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Absehen von Fahrverbot gegen Bußgelderhöhung – Rechtsfolgenausspruch rechtsfehlerhaft

Jeder Raser kennt die Angst vor einem Fahrverbot – oft versucht man, es mit einem höheren Bußgeld abzuwenden. Doch genau das wurde einem Autofahrer zum Verhängnis, als sein Gericht den Führerscheinentzug aussetzte, die Geldbuße aber drastisch erhöhte. Erstaunlicherweise legte der Betroffene selbst Rechtsmittel ein, obwohl er scheinbar begünstigt wurde. Ein packender Fall, der zeigt, wann ein scheinbar milder Spruch plötzlich rechtswidrig ist.

Zum vorliegenden Urteil Az.: 1 ORbs 60/24 | Schlüsselerkenntnis | FAQ  | Glossar  | Kontakt

Das Wichtigste in Kürze

  • Gericht: Oberlandesgericht Schleswig-Holstein
  • Datum: 19.06.2024
  • Aktenzeichen: 1 ORbs 60/24
  • Verfahrensart: Rechtsbeschwerdeverfahren
  • Rechtsbereiche: Ordnungswidrigkeitenrecht

Beteiligte Parteien:

  • Kläger: Der Betroffene, gegen den das Amtsgericht eine Geldbuße verhängt hatte und der die gerichtliche Entscheidung wegen Rechtsfehlern anfocht. Er rügte, dass keine ausreichenden Feststellungen zu seinem Sachverhalt und seinen wirtschaftlichen Verhältnissen getroffen wurden und das Absehen vom Fahrverbot nicht begründet war.
  • Beklagte: Die Generalstaatsanwaltschaft, die beantragte, die Rechtsbeschwerde als unbegründet zu verwerfen. Sie argumentierte, dass die erhöhte Geldbuße milder sei als ein Fahrverbot, insbesondere da der Betroffene beruflich und zur Versorgung seiner pflegebedürftigen Tochter auf sein Fahrzeug angewiesen sei.

Worum ging es in dem Fall?

  • Sachverhalt: Ein Amtsgericht verhängte gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Geschwindigkeitsüberschreitung um 32 km/h eine Geldbuße von 600 Euro. Dabei wurde das sonst übliche Fahrverbot nicht angeordnet, sondern die Geldbuße verdreifacht.
  • Kern des Rechtsstreits: Es ging um die Frage, ob das Urteil des Amtsgerichts fehlerhaft war. Das Oberlandesgericht prüfte, ob unzureichende Feststellungen zum Sachverhalt, zur Begründung des Fahrverbotsverzichts und zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen Rechtsfehler darstellen, die das Urteil zugunsten des Betroffenen aufheben.

Was wurde entschieden?

  • Entscheidung: Das Oberlandesgericht hob das angefochtene Urteil des Amtsgerichts und dessen Feststellungen auf. Die Angelegenheit wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
  • Begründung: Das Gericht sah Rechtsfehler im Urteil, die zum Nachteil des Betroffenen gereichten. Es gab Darstellungsmängel im Schuldspruch, da die Feststellungen zur Geschwindigkeitsüberschreitung und zur Nutzung von Beweismitteln (Video/Lichtbilder) unzureichend waren. Zudem fehlte eine detaillierte, auf Tatsachen gestützte Begründung, warum vom Fahrverbot abgesehen und stattdessen die Geldbuße verdreifacht wurde, insbesondere ohne Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen.
  • Folgen: Die Sache wird erneut vor dem Amtsgericht verhandelt. Das Amtsgericht kann dabei keine schlechtere Sanktion wie ein Fahrverbot verhängen, darf aber neue Feststellungen zur Schuldform treffen und prüfen, ob die Tat vorsätzlich begangen wurde, was eine höhere Regelbuße zur Folge hätte.

Der Fall vor Gericht


Geblitzt: Wenn ein milderes Urteil trotzdem rechtswidrig ist

Jeder Autofahrer kennt die Situation: Ein kurzer Moment der Unachtsamkeit, ein übersehenes Schild, und schon blitzt es. Die Konsequenzen sind meist ein Bußgeldbescheid und bei schwereren Verstößen droht zusätzlich ein Fahrverbot. Aber was passiert, wenn ein Gericht auf das Fahrverbot verzichtet und stattdessen eine deutlich höhere Geldstrafe verhängt? Man könnte meinen, der Fahrer sei damit gut bedient. Ein bemerkenswerter Beschluss des Oberlandesgerichts Schleswig-Holstein zeigt jedoch, dass eine solche Entscheidung nicht immer rechtens ist – und sogar zum Nachteil des Betroffenen sein kann, auch wenn es auf den ersten Blick wie ein Vorteil aussieht.

Ein verdreifachtes Bußgeld statt eines Fahrverbots

Auto bei Geschwindigkeitskontrolle auf Landstraße, Blitzer erfasst Fahrzeug bei Abenddämmerung
Blitzer auf der Landstraße erfasst rasendes Auto – Geschwindigkeit messen, Bußgeld und Strafe bei Geschwindigkeitsüberschreitung. | Symbolbild: KI-generiertes Bild

Ein Autofahrer wurde außerhalb einer geschlossenen Ortschaft geblitzt. Er war 32 km/h zu schnell. Nach dem geltenden Bußgeldkatalog hätte ihn das normalerweise ein Bußgeld und ein einmonatiges Fahrverbot gekostet. Der Fall landete vor dem Amtsgericht. Dieses entschied jedoch anders: Es verhängte kein Fahrverbot, erhöhte die Geldbuße aber drastisch auf 600 Euro – das Dreifache des üblichen Satzes.

Man könnte annehmen, der Fahrer wäre erleichtert. Ein Fahrverbot kann berufliche und private Existenzen bedrohen, während eine höhere Geldstrafe zwar schmerzt, aber oft das kleinere Übel darstellt. Doch genau dieser Fahrer war mit dem Urteil nicht einverstanden. Wie konnte es dazu kommen?

Der überraschende Widerspruch: Warum der Fahrer sich wehrte

Der Autofahrer legte gegen das Urteil eine sogenannte Rechtsbeschwerde ein. Das ist ein Rechtsmittel, mit dem man ein Urteil auf Rechtsfehler überprüfen lassen kann. Seine Begründung war verblüffend: Er bemängelte, dass das Urteil ihn zwar von einem Fahrverbot verschonte, dies aber auf einer völlig unzureichenden Grundlage tat.

Konkret rügte er, das Amtsgericht habe mehrere entscheidende Dinge versäumt. Erstens habe es seine wirtschaftlichen Verhältnisse, also sein Einkommen und seine Ausgaben, überhaupt nicht geprüft. Zweitens habe es keine Gründe für eine besondere Härte festgestellt, die ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen würden. Und drittens – und das ist der entscheidende Punkt – habe er selbst niemals beantragt, das Fahrverbot gegen eine höhere Geldstrafe einzutauschen.

Die zuständige Generalstaatsanwaltschaft, die in solchen Verfahren die Anklage vertritt, sah das anders. Sie beantragte, die Beschwerde abzuweisen. Ihr Argument: Die höhere Geldbuße sei im Vergleich zum Fahrverbot die mildere Strafe und benachteilige den Fahrer daher nicht. Sie führte an, der Fahrer sei als Versicherungsvertreter und für die Versorgung seiner pflegebedürftigen Tochter auf sein Auto angewiesen. Ein Fahrverbot würde also zu Verdienstausfällen und teuren Taxifahrten führen. Die 600 Euro seien da klar die bessere Alternative.

Die Kernfrage für das Gericht: Kann ein ‚besseres‘ Urteil den Betroffenen trotzdem benachteiligen?

Das Oberlandesgericht stand nun vor einer kniffligen Rechtsfrage. Normalerweise kann man sich nur gegen ein Urteil wehren, das einen benachteiligt. Ist es aber eine Benachteiligung, wenn man eine Geldstrafe statt eines Fahrverbots bekommt? Um diese grundsätzliche Frage zu klären, wurde der Fall an einen Senat übertragen, der aus drei Richtern besteht. Dies geschieht, wenn ein Gericht die Möglichkeit sieht, das Recht fortzubilden, also eine wichtige, bisher unklare Rechtsfrage zu beantworten.

Das Ergebnis war eindeutig: Das Oberlandesgericht hob das Urteil des Amtsgerichts vollständig auf und schickte den Fall zur Neuverhandlung dorthin zurück. Die Begründung dafür ist ein Lehrstück darüber, wie präzise und nachvollziehbar ein Gerichtsurteil sein muss. Das Gericht fand gleich mehrere schwerwiegende Fehler.

Fehler Nummer 1: Eine Verurteilung ohne nachvollziehbare Beweise

Zunächst einmal hielt nicht einmal der Schuldspruch selbst der Überprüfung stand. Das Amtsgericht hatte seine Überzeugung, dass der Fahrer zu schnell gefahren war, auf ein Beweisvideo und Fotos gestützt. Das Problem? Es hatte in seinem schriftlichen Urteil nicht beschrieben, was auf diesen Beweismitteln zu sehen war.

Um das zu verstehen, hilft ein Alltagsvergleich: Stellen Sie sich vor, ein Lehrer soll eine Mathearbeit bewerten, aber der Schüler schreibt nur „Die Lösung steht im Lehrbuch auf Seite 50“ statt den Rechenweg aufzuzeigen. Der Lehrer kann so nicht nachprüfen, ob der Schüler die Aufgabe verstanden hat. Ähnlich ist es hier: Das höhere Gericht kann nicht einfach die Videodatei ansehen. Die Beweiswürdigung muss im Urteil selbst stehen, damit sie nachprüfbar ist. Das Gesetz erlaubt zwar unter bestimmten Umständen, auf schriftliche Dokumente oder Bilder in der Akte zu verweisen, aber nicht auf eine Videodatei auf einer CD. Da eine aus sich heraus verständliche Beschreibung des Videos und der Fotos im Urteil komplett fehlte, war der Schuldspruch formal nicht haltbar.

Fehler Nummer 2: Ein Verzicht auf das Fahrverbot ohne jede Begründung

Noch schwerer wog der zweite Fehler, der die eigentliche Kernfrage betraf. Ein Fahrverbot ist die Regel bei einem so deutlichen Geschwindigkeitsverstoß. Wenn ein Gericht ausnahmsweise darauf verzichten will, muss es dafür außergewöhnliche Gründe geben. Man spricht hier von einer „unbilligen Härte“. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn der Fahrer durch das Verbot seinen Arbeitsplatz verlieren würde und dies für ihn eine existenzielle Bedrohung darstellt.

Ein Gericht muss solche Gründe aber nicht nur finden, sondern sie auch detailliert in seinem Urteil darlegen. Es muss erklären, warum gerade in diesem Einzelfall die Warn- und Denkzettelfunktion des Fahrverbots nicht notwendig ist. Nur so kann das höhere Gericht überprüfen, ob die Entscheidung korrekt war.

Im vorliegenden Fall fehlte eine solche Begründung vollständig. Das Amtsgericht hatte mit keinem Wort erklärt, warum es vom Fahrverbot absah. Es gab keinerlei Feststellungen zu einer möglichen Härte oder zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Fahrers. Die Begründung der Generalstaatsanwaltschaft (Versicherungsvertreter, pflegebedürftige Tochter) stand nirgendwo im Urteil – sie war eine reine Vermutung.

Warum diese Fehler zur Aufhebung des Urteils führten

Das Oberlandesgericht musste nun die Frage beantworten, ob diese Fehler den Fahrer tatsächlich benachteiligten oder „beschwerten“, wie es im Juristendeutsch heißt.

Die Beschwer durch den Schuldspruch

Der erste Fehler, die mangelhafte Beweiswürdigung, war einfach zu bewerten. Wenn das Urteil die Verurteilung nicht aus sich heraus trägt, kann das höhere Gericht gar nicht prüfen, ob der Schuldspruch überhaupt richtig ist. Es besteht also die Möglichkeit, dass der Fahrer zu Unrecht verurteilt wurde. Das ist eine klare Benachteiligung und allein schon ein Grund, das Urteil aufzuheben.

Die Beschwer durch die höhere Geldstrafe

Spannender war die Frage bei der Strafe. Ist der Fahrer durch die Umwandlung des Fahrverbots in eine höhere Geldbuße wirklich benachteiligt? Das Oberlandesgericht sagte klar: Ja. Die Argumentation der Generalstaatsanwaltschaft, ein Fahrverbot wäre schlimmer gewesen, wies das Gericht zurück. Es erklärte, dass ein höheres Gericht nicht einfach eigene Vermutungen anstellen darf, was für den Betroffenen besser oder schlechter gewesen wäre. Es darf nur das überprüfen, was das untere Gericht in seinem Urteil festgestellt hat.

Die Benachteiligung (die sogenannte Beschwer) lag bereits in der Tatsache, dass die Geldbuße verdreifacht wurde. Das ist eine erhebliche wirtschaftliche Belastung. Das Gesetz, genauer gesagt § 4 Absatz 4 der Bußgeldkatalog-Verordnung, sieht vor, dass die Geldbuße bei einem Verzicht auf das Fahrverbot „angemessen“ erhöht werden kann. Aber was ist angemessen? Um das zu beurteilen, muss ein Gericht die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen kennen. Eine Verdreifachung des Bußgeldes mag für einen Millionär angemessen sein, für jemanden mit geringem Einkommen aber eine unzumutbare Härte. Da das Amtsgericht hierzu gar nichts ermittelt hatte, war die Prüfung der Angemessenheit unmöglich. Die pauschale Formulierung im Urteil, die Erhöhung sei „unter Berücksichtigung der Gesamtumstände“ erfolgt, wurde vom Oberlandesgericht als inhaltsleere Floskel abgetan.

Ein Blick nach vorn: Was das Amtsgericht nun beachten muss

Der Fall geht nun also zurück an das Amtsgericht. Dieses muss neu verhandeln und entscheiden. Dabei gab ihm das Oberlandesgericht noch einige Hinweise mit auf den Weg. So muss es diesmal nicht nur die Beweise sauber im Urteil darstellen, sondern sich auch Gedanken über die Schuldform machen.

Bisher ging das Gericht von Fahrlässigkeit aus, also einem Versehen. Angesichts von fünf früheren Geschwindigkeitsverstößen des Fahrers hätte das Gericht aber prüfen müssen, ob die Tat nicht vorsätzlich begangen wurde. Vorsatz bedeutet, dass der Fahrer wusste, dass er zu schnell fährt, und dies auch wollte oder zumindest billigend in Kauf nahm.

Interessanterweise darf das Amtsgericht in der neuen Verhandlung kein Fahrverbot mehr verhängen. Hier greift das sogenannte Verschlechterungsverbot, eine Regel, die besagt, dass ein Angeklagter durch sein eigenes Rechtsmittel nicht schlechtergestellt werden darf. Sollte das Gericht aber zum Schluss kommen, dass der Fahrer vorsätzlich gehandelt hat, könnte es die Regelbuße verdoppeln. Dieses Verbot schützt nämlich nicht davor, dass die Tat als schwerwiegender eingestuft wird.



Die Schlüsselerkenntnisse

Das Urteil zeigt, dass Gerichte auch dann rechtlich korrekt arbeiten müssen, wenn ihre Entscheidung auf den ersten Blick milder erscheint – selbst ein scheinbar günstigeres Urteil kann rechtswidrig sein. Ein Gericht darf ein Fahrverbot nur gegen eine höhere Geldstrafe eintauschen, wenn es konkret prüft und begründet, warum das Fahrverbot eine unzumutbare Härte wäre und ob die höhere Geldbuße angemessen ist. Ohne diese Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse ist eine Verdreifachung des Bußgeldes rechtswidrig. Das Urteil stärkt die Rechte von Verkehrssündern, da es klarstellt, dass auch vermeintlich mildere Strafen ordnungsgemäß begründet werden müssen.

Befinden Sie sich in einer ähnlichen Situation? Fragen Sie unsere Ersteinschätzung an.

FAQ - Häufig gestellte Fragen

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Kann ein Fahrverbot durch eine höhere Geldstrafe ersetzt werden?

Grundsätzlich ist es möglich, ein Fahrverbot in Ausnahmefällen durch eine deutlich höhere Geldstrafe zu ersetzen. Dies ist jedoch keine automatische Option oder ein „Freikauf“, sondern eine Entscheidung, die das Gericht nach einer sehr sorgfältigen Prüfung trifft.

Wann ein Fahrverbot ersetzt werden kann

Ein Fahrverbot ist dazu gedacht, Verkehrsteilnehmer für bestimmte Verstöße zu sensibilisieren und die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Es dient als „Denkzettel“ und soll eine erzieherische Wirkung haben.

Ein Ersetzen des Fahrverbots durch eine höhere Geldstrafe kommt nur in sehr speziellen und seltenen Ausnahmefällen in Betracht, den sogenannten „Härtefällen“. Solch ein Härtefall liegt vor, wenn das Fahrverbot für die betroffene Person eine außergewöhnliche und unzumutbare Härte bedeuten würde, die weit über die üblichen Unannehmlichkeiten hinausgeht. Beispiele hierfür können sein:

  • Existenzgefährdung: Wenn die Person aufgrund des Fahrverbots ihren Arbeitsplatz als Berufskraftfahrer unwiederbringlich verlieren würde und dies die Existenz der Familie gefährdet.
  • Schwere persönliche Notlage: Wenn das Fahrverbot dazu führen würde, dass eine dringend notwendige Pflege für einen Angehörigen nicht mehr geleistet werden kann oder medizinische Versorgung nicht erreichbar wäre.

Es ist wichtig zu verstehen, dass eine bloße Unbequemlichkeit, wie zum Beispiel die Notwendigkeit, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen oder einen längeren Arbeitsweg in Kauf zu nehmen, keinen Härtefall darstellt.

Die gerichtliche Entscheidung

Die Entscheidung, ob ein Fahrverbot in eine höhere Geldstrafe umgewandelt wird, liegt allein im Ermessen des Gerichts. Das Gericht prüft jeden Einzelfall genau. Dabei werden die Schwere des Verkehrsverstoßes, die Umstände, die zu dem Fahrverbot geführt haben, und die persönlichen Verhältnisse der betroffenen Person gegeneinander abgewogen.

Wenn das Gericht zu dem Schluss kommt, dass ein solcher Härtefall vorliegt, kann es die Geldstrafe erheblich erhöhen, oft auf das Doppelte oder mehr der ursprünglich vorgesehenen Geldstrafe. Diese höhere Geldstrafe soll die abschreckende Wirkung des Fahrverbots in gewisser Weise ausgleichen. Ein solcher Ersatz ist in der Regel nicht möglich, wenn es sich um einen Wiederholungstäter handelt oder der Verstoß besonders schwerwiegend war (z.B. bei Trunkenheitsfahrten mit hohem Blutalkoholwert).


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Unter welchen Voraussetzungen kann das Gericht von einem Fahrverbot absehen?

Ein Gericht kann unter bestimmten, eng gefassten Voraussetzungen von einem Fahrverbot absehen. Die zentrale Voraussetzung dafür ist das Vorliegen einer sogenannten „unbilligen Härte“. Das bedeutet, dass die Verhängung des Fahrverbots für die betroffene Person eine außergewöhnlich schwere Belastung darstellen müsste, die über das übliche Maß hinausgeht und nicht zumutbar ist. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung, bei der das Gericht eine sorgfältige Abwägung vornimmt.

Was bedeutet „unbillige Härte“ konkret?

Eine „Unbillige Härte“ liegt nicht schon bei einer bloßen Unannehmlichkeit vor. Jeder, der ein Fahrverbot erhält, erlebt dies als störend. Das Gericht prüft, ob das Fahrverbot zu einer existenzbedrohenden oder anderweitig außergewöhnlich gravierenden Situation führen würde. Dies ist nur in Ausnahmefällen der Fall und muss vom Betroffenen konkret dargelegt und nachgewiesen werden.

Beispiele, unter denen eine unbillige Härte im Einzelfall angenommen werden könnte, sind:

  • Existenzbedrohung durch Arbeitsplatzverlust: Dies betrifft häufig Berufskraftfahrer oder Personen, deren Arbeitsplatz zwingend an die Fahrerlaubnis gebunden ist und bei denen keine andere Lösung (wie Umbesetzung, Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder Fahrdienste) möglich ist. Stellen Sie sich vor, ein Vertriebsmitarbeiter müsste hunderte Kilometer pro Tag fahren und könnte ohne Führerschein seine Tätigkeit nicht mehr ausüben, was direkt zur Kündigung führen würde. Es muss klar sein, dass der Arbeitsplatz unmittelbar und unwiederbringlich verloren ginge.
  • Gefährdung der medizinischen Versorgung: Wenn eine Person ohne die Fahrerlaubnis eine notwendige medizinische Versorgung (z.B. Dialysebehandlungen, Spezialtherapien) für sich oder nahe Angehörige nicht mehr erreichen könnte und keine anderen Transportmöglichkeiten bestehen.
  • Gefährdung der Pflege oder Betreuung: Wenn die Fahrerlaubnis zwingend erforderlich ist, um schwer kranke oder pflegebedürftige Familienmitglieder zu versorgen, und es keine alternative Unterstützung gibt.

Es ist wichtig zu verstehen, dass diese Beispiele nur dann relevant sind, wenn die Notwendigkeit des Fahrens unabdingbar ist und keine zumutbaren Alternativen existieren. Das Gericht prüft dabei stets, ob der Betroffene selbst dazu beitragen kann, die Härte zu mildern (z.B. durch Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Fahrgemeinschaften).

Die Abwägung des Gerichts

Das Gericht wägt bei seiner Entscheidung die Schwere des Verkehrsverstoßes und die Vorbelastung des Fahrers gegen die drohenden Folgen des Fahrverbots ab. Je gravierender der Verkehrsverstoß (z.B. hohe Geschwindigkeitsüberschreitungen, Alkoholfahrten), desto höhere Anforderungen werden an das Vorliegen einer unbilligen Härte gestellt.

Wenn das Gericht eine unbillige Härte annimmt, wird das Fahrverbot in der Regel durch eine erhöhte Geldstrafe ersetzt. Diese Geldstrafe fällt dann in der Regel deutlich höher aus als die ursprüngliche, um den Unrechtsgehalt der Tat ausreichend zu sanktionieren.

Begründung im Urteil

Das Gericht muss seine Entscheidung, von einem Fahrverbot abzusehen, im Urteil ausdrücklich und nachvollziehbar begründen. Dies stellt sicher, dass die Gründe für die Abweichung vom Regelfall klar dargelegt sind und auch für die betroffene Person transparent werden. Diese Begründung muss die spezifischen Umstände des Einzelfalls berücksichtigen und erklären, warum gerade in diesem Fall eine unbillige Härte vorliegt und welche Erwägungen zur Abwendung des Fahrverbots geführt haben.


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Wann ist ein Gerichtsurteil bei einem Verkehrsverstoß rechtlich fehlerhaft?

Wenn Sie mit einem Gerichtsurteil nach einem Verkehrsverstoß unzufrieden sind, stellt sich oft die Frage, ob diese Unzufriedenheit ein subjektives Gefühl ist oder ob tatsächlich ein Rechtsfehler vorliegt. Ein Gerichtsurteil ist dann rechtlich fehlerhaft, wenn es gegen geltende Gesetze oder grundlegende Verfahrensgrundsätze verstößt. Es geht dabei nicht darum, ob das Urteil „fair“ oder „mild“ erscheint, sondern ob es juristisch korrekt zustande gekommen und begründet ist. Selbst ein vermeintlich mildes Urteil kann Rechtsfehler enthalten, die eine Überprüfung rechtfertigen würden.

Typische Gründe für die Fehlerhaftigkeit eines gerichtlichen Urteils können in verschiedenen Bereichen liegen:

Mangelhafte Begründung des Urteils

Ein zentraler Pfeiler jedes Gerichtsurteils ist eine nachvollziehbare und vollständige Begründung. Das Gericht muss verständlich darlegen, welche Tatsachen es als bewiesen ansieht und welche rechtlichen Schlussfolgerungen es daraus zieht. Es muss erklären, warum es zu einem bestimmten Ergebnis kommt.

  • Fehlende Begründung: Wenn das Urteil überhaupt nicht oder nur sehr oberflächlich erklärt, wie das Gericht zu seiner Entscheidung gekommen ist, kann dies einen Rechtsfehler darstellen. Für Sie bedeutet das: Die Argumentationskette des Gerichts muss transparent und logisch sein.
  • Widersprüchliche Begründung: Wenn sich die Begründung des Urteils in sich widerspricht oder mit den festgestellten Tatsachen nicht vereinbar ist, ist sie fehlerhaft.

Fehler bei der Beweiswürdigung und Sachverhaltsfeststellung

Das Gericht ist verpflichtet, den Sachverhalt sorgfältig zu ermitteln und alle relevanten Beweise umfassend zu würdigen. Die Beweiswürdigung ist die Bewertung der vorgelegten Beweise (z.B. Zeugenaussagen, Sachverständigengutachten, Fotos).

  • Ungenügende Berücksichtigung relevanter Umstände: Das Gericht muss alle wesentlichen Umstände des Falles in seine Entscheidung einbeziehen. Dies kann beispielsweise die wirtschaftlichen Verhältnisse einer Person bei der Festsetzung einer Geldstrafe betreffen, sofern diese für die Angemessenheit der Strafe von Bedeutung sind. Auch besondere situationsbedingte Faktoren des Verkehrsverstoßes müssen gewürdigt werden. Wird ein relevanter Umstand ignoriert oder nicht ausreichend gewürdigt, kann dies einen Rechtsfehler darstellen.
  • Mangelhafte Darstellung der Beweise: Die Urteilsbegründung muss aufzeigen, welche Beweismittel das Gericht herangezogen hat und wie es diese bewertet hat. Eine fehlerhafte oder lückenhafte Darstellung, welche Beweismittel zu welchem Ergebnis geführt haben, kann die rechtliche Überprüfung erschweren und einen Fehler darstellen.
  • Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze: Die Schlussfolgerungen des Gerichts aus den Beweisen müssen logisch nachvollziehbar sein und dürfen nicht offensichtlich den allgemeinen Denkgesetzen oder Erfahrungssätzen widersprechen. Stellen Sie sich vor, das Gericht würde aussagen, dass es regnete, obwohl alle Zeugen und Wetterdaten das Gegenteil belegen – ein solcher offensichtlicher Verstoß wäre fehlerhaft.

Fehler in der Rechtsanwendung

Ein Urteil ist auch fehlerhaft, wenn das Gericht die anzuwendenden Gesetze falsch auslegt oder anwendet. Dies betrifft beispielsweise die Höhe einer Strafe, die Länge eines Fahrverbots oder die Anzahl der Punkte in Flensburg.

  • Falsche Gesetzesauslegung: Wenn das Gericht eine gesetzliche Vorschrift falsch versteht oder interpretiert und diese falsche Auslegung zur Grundlage des Urteils macht, liegt ein Rechtsfehler vor.
  • Anwendung eines unzutreffenden Gesetzes: Wenn das Gericht eine falsche Rechtsgrundlage für seine Entscheidung heranzieht, ist das Urteil fehlerhaft.
  • Fehler bei der Strafzumessung: Auch wenn das Gericht die falschen Kriterien bei der Bemessung der Strafe anlegt oder die Grenzen des gesetzlichen Strafrahmens überschreitet, kann dies einen Rechtsfehler darstellen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass ein Gerichtsurteil dann fehlerhaft ist, wenn es nicht auf einer korrekten Tatsachengrundlage, einer logischen Beweiswürdigung und einer fehlerfreien Anwendung des Rechts basiert. Das Verständnis dieser Punkte hilft, die Gründe für die Unzufriedenheit mit einem Urteil objektiv einzuordnen.


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Kann sich meine Situation verschlechtern, wenn ich gegen ein Urteil wegen eines Verkehrsverstoßes Rechtsmittel einlege?

Wenn Sie als Betroffener gegen ein Urteil wegen eines Verkehrsverstoßes ein Rechtsmittel, wie zum Beispiel eine Rechtsbeschwerde, einlegen, ist die Sorge vor einer Verschlechterung Ihrer Situation verständlich. Im deutschen Recht gibt es hierfür den wichtigen Grundsatz des sogenannten Verschlechterungsverbots, auch bekannt als „reformatio in peius“.

Das Verschlechterungsverbot als Schutzprinzip

Dieses Prinzip besagt, dass die Rechtsfolge des Urteils durch das Gericht im Rechtsmittelverfahren nicht zu Ihrem Nachteil geändert werden darf, wenn ausschließlich Sie selbst das Rechtsmittel eingelegt haben. Das bedeutet konkret: Wenn Sie gegen eine Geldstrafe, einen Punkteintrag oder ein Fahrverbot vorgehen, darf das Gericht im Rechtsmittelverfahren keine höhere Geldstrafe, mehr Punkte oder ein längeres Fahrverbot verhängen, als im ursprünglichen Urteil festgelegt wurde.

Für Sie bedeutet das, dass das Gericht Sie nicht zusätzlich „bestrafen“ darf, nur weil Sie Ihr Recht auf Überprüfung des Urteils in Anspruch nehmen. Der Gedanke dahinter ist, dass Sie sich nicht aus Angst vor einer Verschlechterung scheuen sollen, ein möglicherweise fehlerhaftes Urteil anfechten zu lassen.

Ausnahmen vom Verschlechterungsverbot

Es gibt jedoch Umstände, unter denen sich die Situation trotz Ihres eingelegten Rechtsmittels doch zu Ihrem Nachteil ändern kann:

  • Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft: Das Verschlechterungsverbot gilt nicht, wenn nicht nur Sie, sondern auch die Staatsanwaltschaft ein Rechtsmittel gegen dasselbe Urteil eingelegt hat. In diesem Fall kann das Rechtsmittelgericht die Entscheidung umfassend prüfen und gegebenenfalls auch eine höhere Strafe oder schärfere Maßnahmen verhängen, wenn die Staatsanwaltschaft dies beantragt hat.
  • Neue Sachverhaltsfeststellungen oder geänderte rechtliche Bewertung: Eine Verschlechterung kann auch eintreten, wenn im Laufe des Rechtsmittelverfahrens neue Fakten oder Beweise ans Licht kommen, die dem Gericht im ursprünglichen Verfahren nicht bekannt waren. Wenn diese neuen Erkenntnisse dazu führen, dass der Verkehrsverstoß nun rechtlich anders oder schwerwiegender bewertet werden muss, kann die Rechtsfolge entsprechend angepasst werden.
    • Ein typisches Beispiel hierfür ist die Umqualifizierung einer Tat von Fahrlässigkeit zu Vorsatz. Stellen Sie sich vor, Sie wurden ursprünglich wegen eines Verkehrsverstoßes belangt, der als fahrlässig eingestuft wurde (z.B. eine Geschwindigkeitsüberschreitung, die auf Unaufmerksamkeit zurückzuführen war). Sollte sich im Rechtsmittelverfahren herausstellen, dass Sie die Tat entgegen der ursprünglichen Annahme vorsätzlich begangen haben (z.B. bewusst und absichtlich trotz Kenntnis der Gefahr zu schnell gefahren sind), kann dies zu einer wesentlich höheren Strafe führen. Hierbei handelt es sich nicht um eine Verschlechterung der ursprünglichen Bewertung, sondern um eine korrekte Neubewertung des Sachverhalts aufgrund veränderter oder präzisierter Feststellungen. Das Gericht passt dann die rechtliche Konsequenz an den tatsächlich festgestellten Sachverhalt an, der schwerwiegender ist als ursprünglich angenommen.

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Welche Informationen muss ein Gericht berücksichtigen, wenn es ein Bußgeld oder ein Fahrverbot festlegt?

Wenn ein Gericht über ein Bußgeld oder ein Fahrverbot entscheidet, ist es dazu verpflichtet, eine Vielzahl von Informationen genau zu prüfen. Ziel ist es immer, eine gerechte und angemessene Sanktion festzulegen, die sowohl dem Vergehen als auch den persönlichen Umständen der betroffenen Person Rechnung trägt. Es geht darum, die Gesamtheit aller relevanten Umstände zu beleuchten.

Die Schwere der Tat und das Verschulden

Zunächst bewertet das Gericht die Art und Schwere des Verkehrsverstoßes. Hierbei werden verschiedene Faktoren berücksichtigt:

  • Verstoß gegen Vorschriften: Welche Verkehrsregel wurde missachtet (z.B. Geschwindigkeitsüberschreitung, Rotlichtverstoß, Handy am Steuer)?
  • Ausmaß des Verstoßes: War die Überschreitung gering oder sehr deutlich? Wie lange dauerte der Rotlichtverstoß?
  • Gefährdungspotenzial: Wurden andere Verkehrsteilnehmer gefährdet oder gab es sogar einen Unfall?
  • Verschulden: War das Handeln vorsätzlich (also bewusst und gewollt) oder fahrlässig (unachtsam, aber ohne böse Absicht)? Ein vorsätzlicher Verstoß wird in der Regel strenger bestraft als ein fahrlässiger.

Die gesetzlichen Grundlagen hierfür finden sich im Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) sowie in speziellen Verordnungen wie dem Bußgeldkatalog, der für viele Verstöße einen Rahmen für Bußgelder und Fahrverbote vorgibt.

Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse

Ein weiterer wichtiger Aspekt sind die individuellen Umstände der Person, gegen die das Bußgeld oder Fahrverbot verhängt werden soll. Das Gericht berücksichtigt, dass eine Sanktion für jeden Einzelnen spürbar, aber nicht unzumutbar sein soll. Dazu gehören:

  • Wirtschaftliche Lage: Wie hoch ist das Einkommen, gibt es Unterhaltspflichten oder besondere finanzielle Belastungen? Ein Bußgeld wird so angepasst, dass es eine spürbare Wirkung hat, die Person aber nicht wirtschaftlich überfordert.
  • Vorbelastungen: Wurden bereits frühere Verkehrsverstöße begangen und gibt es entsprechende Einträge im Fahreignungsregister (Punktekonto in Flensburg)? Wiederholungstäter werden oft strenger behandelt.
  • Berufliche oder persönliche Auswirkungen eines Fahrverbots: Ist die Person beruflich dringend auf ihren Führerschein angewiesen (z.B. Berufskraftfahrer, Außendienstmitarbeiter)? In Ausnahmefällen kann ein Gericht hier mildernd eingreifen oder das Fahrverbot in eine höhere Geldstrafe umwandeln, wenn eine unzumutbare Härte droht.
  • Weitere persönliche Umstände: Auch Alter, Gesundheitszustand oder besondere familiäre Situationen können in seltenen Fällen eine Rolle spielen.

Die Beweise und ihre Würdigung

Das Gericht muss alle im Verfahren vorgelegten Beweise sorgfältig prüfen und bewerten. Dazu gehören:

  • Zeugenaussagen
  • Sachverständigengutachten (z.B. zu Geschwindigkeitsmessungen)
  • Urkunden (z.B. Messprotokolle, Polizeiberichte)
  • Fotos oder Videos

Das Gericht muss sich auf Basis dieser Beweise eine eigene Überzeugung bilden, ob der Verstoß tatsächlich und in der vorgeworfenen Art stattgefunden hat. Hierbei gilt der Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“: Kann das Gericht nach der Beweisaufnahme nicht mit ausreichender Sicherheit feststellen, dass der Verstoß vorliegt, darf es keine Sanktion verhängen.

Die Dokumentation im Urteil

Alle diese Überlegungen und die zugrunde liegenden Feststellungen müssen im schriftlichen Urteil ausführlich begründet und dokumentiert werden. Das schafft Transparenz und macht die Entscheidung des Gerichts nachvollziehbar. Wenn Sie ein Urteil erhalten, können Sie darin nachlesen, welche Punkte das Gericht für seine Entscheidung berücksichtigt hat.


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Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.


Glossar - Fachbegriffe einfach erklärt

Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt

Rechtsbeschwerde

Die Rechtsbeschwerde ist ein spezielles Rechtsmittel im Ordnungswidrigkeitenverfahren, mit dem ein Betroffener eine gerichtliche Entscheidung auf Rechtsfehler überprüfen lassen kann. Sie dient nicht dazu, Tatsachen neu zu beurteilen, sondern prüft, ob das Urteil formal und rechtlich korrekt ergangen ist. Im vorliegenden Fall nutzte der Fahrer die Rechtsbeschwerde, um das Urteil anzufechten, weil er insbesondere die fehlende Begründung für den Verzicht auf das Fahrverbot und die unangemessene Erhöhung der Geldbuße beanstandete. Die Grundlage für die Rechtsbeschwerde findet sich in § 79 OWiG (Ordnungswidrigkeitengesetz).


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Unbillige Härte

Eine unbillige Härte ist eine Ausnahmevorschrift, die es dem Gericht erlaubt, von der Regulierung (hier dem Fahrverbot) abzusehen, wenn deren Folgen für den Betroffenen außergewöhnlich schwerwiegend und unzumutbar sind. Solche Härtefälle liegen vor, wenn etwa der Arbeitsplatz oder die Existenz durch das Fahrverbot massiv bedroht sind, insbesondere wenn die Person sachlich auf das Fahrzeug angewiesen ist und keine zumutbaren Alternativen bestehen. Das Gericht muss eine unbillige Härte im Urteil konkret feststellen und begründen, damit diese Entscheidung nachvollziehbar bleibt (§ 4 Abs. 4 Bußgeldkatalog-Verordnung). Beispiel: Ein Familienvater, der seine pflegebedürftige Tochter nur mit dem Auto versorgen kann, könnte wegen „unbilliger Härte“ vom Fahrverbot verschont werden.


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Beweiswürdigung

Die Beweiswürdigung bezeichnet die gerichtliche Bewertung und Interpretation der im Verfahren vorgelegten Beweismittel, also wie das Gericht feststellt, ob und in welchem Umfang ein Vorwurf nachgewiesen ist. Sie muss im Urteil klar und nachvollziehbar dargestellt werden, damit das Rechtsmittelgericht den Schuldspruch überprüfen kann. Ein exemplarischer Fehler liegt vor, wenn das Urteil auf Video- oder Fotobeweisen beruht, ohne deren Inhalt konkret zu beschreiben – dann ist die Beweiswürdigung unvollständig und das Urteil rechtlich angreifbar. Beispiel: Wenn das Gericht bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung ein Blitzerfoto nicht erläutert, kann es die Tat nicht ausreichend belegen.


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Verschlechterungsverbot (Reformatio in peius)

Das Verschlechterungsverbot ist ein Grundsatz im Rechtsmittelverfahren, der verhindert, dass ein Rechtsmittelsteller durch die Anrufung eines höheren Gerichts schlechter gestellt wird als durch das ursprüngliche Urteil. Solange nur der Betroffene selbst Rechtsmittel einlegt, darf das Urteil nicht zu seinen Ungunsten verschärft werden. Im Verkehrsordnungswidrigkeitenrecht bedeutet das: Wird gegen ein Fahrverbot oder Bußgeld Beschwerde eingelegt, darf die Geldbuße nicht erhöht oder das Fahrverbot verlängert werden, solange nur der Betroffene dagegen vorgeht (§ 79 Abs. 5 OWiG). Eine Ausnahme besteht, wenn z. B. die Staatsanwaltschaft ebenfalls Rechtsmittel einlegt oder neue Tatsachen ermittelt werden.


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Härtefallprüfung bei Fahrverbot

Die Härtefallprüfung ist eine konkrete Einzelfallprüfung durch das Gericht, ob das Fahrverbot für den Betroffenen eine „unbillige Härte“ darstellt und deshalb abgewandt werden kann. Dabei beurteilt das Gericht, ob die üblichen Belastungen durch ein Fahrverbot ungewöhnlich schwer sind, etwa weil der Betroffene den Führerschein dringend für die Berufsausübung braucht oder eine außergewöhnliche familiäre Pflegesituation vorliegt. Die Prüfung muss sorgfältig erfolgen und im Urteil genau begründet werden, da hierdurch die Sanktion „Fahrverbot“ durch eine höhere Geldstrafe ersetzt werden kann (§ 4 Abs. 4 Bußgeldkatalog-Verordnung). Beispiel: Ein Versicherungsvertreter mit pflegebedürftiger Tochter kann beantragen, dass das Fahrverbot entfällt, wenn sonst existenzielle Härten drohen.


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Beschwer (im Sinne der Rechtssprache)

Beschwer bezeichnet die „Benachteiligung“ oder „Belastung“, die eine gerichtliche Entscheidung für den Betroffenen darstellt. Damit ein Rechtsmittel zulässig ist, muss in der Regel eine solche Beschwer vorliegen, also eine negative Auswirkung auf die Rechtsposition des Betroffenen. Im Fall der Umwandlung eines Fahrverbots in eine höhere Geldbuße prüft das Gericht, ob der Betroffene dadurch tatsächlich benachteiligt wird. Diese Bewertung ist nicht rein subjektiv, sondern orientiert sich an der tatsächlichen Belastung. Das Gericht muss zudem nachvollziehbar darlegen, wie die Entscheidung den Betroffenen beschwert, andernfalls ist das Urteil rechtswidrig. Beispiel: Eine verdreifachte Geldbuße ohne Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse führt zu unzumutbarer Beschwer.

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Wichtige Rechtsgrundlagen


  • § 4 Abs. 4 Bußgeldkatalog-Verordnung (BKatV): Diese Vorschrift regelt die Erhöhung der Geldbuße bei Entfall des Fahrverbots, wobei die Erhöhung „angemessen“ sein muss und wirtschaftliche Verhältnisse zu berücksichtigen sind. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Amtsgericht hat die Geldbuße pauschal verdreifacht, ohne die wirtschaftlichen Verhältnisse des Fahrers zu prüfen, was die Angemessenheit und Rechtmäßigkeit dieser Erhöhung infrage stellt.
  • Verschlechterungsverbot bei Rechtsmitteln (§ 339 ZPO analog bzw. im Bußgeldverfahren): Dieses Prinzip schützt den Betroffenen davor, durch die Einlegung eines Rechtsmittels schlechtergestellt zu werden als im ursprünglichen Urteil. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Da der Fahrer gegen das Urteil Rechtsbeschwerde eingelegt hat, darf das Amtsgericht bei der neuerlichen Verhandlung kein Fahrverbot mehr verhängen, um eine Verschlechterung zu vermeiden.
  • Grundsatz der Nachprüfbarkeit der Beweiswürdigung (§ 261 StPO analog): Ein Urteil muss die wesentlichen Beweismittel und deren Würdigung nachvollziehbar erläutern, um gerichtliche Überprüfbarkeit zu gewährleisten. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Amtsgericht hat die Beweiswürdigung (Video- und Fotomaterial) nicht ausreichend im Urteil beschrieben, sodass das Oberlandesgericht den Schuldspruch wegen mangelnder Nachvollziehbarkeit aufgehoben hat.
  • Grundsatz der Individualisierung der Sanktion (Art. 103 Abs. 1 GG im Zusammenhang mit § 56 StGB): Die Strafe muss an die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen angepasst und begründet sein. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Amtsgericht hat keine individuellen Umstände (wie berufliche Abhängigkeit vom Fahrzeug) ermittelt oder berücksichtigt, was die Rechtmäßigkeit des Urteils und die Verhältnismäßigkeit der erhöhten Geldstrafe infrage stellt.
  • Grundsatz der Begründungspflicht von Gerichtsentscheidungen (§ 267 StPO): Urteile müssen nachvollziehbar sachlich und rechtlich überzeugen und besondere Umstände bei Absehen von Standardmaßregeln (wie Fahrverbot) explizit darlegen. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Fehlen einer Begründung für den Verzicht auf das Fahrverbot trotz gesetzlicher Regelung stellt einen gravierenden Mangel dar, der zur Aufhebung des Urteils führte.
  • Tatbestandsmäßigkeit von Vorsatz und Fahrlässigkeit (§ 15 StGB analog im Ordnungswidrigkeitenrecht): Die Differenzierung zwischen vorsätzlichem und fahrlässigem Verhalten kann Auswirkungen auf die Höhe der Sanktion haben. | Bedeutung im vorliegenden Fall: Das Amtsgericht hat die Schuldform nicht geprüft, obwohl Hinweise vorlagen; eine Neubewertung ist für die Rechtsfolgen im neuen Verfahren zwingend erforderlich.

Das vorliegende Urteil


Oberlandesgericht Schleswig-Holstein – Az.: 1 ORbs 60/24 – Beschluss vom 19.06.2024


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