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Absehen von Fahrverbot bei Geschwindigkeitsüberschreitung

KG Berlin – Az.: 3 Ws (B) 215/19 – 122 Ss 87/19 – Beschluss vom 15.07.2019

Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten vom 5. April 2019 wird gemäß § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet verworfen.

Der Betroffene hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Der Schriftsatz des Verteidigers vom 11. Juli 2019 lag vor, gab aber zu einer anderen Bewertung keinen Anlass.

Gründe

I.

Der Polizeipräsident in Berlin hat mit Bußgeldbescheid vom 16. November 2017 gegen den Betroffenen wegen fahrlässig begangener Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 38 km/h eine Geldbuße in Höhe von 260 Euro sowie einen Monat Fahrverbot verhängt und eine Wirksamkeitsbestimmung nach § 25 Abs. 2a StVG getroffen.

Auf seinen auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkten Einspruch hat ihn das Amtsgericht Tiergarten mit Urteil vom 5. April 2019 zu einer Geldbuße in Höhe von 160 Euro verurteilt, ihm für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu fahren und angeordnet, dass das Fahrverbot erst wirksam wird, wenn der Führerschein des Betroffenen nach Rechtskraft dieses Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.

Die dagegen gerichtete Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung sachlichen Rechts rügt, hat keinen Erfolg.

II.

Die nach § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

Der – auf der Grundlage der wirksamen Beschränkung des Einspruches gegen den Bußgeldbescheid – durch das Amtsgericht erkannte Rechtsfolgenausspruch hält sachlich-rechtlicher Überprüfung stand.

Die Bemessung der Rechtsfolgen liegt grundsätzlich im Ermessen des Tatgerichts, sodass sich die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht darauf beschränkt, ob dieses von rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist und von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat (vgl. Senat, Beschluss vom 12. März 2019 — 3 Ws (B) 53/19 — juris m.w.N.). Vorliegend weisen weder die Festsetzung einer Geldbuße in Höhe von 160 Euro noch die Anordnung des einmonatigen Regelfahrverbots einen Rechtsfehler zu Lasten des Betroffenen auf.

a. Bei der Bemessung der Geldbuße hat sich das Amtsgericht erkennbar am Regelsatz von 160 Euro der hier einschlägigen Nr. 11.3.6 des Anhangs (Tabelle 1) zur laufenden Nr. 11 der Anlage (BKat) zu § 1 Abs. 1 BKatV orientiert.

Diese Geldbuße liegt unter der Geringfügigkeitsgrenze von 250 EUR, so dass nach § 17 Abs. 3 Satz 2 OWiG die wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen regelmäßig unberücksichtigt bleiben. Anhaltspunkte für außergewöhnlich schlechte wirtschaftliche Verhältnisse des Betroffenen, die dem Amtsgericht gleichwohl zu einer tiefergehenden Prüfung Veranlassung gegeben hätten, liegen nicht vor. Fehler beim Ausüben des tatrichterlichen Ermessens bei der Bußgeldbemessung sind nicht ersichtlich.

b. Die Verhängung des einmonatigen Fahrverbots begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Denn der Gesetzgeber sieht für innerorts begangene Geschwindigkeitsüberschreitungen von 38 km/h nach § 25 Abs. 1 Satz 1 StVG, § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BKatV in Verbindung mit Nr. 11.3.6 des Anhangs (Tabelle 1) zur laufenden Nr. 11 der Anlage (BKat) zu § 1 Abs. 1 BKatV regelmäßig die Anordnung eines einmonatigen Fahrverbots neben der Verhängung einer Geldbuße vor.

Das Amtsgericht hat rechtsfehlerfrei keinen Grund angenommen, von dem Fahrverbot ausnahmsweise abzusehen.

Von der Anordnung eines Fahrverbots kann abgesehen werden, wenn der Sachverhalt so erheblich vom Regelfall abweicht und deswegen Ausnahmecharakter besitzt, dass die Verhängung der regelhaften Sanktionen der BKatV – insbesondere die Anordnung eines Fahrverbots – eine unangemessene Härte darstellt (vgl. Senat, Beschluss vom 12. März 2019, a.a.O. m.w.N.). Dass die Anordnung des Fahrverbots für den Betroffenen eine solche ganz außergewöhnliche Härte darstellen würde, die er auch nicht durch ihm zumutbare Maßnahmen abfedern kann (vgl. Senat NJW 2016, 1110 m.w.N.), ist nicht ersichtlich.

(1) Soweit die Rechtsbeschwerdeschrift ausführt, der Betroffene sei aus beruflichen Gründen auf den Führerschein angewiesen, ist anzumerken, dass er sich hierauf grundsätzlich nicht berufen kann, wenn er den Führerschein in Kenntnis der Bedeutung, die dieser für ihn hat, infolge mangelnder Verkehrsdisziplin leichtfertig riskiert (std. Rspr. des Senats, vgl. Beschluss vom 18. Februar 2019 – 3 Ws (B) 33/19 – m.w.N.). Auf ein Fahrverbot kann jedoch ausnahmsweise dann verzichtet werden, wenn dem Betroffenen in Folge des Fahrverbots Arbeitsplatz- und oder sonstiger wirtschaftlicher Existenzverlust droht und diese Konsequenz nicht durch zumutbare Vorkehrungen abgewendet oder vermieden werden kann (vgl. Senat, Beschluss vom 25. März 2015 – 3 Ws (B) 19/15 -, juris m.w.N.). Aus den Urteilsgründen ist ersichtlich, dass der Betroffene als selbstständiger Elektroplaner und Bauüberwacher tätig sei und mehrere Angestellte beschäftige. Er sei deutschlandweit auf Baustellen unterwegs und müsse teilweise kurzfristig Einsätze wahrnehmen. Diese Feststellungen begründen keine Existenzgefährdung des Betroffenen, dem es zuzumuten ist, die Zeit des Fahrverbotes etwa durch Urlaub oder die Hinzuziehung eines Fahrers zu überbrücken.

(2) Der Verhängung des Fahrverbotes steht auch weder der Zeitablauf zwischen der Tatbegehung am 26. August 2017 und dem tatrichterlichen Urteil noch der Umstand entgegen, dass der Betroffene an einer Schulung zum Thema verkehrsgerechtes Verhalten teilgenommen hat.

Es ist eine Frage des Einzelfalls, wann bei langer Verfahrensdauer wegen des Zeitablaufs allein oder zusammen mit anderen Umständen die Verhängung eines Fahrverbots nicht mehr in Betracht kommt, wobei in aller Regel ab einem Zeitraum von etwa zwei Jahren die Prüfung nahe liegt, ob das Fahrverbot seinen erzieherischen Zweck im Hinblick auf den Zeitablauf noch erfüllen kann (vgl. Senat, Beschlüsse vom 25. März 2015, a.a.O und vom 2. Oktober 2015 – 3 Ws (B) 505/15 -, juris). Dabei ist zu berücksichtigen, worauf die lange Verfahrensdauer zurückzuführen ist, insbesondere ob hierfür maßgebliche Umstände im Einflussbereich des Betroffenen liegen oder Folge gerichtlicher oder behördlicher Abläufe sind (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Oktober 2011 – 3 Ws (B) 475/11 – m.w.N.).

Diesen Maßstäben wird das angefochtene Urteil gerecht. Das Amtsgericht hat sich in Ansehung der festgestellten Umstände eingehend mit der Frage auseinandergesetzt, ob auf die Verhängung des Fahrverbotes verzichtet werden kann und dies rechtsfehlerfrei verneint. Die Gesamtwürdigung der festgestellten Umstände gab keine Veranlassung, vom Fahrverbot abzusehen. Dabei hatte das Gericht ausweislich der Urteilsgründe im Blick, dass sich das Verfahren vor dem Hintergrund eines eingeholten Sachverständigengutachtens verzögert hat und dass im Entscheidungszeitpunkt noch keine zwei Jahre seit der Tatbegehung verstrichen waren. Der Bußgeldrichter hat bei der Entscheidung auch die absolvierte Schulung des Betroffenen in die Würdigung einbezogen, hat dieser jedoch angesichts der Tatsache, dass es an Erkenntnissen zum konkreten Inhalt der Maßnahme fehlte, keine erhebliche Bedeutung beigemessen. Schließlich lassen die Urteilsgründe auch (noch) erkennen, dass das Gericht bei seiner Entscheidung diese Umstände nicht lediglich isoliert, sondern auch im Rahmen einer Gesamtwürdigung betrachtet hat.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OWIG, § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.

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