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Bußgeldbemessung bei Inbetriebnahme eines überladenen Viehtransporters

AG Lüdinghausen – Az.: 19 OWi – 89 Js 2034/11 – 277/11 – Urteil vom 27.02.2012

Der Betroffene wird wegen fahrlässigen Anordnens bzw. Zulassens der Inbetriebnahme eines überladenen Fahrzeugs zu einer Geldbuße von 340,00 EUR (davon 55,00 € nach § 17 IV OWiG) verurteilt.

Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen trägt der Betroffene (§§ 1, 31 II, 34 III, 69a StVZO, 24 StVG, 2 BKatV).

Gründe

Der von seiner Pflicht zum persönlichen Erscheinen entbundene Betroffene lebt nach Angaben des Verteidigers in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen und bedarf keiner Ratenzahlungsbewilligung. Er ist Inhaber eines Viehtransport-Unternehmens und Halter eines LKWs mit dem amtlichen Kennzeichen…. Weiterhin ist er Halter des zu dem LKW gehörenden Anhängers mit dem amtlichen Kennzeichen…. Der Betroffene ist in seinem Betrieb zunächst in erster Linie im Bereich des Einkaufs tätig. Seine Ehefrau kümmert sich innerhalb des Betriebes um die Zusammenstellung der einzelnen Touren der Fahrzeuge. Die Fahrzeuge des Betroffenen transportieren Tiere. Der Betroffene selbst kontrolliert die Arbeit seiner Mitarbeiter nahezu nie. Auch stichprobenweise Kontrollen finden nahezu nie statt – konkrete Daten und Inhalte von Kontrollen ließen sich nicht feststellen. Der Betriebsablauf bei der Durchführung von Viehtransporten ist in der Regel derart, dass zunächst mit kleineren Fahrzeugen des Betriebes Viehstücke auf Bauernhöfen abgeholt und an einen Sammelplatz zusammengefahren werden. Dort befinden sich dann größere Viehtransportern, wie der eingangs beschriebene LKW mit Anhänger.

Bußgeldbemessung bei Inbetriebnahme eines überladenen Viehtransporters
Symbolfoto: Von Gerard Koudenburg/Shutterstock.com

Die angelieferten Tiere werden sämtlich auf diese größeren LKW aufgeladen und zur Schlachtung verbracht, wo sie erst „am Haken“, also nach ihrer Tötung gewogen werden. Weder die einzelnen Viehstücke, noch die Fahrzeuge werden zu irgendeiner Zeit gewogen. Auch stichprobenartige Wiegungen finden nicht statt. Mit den Fahrern findet auch keine Rücksprache statt, wenn nach Ablieferung des Viehs festgestellt wird, dass zu viel Vieh gefahren wurde. Vor diesem Hintergrund kam es dazu, dass am 06.09.2011 der Zeuge W. – ein Fahrer des Betroffenen – mit dem genannten Fahrzeuggespann von W. nach A. fuhr, mindestens aber 70 km. Er fuhr dabei das genannte Fahrzeug und hatte 34 Bullen geladen. Das Fahrzeuggespann hatte ein zulässiges Gesamtgewicht von 40 Tonnen. Tatsächlich wog die von dem W. geführte Fahrzeugkombination 44.690 kg. Das Fahrzeug des Betroffenen wurde am 06.09.2011 um 9.30 Uhr von der Autobahnpolizei Münster in Person des einschreitenden Beamten F. kontrolliert. Es wurde auch eine Wiegung bei der Raiffeisen Ascheberg eG auf einer gültig geeichten Waage durchgeführt, die ein Gesamtgewicht von 44.740 kg ergab, wovon ein Toleranzabzug von 60 kg (= 3 e) vorzunehmen war, so dass sich eine Überladung von 4.680 kg ergab.

Der Betroffene hat sich durch seinen Verteidiger dahin eingelassen, dass er der Halter des fraglichen Fahrzeuges gewesen sei. Dies wurde auch von dem Polizeibeamten F. und dem Zeugen W. bestätigt. Der Zeuge F. erklärte, dass Überladungsindikatoren an dem Fahrzeug des Betroffenen bereits aufgrund der Bauweise nicht erkennbar gewesen seien. Eine erste Zählung der geladenen Tiere habe jedoch den Verdacht einer Überladung erhärtet. Dementsprechend sei die Wiegung durchgeführt worden. Die Wiegung habe dann das oben genannte Ergebnis ergeben. Dieses Ergebnis hat das Gericht auch festgestellt durch urkundsbeweisliche Verlesung der LKW-Wiegenote (Bl. 4 d.A.) vom 06.09.2011. Hieraus ergab sich ein Wiegeergebnis von 44.740 kg. Von diesem Ergebnis war ein Toleranzabzug von 3 e vorzunehmen und somit von 60 kg. Die Wiegung fand ohne Besonderheiten statt, was der Zeuge F. ebenso wie der Zeuge W. bestätigen konnten.

Der Zeuge W. schilderte die desolaten betrieblichen Zustände in dem Betrieb des Betroffenen. Der Betroffene sei in erster Linie für die kaufmännischen Fragen, vor allem den Einkauf zuständig. Seine Ehefrau stelle die Touren zusammen. Der Zeuge W. erklärte auf Nachfrage, dass Wiegungen von Ladungen nie stattfinden würden. Man sehe ja so in etwa, was Bullen so wiegen. An dem Tattage sei auch die Frau des Betroffenen ausgefallen, so dass der Betroffene dem Zeugen W. den Auftrag gegeben habe, die Touren selbst zu planen und durchzuführen. Der Zeuge W. erklärte sodann, dass doch schon einmal stichprobenartige Kontrollen stattgefunden hätten. Der Zeuge konnte aber nicht beschreiben, wie solche Stichprobenkontrollen durch den Arbeitgeber ausgesehen haben und wann diese stattgefunden haben. Insbesondere konnte er auch nicht erklären, wann ihn persönlich der Betroffene einmal kontrolliert habe. Der Zeuge W. schwächte daraufhin ab, dass nur „sehr wenige“ Kontrollen stattfinden würden. Im Übrigen sei es auch so, dass man für den Betroffenen das laden müsse, was an Viehzeug angeliefert werde. Dies sei so, dass zunächst kleinere Fahrzeuge aus der Firma des Betroffenen von den Höfen die zu transportierenden Viehstücke abholen würden und dann zusammenbringen würden. So sei dies auch am Tattage gewesen. Es sei da durchaus üblich und werde von dem Chef auch ohne Weiteres toleriert, dass die Bauern auch schon einmal mehr Viehstücke als angekündigt mitgeben würden. Am Tattage seien dann auch mehr Viehstücke da gewesen, als eigentlich angekündigt. Er, der Betroffene, habe dann alle Viehstücke geladen und sei losgefahren. Der Zeuge W. wurde gefragt, was denn passiere, wenn er sich als Fahrer einmal querstelle und einen Transport ablehne, weil er befürchte überladen zu fahren. Der Zeuge W. erklärte, dass dies nicht vorkomme. Der Chef sei dann nämlich sauer und auch der Bauer sei sauer. Es werde erwartet, dass alle angelieferten Rinder auch gefahren werden. Man fahre einfach und es werde auch nicht gewogen. Eine Wiegung sei im Arbeitsablauf der Fahrer von dem Betroffenen auch gar nicht vorgesehen.

Dementsprechend war der Betroffene wegen eines Verstoßes gegen §§ 31 II, 34 III, 69a StVZO, 24 StVG zu verurteilen.

Bei der Bemessung der festzusetzenden Geldbuße ist das Gericht zunächst von der für den Verstoß vorgesehenen Regelgeldbuße von 235,00 € (Nr. 199.1.3 BKatV) ausgegangen. Diese Regelgeldbuße war zunächst zu erhöhen aufgrund zweier vorliegender Voreintragungen. Am 09.10.2009 (Rechtskraft: 03.11.2009) hatte nämlich die Zentrale Bußgeldstelle des Landes Brandenburg gegen den Betroffenen wegen eines Geschwindigkeitsverstoßes eine Geldbuße von 120,00 € festgesetzt. Ferner hatte die Bußgeldbehörde der Stadt Dortmund am 07.03.2011 (Rechtskraft: 10.05.2011) gegen den Betroffenen wegen des Anordnens der Inbetriebnahme eines Lastkraftwagens, obwohl die Verkehrssicherheit durch den Verstoß gegen eine Vorschrift über Bremsen wesentlich beeinträchtigt wurde, eine Geldbuße von 310,00 € festgesetzt.

Dementsprechend war die Geldbuße angemessen auf 285,00 € zu erhöhen. Die Geldbuße hat das Gericht im Rahmen der gebotenen Abschöpfung von wirtschaftlichen Vorteilen nach § 17 IV OWiG weiterhin um einen Anteil von 55,00 € auf 340,00 € erhöht. Es handelte sich hierbei um die erstmalige Anwendung des § 17 IV OWiG im Kreis Y. Das Gericht hat im Rahmen der Prüfung der Gewinnabschöpfung mangels Vorgaben der obergerichtlichen Rechtsprechung folgende Erwägungen angestellt:

Der abzuschöpfende wirtschaftliche Vorteil ist nach dem sogenannten „Nettoprinzip“ zu bemessen. Aus der Tat gezogene wirtschaftliche Vorteile werden hiernach definiert als der Gewinn aufgrund der Ordnungswidrigkeit, und zwar abzüglich von Kosten und Aufwendungen, die zur Erzielung des Gewinns erforderlich waren – es ist hierfür also eine Saldierung erforderlich. Bei der Beförderung von Gütern etwa errechnet sich der Vorteil im Falle eines überladenen Fahrzeugs aus dem Beförderungsentgelt für das „Mehrgewicht“, wobei gerade infolge der Überladung entstehende Mehrkosten abzuziehen sind (BGH, Beschluss vom 07.02.1986 – 2 StR 697/85). Dagegen dürfen „Sowieso-Kosten“ des Täters nicht vom Bruttovorteils-Betrag abgesetzt werden (vgl. Göhler, OWiG 15. Aufl. 2009, § 17 Rdnr. 41a). Hierunter fallen etwa Lohnkosten, Sozialversicherungskosten, Versicherungskosten, Mietkosten für das Fahrzeug (die auch bei ordnungsgemäßer Beladung angefallen wären). Das Gericht hat insoweit im Rahmen seiner gem. § 77 OWiG nach pflichtgemäßem Ermessen auszuübenden Amtsermittlungspflicht auch angesichts der letztlich nur geringen Gewinnabschöpfung nicht die Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens für erforderlich erachtet. Vielmehr meint das Gericht, die allgemein bekannten und im Verkehrsverlag Fischer veröffentlichten Kostensätze Gütertransport Straße (KGS) als Richtlinie zur Ermittlung des wirtschaftlichen Vorteils unter Berücksichtigung sachgerechter Toleranzabzüge durchaus zur Schätzung heranziehen zu können. Das Gericht ist sich insoweit darüber bewusst, dass diese Kostensätze lediglich unverbindliche Kostenansätze für Gütertransporte auf der Straße sind und für das Straßengüterverkehrsgewerbe eine Unterstützung bei der kostenorientierten Preisbildung bieten sollten. Dabei handelt es sich bei den KGS um Durchschnittskostentabellen für eine Vielzahl von Einsatzbereichen. Die hier in Rede stehende Ladung ist in die Tabelle III der KGS, die Kostensätze in Euro pro geladener Tonne beschreibt, einzusortieren. Bei einer Lastentfernung von Westerkappeln bis zum Anhalteort in Ascheberg von zugunsten des Betroffenen abgerundeten 70 km war bei einem Gesamtladungsgewicht von 25 Tonnen ein Wert von 18,72 € pro Tonne anzusetzen.

Das Gericht meint, dass dieser Wert zunächst mit einem 20 %igen Sicherheitsabschlag zu versehen ist um zu gewährleisten, dass tatsächlich dem in Bußgeldsachen geltenden Nettoprinzip Rechnung getragen wird, da die Kostensätze – wie dargestellt – nicht für die Zwecke einer gerichtlichen Verwertung erstellt worden sind und so nur beschränkte Erkenntnismöglichkeiten im Bußgeldverfahren zum wirtschaftlichen Vorteil einer Überladung bieten.

Einen weiteren Sicherheitsabschlag von 20 % hat das Gericht für allgemeine weitere Unwägbarkeiten vorgenommen.

Dementsprechend ergab sich bei einem Tonnen-Betrag laut KGS von 18,72 € und 4,68 Tonnen Überladung im hier zu beurteilenden Fall nach dem ersten 20 %igen Abzug ein Betrag von 70,08 € und nach dem weiteren Sicherheitsabschlag von 20 % ein Betrag von 56,06 €, den das Gericht auf 55,00 € abgerundet und in die Geldbußenzumessung nach § 17 Abs. 4 OWiG eingestellt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 465 StPO i.V.m. 46 OWiG.

 

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