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Absehen von Fahrverbot nach Trunkenheitsfahrt

Das Bayerische Oberste Landesgericht hat das Urteil des Amtsgerichts Coburg aufgehoben und entschieden, dass ein Fahrverbot für einen Soldaten auf Zeit nach einer Trunkenheitsfahrt mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,47 mg/l angemessen ist. Das Gericht stellte fest, dass das Amtsgericht die Schwere des Verstoßes und die damit verbundene Gefahr für die Verkehrssicherheit nicht ausreichend gewürdigt hat. Die Angelegenheit wird nun zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Coburg zurückverwiesen.

➔ Weiter zum vorliegenden Urteil Az.: 202 ObOWi 780/23

✔ Kurz und knapp


  • Fall betrifft keine außergewöhnliche Umstände, die ein Absehen vom Fahrverbot nach Trunkenheitsfahrt rechtfertigen würden.
  • 0,47 mg/l Atemalkoholkonzentration nah an absoluter Fahruntüchtigkeit, bedeutsame Überschreitung des Grenzwerts.
  • Kurzstrecke von 200 m und Reue nach Tat reichen nicht aus, um gesetzliches Fahrverbot zu umgehen.
  • Gericht muss im neuen Verfahren prüfen, ob vorläufige Vollstreckungserleichterung ausreichend ist.
  • Angekündigter Verlust der beruflichen Existenz bedarf näherer Prüfung.
  • Hohe Hürden für Ausnahmen vom Fahrverbot nach Trunkenheitsfahrt.
  • Gerichte haben bei Trunkenheitsfahrten geringen Ermessensspielraum für Fahrverbotsaussetzung.
  • Schuldeinsicht und Reue sind positive Umstände, entkräften aber gesetzlichen Regelmechanismus nicht.

Trunkenheitsfahrt: Kein Absehen vom Fahrverbot wg. Atemalkoholkonzentration 0,47 mg/l

Verkehrsteilnehmer, die unter Alkoholeinfluss ein Kraftfahrzeug führen, stellen eine erhebliche Gefahr für sich selbst und andere Verkehrsteilnehmer dar. Um solche Vorfälle zu verhindern und die Verkehrssicherheit zu erhöhen, sehen die Gesetze in der Regel die Anordnung eines Fahrverbots vor, wenn nachweislich eine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit vorlag. In Ausnahmefällen kann das Gericht jedoch von der Verhängung eines Fahrverbots absehen, wenn besondere Umstände vorliegen, die ein solches Vorgehen rechtfertigen. Die Hürden für eine solche Ausnahmeregelung sind jedoch hoch, da der Gesetzgeber der Verkehrssicherheit oberste Priorität einräumt. Im Folgenden soll ein aktuelles Gerichtsurteil, das sich mit der Frage des Absehens von einem Fahrverbot nach einer Trunkenheitsfahrt befasst, näher betrachtet werden.

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✔ Der Fall vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht


Absehen von Fahrverbot nach Trunkenheitsfahrt

Der vorliegende Fall betrifft einen im Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit stehenden Betroffenen, der nach einer Trunkenheitsfahrt mit einer Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,47 mg/l vom Amtsgericht Coburg zunächst zu einer Geldbuße von 1.200 Euro verurteilt wurde. Das Amtsgericht entschied, von dem an sich vorgesehenen Fahrverbot abzusehen und stattdessen das Bußgeld zu erhöhen. Der Vorfall ereignete sich nach einem Junggesellenabschied, und der Betroffene hatte nach eigenen Aussagen versucht, sich einer emotional belastenden Situation zu entziehen, indem er kurzzeitig das Auto fuhr, bevor er es sich anders überlegte und zurückkehrte.

Rechtliche Bewertung und staatsanwaltliche Rechtsbeschwerde

Die Staatsanwaltschaft legte gegen das Urteil des Amtsgerichts Coburg Rechtsbeschwerde ein, wobei sie sich auf eine vermeintliche Verletzung materiellen Rechts berief. Die Begründung des Amtsgerichts, vom Fahrverbot abzusehen, wurde als rechtlich nicht tragfähig betrachtet. Das Bayerische Oberste Landesgericht gab der Rechtsbeschwerde statt und hob das Urteil im Rechtsfolgenausspruch auf, da es die Entscheidung des Amtsgerichts, von einem Fahrverbot abzusehen, für rechtlich nicht gerechtfertigt hielt.

Juristische Grundlagen und Gerichtsentscheidung

Das Gericht stellte klar, dass ein Fahrverbot bei einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 24 a StVG grundsätzlich vorgesehen ist und nur unter außergewöhnlichen Umständen davon abgesehen werden kann. Das Amtsgericht habe die Schwere des Verstoßes und die damit verbundene Gefahr für die Verkehrssicherheit nicht ausreichend gewürdigt. Das Bayerische Oberste Landesgericht betonte, dass ein Fahrverbot zur Bewusstseinsbildung und Prävention solcher Verstöße beiträgt und im vorliegenden Fall angesichts der Umstände und der ermittelten AAK als angemessen anzusehen sei.

Prozessuale Konsequenzen und weiteres Verfahren

Durch die Aufhebung des Urteils im Rechtsfolgenausspruch wird die Angelegenheit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Coburg zurückverwiesen. Die neuen Erwägungen des Gerichts werden sich insbesondere darauf konzentrieren müssen, ob unter den gegebenen Umständen ein Fahrverbot unangemessen wäre oder nicht. Dies beinhaltet auch eine Neubewertung des Nachtatverhaltens des Betroffenen und seiner persönlichen Umstände, die möglicherweise gegen ein Fahrverbot sprechen könnten.

✔ Die Schlüsselerkenntnisse in diesem Fall


Das Bayerische Oberste Landesgericht stellt klar, dass ein Absehen vom Fahrverbot nach Trunkenheitsfahrt gemäß § 24 a StVG nur in außergewöhnlichen Härtefällen gerechtfertigt ist. Die hohen Anforderungen für ein Absehen vom Fahrverbot unterstreichen die gesetzgeberische Priorität der Verkehrssicherheit, die durch Trunkenheitsfahrten erheblich gefährdet wird. Im konkreten Fall reichten die vom Amtsgericht angeführten Gründe nicht aus, um das Fahrverbot aufzuheben.

✔ FAQ – Häufige Fragen: Trunkenheitsfahrt und Fahrverbot


Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, um von einem Fahrverbot abzusehen?

Die Voraussetzungen, um von einem Fahrverbot abzusehen, sind sehr eng gefasst. Ein Absehen vom Fahrverbot kommt nur in Betracht, wenn ein Härtefall ganz außergewöhnlicher Art vorliegt oder das Tatgeschehen derart aus dem Rahmen einer typischen Ordnungswidrigkeit herausfällt, dass die Anordnung des Fahrverbots offensichtlich unpassend wäre.

Die Gerichte prüfen dabei insbesondere, ob berufliche oder persönliche Gründe eine solche außergewöhnliche Härte begründen können. Beispiele hierfür wären:

  • Die Gefahr des Arbeitsplatzverlustes oder der Existenzgefährdung bei Selbstständigen aufgrund des Fahrverbots. Bloße Unannehmlichkeiten reichen jedoch nicht aus.
  • Eine schwere Behinderung, die den Betroffenen auf die Nutzung des Autos angewiesen sein lässt.
  • Ein einmaliges Augenblicksversagen ohne erhebliches subjektives Verschulden, sodass eine „Denkzettelwirkung“ durch das Fahrverbot nicht erforderlich erscheint.

Allein die kurze Dauer einer Trunkenheitsfahrt oder eine geringe zurückgelegte Strecke reichen in der Regel nicht aus, um von einem Fahrverbot abzusehen. Insbesondere bei Alkoholfahrten in einem Bereich nahe der absoluten Fahruntüchtigkeit wird nur sehr selten von einem Fahrverbot abgesehen.

Die Anforderungen an das Vorliegen eines außergewöhnlichen Härtefalls sind hoch. Die Gerichte machen von der Möglichkeit, vom Fahrverbot abzusehen, nur sehr zurückhaltend Gebrauch. Der Betroffene muss die Gründe dafür überzeugend und detailliert darlegen.


Was sind die typischen Konsequenzen einer Trunkenheitsfahrt?

Die typischen Konsequenzen einer Trunkenheitsfahrt in Deutschland variieren je nach Schweregrad der Alkoholisierung und ob es zu weiteren Verkehrsverstößen oder gar Unfällen gekommen ist. Die rechtlichen Folgen sind im Straßenverkehrsgesetz (StVG) und im Strafgesetzbuch (StGB) geregelt und umfassen sowohl strafrechtliche als auch verwaltungsrechtliche Sanktionen.

Strafrechtliche Konsequenzen

  • Geld- oder Freiheitsstrafe: Gemäß § 316 StGB wird das Führen eines Fahrzeugs unter Alkoholeinfluss, das zur absoluten Fahruntüchtigkeit führt (ab 1,1 Promille), mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr geahndet.
  • Entzug der Fahrerlaubnis: Bei schweren Verstößen kann zusätzlich die Fahrerlaubnis entzogen werden. Dies ist insbesondere der Fall, wenn eine absolute Fahruntüchtigkeit vorliegt oder wenn durch die Trunkenheitsfahrt eine Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer bestand.

Verwaltungsrechtliche Konsequenzen

  • Fahrverbot: Ein temporäres Fahrverbot von einem bis zu drei Monaten kann verhängt werden, selbst wenn der Alkoholgehalt im Blut unter 1,1 Promille liegt, aber über 0,5 Promille. Dies dient als erzieherische Maßnahme zur Sensibilisierung der Fahrer für die Risiken von Alkohol am Steuer.
  • Punkte in Flensburg: Je nach Schwere des Verstoßes werden Punkte im Fahreignungsregister eingetragen. Diese reichen von 1 bis 3 Punkten.
  • Bußgelder: Abhängig von der Höhe des gemessenen Alkoholgehalts und ob es sich um eine Ersttat oder eine Wiederholungstat handelt, können Bußgelder von mehreren hundert bis zu mehreren tausend Euro verhängt werden.

Besondere Regelungen für Fahranfänger und junge Fahrer

Für Fahranfänger in der Probezeit und Fahrer unter 21 Jahren gilt die 0,0-Promillegrenze. Verstöße gegen diese Regelung führen zu zusätzlichen Maßnahmen wie der Teilnahme an einem Aufbauseminar und der Verlängerung der Probezeit.

MPU (Medizinisch-Psychologische Untersuchung)

Bei schweren Verstößen oder wiederholten Trunkenheitsfahrten kann eine MPU angeordnet werden, um die Fahreignung des Betroffenen zu überprüfen.

Insgesamt sind die Konsequenzen einer Trunkenheitsfahrt darauf ausgelegt, die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen und potenzielle Wiederholungstäter abzuschrecken. Die genauen Strafen können je nach individuellem Fall variieren und hängen von verschiedenen Faktoren wie der Höhe des Alkoholgehalts, dem Vorhandensein von Ausfallerscheinungen und der Verkehrssituation ab.


 

§ Relevante Rechtsgrundlagen des Urteils


  • § 24a StVG (Straßenverkehrsgesetz): Regelt die Ordnungswidrigkeit des Führens eines Fahrzeugs unter Alkoholeinfluss. Im vorliegenden Fall ist die Atemalkoholkonzentration (AAK) des Betroffenen relevant, die über dem gesetzlichen Grenzwert liegt. Dies ist zentral für die Beurteilung des Falles, da hierdurch das Fahrverbot grundsätzlich gerechtfertigt wird.
  • § 25 StVG: Erörtert die Anordnung eines Fahrverbots als Maßnahme bei bestimmten Verstößen im Straßenverkehr, insbesondere bei Alkoholdelikten. Dieser Paragraph ist besonders wichtig, da das Gericht im vorliegenden Fall von der Regelabweichung, ein Fahrverbot zu verhängen, Gebrauch gemacht hat.
  • § 4 Abs. 3 BKatV (Bußgeldkatalog-Verordnung): Stellt dar, unter welchen Bedingungen von einem Fahrverbot abgesehen werden kann, insbesondere wenn besondere Härten vorliegen. Das Amtsgericht nutzte diese Vorschrift, um das Bußgeld zu erhöhen statt ein Fahrverbot zu verhängen.
  • § 79 Abs. 1 Satz 1 OWiG (Ordnungswidrigkeitengesetz): Beschreibt die Voraussetzungen und das Verfahren für die Einlegung einer Rechtsbeschwerde, die in diesem Fall von der Staatsanwaltschaft genutzt wurde, um das Urteil des Amtsgerichts anzufechten.
  • § 316 StGB (Strafgesetzbuch): Definiert die Strafbarkeit des Führens eines Fahrzeugs unter erheblichem Alkoholeinfluss. Obwohl im vorliegenden Fall kein Strafverfahren wegen Trunkenheit im Verkehr eingeleitet wurde, ist der Grenzwert der absoluten Fahruntüchtigkeit, der hier fast erreicht wurde, relevant für die Beurteilung der Schwere des Verstoßes.


⬇ Das vorliegende Urteil vom Bayerischen Obersten Landesgericht

Bayerisches Oberstes Landesgericht – Az.: 202 ObOWi 780/23 – Beschluss vom 28.09.2023

I. Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Amtsgerichts Coburg vom 23. Februar 2023 im Rechtsfolgenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen sowie in der Kostenentscheidung aufgehoben.

II. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Coburg zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das Amtsgericht hat den im Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit stehenden Betroffenen wegen einer am 30.07.2022 als Führer eines Pkws fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit des Führens eines Kraftfahrzeugs mit einer Atemalkoholkonzentration (AAK) von 0,25 mg/l oder mehr bzw. einer zu einer solchen führenden Alkoholmenge im Körper gemäß § 24 a Abs. 1 mit Abs. 3 StVG zu einer Geldbuße von 1.200 Euro verurteilt. Die mit dem Atemalkoholmessgerät ‚Dräger Alcotest 9510‘ polizeilich festgestellte AAK ergab eine solche von 0,47 mg/I im Mittelwert. Von dem im Bußgeldbescheid vom 11.08.2022 neben einer Geldbuße von 500 Euro angeordneten Fahrverbot von einem Monat nach Maßgabe des § 25 Abs. 2a StVG hat das Amtsgericht unter gleichzeitiger Erhöhung des an sich verwirkten Regelbußgeldes gemäß § 4 Abs. 4 BKatV von 500 Euro auf 1.200 Euro abgesehen.

Nach den Urteilsfeststellungen nahm der Betroffene am Tattag an einem Junggesellenabschied teil, in dessen Rahmen auch Alkohol, überwiegend Bier, konsumiert wurde. Gegen 20.00 Uhr kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Betroffenen und der Zeugin V., in deren Verlauf sich die Zeugin von dem Betroffenen, mit welchem sie eine gemeinsame Tochter hat, trennte. Daraufhin wollte sich der Betroffene „der Situation entziehen“. Hierzu befuhr er um 20.17 Uhr als Führer eines Pkws Seat die N.-Straße in P., obwohl er hätte erkennen können und müssen, dass er infolge vorausgegangenen Alkoholgenusses eine Alkoholmenge im Körper hatte, die zu einer AAK von 0,25 mg/I oder mehr führte. Als der Betroffene kurz nach Fahrtantritt realisierte, dass er aufgrund seines Alkoholkonsums kein Fahrzeug mehr führen durfte, kehrte er aus eigenem Antrieb wieder zu seinem Parkplatz in die N.-Straße zurück. Die Fahrt dauerte insgesamt nur wenige Minuten und die zurückgelegte Fahrtstrecke betrug insgesamt ca. 200 m. Aus Sorge um den Betroffenen hatte die vorgenannte Zeugin in der Zwischenzeit bereits telefonisch die örtliche Polizeidienststelle über die Wegfahrt des Betroffenen informiert. Noch während dieses Telefonates war der Betroffene wieder zurückkehrt und hatte den Pkw wiederum auf dem Parkplatz abgestellt, wo er zusammen mit der Zeugin auf das Eintreffen der Polizei wartete.

Mit ihrer gegen dieses Urteil zu Ungunsten des Betroffenen eingelegten, ausweislich der Begründung in der Rechtsmittelrechtfertigungsschrift vom 03.04.2023 auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten, von der Generalstaatsanwaltschaft München vertretenen Rechtsbeschwerde rügt die Staatsanwaltschaft die Verletzung materiellen Rechts. Die zur Rechtsbeschwerdebegründung der Staatsanwaltschaft abgegebene Stellungnahme des Verteidigers des Betroffenen vom 04.05.2023 lag dem Senat bei der Entscheidung ebenso vor wie die zur Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft vom 03.07.2021 abgegebene Stellungnahme des Verteidigers vom 25.07.2023.

II.

Die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 3 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige, wegen der wirksamen Beschränkung des Rechtsmittels allein den Rechtsfolgenausspruch betreffende Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist begründet und führt auf die erhobene Sachrüge hin zur Aufhebung des angefochtenen Urteils im Rechtsfolgenausspruch und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht, weil die Begründung, mit der dieses von der Anordnung eines Fahrverbots abgesehen hat, einer rechtlichen Überprüfung nicht standhält.

1. Zwar hat das Amtsgericht erkannt und seinen Erwägungen zum Rechtsfolgenausspruch zutreffend vorangestellt, dass ein Absehen von dem gesetzlich angeordneten Regelfahrverbot nach §§ 24 a Abs. 1 und 3, 25 Abs. 1 Satz 2 StVG i.V.m. § 4 Abs. 3 BKatV nur in einem Härtefall ganz außergewöhnlicher Art in Betracht kommen kann, oder dann, wenn wegen besonderer Umstände äußerer oder innerer Art das Tatgeschehen ausnahmsweise aus dem Rahmen einer typischen Ordnungswidrigkeit nach § 24 a Abs. 1 StVG derart herausfällt, dass die Verhängung des Regelfahrverbots als offensichtlich unpassend anzusehen wäre (vgl. schon BGH, Beschl. v. 28.11.1991 – 4 StR 366/91 = BGHSt 38,125, 134 = BeckRS 1991, 2653 = ZfSch 1992, 30 = NJW 1992, 446 = VerkMitt 1992, Nr 11 = NStZ 1992, 135 = DAR 1992, 69 = NZV 1992, 117 = MDR 1992, 275 = BGHR StVG § 25 Fahrverbot 1 = NJ 1992, 174 = VRS 82 [1992], 216; ferner u.a. OLG Bamberg, Beschl. v. 11.03.2005 – 2 Ss OWi 236/05 und 20.08.2008 – 3 Ss OWi 966/08 = DAR 2009, 39 = Blutalkohol 45 [2008], 394 = OLGSt StVG § 25 Nr 43 = BeckRS 2008, 22409). Denn anders als bei den Katalogtaten nach § 4 Abs. 1 und 2 BKatV, in denen ein Fahrverbot lediglich in der Regel „in Betracht“ kommt, „ist“ bei Ordnungswidrigkeiten nach § 24 a StVG gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 StVG i.V.m. § 4 Abs. 3 BKatV in der Regel ein Fahrverbot anzuordnen. Den Gerichten ist deshalb in den Fällen des § 24 a StVG bei der Entscheidung darüber, ob von einem Fahrverbot im Einzelfall ausnahmsweise abgesehen werden kann, ein geringerer Ermessensspielraum als in den Fällen nach § 4 Abs. 1 BKatV und § 4 Abs. 2 BKatV eingeräumt. Angesichts des höheren Unrechtsgehalts und der Gefährlichkeit einer derartigen Ordnungswidrigkeit versteht sich vielmehr die grundsätzliche Angemessenheit eines Fahrverbots einschließlich seiner vorgesehenen Regeldauer von selbst (st.Rspr.; vgl. neben BGH u. OLG Bamberg, Beschl. v. 20.08.2008 – 3 Ss OWi 966/08, jeweils a.a.O. u.a. OLG Bamberg, Beschl. v. 29.10.2012 – 3 Ss OWi 1374/12 bei juris = BeckRS 2012, 24386 u. 02.07.2018 – 3 Ss OWi 754/18 bei juris = NStZ-RR 2018, 325 = BeckRS 2018, 15192; OLG Celle, Beschl. v. 18.12.2019 – 2 Ss [OWi] 338/19 = Blutalkohol 57, [2020] 47 = NZV 2020, 255 = VerkMitt 2020, Nr 26 = OLGSt StVG § 24a Nr 24 = BeckRS 2019, 33532 sowie OLG Zweibrücken, Beschl. v. 29.06.2021 – 1 OWi 2 SsBs 40/21 bei juris = BeckRS 2021, 18277 = ZfSch 2021, 650 = NZV 2022, 101, jeweils m.w.N.).

2. Das Amtsgericht hat aber – entgegen diesen Maßstäben – aufgrund der konkreten Tatumstände des Verkehrsverstoßes in Verbindung mit dem Nachtatverhalten des Betroffenen zu Unrecht die tatbestandsbezogene gesetzliche Indizwirkung des Regelbeispiels nach den §§ 25 Abs. 1 Satz 2, 24a StVG als entkräftet angesehen.

a) Das Amtsgericht hat bereits aus dem Blick verloren, dass unbeschadet der festgestellten Wegstrecke von immerhin ca. 200 m und der wenigen Minuten andauernden Fahrt schon aufgrund des Tatverlaufs wegen der damit belegten psychischen Ausnahmesituation zur Tatzeit gerade nicht von einer die Sicherheit des Straßenverkehrs weniger oder gar nur marginal beeinträchtigenden Trunkenheitsfahrt auszugehen ist, so dass die Annahme, das Tatgeschehen falle wegen besonderer Umstände äußerer oder innerer Art derart aus dem Rahmen einer typischen Ordnungswidrigkeit nach § 24 a Abs. 1 StVG, dass die Verhängung des Regelfahrverbots als offensichtlich unpassend anzusehen wäre, nicht gerechtfertigt ist.

b) Hinzu kommt, dass der Betroffene zur Tatzeit mit einer festgestellten AAK von 0,47 mg/I im Mittelwert den gesetzlichen Atemluftgrenzwert nach § 24a Abs. 1 StVG von 0,25 mg/l nicht nur geringfügig überschritten, sondern die AAK nahe zum Grenzwert der (absoluten) Fahruntüchtigkeit i.S.v. § 316 Abs. 1 StGB lag.

c) Auch das von Schuldeinsicht und Reue geprägte Nachtatverhalten des Betroffenen vermag die tatbestandsbezogene gesetzliche Indizwirkung des Regelbeispiels nach den §§ 25 Abs. 1 Satz 2, 24a StVG nicht zu entkräften. Es handelt sich insoweit zwar um anzuerkennende Umstände zugunsten des Betroffenen, ihnen kommt aber bei der gebotenen Gesamtschau nicht ein derartiges Gewicht zu, das zur Entkräftung der Regelwirkung führen würde.

III.

Aufgrund des sachlich-rechtlichen Begründungsmangels ist auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch mitsamt der Kostenentscheidung aufzuheben und die Sache in diesem Umfang an das Amtsgericht Coburg zurückverwiesen. Wegen der engen Wechselwirkung zwischen Fahrverbot und Geldbuße betrifft die Aufhebung nicht nur die Fahrverbotsanordnung, sondern den gesamten Rechtsfolgenausspruch mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen (§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, § 353 StPO).

Das Amtsgericht wird in einer neuen Hauptverhandlung u.a. Feststellungen zu der Frage zu treffen haben, ob ein einmonatiges Regelfahrverbot unter besonderer Berücksichtigung einer nach Sachlage zu gewährenden vorläufigen Vollstreckungserleichterung nach § 25 Abs. 2a Satz 1 StVG (sog. ‚Vier-Monats-Regel‘) für den Betroffenen tatsächlich die von diesem beschriebenen Folgen für sein berufliches Fortkommen bis hin zum Verlust seiner beruflichen Existenz zeitigen würden, wozu weitere Feststellungen zu treffen sein werden.

IV.

Der Senat entscheidet durch Beschluss gemäß § 79 Abs. 5 Satz 1 OWiG.

V.

Gemäß § 80a Abs. 1 OWiG entscheidet der Einzelrichter.

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