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Absehen von Verhängung eines Fahrverbots nach qualifiziertem Rotlichtverstoß

OLG Düsseldorf – Az.: IV-1 RBs 270/18 – Beschluss vom 30.08.2019

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 5. September 2018 im

a) im Schuldspruch dahin berichtigt, dass der Zusatz „die Rotphase dauerte bereits länger als eine Sekunde an“ entfällt und

b) im Rechtsfolgenausspruch dahin abgeändert, dass das verhängte Fahrverbot entfällt.

2. Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird als unbegründet verworfen.

3. Der Betroffene trägt die Kosten seines Rechtsmittels, jedoch wird die Gebühr für das Rechtsbeschwerdeverfahren um ein Drittel ermäßigt. Die notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen zu zwei Dritteln ihm selbst und zu einem Drittel der Staatskasse zur Last.

Gründe

I.

Mit dem angefochtenen Urteil hat das Amtsgericht gegen den Betroffenen wegen „fahrlässiger Nichtbefolgung eines Wechsellichtzeichens (die Rotphase dauerte bereits länger als eine Sekunde an)“ eine Geldbuße von 200,00 EUR und ein Fahrverbot von einem Monat – bei Gewährung von Vollstreckungsaufschub nach § 25 Abs. 2a StVG – verhängt. Dem lag nach den Feststellungen des Amtsgerichts folgendes Geschehen zu Grunde (Schreibversehen vom Senat korrigiert):

„Am 05.12.2017 gegen 10:45 Uhr stand der Betroffene mit seinem Fahrzeug der Marke BMW mit dem amtlichen Kennzeichen D-G an der Rotlicht anzeigenden Lichtzeichenanlage auf der Gladbacher Straße/Einmündung Völklinger Straße in Düsseldorf vor der dort befindlichen Haltelinie. Vor der Haltelinie befindet sich ein beampelter Fußgängerüberweg. Die hierfür geltende Fußgängerampel zeigt Grünlicht an, wenn die Lichtzeichenanlage, an deren Haltelinie der Betroffene stand, Rotlicht anzeigt. Außer dem Fußgängerüberweg schützt die Lichtzeichenanlage, an deren Haltelinie der Betroffene stand, keinen anderweitigen Querverkehr. Als der Betroffene vor der Rotlicht anzeigenden Lichtzeichenanlage auf der Gladbacher Straße/Einmündung Völklinger Straße bereits mehr als eine Sekunde stand, fuhr er plötzlich bei noch immer für ihn Rotlicht anzeigender Lichtzeichenanlage los und überfuhr sowohl Haltelinie als auch Fußgängerüberweg, um die Fahrt geradeaus auf der Gladbacher Straße fortzusetzen. Zu diesem Zeitpunkt hielten sich keine Fußgänger auf dem Fußgängerüberweg auf.“

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten Rechtsbeschwerde.

II.

Absehen von Verhängung eines Fahrverbots nach qualifiziertem Rotlichtverstoß
Von ako photography

Das Rechtsmittel führt zu einem Teilerfolg.

1. Im Schuldspruch deckt die Überprüfung des angefochtenen Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf. Insoweit bedurfte es lediglich der ausgesprochenen Berichtigung, weil die Angabe der Rotlichtdauer lediglich für den Schuldumfang und die Rechtsfolgenbemessung von Bedeutung, jedoch nicht Bestandteil des Schuldspruchs und deshalb im Tenor nicht zu erwähnen ist.

2. Der Rechtsfolgenausspruch unterliegt der Aufhebung, soweit gegen den Betroffenen ein Fahrverbot verhängt worden ist. Nach den vom Amtsgericht getroffenen Feststellungen liegen die Voraussetzungen des § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG nicht vor.

a) Zwar ist das Amtsgericht mit rechtsfehlerfreien Erwägungen zu der Annahme gelangt, dass der Betroffene einen sogenannten „qualifizierten“ Rotlichtverstoß bei schon länger als eine Sekunde andauernder Rotphase im Sinne des Tatbestandes von Nr. 132.3 BKatV begangen hat, der nach § 4 Abs. 1 Nr. 3 BKatV in der Regel das Vorliegen einer groben Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers indiziert und deshalb Anlass zur Anordnung eines Fahrverbotes gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG bietet. Auch hat das Amtsgericht im Grundsatz zutreffend erkannt, dass hier unter Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalles zu prüfen war, ob ausnahmsweise Anlass bestand, von der Verhängung der genannten Regelsanktion abzusehen. Die Erwägungen, mit denen das Amtsgericht das Vorliegen eines Ausnahmefalles verneint hat, halten jedoch rechtlicher Überprüfung nicht stand, weil die sich aus den Feststellungen ergebenden gewichtigen Milderungsgründe nicht im gebotenen Maße Berücksichtigung gefunden haben.

Die Verhängung eines Fahrverbots im Falle des Vorliegens eines qualifizierten Rotlichtverstoßes hat ihre Ursache darin, dass sich bei länger als einer Sekunde andauernder Rotlichtphase bereits Querverkehr in dem durch das Rotlicht gesperrten Bereich befinden kann (vgl. KG Berlin, Beschlüsse vom 7. Oktober 2002 – 3 Ws (B) 364/02 – und 13. Januar 2010 – 3 Ws (B) 714/09 – m. w. N. <juris>) und die Einfahrt in den durch das rote Wechsellichtzeichen geschützten Bereich regelmäßig mit nicht unerheblicher Geschwindigkeit erfolgt. Solche Rotlichtverstöße sind ihrer Natur nach abstrakt oder konkret gefährliche Verhaltensweisen, die häufig zu schweren Unfällen führen oder die subjektiv auf besonders groben Leichtsinn, grobe Nachlässigkeitoder Gleichgültigkeit zurückgehen und im allgemeinen einen so hohen Grad an Verantwortungslosigkeit beweisen, dass es hier grundsätzlich eines eindringlicheren Denkzettels bedarf (BGHSt 38, 125, 133).

Der hier zur Rede stehende Einzelfall weist jedoch mehrere Besonderheiten auf, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit den Pflichtverstoß des Betroffenen gegenüber den vom Verordnungsgeber ins Auge gefassten typischen Begehungsweisen in einem deutlich milderen Licht erscheinen lassen.

Zum einen ist zu bedenken, dass der Betroffene sich ursprünglich normgerecht verhalten und vor der Rotlicht zeigenden Lichtzeichenanlage angehalten hat. Dass er noch während der Rotphase wieder losgefahren ist, beruhte nicht auf einer groben Missachtung der Rechte anderer Verkehrsteilnehmer, sondern auf bloßer Unaufmerksamkeit. Zum anderen war die durch den Betroffenen für andere Verkehrsteilnehmer geschaffene Gefahrenlage deutlich geringer als im Regelfall, weil hier mehrere abweichende Faktoren zusammentrafen. So schützte das missachtete Rotlicht keinen Kreuzungsbereich (auch) mit querendem Fahrzeugverkehr, sondern ausschließlich einen Fußgängerüberweg. Zudem fuhr der Betroffene nicht aus voller Fahrt, sondern mit nur geringer, ein sofortiges Reagieren ermöglichender Anfahrgeschwindigkeit in den – bei Tageslicht gut überschaubaren – geschützten Bereich ein. Dort befanden sich zum Zeitpunkt des Verstoßes keine Fußgänger, die auch nur abstrakt hätten gefährdet werden können. Die Möglichkeit einer abstrakten Gefährdung plötzlich noch auf der Fahrbahn auftauchender Fußgänger war im konkreten Fall – anders als das Amtsgericht meint –  ebenfalls äußerst gering, wenn nicht gar ausgeschlossen. Potentiell gefährdete Personen waren mit Blick auf die in den Urteilsgründen wiedergegebenen Bekundungen des Zeugen W., er habe „keine Gefährdungen, insbesondere keine Fußgänger wahrgenommen“, zum Zeitpunkt des Verstoßes offenbar nicht einmal in Sichtweite des geschützten Bereiches. Dass noch Fußgänger während der für sie geltenden Grünphase hätten heran eilen und den Fahrweg des Betroffenen queren können, erscheint kaum möglich, weil  – worauf die Revisionsbegründung zutreffend hinweist – aufgrund der Bekundungen der Zeugen W. und D. davon auszugehen ist, dass der Verstoß des Betroffenen sich bei schon weit fortgeschrittener Rotlichtphase der für ihn geltenden Ampel ereignet hat. Denn ausweislich der Urteilsgründe haben die Zeugen bekundet, bereits beim Abbiegen von der Völklingerstraße in die Gladbacher Straße den Betroffenen vor der Rotlicht zeigenden Lichtzeichenanlage wahrgenommen zu haben, sehr langsam auf dessen Fahrzeug zugerollt zu sein und hinter ihm angehalten zu haben, bevor der Betroffene kurze Zeit danach angefahren sei. Dies lässt darauf schließen, dass zwischen dem Umspringen der für den Betroffenen maßgeblichen Ampel auf Rotlicht und Einfahren des Betroffenen in den geschützten Bereich schon geraume Zeit vergangen war.

Bei Gesamtbetrachtung aller vorstehend beschriebenen Umstände weicht das Tatbild vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in objektiver oder subjektiver Hinsicht so erheblich ab, dass ein grober Verstoß i.S.v. § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG entgegen der Auffassung des Amtsgerichts auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht bejaht werden kann. Das Fahrverbot kann deshalb keinen Bestand haben.

b) Dies erfordert hier jedoch keine Zurückverweisung der Sache. Da nicht zu erwarten ist, dass eine erneute Hauptverhandlung weitere für den Rechtsfolgenausspruch bedeutsame Feststellungen erbringen wird, macht der Senat von der ihm durch § 79 Abs. 6 OWiG eingeräumten Befugnis Gebrauch und hebt den Ausspruch über das Fahrverbot auf.

Zur Herabsetzung der gegen den Betroffenen erkannten Geldbuße von 200 EUR sieht der Senat hingegen keinen Anlass. Die Voraussetzungen für die Verhängung der im Bußgeldkatalog vorgesehenen Regelgeldbuße – Missachtung des Rotlichts bei länger als eine Sekunde dauernder Rotphase – liegen nach den Feststellungen vor und den Besonderheiten des Einzelfalles wird durch die Nichtanordnung einer Nebenfolge ausreichend Rechnung getragen.

III.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 473 Abs. 4 StPO.

Hinweis: Informationen in unserem Internetangebot dienen lediglich Informationszwecken. Sie stellen keine Rechtsberatung dar und können eine individuelle rechtliche Beratung auch nicht ersetzen, welche die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigt. Ebenso kann sich die aktuelle Rechtslage durch aktuelle Urteile und Gesetze zwischenzeitlich geändert haben. Benötigen Sie eine rechtssichere Auskunft oder eine persönliche Rechtsberatung, kontaktieren Sie uns bitte.

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