Rotlichtverstoß: Fahrverbot aufgehoben – OLG Köln korrigiert Amtsgerichtsurteil
Regelverstöße im Straßenverkehr können für Autofahrer Konsequenzen mit sich bringen. Häufig sind Meinungen darüber geteilt, ob eine Sanktion tatsächlich gerechtfertigt war. Wenn Beweise nicht eindeutig sind, kann ein Gericht entscheiden, dass weitere Ermittlungen notwendig sind, um die Wahrheit zu klären. In solchen Fällen ist es wichtig, dass Gerichte offen für Beweisanträge der Verteidigung sind. Nur so kann ein faires Verfahren gewährleistet werden.
Wie ein solcher Fall aussehen kann, zeigt das folgende Gerichtsurteil, das einen Bußgeldbescheid aufgrund mangelhafter Beweislage aufhob.
Übersicht
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✔ Das Wichtigste in Kürze
- Das Urteil des Amtsgerichts wurde wegen Verletzung des Beweisantragsrechts aufgehoben.
- Das Gericht darf einen Beweisantrag zur Widerlegung des Belastungszeugen in der Regel nicht ablehnen.
- Ein Sachverständigengutachten hätte die Zeugenaussagen erschüttern und zur Wahrheitsfindung beitragen können.
- Die Ablehnung des Beweisantrags bezüglich der Ampelschaltung war rechtsfehlerhaft.
- Der Fall wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.
- Bei strittigen Fragen zu Ampelschaltungen sind Sachverständigengutachten wichtige Beweismittel.
- Belastungszeugen allein sind oft keine ausreichende Grundlage für eine Verurteilung.
➜ Der Fall im Detail
Rechtliche Auseinandersetzung um Rotlichtverstoß
Der Fall dreht sich um einen Rotlichtverstoß, der am 10. Februar 2022 in der Stadt V. geschah.
Der Betroffene, Fahrer eines Pkw mit dänischem Kennzeichen, wurde vom Amtsgericht wegen vorsätzlicher Missachtung eines Wechsellichtzeichens zu einer Geldstrafe von 400 Euro verurteilt. Zusätzlich wurde ihm ein einmonatiges Fahrverbot auferlegt. Der Betroffene nahm die Rechtsbeschwerde auf, um gegen das Urteil vorzugehen, da er Rechtsfehler im Verfahren und in der Bewertung der Beweislage sah.
Details zum Vorfall und erste gerichtliche Entscheidung
Laut Gerichtsakten fuhr der Betroffene durch die L.-straße zur Y.-straße und von dort aus zum Kreuzungsbereich Y.-straße/M.-straße. Die Lichtzeichenanlage zeigte währenddessen kontinuierlich Rot. Der Fahrer setzte seine Fahrt trotz Rotlicht fort und beschleunigte sein Fahrzeug beim Erreichen der Kreuzung unvermittelt, um den Querverkehr zu kreuzen. Diese Handlungen bildeten die Grundlage für die Anklage wegen Rotlichtverstoßes.
Grund für die Rechtsbeschwerde des Betroffenen
Der Betroffene reichte eine Rechtsbeschwerde ein, da er Mängel in der Beweisführung und rechtlichen Abwägungen vermutete. Er forderte eine Überprüfung des Urteils und stellte die objektive Interpretation des Sachverhalts in Frage. Die Rechtsbeschwerde zielte auf eine umfassende Neubewertung der Beweislage, vor allem hinsichtlich des tatsächlichen Verhaltens am Tatort und der Auslegung der Verkehrsregeln.
Entscheidung des OLG Köln zur Aufhebung des Urteils
Das Oberlandesgericht Köln gab der Rechtsbeschwerde statt und erklärte in seinem Beschluss vom 04. Januar 2024 das Urteil des Amtsgerichts für fehlerhaft. Das OLG unterstrich dabei insbesondere die Bedeutung einer korrekten Verfahrensführung und hob hervor, dass eine Verletzung des § 77 Abs. 2 Ziff. 1 OWiG vorlag. Dies betraf Fehler im Rahmen der Prozessleitung und die Einschätzung der Beweismittel.
Rückverweisung zur Neuverhandlung
Das OLG Köln entschied, dass der Fall zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht V. zurückverwiesen wird. Es soll nicht nur über die Schuldfrage, sondern auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde neu entschieden werden. Das Amtsgericht ist nun aufgefordert, den Fall unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des OLG neu zu bewerten und eine Entscheidung unter vollständiger Einbeziehung aller Beweismittel zu treffen. Dadurch kann sichergestellt werden, dass das Urteil auf einer soliden rechtlichen und faktischen Basis steht.
✔ Häufige Fragen – FAQ
Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um gegen ein Bußgeldurteil vorzugehen?
Um gegen ein Bußgeldurteil vorzugehen, sind spezifische Voraussetzungen zu erfüllen, die sich aus dem deutschen Ordnungswidrigkeitengesetz (OWiG) und der Strafprozessordnung (StPO) ableiten. Diese Voraussetzungen umfassen formale und inhaltliche Aspekte, die entscheidend sind, um das Rechtsmittel erfolgreich einlegen zu können.
Erstens, die Frist für das Einlegen einer Rechtsbeschwerde ist strikt zu beachten. Gemäß § 79 OWiG muss die Rechtsbeschwerde innerhalb einer Woche nach Zustellung des vollständigen Urteils schriftlich beim zuständigen Gericht eingereicht werden.
Zweitens, die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde hängt von bestimmten Bedingungen ab. Diese sind im § 79 OWiG festgelegt und beinhalten unter anderem, dass eine Geldbuße von mehr als 250 Euro festgesetzt wurde, ein Fahrverbot verhängt wurde, oder der Einspruch durch Urteil als unzulässig verworfen wurde.
Drittens, die Rechtsbeschwerde muss begründet werden. Dies bedeutet, dass der Beschwerdeführer spezifische Rechtsfehler im Urteil aufzeigen muss, die die Entscheidung beeinflusst haben könnten. Hierbei kann es sich um Verfahrensfehler, die Verletzung materiellen Rechts oder die fehlerhafte Beweiswürdigung handeln.
Viertens, in bestimmten Fällen ist eine vorherige Zulassung der Rechtsbeschwerde erforderlich, wenn die oben genannten automatischen Zulassungsgründe nicht vorliegen. Die Zulassung kann erfolgen, wenn die Rechtsbeschwerde zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beitragen kann.
Fünftens, es ist möglich, gegen den Beschluss, der die Rechtsbeschwerde als unzulässig verwirft, Beschwerde einzulegen, um eine Überprüfung dieser Entscheidung zu erreichen.
Diese Schritte und Voraussetzungen sind entscheidend, um sicherzustellen, dass das Rechtsmittel ordnungsgemäß und mit der bestmöglichen Aussicht auf Erfolg eingelegt wird. Es wird empfohlen, sich bei der Formulierung und Einreichung der Rechtsbeschwerde professionell beraten zu lassen, um alle rechtlichen Feinheiten korrekt zu adressieren.
Was sind häufige Gründe für die Aufhebung eines Bußgeldbescheids?
Häufige Gründe für die Aufhebung eines Bußgeldbescheids umfassen eine Reihe von Faktoren, die sowohl formelle als auch materielle Aspekte des Verfahrens betreffen. Diese Gründe sind entscheidend, da sie die Rechtmäßigkeit und die Korrektheit des gesamten Bußgeldverfahrens beeinflussen können.
Erstens, Verfahrensfehler sind ein häufiger Grund für die Aufhebung eines Bußgeldbescheids. Dazu zählen Fehler in der Zustellung des Bescheids, unzureichende oder fehlerhafte Belehrungen über Rechtsmittel oder die Nichteinhaltung von Fristen durch die Behörden. Solche Fehler können die Rechtskraft des Bescheids beeinträchtigen und somit seine Aufhebung rechtfertigen.
Zweitens, mangelhafte Beweisführung spielt ebenfalls eine zentrale Rolle. Wenn die Beweise, die zur Untermauerung des Vorwurfs herangezogen wurden, unzureichend oder fehlerhaft sind, wie beispielsweise fehlerhafte Geschwindigkeitsmessungen oder unklare Dokumentationen, kann dies zur Aufhebung des Bußgeldbescheids führen. Dies betrifft vor allem Fälle, in denen technische Geräte zur Beweissicherung eingesetzt wurden und deren Bedienung nicht den Vorschriften entsprach.
Drittens, falsche rechtliche Bewertungen des Sachverhalts können ebenfalls zur Aufhebung führen. Dies umfasst Situationen, in denen die rechtlichen Grundlagen, wie die Anwendung des Bußgeldkatalogs oder spezifischer Verkehrsvorschriften, fehlerhaft gehandhabt wurden. Eine falsche rechtliche Einordnung der Tatbestände kann somit die Grundlage des Bußgeldbescheids untergraben.
Viertens, Formfehler im Bußgeldbescheid sind ebenfalls ein häufiger Aufhebungsgrund. Dazu gehören unvollständige oder inkorrekte Angaben zur Person des Betroffenen, zum Tatvorwurf oder zu den rechtlichen Grundlagen der Ahndung. Solche Fehler können die Identifizierung des Betroffenen oder die Nachvollziehbarkeit des Vorwurfs erschweren und somit die Rechtmäßigkeit des Bescheids in Frage stellen.
Diese Gründe zeigen, dass die Genauigkeit und die Einhaltung der rechtlichen Vorgaben im Bußgeldverfahren von entscheidender Bedeutung sind, um die Rechtmäßigkeit eines Bußgeldbescheids zu gewährleisten. Betroffene haben das Recht, gegen fehlerhafte Bescheide vorzugehen, und sollten dies auch nutzen, insbesondere wenn gravierende Mängel vorliegen.
§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils
- § 77 Abs. 2 Ziff. 1 OWiG: Regelung zur Ablehnung einer Beweisaufnahme durch das Gericht, wenn der Sachverhalt geklärt ist und eine weitere Beweisaufnahme nicht erforderlich erscheint. Wichtig für die Bewertung, ob das Gericht den Beweisantrag zu Unrecht abgelehnt hat.
- § 79 Abs. 1 Ziff. 1 und 2 OWiG: Bestimmt die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Rechtsbeschwerde im Bußgeldverfahren. Relevant für die Prüfung der Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde.
- § 77 Abs. 3 OWiG: Verpflichtet das Gericht zur Begründung bei Ablehnung eines Beweisantrags. Bezugspunkt für die Prüfung der Begründung des Gerichts.
- § 79 Abs. 6 OWiG: Regelt die Rückverweisung der Sache an die Vorinstanz bei Aufhebung des Urteils. Gesetzliche Grundlage für die Rückverweisung an das Amtsgericht.
- § 315b StGB: Strafvorschrift zum gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr. Nicht unmittelbar einschlägig für den vorliegenden Fall eines Rotlichtverstoßes, aber allgemein wichtig im Verkehrsstrafrecht.
- Verkehrsregeln/StVO: Regelungen für Lichtzeichenanlagen und das Verhalten an Kreuzungen sind zentral für die rechtliche Bewertung des Rotlichtverstoßes.
Das vorliegende Urteil
OLG Köln – Az.: III-1 ORBs 379/23 – Beschluss vom 04.01.2024
Das angefochtene Urteil wird mit seinen Feststellungen aufgehoben. Die Sache wird zu erneuter Behandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde – an das Amtsgericht V. zurückverwiesen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen mit der angefochtenen Entscheidung wegen vorsätzlicher Nichtbefolgung eines Wechsellichtzeichens, wobei die Rotphase bereits länger als eine Sekunde dauerte, zu der Geldbuße von 400,– EUR verurteilt und ihm – mit Gestaltungsmöglichkeit gemäß § 25 Abs. 2a StVG – für die Dauer eines Monats verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehrt zu führen. Es hat zum Tatgeschehen die nachfolgenden Feststellungen getroffen:
Am 10. Februar 2022 befuhr der Betroffene als Fahrer des Pkw BMW, amtliches dänisches Kennzeichen N01, in V. die L.-straße in Richtung Y.-straße. Er bog rechts auf die Y.-straße ab und fuhr sodann auf den Kreuzungsbereich Y.-straße/M.-straße zu. Die dortige Lichtzeichenanlage zeigte für den Linksabbiegerverkehr auf den M.-straße bereits während der gesamten, sich über ca. 200 m erstreckenden Zufahrt des Betroffenen durchgehend Rotlicht. Der Betroffene setzte seine langsame Zufahrt auf den Kreuzungsbereich fort, bis er den möglichen Querverkehr vom M.-straße in Fahrtrichtung Y.-straße einsehen konnte, beschleunigte sein Fahrzeug dann abrupt, überfuhr vorsätzlich die Haltelinie der noch immer Rotlicht zeigenden Lichtzeichenanlage im Kreuzungsbereich und fuhr anschließend zügig nach links auf den M.-straße in Fahrtrichtung Q. ein.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der dieser die Verletzung sachlichen Rechts rügt und das Verfahren beanstandet.
II.
Die gemäß § 79 Abs. 1 Ziff.1 und 2 OWiG statthafte, Zulässigkeitsbedenken nicht unterliegende Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
1.
Für die von der Verteidigung in erster Linie erstrebte Verfahrenseinstellung besteht keine Veranlassung; Verfolgungsverjährung ist nicht eingetreten. Der Bußgeldbescheid vom 31. März 2022 bildet aus den vom Amtsgericht zutreffend dargelegten Gründen eine wirksame Verfahrensgrundlage.
2.
Das angefochtene Urteil unterfällt indessen auf die zulässig erhobene Verfahrensrüge der Verletzung des § 77 Abs. 2 Ziff. 1 OWiG der Aufhebung; auf die – freilich gleichfalls bedenkenswerten – sachlich-rechtlichen Beanstandungen zur subjektiven Tatseite kommt es damit nicht an.
a)
Der Rüge liegt das folgende Verfahrensgeschehen zugrunde:
Im Hauptverhandlungstermin hat der Verteidiger des Betroffenen den – zuvor bereits schriftsätzlich zur Akte gereichten – Antrag gestellt, auf der Grundlage von – teils bereits zur Akte gelangten – Signalzeitenplänen ein Sachverständigengutachten zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass (namentlich) am 10. Februar 2022, 04:57 die Ampel für Linksabbieger an der Kreuzung Y.-straße/M.-straße Grünlicht zeigt, wenn von der L.-straße bei Grünlicht auf die Y.-straße abgebogen und mit normaler Geschwindigkeit auf die Ampel für Linksabbieger an der Kreuzung Y.-straße/M.-straße zugefahren wird.
Diesen Antrag hat das Tatgericht mit der Kurzbegründung des § 77 Abs. 3 OWiG abgelehnt und hierzu in den Gründen des angefochtenen Urteils ausgeführt, es komme nicht darauf an, ob die tatsächliche Schaltung der Ampelanlage der von der Straßenverkehrsbehörde gewollten entsprochen habe. Es hätten zwei (polizeiliche) Zeugen zur Verfügung gestanden, die das maßgebliche Licht der Lichtzeichenanlage glaubhaft und verlässlich hätten beobachten und den stattgehabten Verstoß glaubhaft hätten darlegen können.
b)
Die Rüge hat Erfolg:
aa)
Sie ist zulässig erhoben.
Lehnt das Tatgericht einen Beweisantrag mit der Begründung des § 77 Abs. 2 Ziff. 1 OWiG ab, die begehrte Beweiserhebung sei zur Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich, kann eine Verletzung des Beweisantragsrechts nur mit der Aufklärungsrüge beanstandet werden. Nötig ist demnach neben der Wiedergabe von Beweisantrag und gerichtlicher Entscheidung hierüber die bestimmte Behauptung eines dem Beschwerdeführer günstigen Beweisergebnisses. Ferner muss dieser sich dazu verhalten, welche Umstände das Tatgericht zu der begehrten Beweiserhebung hätten drängen bzw. eine solche jedenfalls hätten nahelegen müssen (s. insgesamt Senat NStZ-RR 2021, 25).
Diesen Anforderungen genügt die Rechtsbeschwerdebegründung. Namentlich wird mit dem Vortrag, die fragliche Ampelanlage an der Kreuzung Y.-straße/M.-straße schalte „stets“ auf Grünlicht um, wenn diese von der bei Grünlicht verlassenen L.-straße aus angefahren werde und weiter mit der Behauptung, die Induktionsschleifen hätten zur Tatzeit nur bei Grünlicht zeigender Ampel an der Kreuzung Y.-straße/M.-straße einen Kontakt angezeigt ein dem Beschwerdeführer günstiges Beweisergebnis bestimmt behauptet. Soweit es in der Rechtsbeschwerdebegründung weiter heißt, mit der begehrten Beweiserhebung wären die Aussagen der Polizeibeamten widerlegt „bzw. jedenfalls hinreichend bezweifelt“ worden, ist hiermit lediglich ohne Abstriche in der Beweisbehauptung das erstrebte Beweisziel näher bezeichnet.
bb)
Die Rüge ist auch begründet:
Nach § 77 Abs. 2 Ziff. 1 OWiG kann das Gericht eine (weitere) Beweiserhebung ablehnen, wenn eine solche bereits stattgefunden hat, das Gericht auf Grund der Beweisaufnahme zu der Überzeugung gelangt ist, der Sachverhalt sei geklärt und die Wahrheit gefunden und die beantragte Beweiserhebung nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts zur weiteren Erforschung der Wahrheit nicht erforderlich ist (statt aller: KK-OWiG-Senge, 5. Auflage 2018, § 77 Rz. 15 m. N.). Ist der Sachverhalt aufgrund verlässlicher Beweismittel und ohne Missachtung der Aufklärungspflicht so eindeutig geklärt, dass die Möglichkeit, diese Überzeugung könne durch weitere Beweisaufnahme erschüttert werden, vernünftiger Weise auszuschließen ist, darf von weiterer Beweiserhebung abgesehen werden (vgl. Senat VRS 88, 376 [377]; OLG Hamm DAR 2021, 700; KG NZV 2002, 416).
Diese Voraussetzung ist jedoch regelmäßig nicht erfüllt, wenn die begehrte Beweiserhebung das Ziel verfolgt, die Aussage des einzigen Belastungszeugen zu entkräften. Unter Aufklärungsgesichtspunkten darf ihr dann ein Erkenntniswert in der Regel nicht abgesprochen werden (allgemein: KK-OWiG-Senge, a.a.O., § 77 Rz. 17; BeckOK-OWiG-Hettenbach, 40. Edition Stand 01.10.2023, § 77 Rz. 16 je m. N.; s. a. die Nachweise bei BeckOK-StVR-Lay, 21. Edition Stand 15.10.2023 Rz. 78, 79). Diese Grundsätze gelten auch, wenn – wie hier – die belastende Beweisführung mittels einer durch gemeinsame Dienstausübung miteinander verbundene Zeugengruppe erfolgt ist (Senat VRS 88, 376 [378]; KG VRS 137, 85; OLG Düsseldorf NZV 1999, 260). Namentlich darf das Tatgericht den Beweisantrag grundsätzlich dann nicht ablehnen, wenn die Vernehmung eines Sachverständigen gerade zu dem Zweck beantragt wird, die Aussage der Belastungszeugen zu widerlegen und im Fall der Bestätigung der Beweisbehauptung durch den Sachverständigen der Beweiswert der Zeugenaussagen erschüttert würde (Senat VRS 99, 464 [466]; BayObLG VRS 84, 44; Rebmann/Roth/Herrmann, OWiG, § 77 Rz. 11b). Eine Ausnahme greift hier in Anwendung der allgemeinen Grundsätze wiederum dann, wenn nach Abwägung zwischen stattgehabter und erstrebter Beweiserhebung unter Berücksichtigung der Verlässlichkeit der Beweismittel mit einem positiven Ertrag der begehrten Beweiserhebung nicht zu rechnen ist (OLG Hamm DAR 2021, 700).
Gemessen an diesen Maßstäben war die Ablehnung des Beweisantrags rechtsfehlerhaft. Hätte die begehrte Beweiserhebung das behauptete Ergebnis erbracht, wären jedenfalls ernstliche Zweifel an den Bekundungen der Polizeibeamten am Platz gewesen. Der Fall liegt auch nicht so, dass das behauptete Beweisergebnis vernünftiger Weise ausschiede. Bei der sachverständigen Auswertung der vorgelegten Signalzeitenpläne, die die Schaltung der Lichtzeichenanlage und die Bedienung der Induktionsschleifen in Abständen von 20 Sekunden widergeben, handelt es sich grundsätzlich um ein überlegenes Beweismittel. Die örtlichen Verhältnisse stellen sich auch nicht so dar, dass ein Irrtum der Polizeibeamten über die Schaltung der Lichteichenanlage von vornherein ausschiede.
Die Sache bedarf daher neuer tatrichterlicher Behandlung und Entscheidung. Der Regel des § 79 Abs. 6 OWiG entsprechend verweist der Senat die Sache an die erkennende Abteilung des Amtsgerichts zurück. Für die von der Verteidigung beantragte Verweisung an eine andere Abteilung ist ein Grund nicht ersichtlich.