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Absehen von Fahrverbot – Verlust des Arbeitsplatzes und Vorbelastungen

Raserei mit Folgen: Fahrverbot für Baustellenraser trotz Jobrisiko

Führerscheinentzug und Fahrverbote sind im Straßenverkehrsrecht ein heikles Thema. Zwar sollen diese Sanktionen den Verkehr sicherer machen, können für Betroffene aber schwerwiegende Folgen haben. Nicht selten steht ein drohender Arbeitsplatzverlust im Raum, wenn die Fahrerlaubnis entzogen wird. Gleichzeitig sind Gerichte verpflichtet, Verkehrssünder angemessen zu bestrafen, um die Einhaltung der Verkehrsregeln durchzusetzen. Der Interessenausgleich zwischen Verkehrssicherheit und persönlichen Härten ist daher eine der zentralen Herausforderungen im Verkehrsrecht. Das nachfolgende Urteil zeigt exemplarisch, wie Gerichte mit dieser Gratwanderung umgehen.

[Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 3 OWi 4211 Js 11910/23 >>>]

✔ Das Wichtigste in Kürze

  • Das Gericht stellte eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung von 53 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften fest.
  • Dem Betroffenen wurde eine Geldbuße von 1160 EUR sowie ein einmonatiges Fahrverbot auferlegt.
  • Der drohende Arbeitsplatzverlust allein rechtfertigt kein Absehen vom Fahrverbot.
  • Der Betroffene hätte das Fahrverbot vor Arbeitsantritt ableisten können und müssen.
  • Wer durch Verkehrsverstöße fahrlässig seinen Arbeitsplatz gefährdet, kann sich nicht auf Unverhältnismäßigkeit berufen.
  • Die Vorahndungen des Betroffenen über mögliche Rechtsfolgen sind kein Freibrief für wiederholtes Fehlverhalten.
  • Eine zeitweilige Arbeitslosigkeit führt nicht zwangsläufig zu einer existenzvernichtenden Härte.
  • Das Gericht sah ein verkehrserzieherisches Erfordernis für das Fahrverbot gegeben.

➜ Der Fall im Detail


Geschwindigkeitsüberschreitung mit Folgen: Fahrverbot trotz drohendem Jobverlust

Absehen von Fahrverbot
(Symbolfoto: Ollyy /Shutterstock.com)

Ein Verkehrsdelikt mit potenziell schwerwiegenden Konsequenzen beschäftigt das Amtsgericht Landstuhl. Einem angestellten Bauleiter droht der Verlust seines Arbeitsplatzes aufgrund eines verhängten Fahrverbots. Der Fall wirft die Frage auf, ob persönliche Härten im Einzelfall Vorrang vor der Verkehrssicherheit und der Sanktionierung von Verkehrsverstößen haben.

Raserei auf der Autobahn: 53 km/h zu schnell im Baustellenbereich

Der Betroffene, ein Bauleiter mit Spezialisierung auf Asbestentsorgung, wurde am 3. Juni 2023 auf der A62 im Baustellenbereich mit einer Geschwindigkeit von 133 km/h geblitzt – erlaubt waren lediglich 80 km/h. Das Amtsgericht stellte eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung fest. Erschwerend kam hinzu, dass der Betroffene bereits in der Vergangenheit mehrfach verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten war, unter anderem mit einem Abstandsverstoß und einem Verstoß gegen die Handynutzung am Steuer.

Gericht verhängt Geldbuße und Fahrverbot

Das Gericht verurteilte den Bauleiter zu einer Geldbuße von 1160 Euro. Zusätzlich wurde ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. In der mündlichen Verhandlung argumentierte der Verteidiger, dass dem Betroffenen durch das Fahrverbot der Verlust seines Arbeitsplatzes drohe, da er sich in der Probezeit befinde und auf die Fahrerlaubnis angewiesen sei. Ausweichmöglichkeiten im Betrieb seien nicht vorhanden. Die Argumentation des Arbeitsplatzverlusts überzeugte das Gericht jedoch nicht.

Fahrverbot trotz drohender Kündigung: Abwägung der Interessen

Das Gericht betonte, dass zwar der Verlust des Arbeitsplatzes eine unzumutbare Härte darstellen könne. Jedoch sei der Betroffene verpflichtet gewesen, das Fahrverbot vor Antritt der neuen Arbeitsstelle abzuleisten. Der Bußgeldbescheid wurde bereits im August 2023 erlassen, der Arbeitsvertrag begann jedoch erst im November. Zudem könne sich der Bauleiter nicht auf den Grundsatz der Unverhältnismäßigkeit berufen, da er wissentlich durch sein Fehlverhalten seine berufliche Existenz aufs Spiel gesetzt habe. Als erfahrener Kraftfahrer hätte ihm bewusst sein müssen, dass eine Geschwindigkeitsüberschreitung dieser Größenordnung ein Fahrverbot nach sich ziehen kann.

✔ Häufige Fragen – FAQ

Welche Rolle spielen Vorbelastungen bei der Verhängung von Fahrverboten?

Vorbelastungen spielen bei der Verhängung von Fahrverboten eine wichtige Rolle. Sie können in der Abwägung sowohl schutzverstärkend als auch schutzmindernd wirken. Sind erhebliche, insbesondere einschlägige Vorbelastungen vorhanden, sind dem Betroffenen gravierende berufliche Folgen bis hin zur erzwungenen Aufgabe der selbständigen Tätigkeit zuzumuten.

Eine Existenzgefährdung ist bei einem mehrfachen Wiederholungstäter kein Grund von einem Fahrverbot abzusehen, da dieser andernfalls durch ausschließliche Verhängung einer Geldbuße nicht zu künftig verkehrsgerechtem Verhalten veranlasst würde.

Die Anordnung eines den Regelfall übersteigenden Fahrverbots setzt eine ungünstige Prognose für den Betroffenen voraus. Kommen zu einer höheren Geschwindigkeitsüberschreitung noch mehrere geringere Vorbelastungen hinzu, kann auch ein Fahrverbot verhängt werden, wenn die höhere Geschwindigkeit allein dafür nicht ausreichen würde.

Eine beharrliche Pflichtverletzung, die ein Fahrverbot rechtfertigen kann, liegt vor, wenn der Täter durch wiederholte Begehung von Verkehrsverstößen zeigt, dass ihm die für die Teilnahme am Straßenverkehr erforderliche Rechtstreue und Rücksichtnahme fehlt.

Kann der Verlust des Arbeitsplatzes ein Grund sein, von einem Fahrverbot abzusehen?

Der drohende Verlust des Arbeitsplatzes kann in bestimmten Fällen ein Grund sein, von einem Fahrverbot abzusehen. Dies setzt jedoch voraus, dass dem Betroffenen infolge des Fahrverbots tatsächlich der Verlust seines Arbeitsplatzes droht und dies nicht durch zumutbare Maßnahmen abgewendet werden kann.

Die Gerichte stellen hier sehr hohe Anforderungen. Es genügt nicht, wenn durch das Fahrverbot lediglich berufliche Nachteile oder Unannehmlichkeiten entstehen. Vielmehr muss der Betroffene substantiiert darlegen, dass er seinen Arbeitsplatz tatsächlich verlieren wird, wenn das Fahrverbot verhängt wird.

Ein pauschaler Hinweis auf einen drohenden Arbeitsplatzverlust reicht nicht aus. Das Gericht muss im Einzelfall prüfen, ob der Arbeitgeber überhaupt die rechtliche Möglichkeit zu einer Kündigung hätte. Arbeitsrechtlich wäre eine Kündigung nur zulässig, wenn der Arbeitnehmer durch das Fahrverbot dauerhaft oder zumindest für einen erheblichen Zeitraum wesentliche Teile seiner Tätigkeit nicht mehr ausüben könnte.

Zudem muss der Betroffene alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um den Arbeitsplatzverlust abzuwenden, z.B. durch Urlaub, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder Fahrgemeinschaften. Erst wenn dies nicht möglich oder unzumutbar ist, kann ein Absehen vom Fahrverbot wegen drohenden Arbeitsplatzverlustes gerechtfertigt sein.

Bei einem mehrfachen Wiederholungstäter ist eine Existenzgefährdung jedoch kein Grund von einem Fahrverbot abzusehen. Hier überwiegt das öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit, da der Täter durch wiederholte Verstöße gezeigt hat, dass er nicht zu verkehrsgerechtem Verhalten bereit ist.

Insgesamt haben die Gerichte bei der Frage, ob wegen eines drohenden Arbeitsplatzverlustes ausnahmsweise von einem Fahrverbot abgesehen werden kann, einen gewissen Ermessensspielraum. Sie müssen alle Umstände des Einzelfalls sorgfältig abwägen und ihre Entscheidung ausführlich begründen.

Wie wird „unzumutbare Härte“ im Zusammenhang mit Fahrverboten definiert?

Eine „unzumutbare Härte“ im Zusammenhang mit Fahrverboten liegt vor, wenn die Folgen des Fahrverbots für den Betroffenen eine unbillige, unverhältnismäßige Belastung darstellen würden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn dem Betroffenen infolge des Fahrverbots der Verlust seines Arbeitsplatzes oder seiner wirtschaftlichen Existenz droht.

Allerdings reichen allein berufliche oder wirtschaftliche Schwierigkeiten durch das Fahrverbot in der Regel nicht aus, um eine unzumutbare Härte zu begründen. Der Betroffene muss substantiiert darlegen und nachweisen, dass er seinen Arbeitsplatz tatsächlich verlieren wird, wenn das Fahrverbot verhängt wird. Ein pauschaler Hinweis auf einen drohenden Arbeitsplatzverlust genügt nicht.

Zudem muss der Betroffene alle zumutbaren Maßnahmen ergreifen, um den Arbeitsplatzverlust abzuwenden, z.B. durch Urlaub, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder Fahrgemeinschaften. Erst wenn dies nicht möglich oder unzumutbar ist, kann ein Absehen vom Fahrverbot wegen unzumutbarer Härte gerechtfertigt sein.

Die Gerichte stellen sehr hohe Anforderungen an die Annahme einer unzumutbaren Härte. Eine solche liegt in der Regel nur vor, wenn der Betroffene auf seinen Führerschein zwingend angewiesen ist, um seinen Beruf überhaupt ausüben zu können, wie z.B. bei Berufskraftfahrern, Außendienstmitarbeitern oder bestimmten Selbstständigen.

Bei einem mehrfachen Wiederholungstäter ist eine Existenzgefährdung jedoch kein Grund von einem Fahrverbot abzusehen. Hier überwiegt das öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit.

Ob im Einzelfall tatsächlich eine unzumutbare Härte vorliegt, die ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigt, liegt im Ermessen des Gerichts und erfordert stets eine sorgfältige Abwägung aller Umstände des Einzelfalls.

Welche alternativen Strafen können anstelle eines Fahrverbots verhängt werden?

Anstelle eines Fahrverbots können die Gerichte in bestimmten Fällen alternative Sanktionen verhängen, um eine angemessene und verhältnismäßige Ahndung des Verkehrsverstoßes zu erreichen:

Die häufigste Alternative ist die Verhängung eines erhöhten Bußgeldes. Hält das Gericht ein Fahrverbot für unangemessen, kann es stattdessen ein höheres Bußgeld festsetzen. Dabei kann es sich je nach Einzelfall um das Doppelte bis Fünffache des regulären Bußgeldes handeln. Die genaue Höhe liegt im Ermessen des Gerichts.

Eine weitere Möglichkeit ist die Teilnahme an einem Fahreignungsseminar. Durch den Besuch eines solchen Seminars kann der Betroffene seine Bereitschaft zu verkehrsgerechtem Verhalten zeigen. Das Gericht kann dann das Fahrverbot erlassen oder verkürzen.

In seltenen Fällen, insbesondere bei Fahranfängern in der Probezeit, kann anstelle eines Fahrverbots auch die Verlängerung der Probezeit angeordnet werden. Damit soll der Betroffene zu besonderer Vorsicht im Straßenverkehr angehalten werden.

Bei Verkehrsverstößen, die an der Grenze zur Straftat liegen, kommt theoretisch auch die Verhängung einer Freiheitsstrafe auf Bewährung in Betracht. Dies ist aber nur in absoluten Ausnahmefällen denkbar und in der Praxis sehr selten.

Wichtig ist, dass die alternativen Sanktionen stets im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts liegen. Es gibt keinen Anspruch des Betroffenen auf eine bestimmte Ersatzmaßnahme. Das Gericht muss alle Umstände des Einzelfalls abwägen und eine gerechte, der Schwere des Verstoßes angemessene Entscheidung treffen.

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils

  • §§ 24, 25 StVG (Straßenverkehrsgesetz): Betreffen die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten und die Anordnung eines Fahrverbots. § 24 StVG besagt, dass die Übertretung von Verkehrsvorschriften als Ordnungswidrigkeit geahndet wird. § 25 StVG regelt die Möglichkeit, ein Fahrverbot als Sanktion zu verhängen.
  • § 25 Abs. 2a StVG: Spezifiziert, dass ein Fahrverbot zur Erziehung mit dem Ziel der künftigen Verkehrssicherheit verhängt wird. Das Fahrverbot soll den Fahrer dazu anhalten, sich zukünftig regelkonform zu verhalten.
  • § 49 StVO (Straßenverkehrs-Ordnung) und § 41 StVO: § 49 StVO bestimmt die Bußgeldvorschriften für Verstöße gegen die StVO, wie Überschreiten der zulässigen Geschwindigkeit. § 41 StVO behandelt die Aufstellung und Bedeutung von Verkehrszeichen, deren Nichtbeachtung sanktioniert wird.
  • BKatV (Bußgeldkatalog-Verordnung) – speziell Ziffer 11.3.8: Definiert die Regelsätze für bestimmte Verkehrszuwiderhandlungen, in diesem Fall für Geschwindigkeitsübertretungen. Der Bußgeldkatalog gibt Orientierungswerte vor, die als Basis für die Bemessung der Geldbußen dienen.
  • § 17 OWiG (Gesetz über Ordnungswidrigkeiten): Regelung zur Bemessung der Geldbuße. § 17 Abs. 3 OWiG ermöglicht die Erhöhung einer Regelgeldbuße bei Vorliegen besonderer Umstände, die das Unrecht der Tat erhöhen.
  • BGH-Rechtsprechung zu standardisierten Messverfahren: Die Feststellung, dass Messungen im Verkehr mit standardisierten und anerkannten Geräten durch die Rechtsprechung unterstützt werden, gibt dem Gericht Sicherheit, dass die vorgelegten Beweismittel valide und verlässlich sind. Dies ist essentiell für die Urteilsfindung bei Geschwindigkeitsübertretungen.


Das vorliegende Urteil

AG Landstuhl – Az.: 3 OWi 4211 Js 11910/23 – Urteil vom 09.02.2024

Leitsatz

1. Zwar kann der Verlust des Arbeitsplatzes eine unzumutbare Härte darstellen. Jedoch ist der Betroffene verpflichtet, die Voraussetzungen zu schaffen, das Fahrverbot sozialkonform abzuleisten, sobald er sichere Kenntnis von der Rechtsfolge erhält. Wäre er in der Lage gewesen, nach Erhalt des Bußgeldbescheids und vor Antritt einer neuen Arbeitsstelle das Fahrverbot abzuleisten, kann er sich nicht wegen der zur Zeit der Hauptverhandlung laufenden Probezeit auf die Unverhältnismäßigkeit des Fahrverbots berufen.

2. Zudem kann der Grundsatz der Unverhältnismäßigkeit nicht für den Betroffenen streiten, der in Kenntnis der Notwendigkeit der Fahrerlaubnis und des Führerscheins für seine Berufstätigkeit durch verkehrswidriges Verhalten seine Berufstätigkeit gefährdet: Ein Kraftfahrzeugführer, der ein Fahrverbot durch mangelnde Verkehrsdisziplin riskiert, kann nicht geltend machen, auf den Führerschein angewiesen zu sein.


1. Der Betroffene wird wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 1160 EUR verurteilt. Dem Betroffenen wird für die Dauer von 1 Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von 4 Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

2. Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.

Angewendete Vorschriften:

§§ 24, 25, 25 Abs. 2a StVG, 41, 49 StVO, 4 BKatV, 11.3.8 BKat, 17 OWiG

Gründe

I.

Der von der Erscheinenspflicht entbundene Betroffene hat sich über den vertretungsberechtigten in der Hauptverhandlung anwesenden Verteidiger zur Person wie folgt eingelassen: angestellter Bauleiter bei der Firma …, …. Der Zeuge … hat ergänzt: Bruttogehalt 5600 EUR monatlich, 30 Tage Urlaubsanspruch, Arbeitsbeginn 2.11.2023, noch in der Probezeit.

Der Betroffene ist verkehrsrechtlich bislang wie folgt in Erscheinung getreten:

• Vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis 21.12.2013

• Verurteilung nach § 316 StGB am 9.1.2014, Geldstrafe, Maßregel §§ 69, 69a StGB

• Abstandsverstoß 22.2.2022, Geldbuße 220 EUR, Rechtskraft 13.5.2022

• Geräteverstoß 1.6.2023, Geldbuße 120 EUR, Rechtskraft 6.7.2023

II.

Nach Durchführung der Hauptverhandlung hat das Gericht folgende Feststellungen treffen können:

Der Betroffene war am 3.6.2023 Führer des PKW mit dem Kennzeichen … und befuhr um 08:49 Uhr die BAB62, Fahrtrichtung Trier. Auf Höhe des km 206,0, Gemarkung Niedermohr, fuhr der Betroffene statt der durch Verkehrszeichen angeordneten zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h mit einer Geschwindigkeit von 133 km/h. Gemessen wurde mit dem Messsystem PoliScan Speed FM1. Die gemessene Geschwindigkeit betrug zunächst 138 km/h, wobei anschließend als Toleranz 5 km/h abgezogen worden sind. Das Messgerät wurde in einem so genannten Enforcement Trailer und damit gemäß der zugrundeliegenden Baumusterprüfbescheinigung genutzt. Das Messgerät war zum Zeitpunkt der Messung geeicht, ausweislich des Eichscheins auch konformitätsbewertet, und wurde gemäß der Gebrauchsanweisung von geschultem Messpersonal bedient. Die aufgestellten Verkehrszeichen (Trichter 100-80 km/h laut Messprotokoll) waren beidseitig aufgestellt und erkennbar.

III.

Der Betroffene hat sich zur Sache über seinen Verteidiger wie folgt eingelassen:

Er könnte die einmalige Beschilderung nicht wahrgenommen haben (vgl. Bl. 76 d.A.).

Bei einem Fahrverbot drohe ihm die Kündigung.

Die Messung wurde nicht angegriffen.

IV.

Die getroffenen Feststellungen beruhen, soweit sich der Betroffene nicht geständig eingelassen hat, auf der Durchführung der Beweisaufnahme. Das Gericht hat das zur Messung gehörende Messbild in Augenschein genommen und hinsichtlich der Datenleiste verlesen. Auf das Messbild, Bl. 9 d.A., sowie den auf derselben Aktenseite befindlichen vergrößerten Ausschnitt aus dem Messbild, der zur Identifikation des Betroffenen als Fahrer des Fahrzeugs dient, wird jeweils im Sinne des § 267 Abs. 1 S. 3 StPO verwiesen und Bezug genommen. Das Gericht hat den Eichschein, Bl. 12-13 d.A., sowie das Messprotokoll, Bl. 11 d.A., gemäß § 256 StPO verlesen. Das Gericht hat den Schulungsnachweis des eingesetzten Messbeamten, Bl. 14 d.A., verlesen.

Eine weitere Beweiserhebung war nicht erforderlich. Es handelt sich bei dem eingesetzten Messgerät um ein so genanntes standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des BGH (BGHSt 39, 291 BGHSt 43, 277), das durch die obergerichtliche Rechtsprechung in ständiger Rechtsprechung als solches Verfahren bestätigt wird (vgl. OLG Zweibrücken Beschl. v. 23.7.2019 – 1 OWi 2 Ss Rs 68/19, BeckRS 2019, 20220).

V.

Der Betroffene hat sich deshalb wegen der vorsätzlichen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu verantworten, §§ 24 StVG, 41, 49 StVO. Gegen den Betroffenen spricht die Vermutung der hohen Überschreitung der Geschwindigkeit, hier in Form einer Überschreitung von 53 km/h bzw. mehr als 50%, die einen Rückschluss auf das Wollenselement des wenigstens bedingten Vorsatzes erlaubt, sowie die sichtbar aufgestellten Verkehrszeichen, die von einem Verkehrsteilnehmer gesehen werden müssen und so einen Rückschluss auf das Wissenselement des wenigstens bedingten Vorsatzes ermöglichen (Vgl. BeckOK/Krenberger, § 3 StVO, Rn. 221 m.w.N.). Eine dies widerlegende konkrete Einlassung erfolgte nicht. Dass der Betroffene die Verkehrszeichen übersehen haben könnte, muss das Gericht als reine Hypothese nicht weiter berücksichtigen. Eine Einlassung zur Fahrt selbst erfolgte nicht.

VI.

Durch den genannten Verstoß hat der Betroffene zunächst eine Geldbuße zu tragen. Diese ergibt sich zunächst als Regelsatz in Höhe von 480 EUR gemäß Ziffer 11.3.8 des Anhangs zur BKatV, die für das Gericht in Regelfällen einen Orientierungsrahmen bildet (BeckOK StVR/Krenberger, § 1 BKatV, Rn. 1). Von diesem kann das Gericht bei Vorliegen von Besonderheiten nach oben oder unten abweichen. Vorliegend bestehen keine Umstände, die ein Abweichen vom Regelsatz nach unten bedingen würden. Angesichts der vorsätzlichen Begehensweise ist die Regelgeldbuße auf 960 EUR zu verdoppeln, § 3 Abs. 4a BKatV.

Zudem sind hier Umstände gegeben, die eine Erhöhung der Geldbuße nach sich ziehen, § 17 Abs. 3 OWiG. Der Betroffene ist, wie unter I. festgestellt, bereits verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten. Der zeitliche und auch inhaltliche Zusammenhang der geahndeten Verstöße mit der jetzigen Handlung gebietet eine moderate Erhöhung der Regelgeldbuße um 100 EUR (Abstand) sowie 100 EUR (Geräteverstoß) auf 1160 EUR.

Die Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen haben ergeben, dass der Betroffene die ausgeurteilte Geldbuße wirtschaftlich verkraftet.

Des Weiteren ist vorliegend auch ein Regelfahrverbot anzuordnen, § 4 Abs. 1 BKatV. Durch die oben festgestellte Handlung hat der Betroffene eine objektiv so gefährliche und subjektiv so vorwerfbare Verhaltensweise im Straßenverkehr an den Tag gelegt, dass im Sinne des § 25 StVG ein Fahrverbot anzuordnen ist. Es bestand vorliegend kein Grund, wegen abweichender Umstände vom Regelfall das Fahrverbot zu erhöhen. Vorliegend bestand kein Grund, vom Wegfall des Fahrverbots ausgehen zu müssen. Soweit der Betroffene vorgetragen hat, seinen Arbeitsplatz zu verlieren und für die Berufstätigkeit auf die Fahrerlaubnis angewiesen zu sein, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Insbesondere trifft die Anordnung des Fahrverbots den Betroffenen nicht mit einer unzumutbaren Härte. Gewöhnliche Belastungen, die ein Verzicht auf den PKW für die Dauer des Fahrverbots mit sich bringt, sind hinzunehmen. Die Konsequenz der Anordnung des Fahrverbots ist selbstverschuldet (OLG Celle Beschl. v. 26.1.2015 – 321 SsBs 176, 177/14, BeckRS 2015, 16403). Die Gleichbehandlung mit anderen Verkehrsteilnehmern, die ein Regelfahrverbot verwirkt haben, muss gewährleistet sein (BVerfG NZV 1996, 284), sodass nur unzumutbare Härten aus rechtlicher Sicht relevant sein können, nicht das persönliche Befinden des Betroffenen (BeckOK StVR/Krenberger, § 25 StVG, Rn. 90). Solche sind hier nicht gegeben. Zwar kann der Verlust des Arbeitsplatzes eine unzumutbare Härte darstellen. Ausweichmöglichkeiten im Betrieb sind, so der Zeuge …, nicht gegeben und auch eine unbezahlte Urlaubnahme kann angesichts der Spezialisierung des Betroffenen vom Unternehmen nicht aufgefangen werden. Der Betroffene befindet sich noch in der Probezeit und kann deshalb unter erleichterten Bedingungen gekündigt werden. Jedoch ist hier zu beachten: Zum einen stammt der Bußgeldbescheid vom 16.8.2023, sodass der Betroffene das Fahrverbot noch vor Antritt der Arbeitsstelle bei der Firma … sozialkonform hätte ableisten können, wozu er auch verpflichtet gewesen wäre (OLG Hamm NZV 2005, 495; AG Landstuhl DAR 2015, 415). Er hätte, wenn es ihm nur um die Geldbußenhöhe und den Schuldvorwurf gegangen wäre, den Einspruch auf die Höhe der Geldbuße bei gleichzeitiger Akzeptanz des Fahrverbots beschränken können (AG Dortmund NZV 2022, 540), um den neuen Arbeitsplatz nicht zu gefährden. Und schließlich kann der Grundsatz der Unverhältnismäßigkeit nicht für den Betroffenen streiten, der in Kenntnis der Notwendigkeit der Fahrerlaubnis und des Führerscheins für seine Berufstätigkeit durch verkehrswidriges Verhalten seine Berufstätigkeit gefährdet: Ein Kraftfahrzeugführer, der ein Fahrverbot durch mangelnde Verkehrsdisziplin riskiert, kann nicht geltend machen, auf den Führerschein angewiesen zu sein (KG SVR 2015, 427). Könnte sich ein Betroffener bei vorhandenen Vorahndungen immer wieder aufs Neue auf eine drohende Existenzgefährdung berufen, wären die für ihn unzumutbaren Folgen eines Fahrverbots ein Freibrief für wiederholtes Fehlverhalten (OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2010, 26343; OLG Karlsruhe NZV 2004, 316). Hinzu kommt hier der Vorsatz des Vorwurfs bei erheblicher Geschwindigkeitsüberschreitung im Baustellenbereich (AG Zeitz BeckRS 2015, 18698). Schließlich müsste der Arbeitsplatzverlust auch zu einer existenzvernichtenden Härte führen (OLG Karlsruhe NZV 2006, 326). Dies ist nicht erkennbar. Denn der Betroffene ist als Bauleiter mit Asbestberechtigung hoch spezialisiert und dementsprechend begehrt auf dem Arbeitsmarkt, so der Zeuge …. Wenn er also eine vorübergehende Zeit, in der er auch Anspruch auf staatliche Leistungen hat, nicht im Abhängigkeitsverhältnis beschäftigt ist, vernichtet dies nicht seine bürgerliche Existenz.

Das Gericht hat abschließend die Möglichkeit des § 4 Abs. 4 BKatV geprüft, aber vorliegend dessen Anwendung nicht für geboten erachtet. Es besteht hier vielmehr das Erfordernis, verkehrserzieherisch auf den Betroffenen einzuwirken. Hier liegt ein erheblicher Verkehrsverstoß vor, der Betroffene ist bereits verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten, eine Einsicht in das Verkehrsfehlverhalten wurde weder in Wort noch Tat bekundet. Auch die Gesamtschau möglicher Beeinträchtigungen des Betroffenen führt nicht zur Anwendung des § 4 Abs. 4 BKatV.

Die Viermonatsfrist nach § 25 Abs. 2a StVG war zu gewähren.

VII.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46, 71 OWiG, 465 StPO.

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