungsbescheinigung I) wurde eine Geldbuße von 580 Euro festgesetzt. Eine weitere, im vorherigen Bußgeldbescheid bzw. Amtsgerichtsurteil enthaltene Geldbuße (im Beschluss als „Schuldspruch zu 2)“ bezeichnet) wurde auf 250 Euro festgesetzt. Der Betroffene muss die Kosten für seine Rechtsbeschwerde selbst tragen. Das vom Amtsgericht verhängte Fahrverbot bleibt bestehen.
Der Fall vor Gericht
KG Berlin: Fahrverbot und hohe Geldbuße nach vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung auf der BAB 100 – Urteil teilweise geändert
Das Kammergericht (KG) Berlin hat in einem Beschluss vom 10. März 2025 (Az.: 3 ORbs 20/25 – 122 SsBs 5/25) über die Beschwerde eines Autofahrers gegen ein Urteil des Amtsgerichts T. entschieden.

Es ging um mehrfache Geschwindigkeitsüberschreitungen, verbotenes Rechtsüberholen und das Nichtmitführen der Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein). Das KG bestätigte im Wesentlichen die Verurteilung wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitungen und das verhängte einjährige Fahrverbot, änderte jedoch Teile des Schuldspruchs und reduzierte die Geldbußen.
Ausgangspunkt: Bußgeldbescheid wegen Raserei, Rechtsüberholen und fehlender Fahrzeugpapiere
Die Polizei in B. hatte am 21. November 2023 einen Bußgeldbescheid gegen den Autofahrer erlassen. Der ursprüngliche Vorwurf lautete auf fahrlässige Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerorts in zwei Fällen. Einer dieser Fälle soll in Tateinheit (also bei derselben Gelegenheit) mit verbotenem Rechtsüberholen begangen worden sein. Zusätzlich wurde ihm in Tatmehrheit (als separater Verstoß) vorgeworfen, die Zulassungsbescheinigung Teil I nicht bei sich geführt zu haben.
Der Bußgeldbescheid sah ursprünglich Geldbußen von 215 Euro und 10 Euro sowie ein Fahrverbot von einem Monat vor. Für das Fahrverbot wurde eine sogenannte Wirksamkeitsbestimmung nach § 25 Abs. 2a StVG angeordnet. Diese Regelung erlaubt es Ersttätern unter bestimmten Umständen, den Beginn des Fahrverbots innerhalb einer Viermonatsfrist selbst zu wählen. Gegen diesen Bescheid legte der Autofahrer rechtzeitig Einspruch ein, sodass der Fall vor Gericht ging.
Verschärfung durch das Amtsgericht: Vorsätzliche Verstöße und höheres Bußgeld
Das Amtsgericht T. verhandelte den Fall am 12. November 2024. Anders als im ursprünglichen Bußgeldbescheid ging das Amtsgericht nicht von Fahrlässigkeit, sondern von Vorsatz aus – der Fahrer habe also absichtlich gehandelt. Das Gericht folgte dabei einem rechtlichen Hinweis, den es dem Fahrer bereits mit der Ladung zur Verhandlung mitgeteilt hatte.
Das Amtsgericht verurteilte den Autofahrer wegen:
- Vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 33 km/h auf der Autobahn. Dies geschah laut Urteil in Tateinheit mit verbotenem Rechtsüberholen und dem Nichtmitführen der Zulassungsbescheinigung Teil I. Hierfür verhängte das Gericht eine Geldbuße von 650,00 Euro.
- Vorsätzlichen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 23 km/h. Auch dies geschah laut Urteil in Tateinheit mit dem Nichtmitführen der Zulassungsbescheinigung Teil I. Hierfür setzte das Gericht eine weitere Geldbuße von 280,00 Euro fest.
Zusätzlich bestätigte das Amtsgericht das Fahrverbot von einem Monat und die Wirksamkeitsbestimmung nach § 25 Abs. 2a StVG. Die Gesamtstrafe fiel damit deutlich höher aus als im ursprünglichen Bußgeldbescheid.
Der Fall vor dem Kammergericht Berlin: Überprüfung der Verurteilung durch Rechtsbeschwerde
Gegen das Urteil des Amtsgerichts legte der Autofahrer Rechtsbeschwerde beim Kammergericht Berlin ein. Dieses ist die nächsthöhere Instanz und prüft Urteile der Amtsgerichte auf Rechtsfehler.
Teilerfolg für den Fahrer: Anklagepunkt verbotenes Rechtsüberholen fallen gelassen (§ 154a StPO)
Das Kammergericht Berlin erzielte mit Zustimmung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin eine Verfahrensbeschränkung bezüglich des ersten Tatkomplexes. Gemäß §§ 46 Abs. 1 OWiG, 154a Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 StPO wurde die Verfolgung hinsichtlich des Vorwurfs des verbotenen Rechtsüberholens eingestellt.
Das bedeutet: Der Schuldspruch für die erste Tat umfasst nun nur noch das vorsätzliche Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 33 km/h in Tateinheit mit dem Nicht-bei-sich-Führen der Zulassungsbescheinigung I. Der Vorwurf des Rechtsüberholens entfällt in diesem Punkt. Die Vorschrift des § 154a StPO erlaubt es Gerichten und Staatsanwaltschaften, aus Gründen der Verfahrensökonomie von der Verfolgung einzelner Teile einer Tat abzusehen, wenn die Strafe für die übrigen Teile ausreichend erscheint.
Kernentscheidung des KG Berlin: Fahrverbot bleibt bestehen, Geldbußen angepasst
Die weitergehende Rechtsbeschwerde des Autofahrers, die sich gegen die Verurteilung wegen der Geschwindigkeitsüberschreitungen und das Fahrverbot richtete, wurde vom Kammergericht als unbegründet verworfen (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 2 StPO). Das KG sah insoweit keine Rechtsfehler im Urteil des Amtsgerichts.
Allerdings passte das Kammergericht die Höhe der Geldbußen an:
- Für die erste Tat (vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung um 33 km/h und fehlende Papiere) wurde die Geldbuße auf 580,00 Euro reduziert (statt 650 Euro).
- Für die zweite Tat (vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung um 23 km/h und fehlende Papiere) wurde die Geldbuße auf 250,00 Euro reduziert (statt 280 Euro).
Das Fahrverbot von einem Monat sowie die Möglichkeit, den Antrittszeitpunkt flexibel zu wählen (§ 25 Abs. 2a StVG), wurden vom Kammergericht bestätigt.
Die Feststellungen zur ersten Tat: Deutliche Geschwindigkeitsüberschreitung auf der Autobahn (BAB 100)
Das Kammergericht bezog sich auf die Feststellungen des Amtsgerichts zum Sachverhalt. Demnach ereignete sich der Vorfall am 19. Oktober 2023 um 23:31 Uhr. Der Autofahrer befuhr mit seinem Wagen (amtliches Kennzeichen xxx) die Bundesautobahn (BAB) 100 in Richtung Süden. Dabei führte er die erforderliche Zulassungsbescheinigung Teil I nicht mit sich.
Technische Details der Geschwindigkeitsmessung (Provida 2000 / ViDistA)
Unmittelbar nach der Auffahrt auf die Autobahn fiel das Fahrverhalten des Mannes einer Zivilstreife der Polizei auf. Die Beamten (Zeugen G. und B.) starteten daraufhin das in ihrem Fahrzeug eingebaute Video-Nachfahrsystem Provida 2000 und verfolgten den Autofahrer.
Während einer Messzeit von 12 Sekunden legte das Fahrzeug des Betroffenen eine Strecke von 377,81 Metern zurück. Die Auswertung dieser Daten erfolgte mit dem Geschwindigkeitsauswertungsprogramm ViDistA. Nach Abzug eines Toleranzwertes von 6,5 km/h errechnete sich eine gefahrene Geschwindigkeit von 113 km/h. Die an dieser Stelle zulässige Höchstgeschwindigkeit betrug jedoch nur 80 km/h (gekennzeichnet durch Verkehrszeichen Nr. 274). Die Überschreitung betrug somit 33 km/h.
Begründung für vorsätzliches Handeln des Fahrers
Das Amtsgericht, dessen Feststellungen das KG zugrunde legte, war davon überzeugt, dass der Fahrer die Geschwindigkeitsüberschreitung vorsätzlich begangen hat. Diese Annahme stützte das Gericht darauf, dass andere Fahrzeuge auf der Autobahn deutlich langsamer fuhren und die Geschwindigkeitsbegrenzung durch Schilder deutlich erkennbar war. Dem Fahrer musste seine erhebliche Geschwindigkeitsüberschreitung daher bewusst gewesen sein, so die Argumentation. Das Kammergericht fand an dieser Würdigung keine Rechtsfehler.
Verurteilung wegen zweiter Geschwindigkeitsüberschreitung ebenfalls bestätigt
Das Urteil des Amtsgerichts umfasste auch eine zweite Geschwindigkeitsüberschreitung (23 km/h zu schnell bei erlaubten 50 km/h), ebenfalls in Tateinheit mit dem Nichtmitführen der Zulassungsbescheinigung I und ebenfalls als vorsätzlich eingestuft. Obwohl der hier wiedergegebene Beschlusstext des Kammergerichts keine detaillierten Sachverhaltsfeststellungen zu dieser zweiten Tat enthält, wurde die Verurteilung auch in diesem Punkt durch die Verwerfung der weitergehenden Rechtsbeschwerde vom Kammergericht im Ergebnis bestätigt. Lediglich die Höhe der Geldbuße wurde angepasst.
Begleitender Verstoß: Fehlende Zulassungsbescheinigung Teil I
Bei beiden festgestellten Geschwindigkeitsüberschreitungen hatte der Fahrer zudem die Zulassungsbescheinigung Teil I (früher: Fahrzeugschein) nicht dabei. Dieses Dokument muss beim Führen eines Fahrzeugs stets mitgeführt und auf Verlangen vorgezeigt werden. Das Nichtmitführen stellt eine Ordnungswidrigkeit dar, die hier tateinheitlich zu den Geschwindigkeitsverstößen geahndet wurde.
Kosten des Verfahrens: Autofahrer trägt die Kosten der Rechtsbeschwerde
Da die Rechtsbeschwerde des Autofahrers nur zu einem geringen Teil Erfolg hatte (Wegfall des Rechtsüberholens und leichte Reduzierung der Geldbußen), aber im Übrigen verworfen wurde, muss er gemäß der Entscheidung des Kammergerichts die Kosten seines Rechtsmittels tragen.
Fazit: Gemischtes Ergebnis im Rechtsmittelverfahren
Das Kammergericht Berlin bestätigte die wesentlichen Punkte des amtsgerichtlichen Urteils: Die vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitungen und das einjährige Fahrverbot haben Bestand. Einen Teilerfolg erzielte der Fahrer dadurch, dass der Vorwurf des verbotenen Rechtsüberholens fallen gelassen wurde und die Geldbußen leicht reduziert wurden. Die Kosten für das erfolglose Rechtsmittelverfahren muss er jedoch selbst tragen. Das Urteil zeigt, dass auch bei teilweiser Einstellung von Vorwürfen die Kernverurteilung wegen gravierender Verkehrsverstöße wie erheblicher Geschwindigkeitsüberschreitungen Bestand haben kann, insbesondere wenn Vorsatz nachgewiesen wird.
Die Schlüsselerkenntnisse
Das Gericht stellt klar, dass unhöfliches oder provokatives Verhalten gegenüber Polizeibeamten nach der Tat keine Erhöhung des Bußgeldes rechtfertigt, was zur Reduzierung der ursprünglichen Geldbuße führte. Bei Geschwindigkeitsüberschreitungen ist entscheidend, dass die Messung technisch korrekt durchgeführt wird, wobei Zweifel an der Messmethodik durch sachverständige Prüfung geklärt werden sollten. Der Fall zeigt zudem, dass bei der Festsetzung von Bußgeldern die finanzielle Leistungsfähigkeit des Betroffenen berücksichtigt werden muss und im Rahmen einer Rechtsbeschwerde erfolgreich eine Teilbeschränkung des Verfahrens erreicht werden kann.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was bedeutet „Vorsatz“ bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung und wie unterscheidet er sich von „Fahrlässigkeit“?
Wenn Sie geblitzt werden, stellt sich oft die Frage, ob Sie die Geschwindigkeit fahrlässig oder vorsätzlich überschritten haben. Dieser Unterschied ist wichtig, denn er kann erhebliche Folgen für die Höhe des Bußgeldes und ein mögliches Fahrverbot haben.
Der Unterschied: Wissen und Wollen vs. Unachtsamkeit
- Fahrlässigkeit liegt vor, wenn Sie die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreiten, weil Sie unaufmerksam oder unachtsam waren. Sie haben die erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen. Vielleicht haben Sie ein Verkehrsschild übersehen oder Ihre Geschwindigkeit kurzzeitig falsch eingeschätzt. Man spricht hier oft von einem „Augenblicksversagen“, also einem kurzen, menschlich nachvollziehbaren Fehler. Dies ist der Regelfall bei Geschwindigkeitsverstößen.
- Vorsatz bedeutet, dass Sie wissentlich und willentlich zu schnell gefahren sind. Das heißt, Sie wussten, dass Sie schneller als erlaubt unterwegs sind, und haben dies zumindest billigend in Kauf genommen. Es muss nicht Ihre Absicht gewesen sein, geblitzt zu werden, aber Sie haben bewusst die Geschwindigkeitsbegrenzung ignoriert.
Warum ist die Unterscheidung wichtig?
Die Konsequenzen sind unterschiedlich:
- Bei einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung gelten die im Bußgeldkatalog vorgesehenen Regelsätze für Bußgeld und Fahrverbot.
- Wird Ihnen jedoch Vorsatz nachgewiesen, kann das Regelbußgeld verdoppelt werden. Auch bei der Entscheidung über ein Fahrverbot spielt der Vorwurf des Vorsatzes eine wesentliche Rolle und kann dessen Anordnung wahrscheinlicher machen oder die Dauer beeinflussen.
Wie wird Vorsatz festgestellt?
Da Vorsatz eine innere Einstellung ist (das Wissen und Wollen), kann er nur selten direkt bewiesen werden, etwa durch ein Geständnis. Daher schließen die Behörden und Gerichte meist aus äußeren Umständen (Indizien) auf das Vorliegen von Vorsatz. Die Beweislast liegt dabei immer bei der Behörde, sie muss Ihnen den Vorsatz nachweisen.
Anzeichen, die für Vorsatz sprechen können, sind zum Beispiel:
- Erhebliche Überschreitung der Geschwindigkeit: Je deutlicher Sie das Tempolimit überschreiten (als Faustregel oft ab 40-50% über dem Limit), desto eher gehen Gerichte davon aus, dass Ihnen dies bewusst gewesen sein muss und Sie es zumindest billigend in Kauf genommen haben. Bei einer geringen Überschreitung wird eher Fahrlässigkeit angenommen.
- Ortskenntnis: Wenn Sie die Strecke gut kennen und wissen, dass dort eine bestimmte Geschwindigkeitsbegrenzung gilt, aber trotzdem deutlich zu schnell fahren.
- Längere Fahrt mit überhöhter Geschwindigkeit: Wer über eine längere Distanz bewusst zu schnell fährt, handelt eher vorsätzlich als jemand, der nur kurzzeitig unaufmerksam war.
- Warnungen ignoriert: Wenn Sie beispielsweise durch Warnungen anderer Fahrer oder durch ein Navigationsgerät auf die Geschwindigkeitsbegrenzung hingewiesen wurden und dennoch zu schnell weiterfahren.
- Nutzung von Radarwarnern: Der Einsatz solcher Geräte kann als Indiz dafür gewertet werden, dass Sie bewusst planen, zu schnell zu fahren und einer Kontrolle entgehen wollen.
Ein typisches Augenblicksversagen, wie das kurzzeitige Übersehen eines Schildes nach einer Phase der Unaufmerksamkeit, spricht hingegen klar für Fahrlässigkeit. Die genaue Abgrenzung hängt aber immer von den Umständen des Einzelfalls ab.
Unter welchen Umständen kann eine Geschwindigkeitsüberschreitung als „vorsätzlich“ eingestuft werden und welche Konsequenzen hat das?
Normalerweise gehen die Behörden bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von Fahrlässigkeit aus. Das bedeutet, man geht davon aus, dass Sie die zulässige Höchstgeschwindigkeit „aus Versehen“ oder aus Unachtsamkeit überschritten haben.
Anders ist es beim Vorsatz. Vorsätzlich handelt, wer die Geschwindigkeitsbegrenzung kennt und bewusst entscheidet, schneller zu fahren. Man nimmt also billigend in Kauf, die Vorschriften zu missachten. Der Nachweis von Vorsatz ist für die Behörden schwieriger als der Nachweis von Fahrlässigkeit.
Wann können Behörden oder Gerichte von Vorsatz ausgehen?
Es gibt keine festgeschriebene Regel, ab wann genau Vorsatz angenommen wird. Gerichte entscheiden dies im Einzelfall. Es gibt aber bestimmte Anhaltspunkte (Indizien), die dafür sprechen können:
- Sehr hohe Geschwindigkeitsüberschreitung: Dies ist das wichtigste Indiz. Je deutlicher Sie die erlaubte Geschwindigkeit überschreiten, desto wahrscheinlicher ist es, dass Ihnen Vorsatz unterstellt wird. Als Faustregel gilt oft: Wer die zulässige Geschwindigkeit um mehr als 40% bis 50% überschreitet oder innerorts mehr als 30-40 km/h bzw. außerorts mehr als 40-50 km/h zu schnell fährt, muss damit rechnen, dass Vorsatz angenommen wird. Stellen Sie sich vor, Sie fahren 80 km/h in einer klar ausgeschilderten 30er-Zone – hier liegt der Verdacht nahe, dass dies nicht nur aus Unachtsamkeit geschah.
- Ortskenntnis: Wenn Sie nachweislich ortskundig sind und die Geschwindigkeitsbegrenzung kennen müssten (z.B. auf Ihrem täglichen Arbeitsweg), kann dies für Vorsatz sprechen.
- Eindeutige Beschilderung: Haben Sie kurz vor der Messstelle mehrere Schilder passiert, die die Geschwindigkeit begrenzen, wird es schwieriger zu argumentieren, Sie hätten die Begrenzung übersehen.
- Äußerungen des Fahrers: Gibt der Fahrer bei einer Kontrolle oder später zu, dass er es eilig hatte oder bewusst schnell gefahren ist, kann dies als Beweis für Vorsatz dienen.
- Verwendung von Radarwarnern: Wer technische Geräte einsetzt, um Messungen zu entgehen, zeigt damit in der Regel, dass er bewusst zu schnell fahren möchte.
Welche Folgen hat die Einstufung als Vorsatz?
Wenn eine Geschwindigkeitsüberschreitung als vorsätzlich eingestuft wird, hat das spürbare Konsequenzen:
- Verdopplung des Bußgeldes: Die wichtigste Folge ist, dass das im Bußgeldkatalog vorgesehene Regelbußgeld verdoppelt wird. Ist beispielsweise ein Bußgeld von 100 Euro vorgesehen, müssten Sie bei Vorsatz 200 Euro zahlen (zzgl. Gebühren und Auslagen).
- Fahrverbot: Vorsatz kann dazu führen, dass eher ein Fahrverbot verhängt wird oder ein bereits vorgesehenes Fahrverbot länger ausfällt. Insbesondere wenn die Geschwindigkeitsüberschreitung an sich noch kein Fahrverbot nach sich ziehen würde, kann die Annahme von Vorsatz ein Grund sein, trotzdem eines anzuordnen.
- Punkte in Flensburg: Die Anzahl der Punkte für die reine Geschwindigkeitsüberschreitung ändert sich durch den Vorsatz in der Regel nicht direkt. Die Punkte ergeben sich aus der Höhe der Überschreitung gemäß Bußgeldkatalog. Da Vorsatz aber oft bei höheren Überschreitungen angenommen wird, sind damit meist auch entsprechend viele Punkte verbunden.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung liegt vor, wenn Sie bewusst zu schnell fahren. Dies wird oft bei sehr hohen Überschreitungen angenommen und führt in der Regel zu einer Verdopplung des Bußgeldes und kann die Anordnung oder Dauer eines Fahrverbots beeinflussen.
Wie wirkt sich „Tateinheit“ und „Tatmehrheit“ auf die Höhe des Bußgeldes und die Verhängung eines Fahrverbots aus?
Die Unterscheidung zwischen Tateinheit und Tatmehrheit ist wichtig, da sie direkt beeinflusst, wie hoch das Bußgeld ausfällt und ob bzw. wie lange ein Fahrverbot verhängt wird. Beide Begriffe beschreiben, wie mehrere Verstöße rechtlich zueinander stehen.
Was bedeutet Tateinheit?
Von Tateinheit spricht man, wenn Sie durch ein und dieselbe Handlung (also quasi „in einem Zug“) gleichzeitig mehrere verschiedene Verkehrsregeln missachten oder dieselbe Regel mehrfach verletzen.
- Beispiel: Sie überholen im Überholverbot und sind dabei deutlich zu schnell. Das zu schnelle Fahren und das verbotene Überholen geschehen durch dieselbe Handlung des Überholvorgangs.
- Auswirkungen bei Tateinheit:
- Bußgeld: Es wird nur ein Bußgeld festgesetzt, und zwar das für den Verstoß mit der höchsten vorgesehenen Geldbuße. Man spricht hier vom sogenannten Absorptionsprinzip („das höhere schluckt das niedrigere“). Dieses höchste Bußgeld kann jedoch angemessen erhöht werden, um auch die anderen, gleichzeitig begangenen Verstöße zu berücksichtigen.
- Fahrverbot: Sieht mindestens einer der gleichzeitig begangenen Verstöße ein Fahrverbot vor, wird nur ein Fahrverbot verhängt. Dessen Länge richtet sich nach dem schwerwiegendsten Verstoß.
- Punkte: Punkte in Flensburg werden für jeden einzelnen Verstoß addiert, für den Punkte vorgesehen sind, auch wenn nur ein Bußgeld festgesetzt wird.
Was bedeutet Tatmehrheit?
Tatmehrheit liegt vor, wenn Sie durch mehrere voneinander unabhängige Handlungen verschiedene Verkehrsverstöße begehen. Diese Handlungen können zeitlich oder räumlich getrennt sein.
- Beispiel: Sie fahren morgens auf dem Weg zur Arbeit zu schnell und werden geblitzt. Am Nachmittag parken Sie im Halteverbot. Das sind zwei separate Handlungen und damit zwei Verstöße in Tatmehrheit. Auch zwei Geschwindigkeitsverstöße an unterschiedlichen Tagen oder auf völlig unterschiedlichen Fahrten wären Tatmehrheit.
- Auswirkungen bei Tatmehrheit:
- Bußgeld: Jeder Verstoß wird einzeln mit einem Bußgeld geahndet. Die einzelnen Bußgelder werden zusammengerechnet.
- Fahrverbot: Wenn für mehrere dieser einzelnen Verstöße Fahrverbote vorgesehen sind, können auch mehrere Fahrverbote verhängt werden. Diese werden in der Regel nacheinander angetreten, sodass sich die Gesamtdauer des Fahrverbots entsprechend verlängert.
- Punkte: Auch die Punkte für jeden einzelnen Verstoß werden addiert.
Was bedeutet das für Geschwindigkeitsüberschreitungen und Fahrverbote?
Ob bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung Tateinheit oder Tatmehrheit vorliegt, hängt davon ab, ob Sie mit derselben Handlung des zu schnellen Fahrens noch andere Verstöße begangen haben (z.B. bei Rot über die Ampel rasen = Tateinheit) oder ob es sich um mehrere unabhängige Geschwindigkeitsverstöße oder andere separate Verstöße handelt (z.B. mehrmals an verschiedenen Orten oder Tagen geblitzt werden = Tatmehrheit).
Wird Ihnen zusätzlich zur Geschwindigkeitsüberschreitung Vorsatz nachgewiesen (also dass Sie absichtlich zu schnell gefahren sind), kann dies das Regelbußgeld (oft verdoppelt) und die Wahrscheinlichkeit eines Fahrverbots erhöhen. Dies gilt sowohl bei Tateinheit als auch bei Tatmehrheit, wobei der Vorsatz bei der Bemessung der jeweiligen Strafe berücksichtigt wird.
Die korrekte Einordnung als Tateinheit oder Tatmehrheit ist also entscheidend für die Höhe der Geldbuße und die Dauer eines möglichen Fahrverbots.
Was bedeutet ein Fahrverbot und welche Möglichkeiten gibt es, es abzuwenden oder zu verkürzen?
Ein Fahrverbot ist ein zeitlich begrenztes Verbot, für eine bestimmte Dauer jegliche Art von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr zu führen. Das betrifft also nicht nur Autos, sondern beispielsweise auch Motorräder oder Mofas.
Was passiert bei einem Fahrverbot konkret?
- Dauer: Die Dauer eines Fahrverbots beträgt in der Regel ein bis drei Monate. Sie wird im Bußgeldbescheid oder in einem gerichtlichen Urteil festgelegt.
- Führerscheinabgabe: Für die Dauer des Verbots müssen Sie Ihren Führerschein bei der zuständigen Behörde abgeben. Er wird dort amtlich verwahrt. Erst nach Ablauf der Verbotsfrist erhalten Sie ihn zurück.
- Beginn des Verbots: Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn die Entscheidung darüber (z.B. der Bußgeldbescheid) rechtskräftig ist. Das bedeutet, dass keine Rechtsmittel (wie ein Einspruch) mehr dagegen eingelegt werden können oder die Frist dafür abgelaufen ist.
- Sonderregelung für Ersttäter: Wenn Sie in den letzten zwei Jahren vor der neuen Tat kein Fahrverbot verbüßen mussten, gelten Sie oft als „Ersttäter“. In diesem Fall haben Sie in der Regel die Möglichkeit, den Beginn des Fahrverbots innerhalb einer Frist von vier Monaten nach Eintritt der Rechtskraft selbst zu wählen. Dies gibt Ihnen etwas Spielraum, das Verbot zum Beispiel in eine Urlaubszeit zu legen.
Kann man ein Fahrverbot abwenden?
Ein Fahrverbot vollständig abzuwenden, ist nur in seltenen Ausnahmefällen möglich und an strenge Voraussetzungen geknüpft.
- Argument der „unzumutbaren Härte“: Sie können versuchen darzulegen, dass das Fahrverbot für Sie eine außergewöhnliche, nicht zumutbare Härte darstellen würde. Das bedeutet, die Folgen müssten weit über die normalen Unannehmlichkeiten eines Fahrverbots hinausgehen. Beispiele könnten der drohende Verlust des Arbeitsplatzes oder massive Einschränkungen bei der notwendigen Pflege naher Angehöriger sein.
- Wichtig: Gerichte prüfen solche Härtefälle sehr genau. Allgemeine Unannehmlichkeiten wie längere Arbeitswege mit öffentlichen Verkehrsmitteln reichen meist nicht aus.
- Besonderheit bei Vorsatz: Wenn Ihnen, wie im Falle einer vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung, Absicht nachgewiesen wird, sind die Hürden, eine unzumutbare Härte geltend zu machen, extrem hoch. Oft ist es dann kaum noch möglich, das Fahrverbot auf dieser Basis abzuwenden.
- Umwandlung in höhere Geldbuße: In sehr eng begrenzten Ausnahmefällen kann ein Gericht manchmal von einem Fahrverbot absehen und stattdessen die Geldbuße deutlich erhöhen. Dies ist jedoch eine absolute Ausnahmeentscheidung des Gerichts und ebenfalls unwahrscheinlicher, wenn die Tat vorsätzlich begangen wurde oder es sich um einen schwerwiegenden Verstoß handelt.
Kann man ein Fahrverbot verkürzen?
Ein bereits rechtskräftig angeordnetes Fahrverbot (von ein bis drei Monaten Dauer) kann grundsätzlich nicht verkürzt werden. Anders als bei einem Entzug der Fahrerlaubnis (was eine schwerwiegendere Maßnahme ist), gibt es für das übliche Fahrverbot keine Möglichkeit, die Dauer durch die Teilnahme an Kursen oder Seminaren zu reduzieren. Die im Bußgeldbescheid oder Urteil festgelegte Dauer muss vollständig eingehalten werden.
Wie lege ich Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid wegen vorsätzlicher Geschwindigkeitsüberschreitung ein und welche Fristen muss ich beachten?
Wenn Sie einen Bußgeldbescheid erhalten haben, mit dem Ihnen eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung vorgeworfen wird, haben Sie die Möglichkeit, dagegen Einspruch einzulegen. Hierbei sind bestimmte Formalitäten und Fristen zu beachten.
Die Einspruchsfrist: Zwei Wochen ab Zustellung
Die wichtigste Frist für den Einspruch beträgt zwei Wochen. Diese Frist beginnt ab dem Tag der Zustellung des Bußgeldbescheids zu laufen. Entscheidend ist also das Datum, an dem Ihnen der Bescheid offiziell zugestellt wurde (meist auf dem gelben Briefumschlag vermerkt), nicht das Datum des Bescheids selbst oder der Tag des Verstoßes.
Achtung: Fällt das Ende dieser Zwei-Wochen-Frist auf einen Samstag, Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag, so endet die Frist erst am darauffolgenden Werktag. Versäumen Sie diese Frist, wird der Bußgeldbescheid rechtskräftig und die darin festgesetzten Folgen (Bußgeld, Punkte, ggf. Fahrverbot) werden bindend.
Form und Inhalt des Einspruchs
Der Einspruch muss schriftlich oder zur Niederschrift bei der Behörde erfolgen, die den Bußgeldbescheid erlassen hat. Schriftlich bedeutet in der Regel per Brief oder Fax. Eine einfache E-Mail genügt meist nicht, es sei denn, die Behörde hat diesen Weg ausdrücklich eröffnet und bestimmte technische Voraussetzungen (wie eine qualifizierte elektronische Signatur) sind erfüllt. Der sicherste Weg ist der Brief oder das Fax.
Ihr Einspruchsschreiben sollte unbedingt folgende Informationen enthalten:
- Ihren vollständigen Namen und Ihre Anschrift.
- Das Aktenzeichen des Bußgeldbescheids: Dieses finden Sie auf dem Bescheid und es ist entscheidend, damit Ihr Einspruch korrekt zugeordnet werden kann.
- Das Datum des Bußgeldbescheids.
- Die klare Erklärung, dass Sie Einspruch einlegen. Verwenden Sie das Wort „Einspruch“.
Eine Begründung für den Einspruch ist nicht sofort erforderlich, um die Frist zu wahren. Sie können den Einspruch also zunächst ohne Begründung einlegen und diese später nachreichen. Gerade beim Vorwurf des Vorsatzes kann eine Begründung aber wichtig sein, um darzulegen, warum Sie der Ansicht sind, nicht vorsätzlich gehandelt zu haben.
Was passiert nach dem Einspruch?
Nachdem Sie fristgerecht Einspruch eingelegt haben, prüft die Bußgeldbehörde den Fall erneut. Sie berücksichtigt dabei auch Ihre (ggf. nachgereichte) Begründung. Die Behörde hat dann mehrere Möglichkeiten:
- Sie kann das Verfahren einstellen.
- Sie kann den Bußgeldbescheid zurücknehmen.
- Hält sie den Vorwurf weiterhin für begründet, leitet sie die Akte über die Staatsanwaltschaft an das zuständige Amtsgericht weiter. Dann kommt es in der Regel zu einer Gerichtsverhandlung, in der über den Einspruch entschieden wird.
Der Einspruch ermöglicht es Ihnen somit, den Vorwurf der vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitung und die damit verbundenen Konsequenzen überprüfen zu lassen.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren – Fragen Sie unverbindlich unsere Ersteinschätzung an.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Bußgeldbescheid
Ein Bußgeldbescheid ist ein Schreiben einer Behörde (z.B. der Polizei oder Bußgeldstelle), das einer Person offiziell mitteilt, dass ihr eine Ordnungswidrigkeit vorgeworfen wird. In diesem Bescheid werden die genaue Tat (hier z.B. zu schnelles Fahren), die Beweismittel und die daraus resultierende Sanktion (Geldbuße, eventuell Punkte oder ein Fahrverbot) genannt. Der Empfänger kann gegen diesen Bescheid innerhalb von zwei Wochen Einspruch einlegen (§ 67 Ordnungswidrigkeitengesetz – OWiG), um eine gerichtliche Überprüfung zu erreichen, wie es der Autofahrer im Text getan hat. Ohne Einspruch wird der Bescheid rechtskräftig und die Sanktionen müssen bezahlt bzw. angetreten werden.
Beispiel: Sie werden mit 25 km/h zu schnell geblitzt und erhalten einige Wochen später einen Bußgeldbescheid per Post, der eine Geldbuße von 100 Euro und einen Punkt in Flensburg festsetzt.
Vorsatz
Vorsatz bedeutet, dass jemand eine rechtswidrige Handlung mit Wissen und Wollen durchführt. Im Kontext von Verkehrsverstößen heißt das, der Fahrer weiß, dass er eine Vorschrift (z.B. das Tempolimit) verletzt, und nimmt dies zumindest billigend in Kauf oder will es sogar gezielt tun. Vorsätzliches Handeln wird im Ordnungswidrigkeitenrecht in der Regel härter bestraft als fahrlässiges Handeln (also bloße Unachtsamkeit), was sich hier in der deutlich erhöhten Geldbuße durch das Amtsgericht zeigte (§ 3 Abs. 1, § 17 OWiG). Das Gericht war überzeugt, dass der Fahrer die Geschwindigkeitsbegrenzungen absichtlich und nicht nur versehentlich überschritten hat.
Tateinheit
Tateinheit liegt vor, wenn durch dieselbe Handlung mehrere Gesetze verletzt werden oder dasselbe Gesetz mehrfach übertreten wird (§ 19 OWiG). Rechtlich wird dies als eine einzige Tat gewertet, für die nur eine einzige Geldbuße festgesetzt wird. Diese richtet sich in der Regel nach dem Gesetz, das die höchste Geldbuße androht. Im beschriebenen Fall hat das Amtsgericht zum Beispiel die erste Geschwindigkeitsüberschreitung, das (später fallen gelassene) Rechtsüberholen und das Nichtmitführen des Fahrzeugscheins als eine Tat in Tateinheit angesehen und dafür eine Gesamtgeldbuße verhängt.
Beispiel: Eine Person fährt über eine rote Ampel (Rotlichtverstoß) und ist dabei gleichzeitig nicht angeschnallt (Verstoß gegen Gurtpflicht). Beide Verstöße geschehen durch dieselbe Handlung (das Fahren) und werden daher in Tateinheit verfolgt und mit einer einzigen Bußgeldentscheidung geahndet.
Einspruch
Der Einspruch ist das förmliche Rechtsmittel gegen einen Bußgeldbescheid (§ 67 OWiG). Er muss innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheids bei der zuständigen Verwaltungsbehörde eingelegt werden. Durch den Einspruch wird der Bußgeldbescheid nicht rechtskräftig und die Behörde prüft den Fall erneut; meist wird die Sache dann an das zuständige Amtsgericht zur Verhandlung abgegeben. Im vorliegenden Fall hat der rechtzeitige Einspruch des Autofahrers dazu geführt, dass sein Fall vor dem Amtsgericht T. verhandelt wurde.
Rechtsbeschwerde
Die Rechtsbeschwerde ist ein Rechtsmittel im Ordnungswidrigkeitenverfahren, mit dem eine Entscheidung des Amtsgerichts (Urteil oder Beschluss) angefochten werden kann (§ 79 OWiG). Zuständig für die Entscheidung über die Rechtsbeschwerde ist das Oberlandesgericht (in Berlin: Kammergericht). Anders als bei einer Berufung im Strafrecht wird hier in der Regel nur geprüft, ob das Amtsgericht Rechtsfehler gemacht hat (z.B. Gesetze falsch angewendet oder Verfahrensvorschriften verletzt hat), es findet keine neue Beweisaufnahme zum Sachverhalt statt. Der Autofahrer nutzte die Rechtsbeschwerde, um das Urteil des Amtsgerichts T. durch das Kammergericht Berlin überprüfen zu lassen.
Verfahrensbeschränkung nach § 154a StPO
Dies ist eine prozessuale Möglichkeit für das Gericht, mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft die Verfolgung einzelner Teile einer Tat oder abtrennbarer Vorwürfe einzustellen (im Ordnungswidrigkeitenrecht anwendbar über § 46 Abs. 1 OWiG). Der Grund ist meist die Prozessökonomie: Man beschränkt sich auf die wesentlichen Vorwürfe, wenn die Strafe für die verbleibenden Teile ausreichend erscheint und die weitere Verfolgung der eingestellten Teile unverhältnismäßig aufwendig wäre. Im konkreten Fall wurde auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft die Verfolgung des Vorwurfs des verbotenen Rechtsüberholens eingestellt, sodass sich das Verfahren und die Strafe nur noch auf die Geschwindigkeitsüberschreitung (in Tateinheit mit dem fehlenden Fahrzeugschein) bezogen.
Wichtige Rechtsgrundlagen
- § 3 Abs. 3 Nr. 1 StVO: Innerhalb geschlossener Ortschaften beträgt die zulässige Höchstgeschwindigkeit für alle Kraftfahrzeuge 50 km/h. Dies dient der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs sowie dem Schutz von Fußgängern und Radfahrern. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Betroffene überschritt diese innerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit um 23 km/h und 33 km/h, was zu den Bußgeldern und dem Fahrverbot führte.
- § 4 Abs. 1 Satz 1 StVO: Außerhalb geschlossener Ortschaften, insbesondere auf Autobahnen, gelten andere Höchstgeschwindigkeiten, die durch Verkehrszeichen angezeigt werden können. Die Einhaltung der angeordneten Geschwindigkeitsbegrenzungen ist essentiell, um Unfälle zu vermeiden und den Verkehrsfluss zu gewährleisten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Betroffene überschritt auf der Autobahn die dort auf 80 km/h begrenzte Geschwindigkeit, was ebenfalls zur Bußgeldentscheidung beitrug.
- § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG: Ein Fahrverbot von bis zu drei Monaten kann verhängt werden, wenn eine Ordnungswidrigkeit begangen wurde, die im Bußgeldkatalog als fahrverbotsrelevant eingestuft ist. Dies dient als erzieherische Maßnahme und zur Erhöhung der Verkehrssicherheit. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Aufgrund der Geschwindigkeitsüberschreitungen wurde gegen den Betroffenen ein Fahrverbot von einem Monat verhängt, welches eine spürbare Sanktion darstellt.
- § 11 Abs. 6 FZV: Wer ein kennzeichnungspflichtiges Kraftfahrzeug oder einen kennzeichnungspflichtigen Anhänger auf öffentlichen Straßen führt, muss die Zulassungsbescheinigung Teil I mitführen und sie zuständigen Personen auf Verlangen zur Prüfung aushändigen. Dies dient der Identifizierung des Fahrzeugs und des Fahrzeugführers sowie der Kontrolle der Zulassung. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Der Betroffene führte die Zulassungsbescheinigung Teil I nicht mit sich, was als Ordnungswidrigkeit geahndet und mit einem Bußgeld belegt wurde.
- § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 154a Abs. 2 StPO: Die Verfolgungsbehörde kann mit Zustimmung des Gerichts und des Betroffenen die Verfolgung auf einen Teil der Ordnungswidrigkeiten beschränken. Dies dient der Verfahrensökonomie und ermöglicht eine Fokussierung auf die wesentlichen Vorwürfe. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Gericht hat die Verfolgung auf die wesentlichen Vorwürfe des vorsätzlichen Geschwindigkeitsüberschreitens und des Nicht-Mitführens der Zulassungsbescheinigung beschränkt, während der Vorwurf des Rechtsüberholens fallen gelassen wurde.
Hinweise und Tipps
Praxistipps für Autofahrer bei/zum Thema Folgen von Verkehrsverstößen
Schnell ist es passiert: Ein Bußgeldbescheid wegen zu schnellen Fahrens oder eines anderen Verstoßes landet im Briefkasten. Manchmal kommen auch mehrere Vorwürfe zusammen. Was sollten Sie dann beachten, um hohe Strafen oder gar ein Fahrverbot zu vermeiden?
Hinweis: Diese Praxistipps stellen keine Rechtsberatung dar. Sie ersetzen keine individuelle Prüfung durch eine qualifizierte Kanzlei. Jeder Einzelfall kann Besonderheiten aufweisen, die eine abweichende Einschätzung erfordern.
Tipp 1: Achten Sie genau auf Tempolimits – Fahrverbot droht schnell
Schon eine deutliche Geschwindigkeitsüberschreitung kann zu einem Fahrverbot führen. Im vorliegenden Fall waren es 33 km/h zu viel innerorts, was neben der Geldbuße ein einmonatiges Fahrverbot zur Folge hatte. Seien Sie sich bewusst, dass die Behörden und Gerichte gerade bei höheren Überschreitungen oft konsequent durchgreifen.
Tipp 2: Fahrzeugschein immer dabeihaben
Das Nicht-Mitführen der Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) ist eine Ordnungswidrigkeit, die geahndet wird. Auch wenn es im Vergleich zu einem Fahrverbot harmlos erscheint, kann es in Kombination mit anderen Verstößen die Gesamtsanktion beeinflussen. Machen Sie es sich zur Gewohnheit, den Fahrzeugschein immer im Auto mitzuführen, wenn Sie fahren.
Tipp 3: Mehrere Verstöße gleichzeitig können teuer werden (Tateinheit)
Wenn Sie mehrere Verkehrsverstöße zur selben Zeit begehen (z. B. zu schnell fahren und dabei rechts überholen), liegt oft „Tateinheit“ vor. Das bedeutet, dass zwar nur eine Hauptstrafe (meist die für den schwersten Verstoß) festgesetzt wird, diese aber angemessen erhöht werden kann. Auch geringfügige Verstöße wie das Vergessen des Fahrzeugscheins können hierbei berücksichtigt werden und die Gesamtbuße erhöhen.
Tipp 4: Bußgeldbescheid prüfen und Einspruchsmöglichkeit nutzen
Wenn Sie einen Bußgeldbescheid erhalten, haben Sie in der Regel zwei Wochen Zeit, Einspruch einzulegen. Prüfen Sie den Bescheid genau: Sind die Vorwürfe korrekt? Stimmen die Messdaten? Ein Einspruch kann dazu führen, dass das Verfahren eingestellt, die Strafe reduziert oder – wie im Beispielfall beim Rechtsüberholen – ein Vorwurf fallen gelassen wird.
⚠️ ACHTUNG: Ein Einspruch birgt auch Risiken. Das Gericht ist nicht an den Bußgeldbescheid gebunden und kann theoretisch auch eine höhere Strafe verhängen, wenn sich z. B. Vorsatz herausstellt. Ohne anwaltliche Beratung sollten Sie das Für und Wider sorgfältig abwägen. Auch eine Rechtsbeschwerde gegen ein Urteil ist nur bei Rechtsfehlern möglich und hat, wie der Fall zeigt, nicht immer Erfolg.
Tipp 5: Vorsatz kann die Strafe erhöhen
Gerichte unterscheiden zwischen fahrlässigen (unabsichtlichen) und vorsätzlichen (absichtlichen) Verstößen. Wird Ihnen Vorsatz nachgewiesen – etwa weil die Geschwindigkeitsüberschreitung besonders hoch war oder andere Umstände auf bewusstes Handeln hindeuten –, kann dies zu einer deutlich höheren Geldbuße führen (oft Verdoppelung des Regelsatzes). Dies war im Fall des Rasers auf der BAB 100 bei der Geschwindigkeitsüberschreitung der Fall.
Weitere Fallstricke oder Besonderheiten?
Auch wenn ein Teil der Vorwürfe im Laufe des Verfahrens eingestellt wird (hier: das Rechtsüberholen), bleiben die anderen bestehen und können zu empfindlichen Strafen führen. Die Einstellung eines Teils bedeutet keinen Freifahrtschein für die restlichen Verstöße. Beachten Sie zudem, dass die Regeln und Strafen für Verstöße innerorts oft strenger sind als außerorts.
✅ Checkliste: Verhalten bei drohendem Bußgeldverfahren
- Ruhe bewahren: Machen Sie bei einer Kontrolle möglichst keine Angaben zur Sache selbst.
- Bußgeldbescheid prüfen: Stimmen Datum, Ort, Kennzeichen und der vorgeworfene Verstoß?
- Frist beachten: Die Einspruchsfrist beträgt nur zwei Wochen nach Zustellung des Bescheids.
- Beweise sichern: Haben Sie Zeugen? Gibt es Fotos oder andere Belege?
- Rechtliche Beratung einholen: Besonders bei drohendem Fahrverbot oder hohen Bußgeldern ist eine anwaltliche Einschätzung sinnvoll.
Das vorliegende Urteil
KG Berlin – Az.: 3 ORbs 20/25 – 122 SsBs 5/25 – Beschluss vom 10.03.2025
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