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Beginn eines Fahrverbots bei fehlender Fahrerlaubnis

LG Osnabrück – Az.: 10 Qs 58/20 – Beschluss vom 06.11.2020

Der Beschluss des Amtsgerichts Bad Iburg vom 29.09.2020 wird auf die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Osnabrück aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass das mit Urteil des Amtsgerichts Bad Iburg vom 20.07.2020 angeordnete zweimonatige Fahrverbot einen Monat nach Rechtskraft des Urteils – nämlich am 28.08.2020 – wirksam geworden ist.

Die Kosten des Verfahrens werden der Staatskasse auferlegt, die auch die notwendigen Auslagen des Verurteilten trägt.

Gründe

I.

Das Amtsgericht Bad Iburg hat gegen den Verurteilten am 20.07.2020 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Geldstrafe verhängt und ihm ein Fahrverbot von zwei Monaten auferlegt. Das Urteil ist seit dem 28.07.2020 rechtskräftig. Auf Antrag des Verurteilten hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 29.09.2020 festgestellt, dass das Fahrverbot mit Eintritt der Rechtskraft am 28.07.2020 beginnt und dieses damit begründet, dass auch nach der Gesetzesänderung die alte Rechtslage fort gilt, dass das Fahrverbot in denjenigen Fällen, in denen der Verurteilte keine Fahrerlaubnis hat, sofort mit Eintritt der Rechtskraft wirksam wird.

Gegen diesen – der Staatsanwaltschaft am 05.10.2020 zugestellten – Beschluss hat die Staatsanwaltschaft unter dem 08.10.2020 ein Rechtsmittel eingelegt, mit dem sie beantragt, unter Aufhebung des amtsgerichtlichen Beschlusses den Beginn des Fahrverbots auf einen Monat nach Eintritt der Rechtskraft festzusetzen.

II.

1. Die von der Staatsanwaltschaft eingelegte sofortige Beschwerde ist gemäß § 458 Abs. 1, § 462 Abs. 1 und Abs. 3, § 462 a Abs. 2 Satz 1 StPO statthaft. Denn Einwendungen gegen die Zulässigkeit der Vollstreckung des Fahrverbots bzw. die Berechnung von deren Dauer sind vom Verurteilten gem. § 458 Abs. 1 StPO geltend zu machen (OLG Frankfurt/M., Beschluss vom 14.01.1998 – 3 VAs 3/98, NJW 1998, 1165, beck-online), so dass der Vollstreckungsbehörde gemäß § 462 Abs. 3 StPO das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde eröffnet ist. Im Rahmen der Anwendbarkeit des § 458 Abs. 1 kann dahinstehen, ob dessen Voraussetzungen in der ersten Alternative erfüllt sind – nämlich, weil Zweifel an der Auslegung des Strafurteils hier bezogen auf Nebenstrafen und Nebenfolgen bestehen (vgl. MüKoStPO/Nestler, 1. Aufl. 2019, StPO § 458 Rn. 3) – oder ob die zweite Alternative in Form von Zweifeln über die Berechnung der erkannten Strafe – hier des Fahrverbots gemäß § 44 StGB als Nebenstrafe – greift.

Das Rechtsmittel ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgemäß eingelegt und auch – nach Ablauf des Fahrverbots – als Feststellungsantrag zulässig (vgl. OLG Frankfurt/M. a.a.O), weil die das Rechtsmittel führende Staatsanwaltschaft Aufgaben der staatlichen Rechtspflege erfüllt und als solche berechtigt ist, nach pflichtgemäßem Ermessen Entscheidungen unbeschadet einer Beschwer anzufechten, die den Geboten der Rechtspflege nicht entsprechen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 63. Aufl., Rn. 16 vor § 296).

2. Die vom Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung vertretene Rechtsauffassung entsprach der eindeutigen früheren Rechtslage, weil in § 44 Abs. 2 StGB a.F. ausdrücklich angeordnet war, dass das Fahrverbot mit Rechtskraft des Urteils wirksam wurde. Hierdurch kam im Zusammenspiel mit der Regelung des § 44 Abs. 3 StGB eindeutig zum Ausdruck, dass im Falle des Fehlens einer Fahrerlaubnis und somit des Fehlens der Möglichkeit, einen Führerschein in Verwahrung zu nehmen, die Verbotsfrist vom Tage der Rechtskraft an zu rechnen war (so bereits die Begründung des Entwurfes eines zweiten Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs zu der Vorläufervorschrift des § 37 StGB, BT-Drucks. IV/651, S. 14 f.).

3. Durch die Neufassung des § 44 Abs. 2 StGB durch Art. 1 Nr. 1 b) des Gesetzes zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens vom 17. 08.2017 mit Wirkung zum 24.08.2017 (BGBl. I 2017, 3202) ist die ausdrückliche Regelung, dass das Fahrverbot mit Rechtskraft des Urteils wirksam wird, entfallen und nach dem Wortlaut der Neufassung wird das Fahrverbot wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von einem Monat seit Eintritt der Rechtskraft.

4. a) Ein mit der früheren Rechtslage übereinstimmender Regelungsgehalt des § 44 StGB wird für Betroffene, die nicht Inhaber einer Fahrerlaubnis sind, auch für die Neufassung des § 44 Abs. 2 StGB in der Kommentarliteratur vertreten (vgl. Fischer, StGB, 67. Aufl., § 44 Rn. 38 und MünchKommStGB/v. Heintschel-Heinegg /Huber, 4. Aufl., § 44 Rn. 26 insoweit ohne Begründung; Schönke-Schröder StGB, 30. Aufl., § 44 Rn. 21 a.E. und Leipold u.a., Anwaltskommentar StGB, 3. Aufl., § 44 Rn. 61 unter Hinweis auf BGH, Beschluss vom 10.10.2013 – 2 StR 377/13, wobei sich dieser Beschluss aber auf die frühere Gesetzesfassung mit einem von der Neufassung gerade abweichendem Wortlaut bezieht; ferner König in: Leipziger Kommentar, 13. Aufl., § 44 Rn. 63 mit Nachweisen zur früheren Gesetzesfassung).

b) Diese Auslegung findet jedoch weder im Wortlaut noch in den Gesetzesmaterialien oder dem Zweck der Neuregelung eine Stütze.

aa) Nach dem Wortlaut der Neufassung des § 44 Abs. 2 StGB wird das Fahrverbot spätestens mit Ablauf von einem Monat seit Eintritt der Rechtskraft wirksam, soweit nicht zuvor der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt ist. Eine Regelungslücke enthält das Gesetz seinem Wortlaut nach nicht. Denn für Verurteilte, die nicht Inhaber einer Fahrerlaubnis sind, bedeutet diese Regelung zwingend, dass das Fahrverbot mit Ablauf von einem Monat seit Eintritt der Rechtskraft wirksam wird, weil sie naturgemäß keinen Führerschein in amtliche Verwahrung geben können. Durch diese Gesetzesfassung wird eine Ausnahme von dem allgemeinen Rechtsgrundsatz formuliert, dass eine Rechtsfolge – hier das Fahrverbot – regelmäßig mit Eintritt der Rechtskraft wirksam wird.

bb) Gegenteiliges lässt sich auch den Gesetzesmaterialien nicht entnehmen.

Die jetzige Gesetzesfassung intendierte – über das ursprünglich im Gesetzentwurf allein vorgesehene Hinausschieben der Wirksamkeit des Fahrverbots auf einen Zeitpunkt von einem Monat nach Rechtskraft hinaus – die Schaffung einer Dispositionsmöglichkeit für den Betroffenen, dem die Option eines früheren Eintretens der Wirksamkeit des Fahrverbots eröffnet werden sollte. Zu den Folgen dieser Dispositionsbefugnis in Fällen, in denen die Abgabe des Führerscheins durch den Verurteilten nicht möglich ist, wurde auf die Rechtsprechung und Literatur zu § 25 Abs. 2a StVG verwiesen (BT-Drucksache 18/12785, S. 45).

Dieser Verweis auf das Ordnungswidrigkeitenrecht führt jedoch für die hier verfahrensgegenständliche Rechtsfrage der Berechnung des Beginns eines strafrechtlichen Fahrverbotes nicht weiter. Denn der Vergleich der Regelungsmechanismen von § 44 StGB einerseits und § 25 StVG andererseits ergibt, dass § 25 StVG in Absatz 2 eine generelle Regelung wie § 44 Abs. 2 StGB a.F. enthält, dass nämlich das Fahrverbot mit Rechtskraft der Bußgeldentscheidung wirksam wird, wobei Bußgeldbehörde bzw. Gericht gemäß § 25 Abs. 2a StVG die Befugnis eingeräumt wird, unter den dort genannten Voraussetzungen dem Betroffenen eine Dispositionsbefugnis einzuräumen. Wird dem Betroffenen eine Dispositionsentscheidung eingeräumt und stehen nach Bestimmung der Frist über das Wirksamwerden des Fahrverbots gemäß § 25 Abs. 2a StVG einer Führerscheinabgabe rechtliche oder tatsächliche Hindernisse entgegen, hat dies auf das Wirksamwerden des Fahrverbots und den Fristbeginn nach Maßgabe der getroffenen Bestimmung („spätestens mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft“) keinen Einfluss (Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 45. Aufl., Rn 30 zu § 25 StVG).

cc) Dieses Ergebnis entspricht auch am ehesten dem Gesetzeszweck. Die um einen Monat herausgeschobene Frist des Wirksamwerdens des Fahrverbots soll nach Vorstellung des historischen Gesetzgebers der Vermeidung nicht beabsichtigter Härten dienen sowie auch einer möglichen vermehrten Einlegung taktischer Rechtsmittel zur Hinauszögerung des Fahrverbots entgegenwirken und es so dem Verurteilten ermöglichen, sich auf die Zeit des Fahrverbots einzustellen und Vorkehrungen zu treffen, dass er beruflichen und familiären Verpflichtungen auch ohne Fahrerlaubnis nachkommen kann (BT-Drucksache 18/11272, S.18). Diesem Zweck kann eher mit einer – großzügigen – weiteren Monatsfrist Rechnung getragen werden als mit einer Wochenfrist, die nach Vorstellung des historischen Gesetzgebers in der Vergangenheit Anlass zu taktischen Rechtsmitteln gegeben hat.

III.

Da das Rechtsmittel hier nicht konkret zuungunsten des Verurteilten eingelegt worden ist, sondern die Staatsanwaltschaft mit ihrem Rechtsmittel auf eine im Einklang mit der Rechtsordnung stehende Entscheidung hinwirkt, trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und auch die notwendigen Auslagen des Verurteilten (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 473 Rn. 17).

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