Ein Außendienstmitarbeiter aus Karlsruhe versuchte, ein Absehen vom Fahrverbot für sein Familienunternehmen zu erreichen, da die Existenz der Firma gefährdet schien. Doch die strengen Voraussetzungen für ein solches Entfallen des Fahrverbots entpuppten sich als überraschend schwer zu erfüllen.
Übersicht
- Das Wichtigste in Kürze
- Der Fall vor Gericht
- Die Urteilslogik
- Benötigen Sie Hilfe?
- Experten Kommentar
- Häufig gestellte Fragen (FAQ)
- Welche anderen Gründe gelten neben Existenzgefährdung als Härtefall?
- Welche Rechte habe ich als Angestellter bei drohendem Fahrverbot?
- Was sind die ersten Schritte, um ein Fahrverbot abzuwenden?
- Wie nutze ich die Schonfrist für mein Fahrverbot optimal?
- Wie kann ich Beweise für eine Existenzgefährdung präventiv sichern?
- Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
- Das vorliegende Urteil
Zum vorliegenden Urteil Az.: 1 ORbs 340 SsBs 403/25 | Schlüsselerkenntnis | FAQ | Glossar | Kontakt
Das Wichtigste in Kürze
- Gericht: Oberlandesgericht Karlsruhe
- Datum: 09.09.2025
- Aktenzeichen: 1 ORbs 340 SsBs 403/25
- Verfahren: Bußgeldverfahren
- Rechtsbereiche: Bußgeldrecht, Verkehrsrecht, Verfahrensrecht
- Das Problem: Ein Mann fuhr innerorts zu schnell und sollte ein Fahrverbot bekommen. Das Amtsgericht verzichtete darauf, erhöhte aber die Geldbuße. Die Staatsanwaltschaft war damit nicht einverstanden und legte Beschwerde ein. Sie rügte auch, dass das Urteil zunächst keine Begründung hatte.
- Die Rechtsfrage: Darf ein Gericht nachträglich seine Urteilsgründe schreiben, wenn die Staatsanwaltschaft nicht bei der Verhandlung war, aber vorher eine Begründung verlangt hat? Und wann darf ein Gericht von einem Regelfahrverbot absehen, wenn jemand zu schnell gefahren ist?
- Die Antwort: Ja, nachträgliche Urteilsgründe sind zulässig, wenn die Staatsanwaltschaft nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen hat. Ein vorheriger Antrag auf Begründung spielt dabei keine Rolle. Nein, das Amtsgericht durfte hier nicht vom Fahrverbot absehen, weil es keine ausreichenden Gründe dafür festgestellt hatte.
- Die Bedeutung: Gerichte müssen genau prüfen und belegen, warum sie von einem vorgeschriebenen Fahrverbot abweichen. Behauptungen von finanziellen Nöten reichen nicht; es braucht konkrete Beweise und eine sorgfältige Prüfung von Alternativen. Für Betroffene bedeutet dies, dass sie genaue Nachweise und Argumente für ihre Härtefallanträge liefern müssen.
Der Fall vor Gericht
Wie kann ein Fahrverbot wegen Existenzgefährdung entfallen?
Für einen Außendienstmitarbeiter in einem kleinen Familienunternehmen war ein einmonatiges Fahrverbot mehr als eine Unannehmlichkeit. Es war eine potenzielle Bedrohung für die Firma. Er schilderte seine verzweifelte Lage vor dem Amtsgericht, malte ein Bild des drohenden Ruins und hatte Erfolg. Der Richter verzichtete auf das Fahrverbot. Die schriftliche Urteilsbegründung erwies sich aber als Papiertiger. Als die Staatsanwaltschaft genauer hinsah, zerfiel die dramatische Geschichte in eine Reihe unbewiesener Behauptungen. Das Oberlandesgericht Karlsruhe musste eine fundamentale Frage klären: Wie viel handfester Beweis ist nötig, damit eine persönliche Härte eine gesetzliche Regel-Sanktion außer Kraft setzt?
Warum hob der erste Richter das Fahrverbot auf?

Ein Fahrer wurde innerorts in einer 30er-Zone mit 33 km/h zu viel geblitzt. Der Bußgeldbescheid war eindeutig: 260 Euro Geldstrafe und ein Monat Fahrverbot. Der Mann legte Einspruch ein. Vor dem Amtsgericht Karlsruhe trug er vor, der alleinige Vertriebsmitarbeiter und Fahrer seines Familienbetriebs zu sein. Die Firma vertreibe spezielle Berufskleidung direkt an Patienten in Kliniken. Er übernehme die Kundenakquise, nehme Maß und liefere die Ware aus. Andere Mitarbeiter oder ein Azubi besäßen keinen Führerschein.
Die wirtschaftliche Lage des Betriebs sei angespannt. Eine neue Kampagne mit Kliniken sei überlebenswichtig. Die Einstellung eines Ersatzfahrers sei finanziell unmöglich. Seine Ehefrau arbeite nur in Teilzeit, das Paar habe zwei kleine Kinder. Ein Fahrverbot würde nicht nur ihn treffen – es würde zur Vernichtung von zwei Arbeitsplätzen und einem Ausbildungsplatz führen. Diese Schilderung überzeugte den Amtsrichter. Er verdoppelte die Geldbuße auf 520 Euro, sah im Gegenzug aber vom Fahrverbot ab. Ein typisches Vorgehen, wenn ein Gericht eine außergewöhnliche Härte anerkennt.
Wieso legte die Staatsanwaltschaft Rechtsmittel ein?
Die Staatsanwaltschaft sah die Sache anders. Sie griff die Entscheidung des Amtsgerichts mit einer Rechtsbeschwerde an. Ihr Ziel war nicht die Verurteilung an sich, sondern allein die Rechtsfolge – der Wegfall des Fahrverbots. Die Argumentation der Anklagebehörde hatte zwei Ebenen: eine formale und eine inhaltliche.
Formal bemängelte sie einen Verfahrensfehler. Das Amtsgericht hatte zunächst nur ein sogenanntes Protokollurteil zugestellt. Das ist ein Urteil ohne schriftliche Gründe. Die Staatsanwaltschaft hatte aber schon vor der Verhandlung eine Begründung beantragt. Die nachträglich nachgeschobenen Urteilsgründe seien unwirksam.
Inhaltlich pulverisierte die Staatsanwaltschaft die Argumentation des Amtsrichters. Dessen Begründung sei lückenhaft und verhindere eine Überprüfung. Die Behauptung der Existenzgefährdung stehe ohne jeden Beleg im Raum. Es fehlten jegliche Feststellungen zum Einkommen des Fahrers, zum Vermögen, zu den Umsätzen des Betriebs, zu den laufenden Kosten oder zum Auftragsvolumen. Das Gericht habe die Angaben des Mannes einfach übernommen, ohne sie kritisch zu hinterfragen. Es sei nicht geprüft worden, ob es zumutbare Alternativen gibt.
War die nachträglich verfasste Urteilsbegründung zulässig?
Das Oberlandesgericht Karlsruhe (OLG) widmete sich zuerst dem formalen Streit. Die Richter gaben dem Amtsgericht in diesem Punkt recht. Eine nachträgliche Anfertigung von Urteilsgründen ist unter bestimmten Umständen erlaubt. Das regelt § 77b des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG). Der entscheidende Satz dort lautet: Die Gründe dürfen nachgereicht werden, wenn die Staatsanwaltschaft nicht an der Hauptverhandlung teilgenommen hat.
Genau das war hier der Fall. Ein Vertreter der Staatsanwaltschaft war bei der Verhandlung vor dem Amtsgericht nicht anwesend. Der Umstand, dass die Behörde zuvor pauschal eine Begründung beantragt hatte, ändert daran nichts. Das OLG stellte klar: Der Wortlaut des Gesetzes ist eindeutig. Die Abwesenheit der Staatsanwaltschaft in der Sitzung öffnet die Tür für eine nachträgliche Begründung. Mit dieser Entscheidung gaben die Karlsruher Richter sogar ihre eigene, bisher abweichende Rechtsprechung in diesem Punkt auf. Die formale Hürde war für den Fahrer genommen. Die inhaltliche stand ihm noch bevor.
Welche Nachweise sind für das Absehen vom Fahrverbot nötig?
Hier lag der Denkfehler des Amtsgerichts. Das OLG machte unmissverständlich klar, dass die bloße Behauptung einer Existenzgefährdung nicht ausreicht. Ein Fahrverbot nach einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 33 km/h innerorts ist die Regel, festgeschrieben im Bußgeldkatalog und in § 25 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG). Ein Absehen davon ist die seltene Ausnahme. Wer sich auf eine solche Ausnahme beruft, muss sie lückenlos belegen.
Die Richter des OLG zählten auf, was das Amtsgericht hätte prüfen und feststellen müssen:
- Wirtschaftliche Belege: Wo waren die Bilanzen, die Umsatzübersichten oder andere betriebswirtschaftliche Unterlagen? Ohne Zahlen bleibt die Behauptung einer drohenden Pleite eine reine Schutzbehauptung.
- Prüfung von Alternativen: Der Richter hätte detailliert prüfen müssen, ob es andere Lösungen gibt. Könnte die Ware per Postdienstleister versendet werden? Ist die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln oder Taxis eine Option – gerade im gut ausgebauten Nahverkehrsnetz von Karlsruhe? Wäre die Einstellung eines Fahrers auf Niedriglohnbasis, eventuell finanziert durch einen kleinen Kredit, wirklich unmöglich?
- Logistische Details: Um die Alternativen zu bewerten, hätte das Gericht klären müssen, von wo nach wo die Fahrten stattfinden. Wo ist das Lager? Wo liegen die Kliniken? Nur mit diesen Informationen lässt sich beurteilen, ob ein Lastenrad oder der ÖPNV praxistauglich sind.
- Nutzung der Schonfrist: Das Gesetz bietet mit der sogenannten Schonfristregelung des § 25 Abs. 2a StVG eine eingebaute Abfederung. Der Fahrer hätte den Antritt des Fahrverbots innerhalb von vier Monaten frei wählen können, zum Beispiel in eine Zeit mit geringerer Auftragslage legen können. Diese Möglichkeit wurde vom Amtsgericht nicht erörtert.
Die Feststellungen des Amtsgerichts waren ungenügend. Sie erlaubten dem OLG keine sachliche Überprüfung, ob wirklich ein Ausnahmefall vorlag, der das öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit überwiegt. Das Urteil wurde im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben. Die Sache geht zurück an das Amtsgericht Karlsruhe – zu einer neuen Verhandlung und einer neuen Entscheidung. Der Fahrer steht wieder am Anfang. Er muss nun handfeste Beweise auf den Tisch legen.
Die Urteilslogik
Ein Gericht kann ein Fahrverbot nur bei lückenloser Begründung einer außergewöhnlichen Härte aufheben.
- Nachweispflicht bei Existenzgefährdung: Wer sich auf eine außergewöhnliche Härte beruft, muss diese mit detaillierten wirtschaftlichen Belegen untermauern und alle zumutbaren Alternativen aktiv widerlegen.
- Transparenz der Entscheidungsgründe: Gerichte müssen die Gründe für das Absehen von einem Fahrverbot so konkret festlegen, dass eine unabhängige Überprüfung jederzeit möglich bleibt.
- Nachträgliche Urteilsbegründung: Ein Gericht darf die schriftliche Begründung eines Urteils auch nachträglich verfassen, sofern die Staatsanwaltschaft der Hauptverhandlung nicht beiwohnte.
Die Justiz fordert für Ausnahmen von der Regel stets eine lückenlose Darlegung und überprüfbare Fakten, nicht bloße Schilderungen.
Benötigen Sie Hilfe?
Wird Ihnen ein Fahrverbot drohen, obwohl Sie Härtefallgründe geltend machen? Kontaktieren Sie uns für eine erste rechtliche Einschätzung Ihres Anliegens.
Experten Kommentar
Die Vorstellung, dass eine packende Geschichte vom drohenden Ruin reicht, um ein Fahrverbot abzuwenden, hält sich hartnäckig. Doch hier zieht das Gericht eine klare rote Linie: Wer sich auf einen Härtefall beruft, muss das lückenlos belegen – mit Zahlen, Bilanzen und echten Alternativprüfungen. Eine bloße Schilderung ist da zu wenig. Das Urteil macht unmissverständlich klar: Ohne handfeste Beweise und durchdachte Konzepte, wie die Schonfrist, bleibt ein Fahrverbot die Regel – das öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit steht eben nicht einfach so hinter persönlichen Nöten zurück.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Welche anderen Gründe gelten neben Existenzgefährdung als Härtefall?
Obwohl die Existenzgefährdung als wichtigster Härtefall gilt, listet der Artikel keine weiteren spezifischen Gründe auf. Stattdessen betont er, dass jede Form einer „außergewöhnlichen Härte“ in Betracht kommt. Entscheidend ist stets, dass die Situation detailliert und unwiderlegbar belegt wird und der individuelle Nachteil das öffentliche Interesse an der Verkehrssicherheit deutlich überwiegt. Juristen suchen hier nach dem einzigartigen, schwerwiegenden Umstand.
Die Regelung für Fahrverbote ist streng. Juristen nennen das eine Regelsanktion. Ein Abweichen davon ist, wie der Artikel treffend formuliert, eine äußerst seltene Ausnahme. Es geht nicht nur darum, dass eine Situation schwierig ist. Vielmehr muss eine „außergewöhnliche Härte“ vorliegen. Diese Härte muss so gravierend sein, dass sie den öffentlichen Sicherheitsinteressen, die mit dem Fahrverbot verbunden sind, überwiegt. Der Gesetzgeber fordert hier also eine ganz besondere Notlage.
Doch der Kern liegt in der Beweislast. Sie müssen dem Gericht nicht nur von Ihrer besonderen Lage erzählen. Sie müssen diese lückenlos und unzweifelhaft beweisen. Der Artikel zeigt, dass selbst bei der Existenzgefährdung, einem sehr ernsthaften Grund, bloße Behauptungen nicht ausreichen. Richter benötigen konkrete Zahlen, Dokumente und eine detaillierte Prüfung von Alternativen. Ohne handfeste Fakten bleibt die Tür für Ausnahmen verschlossen.
Ein passender Vergleich ist der „Joker“ im Kartenspiel: Sie dürfen ihn nur einsetzen, wenn Sie wirklich keinen anderen Zug mehr haben und genau beweisen können, dass er jetzt unverzichtbar ist.
Beginnen Sie sofort damit, jede spezifische Auswirkung des Fahrverbots auf Ihre persönliche oder berufliche Situation, die über normale Unannehmlichkeiten hinausgeht, akribisch zu dokumentieren. Sammeln Sie dafür konkrete Beweismittel. Das können ärztliche Atteste sein, detaillierte Arbeitsverträge, genaue Fahrtroutennachweise oder auch Gehaltsnachweise. Ziel ist es, eine Härte zu belegen, die im Vergleich zur „Existenzgefährdung“ ebenso überzeugend wirkt und Ihre Argumentation untermauert.
Welche Rechte habe ich als Angestellter bei drohendem Fahrverbot?
Als Angestellter liegt die Beweislast für eine Existenzgefährdung bei einem drohenden Fahrverbot primär bei Ihnen selbst. Sie müssen vor Gericht konkrete Belege liefern, welche die Unverzichtbarkeit Ihrer Fahrttätigkeit für das Unternehmen und somit die Gefahr für Ihren Arbeitsplatz klar untermauern. Bloße Behauptungen reichen dafür nicht aus.
Juristen nennen das die „Darlegungs- und Beweislast“. Das bedeutet, Sie können sich bei einem Fahrverbot nicht einfach auf die drohende Arbeitsplatzvernichtung berufen. Vielmehr verlangt das Gericht von Ihnen handfeste Nachweise, die die Abhängigkeit des Unternehmens von Ihrer Fahrttätigkeit belegen. Solche Belege könnten detaillierte Bilanzen, Umsatzübersichten oder ein Nachweis des Auftragsvolumens sein. Ohne diese Zahlen bleibt Ihre Argumentation eine unbewiesene Behauptung, die das Gericht nicht überzeugen wird. Das Oberlandesgericht fordert eine lückenlose Dokumentation.
Eine weitere zentrale Herausforderung: Es geht nicht nur um Ihre persönliche Situation. Vielmehr müssen Sie nachweisen, dass das Fahrverbot nicht nur Sie, sondern auch die Existenz des gesamten Unternehmens existenziell bedroht. Das Gericht muss prüfen können, ob es zumutbare Alternativen gibt, beispielsweise die Nutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln, die Beauftragung eines Lieferdienstes oder der Einsatz anderer Mitarbeiter. Ohne diese detaillierte Prüfung wird eine Ausnahme vom Fahrverbot kaum möglich sein.
Ein passender Vergleich ist der eines Chirurgen: Nur mit präzisen Diagnosen und nachweisbaren Fakten kann er eine Ausnahme von der Regel (Fahrverbot) in Betracht ziehen. Eine vage Schilderung der Notlage reicht für den Eingriff in die Gesetzeslage nicht aus.
Handeln Sie jetzt proaktiv! Fordern Sie umgehend eine schriftliche Stellungnahme Ihres Arbeitgebers an, welche detailliert darlegt, warum Ihre Fahrttätigkeit für den Betriebsablauf unverzichtbar ist. Dokumentieren Sie präzise, welche konkreten Umsatzeinbußen drohen und welche Alternativen bereits erfolglos geprüft wurden oder schlicht nicht umsetzbar sind. Diese Belege sind Gold wert.
Was sind die ersten Schritte, um ein Fahrverbot abzuwenden?
Um ein drohendes Fahrverbot abzuwenden, legen Sie fristgerecht Einspruch gegen den Bußgeldbescheid ein. Anschließend müssen Sie sofort beginnen, alle handfesten Beweise für eine außergewöhnliche Härte zu sammeln. Bloße mündliche Schilderungen reichen vor Gericht nicht aus; stattdessen sind detaillierte Belege und eine fundierte Argumentation zu Alternativen unerlässlich, um überhaupt eine Chance auf Erfolg zu haben.
Viele Autofahrer sind zunächst schockiert, wenn der Bußgeldbescheid ins Haus flattert. Doch hier liegt Ihre erste Chance: Mit einem Einspruch eröffnen Sie den Weg zu einer gerichtlichen Prüfung. Das Gericht wird allerdings nicht einfach Ihren Schilderungen glauben. Eine Ausnahme vom Regelfahrverbot, etwa bei einer Existenzgefährdung, erfordert umfassende und lückenlose Nachweise. Dies bedeutet, Sie müssen nicht nur Ihre persönliche oder betriebliche Situation genau darlegen, sondern diese Angaben auch mit konkreten Zahlen und Fakten untermauern. Denken Sie an betriebswirtschaftliche Unterlagen wie Bilanzen oder Umsatzübersichten sowie Nachweise zu Ihrem Einkommen und Vermögen. Jede Behauptung braucht einen belastbaren Beleg.
Zudem ist es entscheidend, dass Sie detailliert aufzeigen, warum es keine zumutbaren Alternativen zu Ihrer Fahrttätigkeit gibt. Haben Sie öffentliche Verkehrsmittel, Lieferdienste oder die Einstellung eines Ersatzfahrers geprüft? Legen Sie dar, welche logistischen oder finanziellen Hürden dabei bestehen. Ohne diese akribische Vorbereitung laufen Sie Gefahr, dass Ihre Argumente vom Gericht als reine Schutzbehauptungen abgetan werden.
Ein passender Vergleich ist ein kompliziertes Puzzle: Ihnen fehlen nicht nur einige Teile, sondern auch das Deckblatt mit dem Gesamtbild. Das Gericht kann das Puzzle Ihrer Lage nicht bewerten, wenn Sie nicht alle Teile (Beweise) liefern und erklären, wie sie zusammenpassen.
Notieren Sie sich umgehend das exakte Empfangsdatum des Bußgeldbescheids. Das ist wichtig für die zweiwöchige Einspruchsfrist. Kontaktieren Sie dann ohne Zögern einen Fachanwalt für Verkehrsrecht. Diese Experten formulieren den Einspruch fristgerecht und entwickeln eine Strategie zur umfassenden Beweissicherung.
Wie nutze ich die Schonfrist für mein Fahrverbot optimal?
Um Ihr Fahrverbot optimal zu nutzen, sollten Sie die Schonfrist nach § 25 Abs. 2a StVG aktiv planen. Diese ermöglicht Ihnen als Ersttäter, den Beginn des Fahrverbots innerhalb von vier Monaten ab Rechtskraft des Urteils selbst zu wählen. Legen Sie das Fahrverbot strategisch in eine Zeit geringerer beruflicher Belastung oder privater Verpflichtungen, um die unvermeidbaren Einschränkungen erheblich zu minimieren.
Die Regelung des § 25 Abs. 2a StVG ist ein kluges Instrument. Sie wurde geschaffen, um Ersttätern eine gewisse Flexibilität zu ermöglichen, wenn ein Fahrverbot unvermeidlich wird. Anstatt das Fahrverbot sofort antreten zu müssen, haben Sie die Möglichkeit, den Startpunkt innerhalb eines Zeitfensters von vier Monaten selbst zu bestimmen. Dieser Zeitraum beginnt mit der Rechtskraft des Urteils oder des Bußgeldbescheids. So können Sie proaktiv steuern, wann Ihr Führerschein abgegeben wird. Planen Sie sorgfältig. Identifizieren Sie Phasen, in denen Sie Ihr Fahrzeug am wenigsten benötigen. Denken Sie an Urlaubszeiten, Zeiten mit geringerer Auftragslage im Job oder wenn Familienmitglieder Sie unterstützen können.
Denken Sie an die Organisation eines Umzugs: Niemand würde ihn blindlings planen, ohne den günstigsten Zeitpunkt für alle Beteiligten zu prüfen. So ähnlich verhält es sich mit der Schonfrist; sie bietet Ihnen die Chance, den „Umzug“ Ihres Fahrverbots vorausschauend zu managen, anstatt von ihm überrascht zu werden.
Nehmen Sie sich umgehend Ihren privaten und beruflichen Terminkalender für die nächsten sechs Monate vor. Markieren Sie bewusst Zeiträume, in denen Ihre Mobilität am wenigsten eingeschränkt wäre. Prüfen Sie gleichzeitig, ob Sie als Ersttäter diese wertvolle Schonfrist überhaupt in Anspruch nehmen dürfen. Manchmal ist ein Anruf beim Anwalt Gold wert, um die Formalitäten zu klären und keine Fehler zu machen.
Wie kann ich Beweise für eine Existenzgefährdung präventiv sichern?
Präventiv sichern Sie Beweise für eine Existenzgefährdung, indem Sie kontinuierlich detaillierte betriebswirtschaftliche Unterlagen führen und logistische Abläufe dokumentieren. So können Sie im Falle eines Fahrverbots die Unabdingbarkeit Ihrer Fahrttätigkeit lückenlos belegen und einer drohenden Existenzgefährdung effektiv entgegentreten. Dies ist der Schlüssel.
Die Regel lautet: Ein Fahrverbot ist eine Standard-Sanktion bei schwerwiegenden Verkehrsverstößen. Nur eine „außergewöhnliche Härte“ kann hier eine Ausnahme rechtfertigen. Richter verlangen handfeste Fakten. Konkret bedeutet das: Sie müssen jederzeit die wirtschaftliche Lage Ihres Betriebs transparent machen. Bilanzen, Umsatzübersichten, Gewinn- und Verlustrechnungen oder Einkommensnachweise sollten immer aktuell und griffbereit sein. Ohne diese Zahlen bleibt jede Behauptung einer drohenden Pleite reine Schutzbehauptung.
Ebenso wichtig ist die präzise Dokumentation Ihrer logistischen Abläufe. Führen Sie genaue Aufzeichnungen über Fahrtrouten, Kundenbesuche und Lieferketten. So lässt sich die Unverzichtbarkeit Ihrer Fahrttätigkeit nachweisen. Gleichzeitig müssen Sie Alternativen zum eigenen Fahren detailliert prüfen. Erforschen Sie, ob öffentliche Verkehrsmittel, Lieferdienste oder ein Ersatzfahrer praktikabel wären. Und belegen Sie, warum diese in Ihrem speziellen Fall unzumutbar oder unmöglich sind – inklusive der damit verbundenen Kosten.
Ein passender Vergleich ist ein kompliziertes Puzzle. Wenn Sie dem Gericht nur einzelne Puzzleteile vorlegen, ohne das Gesamtbild zu zeigen, wird es die wahre Dramatik Ihrer Lage nicht erfassen. Ihre Beweise müssen lückenlos das vollständige Bild Ihrer drohenden Existenzgefährdung zeichnen, nicht nur vage Beschreibungen liefern.
Handeln Sie proaktiv: Legen Sie noch heute eine separate digitale oder physische Akte an. Nennen Sie diese Ihren „Fahrverbot-Notfallplan“. Hinterlegen Sie dort akribisch alle aktuellen betriebswirtschaftlichen Kennzahlen, wie Bilanzen und Umsatzübersichten. Fügen Sie Arbeitsverträge von Schlüsselpersonal und eine schematische Darstellung Ihrer typischen Liefer- und Kundenakquiserouten bei. So sind Sie im Ernstfall bestens vorbereitet.
Hinweis: Bitte beachten Sie, dass die Beantwortung der FAQ Fragen keine individuelle Rechtsberatung darstellt und ersetzen kann. Alle Angaben im gesamten Artikel sind ohne Gewähr. Haben Sie einen ähnlichen Fall und konkrete Fragen oder Anliegen? Zögern Sie nicht, uns zu kontaktieren. Wir klären Ihre individuelle Situation und die aktuelle Rechtslage.
Glossar – Fachbegriffe kurz erklärt
Beweislast
Wenn Juristen von der Beweislast sprechen, meinen sie die Pflicht einer Partei im Gerichtsverfahren, Tatsachen zu beweisen, die für sie günstig sind. Dieses Prinzip stellt sicher, dass jede Seite die für ihre Argumentation notwendigen Fakten vorlegen muss. Das Gericht kann nur auf der Grundlage nachgewiesener Tatsachen eine faire Entscheidung treffen, wodurch Rechtssicherheit und die Überprüfbarkeit von Urteilen gefördert werden.
Beispiel: Der Außendienstmitarbeiter musste die Beweislast tragen, um seine drohende Existenzgefährdung vor Gericht lückenlos zu belegen und so das Fahrverbot abzuwenden.
Existenzgefährdung (als Härtefall)
Eine Existenzgefährdung beschreibt im Rechtskontext eine so gravierende Bedrohung der wirtschaftlichen Existenz einer Person oder eines Unternehmens, dass sie unter bestimmten Umständen als außergewöhnlicher Härtefall anerkannt werden kann. Dieses Konzept erlaubt dem Richter, in extremen Ausnahmefällen von einer an sich vorgesehenen Strafe abzuweichen, wenn die Folgen für den Betroffenen unverhältnismäßig schwerwiegend wären. Das Gesetz versucht hier, zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sanktion und der Vermeidung untragbarer individueller Härten abzuwägen.
Beispiel: Die behauptete Existenzgefährdung des Familienbetriebs durch das Fahrverbot wurde vom Oberlandesgericht nicht als ausreichender Härtefall anerkannt, da handfeste Belege fehlten.
Protokollurteil
Ein Protokollurteil ist eine Sonderform der Urteilsverkündung, bei der die Entscheidungsformel direkt im Sitzungsprotokoll festgehalten wird, zunächst ohne schriftliche Begründung. Diese Vorgehensweise dient der Verfahrensbeschleunigung in bestimmten Fällen, meist wenn die Sach- und Rechtslage klar ist und keine Notwendigkeit für eine ausführliche schriftliche Darlegung der Gründe gesehen wird. Es ist ein Instrument, um kleinere Fälle effizienter zu bearbeiten.
Beispiel: Die Staatsanwaltschaft bemängelte, dass das Amtsgericht zunächst nur ein Protokollurteil zugestellt hatte, obwohl sie eine Begründung beantragt hatte.
Rechtsbeschwerde
Als Rechtsbeschwerde bezeichnen Juristen ein spezielles Rechtsmittel im Ordnungswidrigkeitenrecht, mit dem man Entscheidungen der Amtsgerichte durch eine höhere Instanz, meist das Oberlandesgericht, auf Rechtsfehler überprüfen lassen kann. Dieses Rechtsmittel ermöglicht es, Fehler in der Rechtsanwendung zu korrigieren und eine einheitliche Rechtsprechung sicherzustellen. Es ist dabei nicht die erneute Sachprüfung das Ziel, sondern die Klärung, ob das Gesetz korrekt angewendet wurde.
Beispiel: Die Staatsanwaltschaft legte Rechtsbeschwerde gegen die Entscheidung des Amtsgerichts ein, um den Wegfall des Fahrverbots zu kippen.
Regel-Sanktion
Eine Regel-Sanktion ist im juristischen Sprachgebrauch eine Strafe oder Maßnahme, die bei einem bestimmten Vergehen im Regelfall und ohne besondere Umstände verhängt wird, wie es beispielsweise im Bußgeldkatalog festgelegt ist. Der Gesetzgeber schafft damit eine klare und vorhersehbare Konsequenz für bestimmte Rechtsverstöße, was der Rechtssicherheit und der Generalprävention dient. Nur bei Vorliegen einer „außergewöhnlichen Härte“ kann von dieser Regel abgewichen werden.
Beispiel: Das Fahrverbot ist eine Regel-Sanktion bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung von 33 km/h innerorts, von der nur in Ausnahmefällen abgesehen werden kann.
Schonfristregelung (§ 25 Abs. 2a StVG)
Die Schonfristregelung nach § 25 Abs. 2a StVG bietet Ersttätern die Möglichkeit, den Beginn eines Fahrverbots innerhalb eines Zeitraums von vier Monaten selbst festzulegen. Diese Vorschrift soll es Betroffenen erleichtern, die Auswirkungen des Fahrverbots zu minimieren, indem sie den Antritt in eine für sie beruflich oder privat günstigere Zeit legen können. Sie schafft eine Flexibilität, die ansonsten bei einem sofortigen Beginn nicht gegeben wäre.
Beispiel: Der Außendienstmitarbeiter hätte die Schonfristregelung nutzen können, um das Fahrverbot in eine Zeit geringerer beruflicher Belastung zu legen.
Urteilsgründe
Urteilsgründe sind die schriftliche Darlegung der Argumente und Erwägungen, auf denen eine gerichtliche Entscheidung, wie ein Urteil, beruht. Sie ermöglichen es den Parteien und höheren Gerichten, die Entscheidung des Richters nachzuvollziehen und auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen. Die Begründungspflicht dient der Kontrolle der Justiz und der Rechtssicherheit.
Beispiel: Die nachträglich nachgeschobenen Urteilsgründe des Amtsgerichts waren für die Staatsanwaltschaft zunächst unwirksam, da sie eine Begründung bereits vor der Verhandlung beantragt hatte.
Das vorliegende Urteil
OLG Karlsruhe – Az.: 1 ORbs 340 SsBs 403/25 – Beschluss vom 09.09.2025
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