Bußgeldbescheid: Ist Einspruch nach „Zurückweisung“ möglich?
Das Gericht lehnte den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ab, da die „Zurückweisung“ des Betroffenen nicht den formalen Anforderungen eines Einspruchs entsprach. Der Betroffene versuchte, das Bußgeldverfahren als privatrechtliches Verhältnis darzustellen, was das Gericht nicht anerkannte. Es betonte, dass die Rechtsstaatlichkeit nicht untergraben werden darf, und wies darauf hin, dass auch inhaltlich kein Erfolg des Einspruchs zu erwarten gewesen wäre.
Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 248a OWi 310/22 >>>
✔ Das Wichtigste in Kürze
Die zentralen Punkte aus dem Urteil:
- Ablehnung des Einspruchs: Das Gericht verwarf die „Zurückweisung“ als unzulässigen Einspruch.
- Formale Anforderungen: Die im Schreiben enthaltene „Zurückweisung“ erfüllte nicht die formalen Kriterien eines gültigen Einspruchs.
- Fehlinterpretation des Verfahrens: Der Betroffene betrachtete das Bußgeldverfahren fälschlicherweise als Privatrechtsverhältnis.
- Missachtung des Rechtsstaats: Der Betroffene versuchte, die Legitimität des Staates und seiner Institutionen anzufechten.
- Keine Anfechtungsabsicht erkennbar: Aus der Erklärung des Betroffenen ging kein deutlicher Anfechtungswille hervor.
- Unabhängigkeit der Rechtsstaatlichkeit: Das Gericht stellte klar, dass der Rechtsstaat nicht verpflichtet ist, jedem Anspruch nachzugeben.
- Inhaltliche Aspekte irrelevant: Selbst wenn der Einspruch formell zulässig gewesen wäre, hätte er inhaltlich keinen Erfolg gehabt.
- Verweis auf § 12 Abs. 4 StVO: Das Gericht erwähnte ergänzend, dass das Parkverhalten des Betroffenen laut Straßenverkehrsordnung verboten ist.
Übersicht
Rechtsfragen rund um Bußgeldbescheide und Einspruchsverfahren
Im rechtlichen Umgang mit Bußgeldbescheiden stehen oft Fragen der Zulässigkeit eines Einspruchs im Mittelpunkt. Besonders interessant wird es, wenn es um die Verwendung spezifischer Begriffe wie „Zurückweisung“ in diesem Kontext geht. Dieses Thema berührt grundlegende Aspekte des Ordnungswidrigkeitenrechts, insbesondere wie es im OWiG festgehalten ist, und wirft Fragen nach der korrekten Handhabung und Interpretation von Rechtsmitteln auf.
Die Auseinandersetzung mit solchen Fällen bietet spannende Einblicke in die Funktionsweise des Rechtsschutzes und der Verkehrsordnung. Der folgende Beitrag befasst sich mit einem konkreten Fall, der die rechtlichen Feinheiten bei der Handhabung eines Bußgeldverfahrens beleuchtet, insbesondere in Bezug auf das Parken eines Fahrzeugs. Lesen Sie weiter, um zu erfahren, wie Gerichte mit derartigen Situationen umgehen und welche Lehren daraus für ähnliche Fälle gezogen werden können.
Ungewöhnlicher Einspruch gegen Bußgeldbescheid: Zurückweisung als unzulässig erklärt
Das Amtsgericht Hamburg hat kürzlich in einem bemerkenswerten Fall entschieden, bei dem es um die Zulässigkeit eines Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid ging. Der Fall drehte sich um einen Betroffenen, der für das Parken seines Fahrzeugs auf dem Mittelstreifen der Breitenfelder Straße mit einer Geldbuße von 25 Euro belegt wurde. Der Kern des Falles liegt in der Reaktion des Betroffenen auf diesen Bußgeldbescheid. Anstatt eines formalen Einspruchs wählte er eine ungewöhnliche Form der Zurückweisung.
Der Fall: Parkverstoß und unkonventionelle Zurückweisung
Im Detail parkte der Betroffene sein Fahrzeug auf einem gepflasterten und durch einen Bordstein erhöhten Mittelstreifen, was laut Verkehrsordnung verboten ist. Daraufhin erhielt er am 01.08.2022 einen Bußgeldbescheid. Seine Antwort darauf war eine „Zurückweisung“ des Bußgeldbescheides, die er in einem Schreiben vom 10.08.2022 äußerte. Interessanterweise bezeichnete er sich in diesem Schreiben als „Mensch mit Natürlicher Person entsprechend § 1 des staatlichen BGB, Stand 1896“, was auf eine Ablehnung der Rechtsstaatlichkeit und eine Selbsteinstufung als „Freier Mensch“ hindeutet.
Rechtliche Bewertung durch das Gericht
Das Gericht stellte fest, dass die „Zurückweisung“ des Betroffenen nicht den formalen Anforderungen eines Einspruchs entsprach und wies sie daher als unzulässig zurück. Entscheidend war hierbei die Auslegung des § 70 Abs. 1 OWiG. Nach dieser Vorschrift wird ein Einspruch als unzulässig verworfen, wenn er nicht den vorgeschriebenen Formen entspricht. Der Fall zeigt deutlich, wie wichtig die Einhaltung formaler Kriterien in einem Gerichtsverfahren ist, insbesondere wenn es um Rechtsmittel wie Einsprüche geht.
Die Konsequenzen: Verwerfung und Kostentragung
In seiner Urteilsbegründung betonte das Gericht, dass der Betroffene durch seine Handlungen nicht nur die Autorität des Rechtsstaats und dessen Institutionen missachtete, sondern auch den Bußgeldbescheid als privatrechtliches Verhältnis fehlinterpretierte. Diese Haltung führte dazu, dass sein Schreiben nicht als Einspruch gegen den Bußgeldbescheid gewertet werden konnte. Darüber hinaus wies das Gericht darauf hin, dass auch in der Sache selbst kein Erfolg des Einspruchs zu erwarten gewesen wäre, da das Parkverhalten des Betroffenen eindeutig gegen § 12 Abs. 4 StVO verstößt. Die Kosten des Verfahrens wurden dem Betroffenen auferlegt.
In diesem konkreten Urteil wird deutlich, wie entscheidend die korrekte Anwendung und das Verständnis juristischer Terminologien und Verfahrensweisen sind. Der Fall wirft ein Licht auf die Komplexität des Rechtsschutzes in Ordnungswidrigkeitenverfahren und unterstreicht die Notwendigkeit einer sachgemäßen und formgerechten Handhabung von Einsprüchen im Kontext des Verkehrsrechts.
✔ Wichtige Begriffe kurz erklärt
Wann gilt ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid als zulässig?
Ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid gilt als zulässig, wenn er bestimmte Bedingungen erfüllt. Zunächst muss der Einspruch innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung des Bußgeldbescheides bei der Bußgeldbehörde eingegangen sein . Zudem muss der Einspruch schriftlich erfolgen .
Es ist grundsätzlich zulässig, gegen den Bußgeldbescheid ohne anwaltliche Hilfe Einspruch zu erheben, allerdings können Fehler im Verfahren die Erfolgsaussichten eines Einspruchs im Einzelfall erhöhen . Beispielsweise können für einen Einspruch formelle Fehler im Bußgeldbescheid oder fehlerhafte Messungen im Falle einer Geschwindigkeitsüberschreitung von Bedeutung sein .
Darüber hinaus ist zu beachten, dass der Einspruch begründet sein muss. Es genügt also nicht, lediglich einen formellen Einspruch ohne nähere Darlegung der Gründe zu erheben. Eine genaue Schilderung der Umstände und Gründe, warum der Bußgeldbescheid angefochten wird, ist daher erforderlich .
Einspruchsführer sollten auch beachten, dass eine einfache E-Mail in der Regel nicht als formgerechter Einspruch gilt .
Schließlich ist zu beachten, dass der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid in der Regel nur dann Sinn macht, wenn es tatsächlich berechtigte Gründe dafür gibt. Unberechtigte Einsprüche können das Verfahren in die Länge ziehen und zu zusätzlichen Kosten führen.
Welche rechtlichen Konsequenzen ergeben sich aus dem Parken auf einem Mittelstreifen?
Das Parken auf einem Mittelstreifen in Deutschland kann verschiedene rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, da es in der Regel nicht gestattet ist. Der Mittelstreifen ist dazu gedacht, die Fahrstreifen für beide Fahrtrichtungen voneinander zu trennen und ist nicht als Parkfläche ausgewiesen.
Gemäß § 12 Abs. 4 der Straßenverkehrsordnung (StVO) ist das Parken auf dem rechten Seitenstreifen erlaubt, wenn dieser ausreichend befestigt ist. Andernfalls muss an den rechten Fahrbahnrand herangefahren werden. Da der Mittelstreifen weder ein rechter Seitenstreifen noch in der Regel ausreichend befestigt ist, um als Parkfläche zu dienen, ist das Parken dort nicht erlaubt.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat festgestellt, dass das Parken auf einem Mittelstreifen nur dann gegen § 12 Abs. 4 Satz 1 StVO verstößt, wenn die Regeln der StVO überhaupt anwendbar sind. Dies bedeutet, dass das Parken auf einem Mittelstreifen, der nicht als Parkplatz ausgestaltet ist, grundsätzlich nicht erlaubt ist.
Wer sein Fahrzeug dennoch auf einem Mittelstreifen parkt, muss mit einem Bußgeld rechnen. Die Höhe des Bußgeldes kann je nach Situation variieren, insbesondere wenn durch das Parken eine Behinderung oder Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer entsteht. In der Regel beginnen die Bußgelder für unerlaubtes Parken bei 55 Euro. Sollte das Fahrzeug abgeschleppt werden müssen, kommen zu dem Bußgeld noch die Abschleppkosten hinzu.
Zusätzlich kann das Parken auf einem Mittelstreifen, je nach Situation, auch zu einem Punkt im Fahreignungsregister in Flensburg führen, insbesondere wenn durch das Parken eine Gefährdung oder Behinderung anderer Verkehrsteilnehmer verursacht wird.
In Städten wie Berlin kann das Bußgeld für das Parken auf Grünflächen, zu denen auch Mittelstreifen zählen können, bis zu 5.000 Euro betragen. Dies zeigt, dass die rechtlichen Konsequenzen erheblich sein können und dass das Parken auf einem Mittelstreifen ernstzunehmende Folgen nach sich ziehen kann.
Das vorliegende Urteil
AG Hamburg – Az.: 248a OWi 310/22 – Beschluss vom 08.09.2022
Die „Zurückweisung“ wird auf Kosten des Betroffenen als unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Der Betroffenen parkte mit seinem Fahrzeug auf dem Mittelstreifen (gepflastert, mittels Bordstein erhöht) der Breitenfelder Straße. Es erging am 01.08.2022 ein Bußgeldbescheid über eine Geldbuße von € 25,-. Mit Schreiben vom 10.08.2022 erklärte der Betroffene seine „Zurückweisung“. Im Briefkopf seines Schreibens bezeichnet er sich als „Mensch mit Natürlicher Person entspr. § 1 des staatlichen BGB, Stand 1896“.
II.
1. Die „Zurückweisung“ war als unzulässig zu verwerfen nach § 70 Abs. 1 OWiG. Danach verwirft das Gericht den Einspruch als unzulässig, wenn die Vorschriften über die Einlegung des Einspruchs nicht beachtet sind.
Vorliegend war die im Schreiben des Betroffenen vom 10.08.2022 enthaltene Erklärung nicht als Einspruch auszulegen.
Dieser Fall, dass eine Erklärung des Betroffenen von ihrem Inhalt her überhaupt keinen Einspruch darstellt, fällt unter § 70 Abs. 1 OWiG. Die Alternative wäre, dass die Verwaltungsbehörde sofort ins Vollstreckungsverfahren überginge und der Betroffene gegen die Vollstreckung Rechtsschutz suchen müsste. Wenn man den vorstehend skizzierten Fall jedoch unter § 70 Abs. 1 OWiG fasst, wird dem Betroffener ein umfassender Rechtsschutz ermöglicht. Über die sofortige Beschwerde (vgl. § 70 Abs. 2 OWiG) kann der Betroffenen noch vor dem Vollstreckungsverfahren klären, ob er überhaupt Einspruch eingelegt hat.
§ 67 Abs. 1 S. 2 OWiG i. V. m. § 300 StPO, wonach ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels unschädlich ist, gebietet keine Auslegung des Schreibens als Einspruch. Diese Vorschrift soll bezwecken, dass es nicht auf das gebrauchte Wort ankommen soll, sondern darauf, was der Rechtsmittelführer will. Besteht kein Zweifel daran, dass er eine Entscheidung anfechten will, soll er keinen Nachteil daraus erleiden, dass er sein Rechtsmittel nicht richtig oder gar nicht bezeichnet. Voraussetzung für eine Auslegung des nicht oder irrtümlicherweise falsch bezeichneten Rechtsmittels ist jedoch ein Anfechtungswille. Dieser muss aus der Erklärung deutlich hervorgehen. Die bloße Mitteilung, mit der Entscheidung nicht zufrieden zu sein, ist keine Anfechtungserklärung (Paul, in: Karlsruher Kommentar zur Strafprozessordnung, 8. Auflage 2019, § 300, Rn. 1 f.).
Der Betroffene hat das Bußgeldverfahren als Privatrechtsverhältnis zwischen der Stadt Hamburg und sich selbst eingeordnet. Der Bußgeldbescheid sei eine „Täuschung“, „aufgrund fehlender Unterschrift ein Entwurf“, „ungültig“ und ein „Angebotsschreiben“. Er verlangte u. a. „eine notarielle Gründungsurkunde des Staates, auf den Sie Ihre Vereidigung begründen.“ und setzte hierfür eine Frist. Bei Fristüberschreitung kündigte er an, davon auszugehen „daß Sie selbst privat- und vertragsrechtlich und Ihre Firma etc. nach Firmen- und Vertragsrecht als Unternehmen … handeln“. Es folgte weiterer Sermon dieser Art. Abschließend wurde der Behörde mitgeteilt, das Angebot zurückzuerhalten; dem Schreiben war der Bußgeldbescheid beigefügt.
Der Betroffene drückt durch sein Schreiben zum einen seine Missachtung gegenüber dem Rechtsstaat sowie dessen Institutionen aus und versucht beiden die Legitimität abzusprechen; derart verquere Äußerungen sind als von der Meinungsfreiheit gedeckt in einer Demokratie zwar auszuhalten. Entscheidend ist aber, dass er durch die Einstufung des Bußgeldverfahrens als privatrechtlich dem Staat das Gewaltmonopol abspricht. Der Betroffene meint, die Ahndung seines Verhaltens sei von seiner Mitwirkung abhängig; der Staat könne ihm gegen seinen Willen gar kein Bußgeld auferlegen. Daraus zieht das Gericht den Schluss, dass der Betroffenen bei den Gerichten gar keinen Rechtsschutz ersucht. Denn nach seiner Logik bedarf es eines solchen nicht; er habe den Bußgeldbescheid ja nicht angenommen, sodass dieser ihn gar nicht belaste.
Dass diese Rechtsansicht nicht bloß abwegig, sondern schlicht falsch ist, führt nicht dazu, das Schreiben des Betroffenen als Einspruch auszulegen. Der wehrhafte Rechtsstaat ist nicht gehalten, seinen Gegnern den roten Teppich auszulegen und jede Injurie auch noch durch die Bühne eines Gerichtsprozesses zu belohnen, wenn es dem Betroffenen gar nicht um die Sache geht, sondern allein um die Verächtlichmachung des Rechtsstaates. Wer als Gegner der Verfassung, die Gerichte in Anspruch nehmen möchte, muss sich zumindest an die Mindestanforderungen halten, die die jeweilige Verfahrensordnung hierfür aufstellt.
2. Lediglich ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass auch in der Sache kein Erfolg gesehen wird. § 12 Abs. 4 StVO verbietet ein solches Parken wie es der Betroffene vorliegend getan hat.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 109 Abs. 2 OWiG.