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Absehen vom Regelfahrverbot nach Absolvierung eines verkehrspsychologischen Seminares

AG Miesbach – Az.: 41 OWi 53 Js 10377/14 – Urteil vom 28.10.2014

1. Der Betroffene G ist schuldig einer rechtskräftig feststehenden fahrlässigen Ordnungswidrigkeit der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 40 km/h.

2. Er wird zur Geldbuße von 360,– € verurteilt.

3. Der Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens.

Angewendete Vorschriften: §§ 41 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG, 46 OwiG, 465 StPO.

Gründe

I.

Die Hauptverhandlung hat zur Überzeugung des Gerichts folgenden Sachverhalt ergeben, bzw. steht dieser aufgrund der Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch fest:

Am 03.02.14 um 15:27 Uhr fuhr der Betroffene mit dem PKW Ford, amtliches Kennzeichen:…, auf der BAB A 8 in Richtung M, Abschnitt 1020, Kilometer 3,870 im Gemeindebereich V bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h über eine Messstrecke von 1.322 m mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von 140 km/h (nach Toleranzabzug = 8 km/h).

Bei der im Verkehr erforderlichen und zumutbaren Sorgfalt hätte der Betroffene den Verstoß erkennen können und vermeiden müssen.

II.

Aufgrund der Beschränkung des Einspruchs auf den Rechtsfolgenausspruch steht die Verurteilung des Betroffenen wegen einer fahrlässig begangenen Ordnungswidrigkeit der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 40 km/h gemäß §§ 41 Abs. 1, 49 StVO, 24 StVG, 46 OWiG rechtskräftig fest.

III.

Bei der Ahndung ging das Gericht von folgenden Erwägungen aus:

Die Auskunft aus dem Verkehrszentralregister vom 15.05.14 weist drei Eintragungen auf:

1.   Tatzeit: 22.05.2012

Uhrzeit: 10:53 Uhr

Tatort: …

Tat: Bei einer Geschwindigkeit von 92 km/h den erforderlichen Abstand von 46 Meter zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht eingehalten; der Abstand betrug 15,84 m und damit weniger als 4/10 des halben Tachowertes

Geldbuße: 100,– €

Rechtskraft: 10.08.12

2.   Tatzeit: 08.06.12

Uhrzeit: 09:36 Uhr

Tatort: …

Tat: Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 47 km/h

Geldbuße: 240,– €

Fahrverbot ein Monat

Rechtskraft: 02.08.2013

3. Die dritte Mitteilung betrifft die Mitteilung des Tags des Fristablaufs bei einem Fahrverbot.

Nach dem Bußgeldkatalog, Ziffer 11.3.6 ist für den begangenen Verkehrsverstoß eine Regelgeldbuße von 120,– € vorgesehen. Die Regelahndungen sind Zumessungsrichtlinien, an die das Gericht grundsätzlich gebunden ist. Nach § 1 Abs. 2 BKatV liegt den Regelahndungen eine erstmalige und fahrlässige Begehung bei gewöhnlichen Tatumständen zugrunde. Der Einzelfall ist jedoch in objektiver und subjektiver Hinsicht zu prüfen, ob eine Abweichung von der Regelahndung geboten ist.

Vorliegend ist der Betroffene erheblich einschlägig vorgeahndet, insbesondere war gegen ihn wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung von mindestens 26 km/h bereits eine Geldbuße und ein Fahrverbot rechtskräftig festgesetzt worden; der Betroffene hat innerhalb eines Jahres seit Rechtskraft der Entscheidung (02.08.2013) am 03.02.2014 eine weitere Geschwindigkeitsüberschreitung von mehr als 26 km/h begangen. Es liegt daher ein Regelfall des § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV vor, welcher mit der Verhängung eines Fahrverbotes verbunden ist.

Vom Regelfahrverbot kann im Einzelfall – ggfl. gegen Erhöhung der Geldbuße – abgesehen werden, wenn es der Denkzettel- und Besinnungsfunktion des Fahrverbotes im Einzelfall nicht bedarf.

Das Gericht ist im vorliegenden Fall der Ansicht, dass die Verhängung einer Geldbuße in Höhe der dreifachen Regelgeldbuße gemäß Bußgeldkatalog Ziffer 1.3.6 in Höhe von insgesamt 360,– € zur Einwirkung auf den Betroffenen und zur Ahndung der Tat ausreichend, aber auch erforderlich ist, auf ein Fahrverbot jedoch aufgrund der besonderen Gesichtspunkte des Einzelfalls verzichtet werden kann.

Im Rahmen der Hauptverhandlung hat das Gericht durch Befragung des Betroffenen den Eindruck gewonnen, dass bei dem Betroffenen, der an einer verkehrspsychologischen Maßnahme teilgenommen hat, sich die Einstellung zu straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften deutlich positiv verändert hat, so dass von ihm zukünftig ein normgerechtes Verhalten erwartet werden kann, ohne dass es nunmehr noch einer weiteren Einwirkung auf ihn in Form der Verhängung eines Fahrverbotes bedürfte. Das Gericht ist nach Durchführung der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass eine nachhaltige erzieherische Wirkung durch die Absolvierung der verkehrspsychologischen Maßnahme „Mobil Plus Prävention“ eingetreten ist.

Der Betroffene hat, belegt durch ein Teilnahmezertifikat des Dipl-Psych. T W vom 20.08.14 an der verkehrspsychologischen Maßnahme „Mobil Plus Prävention“ in R teilgenommen. Dieses Modell ist laut Teilnahmezertifikat, ausgestellt und unterschrieben von Dipl.-Psych. T W, konzipiert für Teilnehmer, die gemäß § 25 Abs. 1 S. 2 StVG mit der Verhängung eines Fahrverbotes bedroht sind. Zielsetzung der Maßnahme ist es demnach, dass sich die Teilnehmer mit der begangenen Ordnungswidrigkeit befassen, ihre Verantwortung für sich und andere Verkehrsteilnehmer bewusst wahrnehmen und die Anleitung erhalten, ein sicherheitsorientiertes Fahrverhalten durchgehend und nachhaltig umzusetzen. Zu diesem Zweck hat der Betroffene an drei Einzelsitzungen a`60 Minuten, geleitet von dem genannten Diplompsychologen W, der über eine verkehrspsychologischer Zusatzausbildung verfügt, teilgenommen. Dieser bestätigt dem Betroffenen, dass er sich zuverlässig in der Einhaltung der Termine und der vereinbarten Bearbeitung der Kursaufgaben und Bearbeitungsübungen gezeigt hat und dass die beabsichtigte Erziehungswirkung beim Betroffenen durch die aktive Teilnahme an dem Kurs in Gang gesetzt wurde und er sich konkrete Handlungsanleitungen für zukünftig regelgerechtes Verhalten erarbeiten konnte.

Es handelt sich nach dem durch den Betroffenen vorgelegten und in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Teilnahmezertifikat des TÜV Süd nicht um ein Seminar, das den Zweck des Punkteabbaus betrifft, sondern allein die Zielsetzung hat, das Verantwortungsbewusstsein des Verkehrsteilnehmers zu stärken und ihm Anleitung zu geben, ein sicherheitsorientiertes Fahrverhalten durchgehend und nachhaltig umzusetzen.

Im Rahmen der Befragung des Betroffenen hat sich das Gericht davon überzeugt, dass dieses Ziel beim Betroffenen tatsächlich erreicht wurde. Der Betroffene gab nachvollziehbar und detailreich an, dass ihm bewusst geworden sei, dass es aufgrund langjähriger Fahrpraxis und der berufsbedingt hohen Kilometerfahrleistung, die er in der Vergangenheit bewältigt hatte, zu einer gewissen Abstumpfung im Hinblick auf Verkehrsvorschriften gekommen sei, insbesondere auch bei der Wahrnehmung von Verkehrszeichen und Gefahrenzeichen. Er gehe nunmehr mit Verkehrssituationen wesentlich sorgfältiger um, insbesondere reagiere er bewusster auf Verkehrszeichen und habe sich bewusst gemacht, dass er diese zum Beispiel auch im Rahmen eines Überholvorganges zu berücksichtigen habe. Der Betroffene gab an Beispielen an, dass er sein Fahrverhalten nachhaltig verändert habe und sich die Erkenntnisse, die er in den drei Einzelstunden gewonnen habe, nachhaltig bei ihm „im Hinterkopf“ festgesetzt hätten.

Im Rahmen der Einzelgespräche habe er sich mit seinem eigenen Fahrverhalten zunächst auseinandersetzen und Schwachstellen erkennen müssen. Er habe sodann Strategien erarbeitet, wie er mit gewissen problematischen Situationen besser umgehe. Er habe in diesem Rahmen erkannt, dass sein eigenes Fahrverhalten durch die langjährige und intensive Fahrpraxis abgestumpft war gegenüber den einen oder anderen Verkehrsregeln. Dies habe er sich nun bewusst gemacht und auch im Hinblick auf die Sensibilisierung für die Gefährlichkeit einer Abstumpfung gelernt, sein Verhalten darauf einzustellen.

Das Gericht hat den Eindruck, dass bei dem Betroffenen eine nachhaltige Erziehungswirkung bereits eingetreten ist, wie sie offensichtlich durch ein Fahrverbot beim Betroffenen nicht erreicht werden konnte, was sich schon allein daraus ergibt, dass ein vorangegangenes Fahrverbot den Betroffenen nicht von der Begehung einer gleichartigen Ordnungswidrigkeit abhalten konnte. Der Betroffene machte dem Gericht grundsätzlich den Eindruck, dass er um die Sicherheit im Straßenverkehr auch bereits in Vergangenheit durchaus bemüht war und hieran ein ehrliches Interesse hatte, jedoch sein eigenes Fahrverhalten und seine eigenen Reaktionen nicht im Einzelnen ausreichend selbstkritisch analysiert und überdacht hatte, so dass es zu einzelnen „Aussetzern“ kam, so wie in der vorliegenden Ordnungswidrigkeit. Gerade zur Vermeidung von solchen „Aussetzern“ wurde nach Angaben des Betroffenen in dem absolvierten Kurs intensiv an Verhaltensstrategien gearbeitet.

Die Nachhaltigkeit seiner Bewusstseinsänderung im Hinblick auf die Regeln im Straßenverkehr und die Notwendigkeit von deren zuverlässiger Einhaltung ergibt sich auch daraus, dass der Betroffene angegeben hat, dass ihm nunmehr bewusst geworden sei, dass er letztendlich durch seine Fahrweise auch seine weitere berufliche Existenz aufs Spiel setze. Er sei beruflich über das normale Maß hinaus auf seine Fahrerlaubnis angewiesen. Er sei selbstständiger Versicherungsmakler und müsse für seine Kunden auch außerhalb der üblichen Geschäftszeiten zur Verfügung stehen.

Des Weiteren hat das Gericht berücksichtigt, dass der Verkehrsverstoß, auf den nunmehr das auf § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV zu stützende Fahrverbot beruht, die Verkehrsordnungswidrigkeit ist, für die der Betroffene bereits ein Fahrverbot verbüßt hat.  Für die binnen Jahresfrist vorausgegangene Geschwindigkeitsüberschreitung hat der Betroffene bereits ein einmonatiges Fahrverbot verbüßt. Nunmehr diese Verkehrsordnungswidrigkeit wiederum als Grundlage dafür zu verwenden, eine Verkehrsordnungswidrigkeit, welche nach dem Bußgeldkatalog alleine lediglich mit einer Geldbuße von 120,– € zu ahnden wäre, über § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV in den Bereich des Fahrverbotes zu heben, hält das Gericht auch aus erzieherischen Gesichtspunkten nicht für angemessen.

Dieser Gesichtspunkt, verbunden mit der Tatsache, dass der Betroffene nunmehr aus Eigeninitiative versucht hat, die Voraussetzungen für ein zukünftig straßenverkehrsordnungsgemäßes Verhalten zu schaffen, verdient jedenfalls Anerkennung in der Form, dass ihm nicht ein weiteres Fahrverbot auferlegt wird, von dem das Gericht nicht erkennen kann, welche (weitere) erzieherische Wirkung dieses Fahrverbot nun auf den Betroffenen haben soll, nachdem er bereits ein Fahrverbot verbüßt und ein durchaus aufschlussreiches, lehrreiches und seine Erziehungswirkung erreichendes Seminar absolviert hat.

Der Besinnungs- und Denkzettelfunktion des Fahrverbots bedarf es in dieser konkreten Situation nicht mehr.

Dementsprechend war hier von der Anordnung eines Fahrverbotes abzusehen.

Die zweifellos dem Verkehrsverstoß zugrunde liegende Fahrlässigkeit und Gedankenlosigkeit des Betroffenen war, durch eine deutliche Erhöhung der Geldbuße zu ahnden. Dem Betroffenen musste durch eine Erhöhung der Geldbuße auf das Dreifache des Regelsatzes deutlich vor Augen geführt werden, dass wiederholte Begehung von Geschwindigkeitsverstößen in dieser Größenordnung von der Gesellschaft nicht geduldet werden und nicht dem Bagatellbereich zugeordnet werden kann.

IV.

Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus §§ 465 Abs. 1 StPO, 46 Abs. 1 OWiG.

 

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