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Anordnung einer Fahrprobe bei Fahreignungszweifeln?

VG Bayreuth – Az.: B 1 S 20.348 – Beschluss vom 30.04.2020

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

Der am … geborene Antragsteller wendet sich im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Führerscheinklassen AM, A1, A2, A, BE, C1, C1E, L und T.

Durch eine Mitteilung der Polizeiinspektion E… vom 22. März 2019 erhielt das Landratsamt F…(im Folgenden Landratsamt) davon Kenntnis, dass der Antragsteller am 20. März 2019 die Polizei verständigte, da sein Pkw vermutlich gestohlen worden sei. Als sich herausstellte, dass der Pkw in der Nähe einer OMV-Tankstelle geparkt war, beobachteten die Polizeibeamten wie der Antragsteller beim Ausparken ein anderes Fahrzeug beschädigte. Auf den Vorfall angesprochen, gab der Antragsteller zu verstehen, dass er einen Unfall nicht wahrgenommen habe.

Nach Aufforderung des Landratsamts übersandte der Antragsteller einen Gesundheitsfragebogen vom 10. April 2019 (mit der Angabe, an Polyneuropathie zu leiden (bestätigt durch Dr. med. P.)) und nach weiterer Aufforderung ein Gutachten des Facharztes für Neurologie (mit verkehrsmedizinischer Qualifikation) Dr. med. L. vom 17. Juni 2019. Dieser kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller eine leichte hirnorganische Verlangsamung und eine Hörminderung aufweise. Die testpsychologische Untersuchung habe durchweg altersentsprechende Befunde ergeben. Die Gesundheitsstörung müsse unter Gesundheitsstörungen nach Nr. 7.2.1 der Anlage 4 zur FeV gefasst werden. In Anbetracht der erhobenen Befunde sei die Kraftfahreignung zu bejahen. Zur sicheren Beurteilung der im Straßenverkehr notwendigen Funktionen werde die Durchführung einer Fahrprobe befürwortet, die endgültige Beurteilung solle von deren Ergebnis abhängig gemacht werden.

Das Landratsamt forderte den Antragsteller mit Schreiben vom 25. Juni 2019 auf, bis zum 27. August 2019 ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr im Rahmen einer praktischen Fahrprobe für Kraftfahrzeuge der alten Klassen 1, 2, 3 und 4 (gleichbedeutend der Klassen B, BE, A, A1, A2, AM, L, C1 und C1E) vorzulegen. Die praktische Fahrprobe sei über eine Fahrschule bei einer technischen Prüfstelle durchzuführen. Dies bedeute, dass der Antragsteller eine praktische Fahrprobe in Begleitung eines Fahrlehrers oder Fahrlehreranwärters bei einer technischen Prüfstelle abzulegen habe (§ 2 Abs. 15 Satz 1 StVG). Auf § 11 Abs. 8 FeV wurde hingewiesen.

Unter dem 8. Juli 2019 sandte das Landratsamt eine Durchschrift der Anordnung des Gutachtens an die TÜV Süd Service GmbH. Es wiederholte die Fragestellung:

„Kann Herr… trotz der festgestellten gesundheitlichen Eignungszweifel ein Kraftfahrzeug der oben aufgeführten Klasse(n) sicher führen?“

Im Betreff genannt sind die Klassen: 1, 3 und 4.

Der Antragsteller übersandte das Ergebnis einer Fahrprobe vom 7. August 2019 an das Landratsamt. Die TÜV Süd GmbH stellte eine Bestätigung über die Fahrprobe aus (Schreiben vom 8. August 2019) mit dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen zum sicheren Führen von Kfz der Fahrerlaubnisklasse B uneingeschränkt gegeben seien. Hinsichtlich der Fahrzeugart enthält das Schreiben den Eintrag „Pkw“.

Das Landratsamt machte sodann mit Schreiben vom 26. August 2019 an die Bevollmächtigte des Antragstellers deutlich, dass sich die Zweifel wegen einer fahreignungsrelevanten Erkrankung nicht erhärtet hätten und das Verfahren zur Überprüfung der Fahreignung derzeit abgeschlossen sei. Dem Antragsteller könne die Fahrerlaubnis belassen werden.

Unter dem 17. September 2019 erklärte das Landratsamt, dass nach erneuter Durchsicht der Akten das Schreiben vom 26. August 2019 als gegenstandslos zu betrachten sei. Es forderte den Antragsteller erneut auf, eine ergänzende Stellungnahme von „Frau“ Dr. L. beizubringen und bis zum 19. November 2019 vorzulegen, da sie auf die Fragen Nr. 2 bis 5 (in der damaligen Gutachtensaufforderung) nicht eingegangen sei. Es solle Auskunft gegeben werden über folgende Fragen:

„1. Liegt eine ausreichende Compliance vor und wird diese auch umgesetzt (Adhärenz)?

2. Sind Beschränkungen und/oder Auflagen erforderlich, um den Anforderungen an das Führen eines Kraftfahrzeugs (je Fahrerlaubnisklassengruppe) gerecht zu werden?

3. Ist bzw. sind insbesondere (eine) fachlich einzelfallbegründete Auflage(n) nach Anlage 4 (z.B. ärztliche Kontrollen) erforderlich? In welchem zeitlichen Abstand und wie lange? Was soll regelmäßig kontrolliert und attestiert werden? Sind die Ergebnisse der Fahrerlaubnisbehörde vorzulegen; wenn ja, warum?

4. Ist eine fachlich einzelfallbegründete (je Fahrerlaubnisgruppe) Nachuntersuchung i.S. einer erneuten (Nach-) Begutachtung erforderlich? In welchem zeitlichen Abstand?“

Anordnung einer Fahrprobe bei Fahreignungszweifeln?
(Symbolfoto: Von wellphoto/Shutterstock.com)

Die TÜV Süd Auto Service GmbH sei bei der Fahrprobe zu dem Ergebnis gekommen, dass der Antragsteller die Voraussetzungen zum Führen von Kraftfahrzeugen lediglich für die Fahrerlaubnisklasse B erfülle. Der Antragsteller müsse deshalb auf die Fahrerlaubnis der Klassen AM, A1, A2, A, BE, C1, C1E, L und T verzichten. Es müsse ihm ein neuer Führerschein ausgestellt werden. Eine entsprechende Verzichtserklärung liege diesem Schreiben bei. Zur Ausstattung des neuen Führerscheins seien verschiedene Unterlagen vorzulegen. Hierfür werde Gelegenheit gegeben bis zum 21. Oktober 2019. Zudem werde bis zu diesem Zeitpunkt Gelegenheit zur Äußerung gegeben, anderenfalls müsse nach diesem Termin die Fahrerlaubnis der Fahrerlaubnisklassen AM, A1, A2, A, BE, C1, C1E, L und T eingezogen werden.

Der Antragsteller legte eine Ergänzung des Gutachtens von Dr. med. L. vom 10. Oktober 2019 vor. Die Frage 1 wird wie folgt beantwortet: für eine Polyneuropathie ergebe sich kein Anhalt. Der Antragsteller sei trotz des Vorliegens einer Erkrankung (leichtes hirnorganisches Psychosyndrom, Hörminderung) in der Lage, den Anforderungen zum Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppe 1 gerecht zu werden. Zu Frage 2: wegen der Gesundheitsstörung habe bislang keine Behandlungsbedürftigkeit bestanden, insofern könnten zur Compliance und Adhärenz keine Angaben gemacht werden. Der Antragsteller befinde sich in regelmäßiger allgemeinärztlicher Behandlung, auch die notwendigen Medikamente würden regelmäßig von ihm eingenommen. Zu Frage 3: Wie im Gutachten ausgeführt, werde die Durchführung einer Fahrprobe empfohlen. Sonstige Beschränkungen oder Auflagen bzw. eine Nachuntersuchung seien nicht erforderlich.

Das Landratsamt wies den Antragsteller mit Schreiben vom 21. Oktober 2019 darauf hin, dass sich die Zweifel an der Eignung zum Führen der Fahrerlaubnisklasse B nicht erhärtet hätten, das Verfahren sei diesbezüglich abgeschlossen. Die Fahrerlaubnis der Fahrerlaubnisklassen AM, A1, A2, A, BE, C1, C1E, L und T könnten zum jetzigen Zeitpunkt nicht belassen werden, da mit Schreiben vom 25. Juni 2019 dazu aufgefordert worden sei, ein Gutachten über eine Fahrprobe für Kraftfahrzeuge der alten Klassen 1, 2, 3 und 4 (gleichbedeutend mit den Klassen B, BE, A, A1, A2, AM, L, C1, C1E und T) vorzulegen. Dem Gutachten der TÜV Süd Auto Service GmbH sei nur zu entnehmen, dass die Voraussetzungen zum sicheren Führen der Fahrerlaubnisklasse B uneingeschränkt gegeben seien. Der Antragsteller müsse deshalb auf seine Fahrerlaubnis der Klassen AM, A1, A2, A, BE, C1, C1E, L und T verzichten.

Mit Schreiben vom 13. Dezember 2019 wurde dem Antragsteller abermals die Gelegenheit eingeräumt, bis spätestens 20. Februar 2020 ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr vorzulegen, in welchem ihm die Eignung zum sicheren Führen von Kraftfahrzeugen der Fahrerlaubnisklassen AM, A1, A2, A, BE, C1, C1E, L und T bestätigt werden. Eine praktische Fahrprobe sei erforderlich. Auf § 11 Abs. 8 FeV wurde hingewiesen.

Unter dem 9. März 2020 wurde der Antragsteller zum Entzug der Fahrerlaubnis angehört, nachdem kein Gutachten beim Landratsamt eingegangen war.

Mit Bescheid vom 1. April 2020 entzog das Landratsamt dem Antragsteller die erteilte Fahrerlaubnis der Klassen AM, A1, A2, A, BE, C1, C1E, L und T (Nr. 1). Es ordnete an, dass der Führerschein eine Woche nach Zustellung des Bescheids beim Landartsamt abzugeben ist (Nr. 2). Der Antragsteller wurde verpflichtet, sich einen neuen Führerschein über die verbleibende Klasse B ausstellen zu lassen (Nr. 3). Es drohte für den Fall der Nichtbefolgung der Nr. 2 des Bescheids ein Zwangsgeld in Höhe von 300 EUR an (Nr. 4). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1 und 2 wurde angeordnet (Nr. 5). Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der Antragsteller zum Führen der genannten Fahrerlaubnisklassen nicht geeignet sei, da er das Gutachten eines anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr nicht beigebracht habe (§ 11 Abs. 8 FeV).

Der Antragsteller erhob durch Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 13. April 2020 hiergegen Widerspruch.

Mit Schreiben vom 13. April 2020, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tage, ließ der Antragsteller durch seine Bevollmächtigte beantragen, die sofortige Vollziehung des Bescheids des Landratsamtes F… vom 1. April 2020 gemäß Nummer 5 des Bescheides auszusetzen und die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom heutigen Tage wiederherzustellen.

Zur Begründung ist ausgeführt, dass der Antragsteller am 7. August 2019 eine Fahrprobe abgelegt habe, wobei Auffälligkeiten nicht erkannt worden seien. Folglich sei das eingeleitete Verfahren eingestellt und dies dem Antragsteller mit Schreiben vom 26. August 2019 mitgeteilt worden. Völlig überraschend und ohne rechtfertigenden neuen Grund sei das Verfahren vom Antragsgegner erneut aufgenommen worden. Auf das Schreiben vom 17. September 2019 habe der Antragsteller durch Vorlage der Ergänzung des Gutachtens reagiert. Eine Fahrprobe für sämtliche Fahrzeugklassen wäre ein Aufwand gewesen, der völlig gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoße. Der zur Einhaltung des Verfahrens führende Vorfall vom 20. März 2019 habe sich bei der Nutzung eines Pkws der Fahrerlaubnisklasse B ereignet. Die Überprüfung der Fahreignung dieser Fahrzeugklasse sei gerechtfertigt gewesen, nicht aber aller Fahrerlaubnisklassen. Es sei keinesfalls gerechtfertigt, die Fahrerlaubnis der Gruppe 1 entziehen zu wollen und schon gar nicht die Klassen, die von der Fahrerlaubnis der Klasse B umfasst seien, also AM und L. Die in den Nrn. 2 und 4 gesetzte Frist sei unangemessen kurz. Der Bescheid sei unmittelbar vor den Osterfeiertagen am Mittwoch zugestellt worden. Ein Vorsprechen in der Führerscheinstelle sei coronabedingt nur nach Terminvergabe möglich und sicherlich nicht innerhalb von einem Tag.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte ergänzend Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).

II.

1. Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Bei der Entscheidung hat das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung zu treffen, bei der entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO das Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Betroffenen an der aufschiebenden Wirkung abzuwägen ist. Dabei sind auch die überschaubaren Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs zu berücksichtigen. Demzufolge überwiegt hier das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Fahrerlaubnisentziehung gegenüber dem Aufschubinteresse des Antragstellers, da der Bescheid des Landratsamts vom 1. April 2020 im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach als rechtmäßig wird bestätigt werden können.

In der Sache selbst folgt das Gericht der zutreffenden Begründung des angegriffenen Bescheids und sieht insoweit von einer gesonderten Darstellung der Gründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO analog). Ergänzend hierzu ist noch das Folgende auszuführen:

2. Die Fahrerlaubnisbehörde hat vom Antragsteller zu Recht eine Fahrprobe zur Klärung von nach der Vorlage des fachärztlichen Gutachtens vom 17. Juni 2019 weiterhin bestehenden Fahreignungszweifeln gefordert. Dr. med. L. kam in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass der Antragsteller eine leichte hirnorganische Verlangsamung und eine Hörminderung aufweise. Die testpsychologische Untersuchung habe durchweg altersentsprechende Befunde ergeben. Die Gesundheitsstörung müsse unter Gesundheitsstörungen nach Nr. 7.2.1 der Anlage 4 zur FeV gefasst werden. In Anbetracht der erhobenen Befunde sei die Kraftfahreigung zu bejahen. Zur sicheren Beurteilung der im Straßenverkehr notwendigen Funktionen werde die Durchführung einer Fahrprobe befürwortet, die endgültige Beurteilung solle von deren Ergebnis abhängig gemacht werden. Mit Schreiben vom 13. Dezember 2019 wurde der Antragsteller vom Landratsamt aufgefordert, bis spätestens 20. Februar 2020 ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr vorzulegen, in welchem ihm die Eignung zum sicheren Führen von Kraftfahrzeugen der Fahrerlaubnisklassen AM, A1, A2, A, BE, C1, C1E, L und T bestätigt werden. Eine praktische Fahrprobe sei erforderlich. Dieses Gutachten hat der Antragsteller nicht beigebracht, weshalb die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 46 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 8 FeV auf seine Nichteignung schließen durfte.

Es ist nichts durchgreifend vorgetragen oder ersichtlich dafür, dass die Anordnung zur Beibringung der Fahrprobe an formellen oder materiellen Mängeln leiden könnte, welche dem in § 11 Abs. 8 FeV vorgesehenen Schluss von der Weigerung, sich untersuchen zu lassen, bzw. von der Nichtvorlage des angeforderten Gutachtens auf die Nichteignung zum Führen von Kraftfahrzeugen entgegenstehen könnten.

a) Der erneuten Aufforderung zur Vorlage eines Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr mit Schreiben vom 13. Dezember 2019 steht nicht entgegen, dass das Landratsamt mit Schreiben vom 26. August 2019 erklärt hatte, dass sich die Zweifel an einer fahreignungsrelevanten Erkrankung nicht erhärtet hätten und das Verfahren zur Überprüfung einer Fahreignung derzeit abgeschlossen sei. Zwar führt das Schreiben vom 26. August 2019 dazu, dass die erste Aufforderung zur Vorlage eines Gutachtens über eine Fahrprobe (Schreiben vom 25. Juni 2019) hinfällig wurde und eine erneute Aufforderung ergehen musste (Schreiben vom 13. Dezember 2019). Ein Rechtsbindungswille, dass das Landratsamt in Zukunft auf Grund des streitgegenständlichen Sachverhalts keine weiteren Schritte unternehmen möchte, ist dem Schreiben aber nicht zu entnehmen. Dies ergibt schon die Wortlautauslegung des Schreibens, in welchem ausgeführt wird, dass das Verfahren „derzeit“ als abgeschlossen betrachtet werde. Zudem bezieht sich das Schreiben darauf, dass die Voraussetzungen zum „Führen von Kfz der Fahrerlaubnisklasse B“ gegeben seien. Eine Erklärung des Inhalts, dass auch die Voraussetzungen zum Führen der Fahrerlaubnisklassen AM, A1, A2, A, BE, C1, C1E, L und T vorliegen, enthält das Schreiben nicht.

b) Die Anordnung der Beibringung des Gutachtens eines Sachverständigen genügt den sich aus § 11 Abs. 6 FeV ergebenden formellen Anforderungen (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 5.7.2001 – 3 C 13/01 – juris), insbesondere wurde der Antragsteller gemäß § 11 Abs. 8 Satz 2 FeV auf die Konsequenzen der Nichtvorlage des Gutachtens hingewiesen. Die Frist erscheint ausreichend und wurde auch nicht in Frage gestellt. Der Antragsteller vertrat vielmehr über seine Bevollmächtigte die Meinung, sich aus Gründen der Verhältnismäßigkeit keiner Fahrprobe bezüglich anderer Fahrzeuge als der der Fahrerlaubnisklasse B unterziehen zu müssen.

c) Die materiellen Voraussetzungen zur Anforderung der Fahrprobe liegen ebenfalls vor. Nach § 11 Abs. 4 Nr. 1 FeV kann die Beibringung eines Gutachtens eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr zur Klärung von Eignungszweifeln für die Zwecke nach § 11 Abs. 2 FeV angeordnet werden, wenn nach Würdigung des Gutachtens gemäß § 11 Abs. 2 oder Abs. 3 FeV ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers zusätzlich erforderlich ist. Eine Fahrprobe kann grundsätzlich ein geeignetes Mittel sein, um über einen wichtigen Teil der Fahreignung, nämlich die praktischen Fahrfertigkeiten, Aufschluss zu geben (vgl. BayVGH, B.v. 23.11.2011 – 11 CS 11.2067 – juris). Vorliegend bestand Anlass für die Anordnung der Fahrprobe, denn im vorgelegten fachärztlichen Gutachten wurde eine leichte hirnorganische Verlangsamung und eine Hörminderung festgestellt, welche nach Nr. 7.2.1 der Anlage 4 zur FeV die Fahreignung ausschließen können. Der Gutachter hielt deshalb für die Beurteilung der im Straßenverkehr notwendigen Funktionen die Durchführung einer Fahrprobe für erforderlich.

Offen bleiben kann, ob die Anforderung des fachärztlichen Gutachtens zu Recht erfolgte, da der Antragsteller mit der Erstellung des Gutachtens letztendlich einverstanden war und das Gutachten auf Veranlassung des Antragstellers der Behörde vorgelegt wurde. Das Gutachten und die darin enthaltene Empfehlung einer Fahrprobe stellen deshalb eine neue, von der Behörde zu beachtende Tatsache dar (vgl. BVerwG, B.v. 9.3.1996 – 11 B 14/96 – juris).

3. Die Anforderung einer ergänzenden Fahrprobe nach § 11 Abs. 4 Nr. 1 FeV ist durch die Rechtsordnung zwar nicht zwingend vorgeschrieben. Nach dem Wortlaut der Vorschrift hat die Behörde einen Ermessensspielraum („kann“). Nach der Rechtsprechung ist die Anordnung der Beibringung eines Gutachtens kein selbständig anfechtbarer Verwaltungsakt (BVerwG, B.v. 17.5.1994 – 11 B 36/96 – juris). Die ausdrücklich auf Verwaltungsakte zugeschnittenen Regeln des Art. 40 BayVwVfG über die Ermessensausübung sind deshalb bestenfalls entsprechend heranzuziehen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 19. Auflage 2013, § 40 Rn. 3). Ein Ermessensfehlgebrauch durch die Fahrerlaubnisbehörde bei der Anordnung des Gutachtens ist jedenfalls nicht festzustellen. Weitere durchgreifende Ermessensfehler wurden nicht substantiiert gerügt und sind auch sonst nicht ersichtlich.

Entgegen dem Vorbringen des Antragstellers ist eine teilweise Entziehung seiner Fahrerlaubnis, insbesondere eine Entziehung bezogen auf einzelne Fahrerlaubnisklassen, in Abhängigkeit von der konkreten Kraftfahreignung rechtlich zulässig. § 46 Abs. 2 Satz 1 FeV ermöglicht bei sachgerechter Auslegung, dass anstelle einer vollständigen Entziehung der Fahrerlaubnis bei einem bedingt geeigneten Inhaber einer Fahrerlaubnis eine teilweise Entziehung wie hier auch bezogen auf einzelne Fahrerlaubnisklassen möglich ist, da in diesem Fall eine vollständige Entziehung gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verstoßen würde (VG Würzburg, U.v. 5.11.2014 – W 6 K 14.560 – juris unter Berufung auf einen Aufsatz von Krismann, NZV 2011, 417). Schon der Wortlaut des § 46 Abs. 2 Satz 1 FeV besagt, dass eine Einschränkung der Fahrerlaubnis „so weit wie notwendig“ möglich ist. Auch § 2 Abs. 4 Satz 2 StVG bestimmt, dass einem Bewerber, der nur bedingt zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist, eine Fahrerlaubnis mit Beschränkungen oder unter Auflagen zu erteilen ist, wenn dadurch das sichere Führen von Kraftfahrzeugen gewährleistet ist. § 2 Abs. 2 Satz 1 StVG regelt, dass die Fahrerlaubnis für die jeweilige Klasse zu erteilen ist. Umgekehrt kann die Fahrerlaubnis auch für die jeweilige Klasse entzogen werden. Darüber hinaus belegt § 6 Abs. 1 Satz 3 FeV, dass die Erlaubnis sogar auf einzelne Fahrzeugarten einer Klasse beschränkt werden kann, so wie es beim Antragsteller konkret hinsichtlich der Fahrerlaubnis der Klasse B erfolgt ist. Im Übrigen zeigt die Fahrerlaubnisverordnung gerade mit der Anlage 4, dass bei der Eignung zwischen Fahrzeugen der Gruppe 1 und der Gruppe 2 unterschieden wird, so dass etwa eine bedingte Eignung für die Fahrerlaubnis der Gruppe 1 gegeben sein kann, während sie für die den strengen Anforderungen unterliegenden Erlaubnisse der Gruppe 2 fehlen kann (VG Würzburg, U.v. 5.11.2014 – W 6 K 14.560 – juris, vgl. auch BayVGH, B.v. 18.6.2007 – 11 CS 06.1959 – juris; VG Braunschweig, U.v. 11.7.2001 – 6 A 551/00 – juris).

Eine Fahrprobe bezüglich aller dem Antragsteller erteilten Fahrerlaubnisklassen war verhältnismäßig. Die vorstehend genannten Vorschriften bedingen gerade, dass unterschiedliche Anforderungen an die verschiedenen Fahrerlaubnisklassen gestellt werden, weshalb eine Fahrprobe in diesen Fahrzeugklassen durchzuführen ist. Unerheblich ist hierbei, dass der Unfall, der zur Anordnung des ärztlichen Gutachtens führte, mit einem Pkw verursacht wurde. Die durch den Gutachter festgestellten hirnorganischen Störungen beziehen sich gerade nicht nur auf das Führen eines Pkws, sondern haben auch für die Fahrerlaubnisklassen AM, A1, A2, A, L und T Relevanz. Anderenfalls hätte der Gutachter diesbezüglich eine Einschränkung formuliert. Angemerkt wird, dass im Ergänzungsgutachten vom 10. Oktober 2019 von Dr. med. L. ausgeführt wurde, dass der Antragsteller trotzt des Vorliegens einer Erkrankung (leichtes hirnorganisches Psychosyndrom, Hörminderung) in der Lage ist, den Anforderungen zum Führen eines Kraftfahrzeugs der Gruppe 1 gerecht zu werden. Bezüglich der Gruppe 2 wurden keine Angaben gemacht, sodass die Fahreignung für die Fahrerlaubnisklassen C1 und C1E bereits nach dem Gutachten zweifelhaft sein dürfte, jedenfalls aber eine Fahrprobe rechtfertigt.

4. Die TÜV Süd GmbH stellte dem Antragsteller eine Bestätigung über die Fahrprobe aus (Schreiben vom 8. August 2019) mit dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen zum sicheren Führen von Kfz der Fahrerlaubnisklasse B uneingeschränkt gegeben seien. Hinsichtlich der Fahrzeugart enthält das Schreiben den Eintrag „Pkw“. Dies bedeutet, dass für die Fahrerlaubnisklassen AM, A1, A2, A, BE, C1, C1E, L und T keine Fahrprobe durchgeführt wurde. Nachdem der Antragsteller auch trotz mehrmaligen Hinweises den Nachweis einer positiven Fahrprobe bezüglich der Fahrerlaubnisklassen AM, A1, A2, A, BE, C1, C1E, L und T nicht vorgelegt hat, konnte die Fahrerlaubnisbehörde gem. § 11 Abs. 8 FeV auf die Nichteignung des Antragstellers schließen.

Etwas anderes ergibt sich nicht daraus, dass die Fahrerlaubnis der Klasse B auch grundsätzlich zum Führen der Klassen AM und L berechtigt (§ 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 FeV). Die TÜV Süd GmbH bestätigte nicht, dass der Antragsteller auch die Voraussetzung zum sicheren Führen der Fahrzeuge der Klassen AM und L erfüllte, da die Bescheinigung ausdrücklich auf „Kfz“ bezogen war.

5. War dem Antragsteller die Fahrerlaubnis zu entziehen, so ergibt sich seine Pflicht zur Ablieferung des Führerscheins aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 FeV. Die Abgabefrist kann, der Bedeutung des Rechtsgutes „Sicherheit des Straßenverkehrs“ Rechnung tragend, kurz bemessen sein. Sie ist eher nach Tagen denn nach Wochen sinnvoll zu bemessen (Siegmund in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 1. Aufl., Stand: 16.1.2019, § 47 FeV Rn. 23). Diese Auslegung entspricht auch dem Gesetzeswortlaut des § 47 Abs. 1 FeV, wonach eine unverzügliche Ablieferung des Führerscheins zu erfolgen hat. Trotz der Osterfeiertage und des beschränkten Zugangs zum Landratsamt aufgrund der Corona-Pandemie hätte telefonisch eine Terminabstimmung mit dem Landratsamt noch rechtzeitig erfolgen können. Nicht zu beanstanden ist auch die Zwangsgeldandrohung in Nr. 4 dieses Bescheids, da insoweit die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen gegeben sind. Die Dauer der Ablieferungsfrist ist angemessen.

Das Gericht merkt an, dass eine Verpflichtung, sich einen neuen Führerschein über die verbleibende Klasse B ausstellen zu lassen (Nr. 3), der FeV nicht zu entnehmen ist. Da der Sofortvollzug bzw. die Zwangsgeldandrohung darauf aber nicht bezogen ist, ist dies für den vorliegenden Antrag nicht entscheidungsrelevant. Sollte der Antragsteller auch auf die Fahrerlaubnisklasse B verzichten wollen, bleibt es ihm unbenommen, nach Ablieferung des Führerscheins, keinen neuen Führerschein mehr zu beantragen. Die Korrektur des Bescheids ist noch im laufenden Widerspruchsverfahren möglich.

6. Schließlich hat die Fahrerlaubnisbehörde bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung den formalen Begründungserfordernissen des § 80 Abs. 3 VwGO in ausreichendem Umfang Rechnung getragen. Es wurde zu Recht festgestellt, dass das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsbehelfs gegenüber den Belangen der Verkehrssicherheit zurückzustehen hat. Nach der ständigen Rechtsprechung der Kammer und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs reicht es bei einer Fahrerlaubnisentziehung aus, die für den Fall typische Interessenlage aufzuzeigen; die Darlegung besonderer zusätzlicher Gründe für die Erforderlichkeit der sofortigen Vollziehung ist nicht geboten (vgl. BayVGH, B.v. 10.10.2011 – 11 CS 11.1963, B.v. 11.5.2011 – 11 CS 10.68, B.v. 24.8.2010 – 11 CS 10.1139, B.v. 19.7.2010 – 11 CS 10.540, B.v. 25.5.2010 – 11 CS 10.227 und B.v. 25.3.2010 – 11 CS 09.2580; VGH BW, B.v. 24.1.2012 – 10 S 3175/11). Diesen Anforderungen werden die Ausführungen des streitgegenständlichen Bescheids gerecht.

Auch die eigene Interessenabwägung des Gerichts fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Angesichts der Gefahren für Leben, körperliche Unversehrtheit und Eigentum anderer Verkehrsteilnehmer durch fahrungeeignete Personen können persönliche Gründe des Antragstellers nicht dazu führen, ihm auch nur vorübergehend bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens die Fahrerlaubnis der streitgegenständlichen Fahrerlaubnisklassen zu belassen.

7. Der Antrag wird daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abgelehnt.

8. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 53 Abs. 2 und § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) i.V.m. Ziffern 1.5, 46.1 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57).

 

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