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Anspruch des Betroffenen auf Einsicht in „TUFF“- Dateien bei Geschwindigkeitsmessungen

KG Berlin – Az.: 3 Ws (B) 263/20 – Beschluss vom 05.11.2020

Der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts T. vom 4. August 2020 wird, ohne dass der Beschluss einer Begründung bedarf (§ 80 Abs. 4 Satz 3 OWiG), verworfen.

Der Betroffene hat die Kosten seiner nach § 80 Abs. 4 Satz 4 OWiG als zurückgenommen geltenden Rechtsbeschwerde zu tragen (§ 46 Abs. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO).

Gründe

Der Senat merkt lediglich an:

1. Das als „Berufung“ bezeichnete Rechtsmittel des Betroffenen behandelt der Senat nach Maßgabe von §§ 46 Abs. 1 OWiG, 300 StPO als Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 80 OWiG.

2. Es kann dahinstehen, ob die erhobene Verfahrensrüge, die Nichtherausgabe von unverschlüsselten Messdaten verletze den Betroffenen in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG, den Zulassungsvoraussetzungen von §§ 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO entspricht. Denn jedenfalls ist sie unbegründet. Zwar ist obergerichtlich geklärt, dass der Verteidiger, soweit dies zur Überprüfung des standardisierten Messverfahrens erforderlich ist, grundsätzlich auch in solche Unterlagen Einsicht nehmen kann, die sich nicht bei den Akten befinden (vgl. BGHSt 39, 291; 28, 239; Senat, Beschluss vom 2. April 2019 – 3 Ws (B) 97/19 -, juris; Cierniak/Niehaus DAR 2018, 541; DAR 2014, 2; König DAR 2018, 361,368). Weiter ist geklärt, dass das Informations- und Einsichtsrecht des Verteidigers daher deutlich weiter gehen kann als die Amtsaufklärung des Gerichts (vgl. Senat DAR 2013, 211), und dass solch weitreichende Befugnisse dem Verteidiger im Vorfeld der Hauptverhandlung auch und gerade bei standardisierten Messverfahren zustehen (vgl. Senat, Beschluss vom 2. April 2019 – 3 Ws (B) 97/19 -). Obergerichtlich geklärt ist daneben, dass diese Informations- und Einsichtsrechte aber nicht aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG abzuleiten sind (vgl. Senat StraFo 2018, 383; DAR 2017, 593; Cierniak/Niehaus DAR 2018, 361; 2014, 2; zfs 2012, 664). Der hier einschlägige Grundsatz der „Waffengleichheit“, der dem Betroffenen die Möglichkeit verschafft, sich kritisch mit den durch die Verfolgungsbehörden zusammengetragenen Informationen auseinanderzusetzen, hat seinen Ursprung vielmehr im Recht auf Gewährleistung eines fairen Verfahrens nach Art. 6 EMRK (vgl. Senat, Beschluss vom 6. August 2018 – 3 Ws (B) 168/18 – juris; StraFo 2018, 472; OLG Brandenburg NZV 2017, 144; Cierniak/Niehaus a.a.O. und NStZ 2014, 526; König a.a.O.; zur Einsichtnahme in Spurenakten vgl. BVerfG a.a.O.).

3. Soweit der Betroffene seinen Zulassungsantrag zugleich auf einen Verstoß gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens stützt, genügt sein Vorbringen nicht den Anforderungen von §§ 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO.

Rügt der Beschwerdeführer eine rechtswidrige Ablehnung eines Akteneinsichtsantrags, muss die Rechtsbeschwerdebegründung eine konkret-kausale Beziehung zwischen dem behaupteten Verfahrensfehler und einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt dartun. Es ist ein substantiierter Vortrag erforderlich, welche Tatsachen sich aus welchen genau bezeichneten Stellen der Akten ergeben hätten und welche Konsequenzen die Verteidigung daraus gezogen hätte (vgl.BGH NStZ 2010, 530; StV 2000, 248; Senat VRS 132 Nr. 7; DAR 2013, 211; OLG Braunschweig ZfSch 2014, 473; OLG Celle ZfSch 2013, 412; OLG Hamm NZV 2016, 291). Soweit eine konkrete Benennung mangels Zugriffs auf die Unterlagen nicht möglich ist, muss sich der Verteidiger bis zum Ablauf der Frist zur Erhebung der Verfahrensrüge weiter um die Einsicht bemüht haben und die entsprechenden Anstrengungen gegenüber dem Rechtsbeschwerdegericht auch dartun (vgl. Senat a.a.O. und Beschluss vom 20. Dezember 2018 – 3 Ws (B) 303/18 -).

Nichts Anderes kann in den Fällen gelten, in denen der Betroffene nicht die grundsätzliche Zugriffsverweigerung auf Unterlagen (einschließlich Datenträgern) rügt, sondern, wie hier, der Zugang zu den Unterlagen werde ihm durch technische Hürden wesentlich erschwert. Auch dann ist ihm zuzumuten – und bedarf es folglich des Beschwerdevortrags -, welche Anstrengungen er bis zum Ablauf der genannten Frist unternommen habe, der Unterlagen in der von ihm begehrten Form habhaft zu werden. Dazu trägt der Betroffene aber nichts vor. Darüber, ob das vom Betroffenen beanspruchte Recht auf Umwandlung der sog. „TUFF-Datei“ in ein allgemein lesbares Dateiformat tatsächlich besteht, war daher eine Sachentscheidung des Senats nicht veranlasst.

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