Kontroverse um befristete Zuteilung roter Kennzeichen: Ein Blick auf das VG Hamburg-Urteil
In dem vorliegenden Fall geht es um die befristete Zuteilung roter Kennzeichen durch die zuständige Behörde. Die Klägerin, eine Firma, strebt eine unbefristete Zuteilung an. Die Behörde hat jedoch ihre Verwaltungspraxis geändert und teilt rote Kennzeichen nur noch befristet zu. Dies soll laut Behörde dazu dienen, Probleme zu beheben, die in der Vergangenheit aufgetreten sind, wie den Zustand der Kennzeichentafeln, die Führung der Fahrzeugscheinhefte und die Zuverlässigkeit der Kennzeicheninhaber. Die Klägerin argumentiert, dass sie Bestandsschutz genießt, da die alte Firma lediglich in die neue integriert wurde und das alte Gewerbe unverändert bestehen blieb.
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Übersicht
Die Argumentation der Klägerin
Die Klägerin argumentiert, dass sie Bestandsschutz genießt, da die alte Firma lediglich in die neue integriert wurde und das alte Gewerbe unverändert bestehen blieb. Sie behauptet, dass es sich nicht um eine neue Firma handelt und dass auch Mitbewerber weiterhin unbefristete rote Kennzeichen erhalten. Die Klägerin fordert daher die unbefristete Zuteilung des roten Kennzeichens.
Die Argumentation der Beklagten
Die Beklagte argumentiert, dass eine Umfirmierung stets zur Folge hat, dass ein zugeteiltes rotes Kennzeichen abgemeldet und neu beantragt werden muss. Sie behauptet, dass die Entscheidung über die Zuteilung eines roten Kennzeichens in ihrem Ermessen liegt. Die Beklagte führt weiter aus, dass ihre Praxis, rote Kennzeichen nur befristet zuzuteilen, rechtswidrig ist, da sie nicht auf einer sachgerechten Ermessensausübung beruht.
Das Urteil des Gerichts
Das Gericht stellt fest, dass die befristete Zuteilung der roten Kennzeichen durch die Beklagte rechtswidrig ist. Es argumentiert, dass die Beklagte das Gebot, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln, verletzt hat, indem sie die Zuteilung roter Kennzeichen stets und ohne Abweichungsmöglichkeit auf ein Jahr befristet hat. Das Gericht stellt fest, dass die Entscheidung der Beklagten, der Klägerin ein auf ein Jahr befristetes rotes Kennzeichen zuzuteilen, auf dieser rechtswidrigen Verwaltungspraxis beruht und hebt daher die entsprechenden Bescheide auf.
Schlussbemerkungen
Das Gericht stellt fest, dass die befristete Zuteilung der roten Kennzeichen durch die Beklagte rechtswidrig ist und hebt die entsprechenden Bescheide auf. Es weist jedoch darauf hin, dass keine sonstigen Umstände oder Tatsachen ersichtlich sind, die zu einer anspruchsbegründenden Ermessensreduzierung auf Null führen würden. Daher kommt eine Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung eines roten Kennzeichens für einen unbefristeten Zeitraum, jedenfalls aber für einen längeren Zeitraum als ein Jahr, nicht in Betracht. Die Beklagte wird jedoch bei der Neubescheidung des klägerischen Antrags und der Entscheidung darüber, für welchen Zeitraum ein rotes Kennzeichen zugeteilt wird, diejenigen Zeiträume zu berücksichtigen haben, in denen das Kennzeichen von der Klägerin bzw. der Namensfirma beanstandungsfrei genutzt wurde.
Das vorliegende Urteil
VG Hamburg – Az.: 15 K 1899/18 – Urteil vom 20.05.2020
Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren eingestellt.
Der Bescheid der Beklagten vom 14. Oktober 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. März 2018 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verpflichtet, den Antrag der Klägerin vom 14. Oktober 2016 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen den die Klägerin und die Beklagte jeweils zur Hälfte.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die jeweilige Vollstreckungsschuldnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die unbefristete Zuteilung eines roten Kennzeichens.
Die Klägerin, eine GmbH, wurde im Jahr 1996 von Herrn Y, dem Vater des Herrn X, gegründet und ins Handelsregister eingetragen. Im Jahr 2002 wurde sie auf Herrn X übertragen, der seitdem auch ihr alleiniger Geschäftsführer ist. Herr X betrieb zu diesem Zeitpunkt seit etwa zwanzig Jahren eine Namensfirma, welche auf dem Gebiet Kfz-Handel und Reparatur tätig war. Vermutlich in den achtziger oder neunziger Jahren wurde dieser das rote Kennzeichen HH-0000000 unbefristet zugeteilt.
Im Jahr 2011 änderte die Beklagte ihre Verwaltungspraxis. Rote Kennzeichen werden seitdem ausschließlich befristet zugeteilt. Nach Angaben der Beklagten sollten dadurch in der Vergangenheit aufgetretene Probleme behoben werden, welche den Zustand der Kennzeichentafeln, die Führung der Fahrzeugscheinhefte und die Zuverlässigkeit der Kennzeicheninhaber betroffen hätten. Seitdem würden auf einen Neu- oder Verlängerungsantrag hin nur noch auf ein Jahr befristete rote Kennzeichen erteilt. Die hierfür jeweils einzureichenden Unterlagen seien identisch (polizeiliches Führungszeugnis, Auskunft aus dem Fahreignungsregister, elektronische Versicherungsbestätigung). Beim Neuantrag finde zusätzlich eine sogenannte Platzbesichtigung statt und es werde ein auf drei Monate befristetes Fahrzeugscheinheft erteilt, um eine engmaschige Kontrolle zu ermöglichen. Im Zuteilungsbescheid werde jeweils auf die zeitliche Begrenzung und die Voraussetzungen für eine Verlängerung hingewiesen. Bis zum Zeitpunkt der Änderung der Verwaltungspraxis erteilte unbefristete Kennzeichen genössen Bestandsschutz, welcher ende, wenn Kennzeichen verloren gingen oder gestohlen würden, oder wenn es zu einer Umfirmierung auf Inhaberseite komme. Im letzten Fall müssten Kennzeichen systembedingt abgemeldet und neu zugeteilt werden, eine bloße Umschreibung sei nicht möglich.
Im Jahr 2012 entschloss sich Herr X aus betriebswirtschaftlichen Gründen, seine Namensfirma in die Klägerin zu integrieren. Unterlagen, aus denen sich ergibt, wie dieses Vorhaben umgesetzt wurde, und zwar sowohl in tatsächlicher Hinsicht (z. B. im Hinblick auf Buchhaltung, Überleitung bestehender Verträge mit Dritten, etc.) als auch in rechtlicher Hinsicht (Beschlüsse der Gesellschafterversammlung, Übertragungsvertrag, Berichte der Klägerin, etc.), hat die Klägerin auch auf Bitten des Gerichts nicht vorgelegt.
Herr X behauptet, er habe zu dieser Zeit ein Gespräch mit einer Mitarbeiterin der Beklagten, Frau H, geführt. Diese habe ihm mitgeteilt, eine Umschreibung des unbefristeten roten Kennzeichens HH-000000 von der Namensfirma auf die Klägerin sei kein Problem, weil er, Herr X, für beide Firmen allein verantwortlich sei. Voraussetzung hierfür sei lediglich, dass sich die Tätigkeit der Klägerin im Kfz-Handel aus dem Handelsregisterauszug ergeben müsse.
Am 15. Mai 2012 beschloss die Gesellschafterversammlung der Klägerin die Änderung des Gesellschaftsvertrages dahingehend, dass nunmehr unter anderem der Handel mit Fahrzeugen Unternehmensgegenstand sei. Die Änderung wurde am 7. Juni 2012 ins Handelsregister eingetragen.
Am 22. August 2012 suchte Herr X die Beklagte auf, um das Kennzeichen auf die Klägerin umschreiben zu lassen. Die zuständige Mitarbeiterin der Beklagten, Frau S, teilte ihm mit, dass eine Umschreibung nicht möglich sei, sondern nur eine Neuerteilung nach Stellung eines entsprechenden Antrags. Herr X gab daraufhin die Kennzeichentafeln zurück, das Kennzeichen wurde für die beabsichtigte Nutzung durch die Klägerin im System reserviert. Aus den Verwaltungsvorgängen die Namensfirma betreffend liegt – nach Angaben der Beklagten aus datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten – lediglich der Beleg über die Abmeldung des roten Kennzeichens HH-000000 vom 22. August 2012 vor.
Am 2. Oktober 2012 wurde der Klägerin auf ihren Antrag vom selben Tag hin das rote Kennzeichen HH-000000 zugeteilt. Die Zuteilung wurde befristet bis zum 1. Oktober 2013, auf die Notwendigkeit eines rechtzeitigen Verlängerungsantrags (sechs bis acht Wochen vor Ablauf), die hierfür beizubringenden Unterlagen und die damit verbundenen Kosten wurde hingewiesen. Herr X behauptet, er habe erst später gemerkt, dass das rote Kennzeichen nur befristet erteilt wurde, und daraufhin das Gespräch mit Frau H gesucht. Diese habe ihn über die geänderte Verwaltungspraxis informiert und ihm in Aussicht gestellt, dass die Klägerin ein unbefristetes Kennzeichen erhalten werde, wenn es bei ihr in den nächsten zwei bis drei Jahren nicht zu Problemen komme. Gegen den Bescheid wurde kein Widerspruch eingelegt. Am 15. Oktober 2012 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Platzbesichtigung durch.
Nachdem die Zuteilungsfrist am 1. Oktober 2013 abgelaufen war, mahnte die Beklagte die Rückgabe der Kennzeichenschilder und der Fahrzeugscheinhefte bei der Klägerin an und bat das LKA um die Einleitung von Fahndungsmaßnahmen. Am 8. Oktober 2013 wurden die Kennzeichen zurückgegeben, woraufhin die Beklagte die Fahndung aufheben ließ. Auf den Antrag vom 22. Oktober 2013 hin teilte die Beklagte der Klägerin wiederum das Kennzeichen HH-000000 zu, wobei die Zuteilung bis zum 21. Oktober 2014 befristet wurde. Am 20. Oktober 2014 wurde die Zuteilung des Kennzeichens bis zum 19. Oktober 2015, am 15. Oktober 2015 bis zum 14. Oktober 2016 verlängert.
Mit Bescheid vom 14. Oktober 2016 verlängerte die Beklagte die Zuteilung des roten Kennzeichens für die Klägerin bis zum 13. Oktober 2017. Sie wies – wie auch in den vorangegangenen Bescheiden – darauf hin, dass kein Rechtsanspruch auf Zuteilung eines roten Kennzeichens zur wiederkehrenden betrieblichen Verwendung bestehe. Eine Verlängerung sei sechs bis acht Wochen vor Ablauf der Befristung schriftlich zu beantragen, dann werde die Zuverlässigkeit erneut geprüft. Hierfür seien verschiedene, im Folgenden einzeln aufgeführte Unterlagen vorzulegen. Hinsichtlich der Kennzeichennutzung wies die Beklagte unter anderem darauf hin, dass die roten Kennzeichen nur vom Antragsteller oder einer in einem festen Beschäftigungsverhältnis beim Antragsteller stehenden Person genutzt werden dürfen. Das Fahrzeugscheinheft dürfe nur vom Verantwortlichen Herrn X unterschrieben werden.
Unter dem 27. Oktober 2016 legte die anwaltlich vertretene Klägerin Widerspruch gegen die befristete Zuteilung des roten Kennzeichens ein. Es sei kein Rechtsgrund dafür ersichtlich, dass der Klägerin, die seit nunmehr drei Jahren den Kfz-Handel führe, nur auf ein Jahr befristete rote Kennzeichen zugeteilt würden, obwohl Herr X, der den Kfz-Handel bis dahin als Namensfirma geführt habe, seit 1984 ein unbefristetes rotes Kennzeichen habe nutzen können. Anderen Autohändlern würden nach wie vor unbefristete Kennzeichen erteilt. Die jährliche Neuerteilung verursache Kosten in Höhe von etwa 150 Euro sowie einen Arbeitsaufwand von etwa acht Stunden.
Mit Schreiben vom 11. November 2016 teilte die Beklagte der Prozessbevollmächtigten der Klägerin mit, dass der Widerspruch keine Aussicht auf Erfolg habe, und bat um Mitteilung, ob dieser dennoch aufrechterhalten werden solle. Mit Schreiben vom 15. Dezember 2016 fragte die Beklagte erneut nach, ob der Widerspruch zurückgenommen werde. Andernfalls werde die Sache an die Rechtsabteilung abgegeben. Die Prozessbevollmächtigte behauptet, der Beklagten telefonisch mitgeteilt zu haben, dass der Widerspruch aufrechterhalten werde. Das Verfahren wurde nicht an die Rechtsabteilung abgegeben.
Unter dem 23. September 2017 ersuchte die Klägerin das Verwaltungsgericht um vorläufigen Rechtsschutz (15 E 8241/17) mit dem Ziel, die Beklagte dazu zu verpflichten, das rote Kennzeichen ab dem 14. Oktober 2016 unbefristet zuzuteilen. In ihrer Antragserwiderung schlug die Beklagte aufgrund der Tatsache, dass das Widerspruchsverfahren entgegen dem eigenen Anspruch nicht zeitnah und ordnungsgemäß betrieben worden sei, einen Vergleich vor. Danach sollte die befristete Zuteilung des Kennzeichens HH-000000 um 24 Monate verlängert werden, ohne dass hierfür weitere Unterlagen vorzulegen oder Gebühren zu entrichten seien. Das Widerspruchsverfahren werde bis Ende Januar 2018 abgeschlossen. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung sei zurückzunehmen. Diesen Vergleichsvorschlag nahm die Klägerin an, die Beklagte verlängerte daraufhin die Zuteilung des Kennzeichens bis zum 13. Oktober 2019.
Mit Bescheid vom 9. März 2018 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Zur Begründung verwies sie auf die geänderte Verwaltungspraxis. Die befristete Zuteilung roter Kennzeichen diene dazu, die bei der Antragstellung getroffene Prognose über die Zuverlässigkeit des Kennzeicheninhabers regelmäßig zu überprüfen, etwa im Hinblick auf den Umgang mit den Kennzeichen und sonstige Erkenntnisse, welche sich etwa aus dem vorzulegenden Führungszeugnis ergeben könnten. Zudem müsse sichergestellt werden, dass sich die Kennzeichentafeln in einem ordnungsgemäßen Zustand befänden. Auf die unbefristete Zuteilung des Kennzeichens an die Namensfirma bis zum Jahr 2012 wird nicht Bezug genommen.
Unter dem 3. April 2018 hat die Klägerin durch ihre Prozessbevollmächtigte Klage erhoben, mit der sie die unbefristete Zuteilung des roten Kennzeichens HH-000000 begehrt. Zur Begründung führt sie aus, die Klägerin genieße Bestandsschutz, weil die Namensfirma des Herrn X lediglich in sie integriert worden sei, wobei das alte Gewerbe unverändert bestehen geblieben sei. Es handele sich daher nicht um eine neue Firma. Auch Mitbewerber erhielten weiterhin unbefristete rote Kennzeichen. Eine befristete Kennzeichenerteilung sei zur Überprüfung der Zuverlässigkeit nicht erforderlich, diese könne – ebenso wie der Zustand der Kennzeichentafeln – beim jährlichen Umtausch der Fahrzeugscheinhefte kontrolliert werden. Weil jeweils die Zuverlässigkeit des Herrn X überprüft werde und nur er das Kennzeichen nutzen dürfe, komme es nicht darauf an, für welche Firma er tätig sei. Die jährliche Neubeantragung verursache finanziellen und zeitlichen Aufwand und sei im Geschäftsbetrieb der Klägerin schlecht planbar.
Mit Schriftsatz vom 19. März 2019 hat die Klägerin ihre Klage zurückgenommen, soweit sie den Zeitraum vom 14. Oktober 2016 bis zum 13. Oktober 2019 betraf.
Die Klägerin beantragt nunmehr sinngemäß, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14. Oktober 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2018 zu verpflichten, der Klägerin das rote Kennzeichen HH-000000 ab dem 14. Oktober 2019 unbefristet zuzuteilen.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Begründung führt sie unter anderem aus: Eine Umfirmierung habe stets zur Folge, dass ein zugeteiltes rotes Kennzeichen abgemeldet und neu beantragt werden müsse. Hierbei könne zwar für die Neuerteilung das alte Kennzeichen reserviert werden. Eine Umschreibung sei jedoch systemseitig nicht möglich. Zudem spreche bereits der zeitliche Abstand von anderthalb Monaten zwischen der Abmeldung des Kennzeichens HH-000000 durch Herrn X und der Zuteilung an die Klägerin gegen die von ihr behauptete Vorgehensweise. Außerdem habe die Klägerin die befristeten Zuteilungen in den Jahren 2012 bis 2015 nicht beanstandet. Die behauptete Inaussichtstellung einer erneuten unbefristeten Kennzeichenzuteilung an die Klägerin bestreitet die Beklagte. Ein solches Vorgehen habe sie zu keinem Zeitpunkt praktiziert. Es liefe auch den Zweck der geänderten Verwaltungspraxis zuwider.
Das Gericht hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 6. März 2019 erörtert. Im Erörterungstermin erklärte der Beklagtenvertreter, rote Kennzeichen würden nach der geänderten Verwaltungspraxis stets auf ein Jahr befristet erteilt. Bei Verdacht auf eine missbräuchliche Verwendung der Kennzeichen werde der Inhaber um persönliche Vorsprache gebeten und gegebenenfalls belehrt. Diese neue Praxis gelte für natürliche wie für juristische Personen. So bestehe etwa bei großen Hamburger Autohäusern eine Mischung aus (alten) befristeten und (neuen) unbefristeten roten Kennzeichen.
Dem Gericht hat die Sachakte der Beklagten die Klägerin betreffend vorgelegen.
Entscheidungsgründe
I.
Soweit die Klägerin die Klage hinsichtlich des Zeitraums vom 14. Oktober 2016 bis zum 13. Oktober 2019 zurückgenommen hat, war das Verfahren einzustellen, § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
II.
Die Entscheidung ergeht durch die Berichterstatterin und ohne mündliche Verhandlung, weil die Beteiligten hierzu jeweils ihr Einverständnis erklärt haben, § 87 Abs. 2, 3 VwGO, § 101 Abs. 2 VwGO.
III.
Die als Verpflichtungsklage, § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO, statthafte und auch im Übrigen zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Die auf ein Jahr befristete Zuteilung des roten Kennzeichens ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO (unter 1.). Wegen fehlender Spruchreife konnte das Gericht die Beklagte jedoch nur dazu verpflichten, den Antrag der Klägerin vom 14. Oktober 2016 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO (unter 2.).
1. Die Klägerin hat einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Neubescheidung ihres Antrags auf Erteilung eines roten Kennzeichens aus § 16 Abs. 2 Satz 1 FZV. Deren Voraussetzungen sind gegeben. Die Klägerin ist, wie sich aus ihrem Gesellschaftsvertrag bzw. dem Eintrag im Handelsregister ergibt, seit dem 2. Quartal 2012 Kraftfahrzeughändlerin. Umstände, die Zweifel an der Zuverlässigkeit des Herrn X als Geschäftsführer der Klägerin begründen würden, sind nicht ersichtlich und werden auch von der Beklagten nicht vorgebracht.
Bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen steht die Entscheidung über die Zuteilung eines roten Kennzeichens im Ermessen der Beklagten. Indem diese der Klägerin das rote Kennzeichen befristet auf ein Jahr zugeteilt hat, hat sie von ihrem Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht (§ 114 Satz 1 VwGO).
Der auf ein Jahr befristeten Zuteilung des roten Kennzeichens lag eine seit 2011 von der Beklagten angewandte Verwaltungspraxis zugrunde, nach der rote Kennzeichen nur noch für diesen Zeitraum erteilt oder verlängert werden. Diese Praxis erweist sich jedoch als rechtswidrig, weil sie selbst nicht auf einer sachgerechten Ermessensausübung beruht.
Die mit der befristeten Zuteilung der roten Kennzeichen verfolgte Intention ist nur teilweise nachvollziehbar. Soweit die Beklagte nach eigenen Angaben beabsichtigt, den ordnungsgemäßen Zustand der Kennzeichentafeln zu kontrollieren, welche durch die häufige Montage und Demontage einer besonderen Inanspruchnahme ausgesetzt seien und deshalb dazu neigten, in vergleichbar kurzer Zeit zu verblassen und unleserlich zu werden, trägt diese Erwägung die befristete Erteilung roter Kennzeichen nicht. Es ist insofern bereits nicht ersichtlich, weshalb Kennzeichentafeln schneller verblassen und dadurch unleserlich werden sollten, wenn sie lediglich für Fahrten i.S.d. § 16 Abs. 1 Satz 1 FZV an verschiedenen Fahrzeugen befestigt und dadurch der Sonne ausgesetzt, während der übrigen Zeit aber eher in Innenräumen aufbewahrt werden, während Dauerkennzeichen ununterbrochen am Fahrzeug angebracht und dadurch den Witterungseinflüssen ausgesetzt sind.
Dagegen erweist sich der Zweck, die Zuverlässigkeit des Kennzeicheninhabers in regelmäßigen Abständen zu überprüfen, grundsätzlich als legitim. Es ist insofern auch nachvollziehbar, dass die Beklagte auf Vorfälle in der Vergangenheit reagiert, bei denen Inhaber eines roten Kennzeichens nicht rechtzeitig neue Fahrzeugscheinhefte abholten, sodass wegen der nur ein Jahr andauernden Aufbewahrungspflicht, § 16 Abs. 2 Satz 6 FZV, die ordnungsgemäße Führung der in der Vergangenheit zugeteilten Fahrzeugscheinhefte nicht kontrolliert werden konnte. Auch mögen unbefristet zugeteilte rote Kennzeichen weiterhin verwendet worden sein, obwohl deren Inhaber den Geschäftsbetrieb bereits eingestellt hatte. Derartige Vorfälle betreffen die Frage der fortbestehenden Zuverlässigkeit des Kennzeicheninhabers, die Voraussetzung für die Zuteilung roter Kennzeichen ist. Maßnahmen zu ihrer Vermeidung dienen insofern einem legitimen Zweck.
Bei der Auswahl des zur Erreichung dieses Zwecks anzuwendenden Mittels verletzt die Beklagte jedoch das aus Art. 3 Abs. 1 GG folgende Gebot, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln, indem sie die Zuteilung roter Kennzeichen stets und ohne Abweichungsmöglichkeit auf ein Jahr befristet. Damit werden die Antragsteller sämtlich gleichbehandelt, ohne dass die Beklagte Umstände berücksichtigt, die einen mehr oder weniger sicheren Schluss auf deren zukünftige oder fortbestehende Zuverlässigkeit erlauben, und damit eine mehr oder weniger hohe Kontrolldichte erforderlich machen. So erhält derjenige Antragsteller, der sich über mehrere Jahrzehnte hinweg durchgängig gesetzeskonform verhalten und dessen Umgang mit den ihm zugeteilten roten Kennzeichen zu keinem Zeitpunkt Anlass zu Beanstandungen gegeben hat, bei dem also keinerlei Anhaltspunkte für ein zukünftige Unzuverlässigkeit gegeben sind, ebenso ein auf (lediglich) ein Jahr befristetes rotes Kennzeichen wie derjenige Antragsteller, dessen Verstöße in der Vergangenheit nur knapp nicht zum Widerruf der Kennzeichenzuteilung geführt haben, dessen zukünftige Zuverlässigkeit also nur unwesentlich wahrscheinlicher ist als seine zukünftige Unzuverlässigkeit. Einer derartig großen Spannbreite des Kontroll- und Überprüfungsbedarfs beim Antragsteller bzw. (zukünftigen) Kennzeicheninhaber muss die Beklagte bei der Zuteilung roter Kennzeichen Rechnung tragen, indem sie entweder Fallgruppen bildet, bei denen ein mehr oder weniger großer Kontrollbedarf eine kürzere oder längere Befristung auslöst, oder die Erteilung für ein Jahr als Regelfall konstruiert, von dem sie beim Vorliegen entsprechender Umstände auch zugunsten des Antragstellers abweicht.
Weil die Entscheidung, der Klägerin ein auf ein Jahr befristetes rotes Kennzeichen zuzuteilen, auf dieser rechtswidrigen Verwaltungspraxis beruht – die Beklagte hatte eine langfristigere Zuteilung unter Verweis auf die als selbstbindend empfundenen Regelungen abgelehnt –, waren die entsprechenden Bescheide aufzuheben.
2. Die von der Klägerin begehrte Verpflichtung der Beklagten zu einer unbefristeten Zuteilung des roten Kennzeichens konnte jedoch nicht ausgesprochen werden. Insoweit fehlt es an der erforderlichen Spruchreife, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Eine Ermessensreduzierung auf Null liegt nicht vor, weil nicht ersichtlich ist, dass die Beklagte bei der nachzuholenden Ermessensentscheidung allein die von der Klägerin begehrte Entscheidung zu treffen hätte.
a) Die Klägerin kann einen Anspruch auf Zuteilung eines unbefristeten roten Kennzeichens nicht aus einer entsprechenden Zusicherung der Beklagten herleiten. Dabei kann dahinstehen, ob die von der Klägerin behaupteten Gespräche des Herrn X mit einer Mitarbeiterin der Beklagten zur Möglichkeit der Umschreibung des roten Kennzeichens auf die Beklagte bzw. zur unbefristeten Neuerteilung tatsächlich (so) stattgefunden haben, weil eine entsprechende Zusicherung der Schriftform bedürfte, § 38 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG.
b) Eine anspruchsbegründende Ermessensreduzierung auf Null folgt auch nicht aus dem Umstand, dass Herr X in der Vergangenheit für seine Namensfirma Inhaber eines unbefristeten roten Kennzeichens war.
Bei der Änderung ihrer Verwaltungspraxis im Jahre 2011 entschied sich die Beklagte, die unbefristete Zuteilung bestehender roter Kennzeichen nicht pauschal zu widerrufen, obwohl dies nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 HmbVwVfG, § 16 Abs. 2 Satz 1 FZV zulässig gewesen wäre. Dieser Bestandsschutz soll gelten, solange die Kennzeichentafeln nicht abhandenkommen oder der Kennzeicheninhaber umfirmiert. Ob eine Änderung der Firma, also des Namens, unter dem ein Geschäft betrieben wird (§ 17 Abs. 1 HGB), tatsächlich zum Wegfall des Bestandsschutzes führen kann, obwohl sie – wie etwa die Namensänderung einer natürlichen Person nach Heirat oder Scheidung – zu keinen für die Zuverlässigkeit relevanten Änderungen führt, ist zwar fraglich. Hierfür ist auch unerheblich, welche Änderungen „systemseitig“ möglich sind, weil die technischen Systeme der Beklagten die existierende Rechtslage abbilden müssen und nicht umgekehrt. Es spricht insofern einiges dafür, dass mit „Umfirmierung“ eigentlich die Änderung der Rechtsform des Kennzeicheninhabers gemeint ist, weil diese tatsächlich Aspekte der Zuverlässigkeit des Kennzeicheninhabers betrifft, nämlich die Frage, welche natürliche Person – auf deren Zuverlässigkeit es für die Zuteilung roter Kennzeichen ankommt – die juristische Person vertreten darf.
Dies kann jedoch letztlich dahinstehen, weil der Bestandsschutz für Inhaber unbefristeter roter Kennzeichen – ohne dass die Beklagte dies hätte ausdrücklich regeln müssen – jedenfalls dann endet, wenn der Zuteilungszeitraum durch die Beklagte oder den Kennzeicheninhaber wirksam beendet wird. Während die Beklagte die Zuteilung eines unbefristeten roten Kennzeichens wohl nur im Einzelfall, etwa aufgrund nicht mehr bestehender Zuverlässigkeit widerrufen kann, steht es dem Kennzeicheninhaber frei, das Kennzeichen zurückzugeben und so auf dessen unbefristete Zuteilung zu verzichten. In beiden Fällen tritt Diskontinuität ein, wodurch der Bestandsschutz endet.
Das streitgegenständliche rote Kennzeichen wurde nach Änderung der Verwaltungspraxis der Beklagten sogar zwei Mal von seinem jeweiligen Inhaber zurückgegeben. Selbst wenn – was offenbleibt – mit der Rückgabe am 22. August 2012 kein wirksamer Verzicht auf die Rechtsposition „unbefristetes Kennzeichen“ verbunden gewesen sein sollte, weil Herr X davon ausging, dies sei lediglich die Voraussetzung für eine „Umschreibung“ des streitgegenständlichen roten Kennzeichens auf die Klägerin, trat jedenfalls durch die – verspätete, weil nach Ablauf der Zuteilungsfrist am 1. Oktober 2013 erfolgte – Rückgabe des Kennzeichens am 8. Oktober 2013 Diskontinuität ein, welche einen etwaigen Bestandsschutz wegfallen ließ.
c) Weil auch keine sonstigen Umstände oder Tatsachen ersichtlich sind, die zu einer anspruchsbegründenden Ermessensreduzierung auf Null führen würden, kommt eine Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung eines roten Kennzeichens für einen unbefristeten Zeitraum, jedenfalls aber für einen längeren Zeitraum als ein Jahr, nicht in Betracht. Die Beklagte wird aber bei der Neubescheidung des klägerischen Antrags und der Entscheidung darüber, für welchen Zeitraum ein rotes Kennzeichen zugeteilt wird, diejenigen Zeiträume zu berücksichtigen haben, in denen das Kennzeichen von der Klägerin bzw. der Namensfirma beanstandungsfrei genutzt wurde.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 und § 711 ZPO.