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Anwaltskosten bei Einstellung des Bußgeldverfahrens: Wer zahlt die Kosten?

Obwohl ein Bußgeldverfahren nach einer Gesetzesänderung eingestellt wurde, weigerte sich die Staatskasse zunächst, die Anwaltskosten bei Einstellung des Bußgeldverfahrens zu übernehmen. Die darauf folgende juristische Auseinandersetzung sollte klären, ob eine solche Verfahrenseinstellung einem Freispruch gleichkommt.

Zum vorliegenden Urteil 16 Qs 79/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Landgericht Karlsruhe
  • Datum: 10.12.2024
  • Aktenzeichen: 16 Qs 79/24
  • Verfahren: Beschwerdeverfahren (Bußgeld)
  • Rechtsbereiche: Strafprozessrecht, Ordnungswidrigkeitenrecht, Kostenrecht

  • Das Problem: Ein Gericht hatte ein Bußgeldverfahren gegen einen Bürger wegen einer Gesetzesänderung eingestellt. Es entschied aber nicht, dass der Staat auch die Anwaltskosten des Bürgers übernehmen muss. Der Bürger legte Beschwerde ein, um diese Kosten erstattet zu bekommen.
  • Die Rechtsfrage: Muss der Staat die Anwaltskosten eines Bürgers übernehmen, wenn ein Bußgeldverfahren gegen ihn wegen einer Gesetzesänderung eingestellt wird? Und darf der Bürger nur diese Kostenentscheidung anfechten, ohne die Einstellung des Verfahrens selbst zu beanstanden?
  • Die Antwort: Ja. Der Staat muss alle Kosten des Bürgers tragen, wenn ein Bußgeldverfahren wegen einer Gesetzesänderung eingestellt wird. Die Einstellung kommt einem Freispruch gleich. Der Bürger durfte die Kostenentscheidung gesondert anfechten.
  • Die Bedeutung: Wird ein Bußgeldverfahren aufgrund einer Gesetzesänderung beendet, hat der Betroffene Anspruch auf volle Erstattung seiner Anwaltskosten durch den Staat. Er kann dies auch gerichtlich einfordern, selbst wenn er die Einstellung des Verfahrens nicht angegriffen hat.

Der Fall vor Gericht


Warum sollte ein Mann seine Anwaltskosten tragen, obwohl das Verfahren gegen ihn eingestellt wurde?

Ein Bußgeldverfahren wird eingestellt. Für den Betroffenen klingt das wie ein Sieg auf ganzer Linie. Die Sache ist vom Tisch, der Ärger vorbei. Doch ein Blick auf den Kostenbeschluss des Amtsgerichts Pforzheim trübt die Erleichterung: Die Staatskasse übernimmt zwar die Gebühren des Gerichts, aber die eigenen Anwaltskosten? Die soll der Mann selbst zahlen. Plötzlich ist der Sieg nur noch ein halber. Es beginnt ein zweiter Kampf um eine juristische Feinheit, die am Ende über eine empfindliche Summe Geldes entscheidet.

Ein Justizmitarbeiter stempelt die Kostenentscheidung nach eingestelltem Bußgeldverfahren zur Erstattung der Anwaltskosten.
Einstellung nach Gesetzesänderung gilt als Freispruch; Staatskasse muss Anwaltskosten übernehmen. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Der Grund für die Einstellung war simpel. Das Gesetz, auf dem das Bußgeldverfahren basierte, hatte sich geändert. Das Verhalten des Mannes war nicht länger strafbar. Das Amtsgericht beendete das Verfahren deshalb nach einer Vorschrift, die genau für solche Fälle gedacht ist (§ 206b Strafprozessordnung). Bei der Frage der Kosten machte es jedoch einen Unterschied. Es ordnete an, dass die Staatskasse die „Verfahrenskosten“ trägt – das sind im Wesentlichen die Gerichtsgebühren. Von den „notwendigen Auslagen“, wozu die Anwaltskosten des Betroffenen gehören, stand in dem Beschluss kein Wort. Das Schweigen des Gerichts bedeutete in der Praxis: Der Betroffene bleibt auf seinen Auslagen sitzen.

Mit welchem Kniff wehrte sich die Verteidigung gegen die Kostenentscheidung?

Die Verteidigung des Mannes erkannte die Lücke im Beschluss sofort. Sie legte fristgerecht eine Eingabe beim Amtsgericht ein. Formal nannte sie das Schreiben „Anhörungsrüge„. Das war ein kluger Schachzug. Die Verteidiger wussten, dass das Landgericht Karlsruhe als nächste Instanz dieses Schreiben als das auslegen würde, was es inhaltlich war: eine „Sofortige Beschwerde„, die sich ausschließlich gegen die Verteilung der Kosten richtete.

Die Argumentation der Verteidigung war glasklar. Sie stellte darauf ab, dass eine Einstellung des Verfahrens wegen einer Gesetzesänderung rechtlich wie ein Freispruch zu behandeln sei. Wenn der Staat selbst die Grundlage für eine Verfolgung beseitigt, kann dem Bürger daraus kein finanzieller Nachteil entstehen. Die logische Konsequenz aus einem Freispruch ist aber, dass die Staatskasse für alles aufkommt. Sie muss nicht nur die Gerichtskosten, sondern eben auch die notwendigen Anwaltskosten des Betroffenen erstatten. Der Fehler des Amtsgerichts lag darin, diesen zweiten, entscheidenden Schritt nicht gemacht zu haben.

Zählt eine Einstellung wegen Gesetzesänderung wie ein Freispruch?

Ja, entschied das Landgericht Karlsruhe und gab der Beschwerde damit vollumfänglich recht. Die Richter stellten klar, dass die Einstellung nach Paragraf 206b der Strafprozessordnung einem Freispruch gleichkommt. Es handelt sich nicht um eine Einstellung aus reinen Zweckmäßigkeitsgründen oder wegen eines kleinen Formfehlers. Hier war die Basis für den Vorwurf selbst weggefallen. Das Gesetz existierte in der relevanten Form nicht mehr.

Für die Kostenfrage bedeutet diese Gleichstellung, dass die Regeln für einen Freispruch greifen müssen. Im Gesetz (§ 467 Strafprozessordnung) ist unmissverständlich geregelt: Wird ein Angeklagter freigesprochen, trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen. Das Gericht pulverisierte damit die stillschweigende Annahme des Amtsgerichts. Es gibt keinen Grund, einen Betroffenen, dessen Verfahren wegen einer Gesetzesänderung endet, finanziell schlechter zu stellen als jemanden, der in einem Prozess freigesprochen wird. Die Staatskasse wurde verpflichtet, auch die Anwaltskosten des Mannes zu übernehmen.

Durfte das Gericht die Beschwerde über die Kosten überhaupt annehmen?

Das war die letzte Hürde, die das Landgericht nehmen musste. Es gab eine juristische Debatte darüber, ob ein Betroffener überhaupt Beschwerde einlegen kann, wenn er mit der Haupteintscheidung – der Einstellung des Verfahrens – ja eigentlich zufrieden sein muss. Wer gewonnen hat, so die grobe Idee, kann sich nicht beschweren.

Das Landgericht Karlsruhe folgte dieser engen Sichtweise nicht. Es differenzierte sauber. Mag sein, dass der Betroffene die Einstellung an sich nicht anfechten kann, weil sie für ihn günstig ist. Das Recht, eine fehlerhafte Kostenentscheidung zu korrigieren, bleibt davon aber unberührt. Die Möglichkeit, gegen eine Kostenregelung vorzugehen, ist im Gesetz ausdrücklich vorgesehen. Die Richter stellten fest, dass diese Möglichkeit nicht dadurch blockiert wird, dass der Betroffene im Hauptpunkt des Verfahrens obsiegt hat.

Die Konsequenz dieser sauberen juristischen Analyse war doppelt positiv für den Betroffenen. Das Landgericht änderte den ursprünglichen Beschluss und verpflichtete die Staatskasse zur Übernahme aller Kosten und Auslagen. Zusätzlich musste die Staatskasse auch die Kosten für das erfolgreiche Beschwerdeverfahren selbst tragen.

Die Urteilslogik

Der Rechtsstaat verpflichtet sich zur vollständigen Kostenübernahme, wenn die Grundlage eines Vorwurfs durch Gesetzesänderung entfällt.

  • Kostenpflicht bei Gesetzeswandel: Endet ein Verfahren, weil die Rechtsgrundlage eines Vorwurfs durch Gesetzesänderung entfällt, übernimmt die Staatskasse sämtliche notwendigen Verteidigungskosten, da dies einem Freispruch gleichkommt.
  • Anfechtbarkeit fehlerhafter Kostenentscheidungen: Auch ein für den Betroffenen günstiger Verfahrensausgang schließt das Recht nicht aus, eine fehlerhafte Kostenregelung des Gerichts überprüfen zu lassen.

Diese Prinzipien garantieren, dass Bürger nicht für die Konsequenzen eines sich wandelnden Rechtsrahmens finanziell haften müssen und jederzeit faire Kostenentscheidungen einfordern können.


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Experten Kommentar

Ein Verfahren wird eingestellt, der Vorwurf entfällt – das klingt nach einem kompletten Sieg. Doch allein bedeutet dies oft nicht, dass die Staatskasse auch die Anwaltskosten übernimmt. Das Karlsruher Landgericht macht hier klar: Eine Einstellung wegen einer Gesetzesänderung zählt kostenrechtlich wie ein Freispruch. Das heißt, die Staatskasse muss die notwendigen Auslagen tragen, aber man muss diese Entscheidung aktiv einfordern.


Nächtliche Stadtstraße mit Autos und roter Ampel als Illustration zu FAQs im Verkehrs- und Ordnungswidrigkeitsrecht.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Muss ich Anwaltskosten auch bei anderen Einstellungen tragen?

Nein, nicht zwingend. Nur bei einer Einstellung wegen einer Gesetzesänderung (§ 206b StPO) werden Anwaltskosten fast automatisch von der Staatskasse übernommen, da dies rechtlich einem Freispruch gleichgestellt ist. Bei Einstellungen aus rein pragmatischen Gründen oder wegen geringfügiger Mängel müssen Sie Ihre Anwaltskosten oft selbst tragen. Hier ist ein aktives Vorgehen und eine juristische Argumentation für eine Gleichstellung nötig.

Die Regel lautet: Wird Ihr Bußgeldverfahren eingestellt, weil die gesetzliche Grundlage für den Vorwurf weggefallen ist (§ 206b StPO), dann wird dies juristisch einem Freispruch gleichgestellt. In solchen Fällen ist die Staatskasse verpflichtet, Ihre notwendigen Anwaltskosten zu tragen. Das ist eine klare Sache.

Anders verhält es sich bei vielen anderen Einstellungsgründen. Wurde Ihr Verfahren aus bloßen Zweckmäßigkeitsgründen, etwa wegen Geringfügigkeit nach § 153 StPO, oder wegen kleinerer Formfehler beendet, tragen Betroffene ihre Anwaltskosten in der Regel selbst. Die direkte Vergleichbarkeit mit einem Freispruch fehlt hier meist, was die Kostenübernahme durch die Staatskasse erschwert. Doch es gibt eine Chance: Ihr Anwalt kann explizit darlegen und juristisch argumentieren, warum Ihre spezifische Einstellung trotz allem einer Freisprechung gleicht. Damit kann die Erstattung der Auslagen erzwungen werden.

Denken Sie an die Situation eines Rennens. Bei einer Einstellung wegen Gesetzesänderung überqueren Sie die Ziellinie und die Siegprämie (Ihre Anwaltskosten) wird Ihnen automatisch ausgehändigt. Bei anderen Einstellungsgründen erreichen Sie zwar auch das Ziel, müssen aber erst noch beweisen, dass Ihr Sieg wirklich durch eigene Leistung und nicht durch Zufall zustande kam, um die Prämie zu erhalten.

Überprüfen Sie umgehend den genauen Grund für die Einstellung Ihres Bußgeldverfahrens. Dieser detaillierte Grund steht in Ihrem gerichtlichen Beschluss. Vergleichen Sie diese Begründung präzise mit der Unterscheidung zwischen ‚Gesetzesänderung‘ und ‚Zweckmäßigkeitsgrund‘ oder ‚Formfehler‘. Akzeptieren Sie niemals stillschweigend einen Kostenbeschluss, der nur die Gerichtskosten, nicht aber Ihre Anwaltskosten berücksichtigt. Ein Gespräch mit Ihrem Anwalt ist essenziell.


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Welche weiteren Auslagen kann ich der Staatskasse in Rechnung stellen?

Neben Ihren Anwaltskosten können Sie sämtliche „notwendigen Auslagen“ der Staatskasse in Rechnung stellen. Dazu gehören alle Kosten, die direkt und unvermeidbar durch Ihre Verteidigung im Bußgeldverfahren entstanden sind. Selbst die Kosten für ein erfolgreiches Beschwerdeverfahren gegen die ursprüngliche Kostenentscheidung werden oft übernommen. Wichtig ist: Belege sammeln und die Notwendigkeit nachweisen.

Juristen nennen das Prinzip der Kostenerstattung die „notwendigen Auslagen“ nach § 467 Strafprozessordnung. Diese Norm regelt, dass bei einem Freispruch – oder einer gleichgestellten Verfahrenseinstellung – die Staatskasse nicht nur die Gerichtskosten, sondern auch Ihre Auslagen trägt. Die primäre Position sind dabei die gesetzlichen Gebühren und Auslagen Ihres Rechtsanwalts. Dies ist der größte Posten.

Darüber hinaus können viele andere Ausgaben als notwendig gelten. Ein verständiger Betroffener durfte diese zur sachgerechten Wahrnehmung seiner Rechte als erforderlich ansehen. Beispiele hierfür sind Fahrtkosten zu Gerichtsterminen oder zur Anwaltskanzlei. Auch ein nachweisbarer Verdienstausfall durch die erforderliche Teilnahme an Terminen kann geltend gemacht werden. Sogar die Kosten für ein notwendiges Sachverständigengutachten zur Entkräftung des Vorwurfs gehören dazu. Besonders erfreulich: Wenn Sie gegen eine fehlerhafte Kostenentscheidung erfolgreich Beschwerde einlegen, übernimmt die Staatskasse auch die Anwalts- und Gerichtskosten für dieses separate Verfahren.

Denken Sie an die Situation, als Sie in einem Restaurant gegessen haben und ein Gericht falsch zubereitet wurde. Sie zahlen nicht für das misslungene Gericht, und eventuell werden Ihnen sogar die Getränke erstattet, die Sie während des Wartens auf die Korrektur konsumiert haben. Ähnlich ist es hier: Wenn der Staat Ihnen Unrecht getan hat oder der Vorwurf entfällt, soll er auch alle damit verbundenen, notwendigen Kosten tragen.

Sammeln und dokumentieren Sie umgehend wirklich alle Belege für Ausgaben, die Ihnen im Zusammenhang mit dem Bußgeldverfahren entstanden sind. Dazu gehören Rechnungen, Quittungen, Fahrkarten, Terminkalender oder Bestätigungen für Verdienstausfall. Übergeben Sie diese dann Ihrem Anwalt. Er prüft die Notwendigkeit und reicht alles korrekt bei der Staatskasse ein. Zögern Sie nicht.


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Wie und bis wann lege ich Beschwerde gegen Kosten ein?

Gegen einen Kostenbeschluss legen Sie in der Regel eine sofortige Beschwerde ein. Diese muss innerhalb einer Woche nach Zustellung entweder beim Amtsgericht oder direkt beim Landgericht eingehen. Ein strategischer Kniff, um Unsicherheiten zu umgehen, ist es, das Schreiben formal als „Anhörungsrüge“ zu bezeichnen, welche die höhere Instanz dann als Beschwerde gegen die Kosten auslegt.

Juristen nennen das korrekte Rechtsmittel gegen eine fehlerhafte Kostenentscheidung, selbst wenn die Hauptsache – also die Einstellung des Verfahrens – für Sie positiv war, die sofortige Beschwerde. Die Frist hierfür ist extrem kurz bemessen: Sie haben genau eine Woche ab dem Zeitpunkt, an dem Ihnen oder Ihrem Anwalt der Beschluss zugestellt wurde, um diese Beschwerde einzulegen. Das ist ein wichtiger Punkt, denn eine verspätete Einlegung macht Ihren Anspruch oft endgültig zunichte.

Der Grund hierfür ist, dass das Gesetz die Möglichkeit, gegen reine Kostenregelungen vorzugehen, explizit vorsieht. Es ist irrelevant, ob Sie mit der Einstellung des Verfahrens an sich zufrieden sind. Es geht darum, eine für Sie finanziell nachteilige Entscheidung hinsichtlich der Auslagen zu korrigieren. Die Staatskasse soll Ihre notwendigen Auslagen, wie die Anwaltskosten, tragen, wenn das Verfahren gegen Sie de facto einer Entlastung gleichkommt.

Ein passender Vergleich ist der Schiedsrichter, der ein Foul pfeift und dann vergisst, die Konsequenz – zum Beispiel den Elfmeter – auch auszuführen. Die Entscheidung für das Foul ist richtig, aber die Kostenfrage, wer den Schaden hat, bleibt offen. Hier muss man dann vehement auf die korrekte Folgemaßnahme bestehen.

Sobald Sie einen Kostenbeschluss erhalten, der Ihre Anwaltskosten nicht oder nur teilweise berücksichtigt, kontaktieren Sie sofort Ihren Rechtsanwalt. Übermitteln Sie ihm das Schriftstück mit dem genauen Zustelldatum, damit er die einwöchige Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde wahren kann.


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Was, wenn mein Bußgeldverfahren aus anderen Gründen eingestellt wurde?

Wurde Ihr Verfahren aus anderen Gründen eingestellt, ist die automatische Übernahme Ihrer Anwaltskosten durch die Staatskasse nicht gesichert. Die unstrittige Gleichstellung mit einem Freispruch gilt nur bei einer Einstellung wegen Gesetzesänderung. In anderen Fällen erfordert es eine genaue juristische Prüfung und Begründung, ob Ihr spezifischer Einstellungsgrund dennoch wie ein Freispruch zu werten ist, um Ihre Anwaltskosten erstattet zu bekommen.

Der Artikel beleuchtet den Sonderfall einer Einstellung nach § 206b StPO, die einer Gesetzesänderung geschuldet ist. Hier ist die juristische Lage klar: Diese Art der Einstellung wird explizit einem Freispruch gleichgestellt. Folglich trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und Ihre notwendigen Auslagen, darunter auch die Anwaltskosten. Das ist eine unstrittige Regelung.

Ganz anders sieht es jedoch bei vielen anderen Einstellungsgründen aus. Eine Einstellung kann beispielsweise wegen Geringfügigkeit nach § 153 StPO erfolgen oder weil die Beweise nicht für eine Verurteilung ausreichen (§ 170 Abs. 2 StPO). Bei diesen Konstellationen ist die automatische Übernahme Ihrer Anwaltskosten durch die Staatskasse keineswegs gesichert. Juristen sehen hier oft keinen direkten Freispruch, da die Schuld nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern lediglich die Verfolgung aus anderen Gründen beendet wird. In solchen Fällen müssen Sie oder Ihr Anwalt aktiv argumentieren und darlegen, warum die Einstellung dennoch einer Entlastung gleichkommt und somit eine Kostenerstattung rechtfertigt.

Denken Sie an die Situation eines Autofahrers: Fällt die Geschwindigkeitsbegrenzung auf einer Straße weg, kann er dafür nicht mehr belangt werden. Seine Unschuld steht fest. Wird die Verfolgung aber eingestellt, weil er nur „ganz knapp“ zu schnell war, impliziert das noch eine gewisse Schuld. Diese subtile Unterscheidung ist entscheidend für die Kostenübernahme.

Nehmen Sie niemals an, dass jede Verfahrenseinstellung automatisch die Übernahme Ihrer Anwaltskosten bedeutet. Das wäre ein Irrtum mit finanziellen Folgen. Sobald Sie einen Einstellungsbeschluss erhalten, ist schnelles Handeln gefragt. Lassen Sie Ihren Rechtsanwalt den genauen Einstellungsgrund im Beschluss sorgfältig prüfen. Besprechen Sie mit ihm detailliert, ob trotz abweichender Gründe eine juristisch fundierte Argumentation im Sinne einer Freisprechung möglich ist. Nur so können Sie Ihre Anwaltskosten erfolgreich erstattet bekommen.


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Wie stelle ich meine Anwaltskostenübernahme frühzeitig sicher?

Die Übernahme Ihrer Anwaltskosten durch die Staatskasse sichern Sie am besten durch frühzeitige, qualifizierte Rechtsberatung. Diese muss von Anfang an auf eine umfassende Entlastung und die korrekte Formulierung etwaiger Verfahrenseinstellungen hinwirken. Gleichzeitig sollte sie strategisch darauf vorbereitet sein, eine ungünstige Kostenentscheidung umgehend anzufechten. So vermeiden Sie spätere Überraschungen.

Engagieren Sie umgehend einen erfahrenen Rechtsanwalt, idealerweise einen Spezialisten für Verkehrsrecht. Seine Expertise ist Gold wert, denn er erkennt potenzielle Kostenfallen frühzeitig. Der Anwalt arbeitet von Beginn an darauf hin, dass eine etwaige Verfahrenseinstellung einer Freisprechung gleichkommt. Nur so ist die Übernahme Ihrer notwendigen Auslagen durch die Staatskasse realistisch.

Ein entscheidender Punkt ist die Begründung der Einstellung. Ihr Anwalt sollte aktiv darauf einwirken, dass diese so formuliert wird, dass sie die Gleichstellung mit einem Freispruch ermöglicht. Das sichert die Erstattung der „notwendigen Auslagen“. Auch wenn der Staat nicht automatisch alles bezahlt, ist es wichtig, eine klare Strategie zu haben. Ihr Anwalt bereitet sich schon im Vorfeld darauf vor, dass eine anfängliche Kostenentscheidung zu Ihren Lasten ausfallen könnte. Wie im Fall Pforzheim erfolgreich gelang, muss die Verteidigung darauf eingestellt sein, unverzüglich eine sofortige Beschwerde einzulegen.

Denken Sie an einen versierten Schachspieler: Er plant nicht nur den nächsten Zug, sondern antizipiert bereits die Reaktionen des Gegners und bereitet sich auf verschiedene Spielverläufe vor. So agiert Ihr Rechtsbeistand. Er navigiert das Verfahren vorausschauend, um Ihre finanzielle Absicherung zu gewährleisten.

Praxis-Tipp: Besprechen Sie bereits bei der ersten Beauftragung mit Ihrem Rechtsanwalt explizit die Strategie zur Anwaltskostenübernahme. Klären Sie genau, welche Szenarien für eine Erstattung in Frage kommen. Ebenso wichtig ist es zu wissen, wie bei einer möglicherweise ablehnenden Kostenentscheidung sofort vorgegangen wird. Handeln Sie proaktiv.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar Rubrik: Bewegte Stadtstraße als Illustration zur Erklärung von Fachbegriffen zu Verkehrs- und Ordnungswidrigkeitsrecht.

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Anhörungsrüge

Mit einer Anhörungsrüge können Parteien geltend machen, dass ein Gericht ihr fundamentales Recht auf rechtliches Gehör verletzt hat, und so die Überprüfung einer Entscheidung erzwingen. Juristen sehen darin eine Notbremse, die greift, wenn Gerichte wichtige Argumente übersehen oder Entscheidungen treffen, ohne die Betroffenen angemessen anzuhören. Sie sichert das Recht auf eine faire Anhörung.

Beispiel: Im vorliegenden Fall reichte die Verteidigung eine Anhörungsrüge ein, da das Amtsgericht die notwendigen Auslagen nicht explizit in seinem Kostenbeschluss berücksichtigte und somit das rechtliche Gehör zum vollen Umfang der Kosten verletzt schien.

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Einstellung nach § 206b StPO

Wird ein Straf- oder Bußgeldverfahren nach § 206b StPO eingestellt, bedeutet das, die Verfolgung endet, weil das ursprünglich vorgeworfene Verhalten durch eine Gesetzesänderung nicht mehr strafbar ist. Das Gesetz schützt Bürger davor, für Handlungen belangt zu werden, die nachträglich entkriminalisiert wurden. Der Staat zieht die Konsequenz aus der geänderten Rechtslage und beendet die Verfolgung.

Beispiel: Die Einstellung nach § 206b StPO des Mannes erfolgte, weil das Gesetz, auf dem das ursprüngliche Bußgeldverfahren basierte, nicht mehr in Kraft war und sein Verhalten somit nicht länger unter Strafe stand.

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Kostenbeschluss

Ein Kostenbeschluss legt als gerichtliche Entscheidung genau fest, welche Partei oder Instanz die finanziellen Lasten eines Gerichtsverfahrens zu tragen hat. Das Gericht regelt damit die Verteilung der Verfahrenskosten und notwendigen Auslagen zwischen den Parteien oder der Staatskasse, um Transparenz und Rechtssicherheit bezüglich der finanziellen Folgen eines Verfahrens zu schaffen.

Beispiel: Der Kostenbeschluss des Amtsgerichts Pforzheim legte fest, dass die Staatskasse nur die Gerichtskosten, nicht aber die Anwaltskosten des Mannes übernehmen sollte, was den anschließenden Rechtsstreit auslöste.

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Notwendige Auslagen

Als notwendige Auslagen verstehen Juristen alle unvermeidbaren und angemessenen Kosten, die ein Betroffener für seine sachgerechte Verteidigung in einem gerichtlichen Verfahren aufwenden musste. Juristen sorgen mit dieser Regelung dafür, dass niemand finanziell benachteiligt wird, der unschuldig ist oder bei dem ein Verfahren zu seinen Gunsten endet. Die Staatskasse soll nur die Kosten tragen, die tatsächlich zur Rechtswahrnehmung erforderlich waren.

Beispiel: Zu den notwendigen Auslagen des Mannes zählten im vorliegenden Fall seine Anwaltskosten sowie die Kosten für das erfolgreiche Beschwerdeverfahren, die er von der Staatskasse erstattet bekommen sollte.

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Sofortige Beschwerde

Um gerichtliche Entscheidungen anzufechten, die während eines Verfahrens ergangen sind und keinen Abschluss bilden, nutzen Juristen das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde. Dieses Rechtsmittel ermöglicht eine schnelle Überprüfung von Zwischenentscheidungen, um Verfahrensfehler zu korrigieren, bevor sie sich auf das gesamte Verfahren auswirken und größere Schäden anrichten. Die Frist hierfür beträgt oft nur eine Woche, um zügig Klarheit zu schaffen.

Beispiel: Die Verteidigung des Mannes legte formell eine Anhörungsrüge ein, die das Landgericht Karlsruhe inhaltlich als sofortige Beschwerde gegen den Kostenbeschluss auslegte, um die Erstattung der Anwaltskosten zu erreichen.

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Verfahrenskosten

Die Verfahrenskosten beschreiben jene Gebühren und Ausgaben, die direkt durch die Durchführung eines Gerichtsverfahrens anfallen, beispielsweise die Gerichtskosten selbst. Diese Kosten decken den Aufwand der Justiz für die Bearbeitung eines Falles ab und unterscheiden sich von den persönlichen Auslagen der Verfahrensbeteiligten. Oft trägt sie der Verlierer oder die Staatskasse bei einem Freispruch.

Beispiel: Obwohl die Staatskasse im Fall des Mannes die Verfahrenskosten, also die Gerichtskosten, übernahm, musste er zunächst seine eigenen Anwaltskosten selbst tragen, da diese nicht zu den reinen Verfahrenskosten gehören.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


Kostenübernahme nach Freispruch (§ 467 Strafprozessordnung)

Wird jemand in einem Straf- oder Bußgeldverfahren freigesprochen, muss die Staatskasse grundsätzlich die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen tragen.

Bedeutung im vorliegenden Fall: Diese Vorschrift ist entscheidend, denn die Verteidigung argumentierte, dass die Einstellung des Verfahrens wie ein Freispruch zu behandeln sei, um so die Erstattung der Anwaltskosten durch die Staatskasse zu erreichen.

Gleichstellung von Verfahrenseinstellung mit Freispruch (Rechtsprinzip)

Wenn ein Verfahren wegen einer Gesetzesänderung eingestellt wird, die das Verhalten rückwirkend entkriminalisiert, ist dies rechtlich so zu behandeln, als wäre der Betroffene freigesprochen worden.

Bedeutung im vorliegenden Fall: Dieses Prinzip war der zentrale Argumentationsstrang und der entscheidende Punkt, den das Landgericht bestätigte, um die Regeln des Freispruchs auf die Kostenfrage anzuwenden.

Einstellung des Verfahrens bei Wegfall der Strafbarkeit (§ 206b Strafprozessordnung)

Diese Vorschrift erlaubt es, ein Straf- oder Bußgeldverfahren einzustellen, wenn das dem Beschuldigten vorgeworfene Verhalten aufgrund einer späteren Gesetzesänderung nicht mehr strafbar ist.

Bedeutung im vorliegenden Fall: Nach dieser Vorschrift stellte das Amtsgericht das Bußgeldverfahren ursprünglich ein, weil sich die gesetzliche Grundlage für den Vorwurf geändert hatte und das Verhalten des Mannes nicht länger strafbar war.

Anfechtung von Kostenentscheidungen (§ 304 Strafprozessordnung i.V.m. § 464 Abs. 3 Strafprozessordnung)

Das Gesetz ermöglicht es, gerichtliche Entscheidungen, die ausschließlich die Kosten eines Verfahrens betreffen, mit einem speziellen Rechtsmittel, der sofortigen Beschwerde, anzufechten.

Bedeutung im vorliegenden Fall: Dieses Recht erlaubte es dem Betroffenen, die Kostenentscheidung des Amtsgerichts vor dem Landgericht anzufechten, obwohl die Hauptentscheidung (die Einstellung des Verfahrens) für ihn günstig war.


Das vorliegende Urteil


LG Karlsruhe – Az.: 16 Qs 79/24 – Beschluss vom 10.12.2024


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