Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg – Az.: 1 S 2283/20 – Urteil vom 24.02.2022
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30.07.2019 – 8 K 1270/19 – aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen trägt der Kläger.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Beklagte wendet sich im Berufungsverfahren gegen die erstinstanzliche Aufhebung eines Kostenbescheides für eine Abschleppmaßnahme.
Am 08.07.2018 gegen 05.10 Uhr führte der Kläger in Begleitung seines Bruders ein Kraftfahrzeug auf der Heilbronner Straße (B 27) in Stuttgart in nördlicher Fahrtrichtung, wo er von Beamten des Polizeivollzugsdienstes kurz vor der Mia-Seeger-Straße angehalten und kontrolliert wurde. Laut polizeilichem Bericht stellten die Beamten zunächst deutlichen Alkoholgeruch aus dem Fahrzeuginneren und sodann außerhalb des Fahrzeuges in der Atemluft, glasige Augen, zittrige Finger und einen leicht schwankenden Gang des Klägers fest. Einen angebotenen Atemalkoholtest lehnte der Kläger ab. Daraufhin untersagten die Polizeibeamten dem Kläger die Weiterfahrt und ordneten eine Blutentnahme an. Das ärztliche Protokoll für die Blutentnahme um 05.45 Uhr stellt keine äußeren Anzeichen für einen Alkoholeinfluss des Klägers fest. Der Blutalkoholbefund des Robert-Bosch-Krankenhauses vom 10.07.2018 weist keine Blutalkoholkonzentration aus, da die Messwerte nach verschiedenen Verfahren unterhalb einer Konzentration von 0,02 ‰ und 0,08 ‰ lagen.
Das klägerische Fahrzeug war bei der Verkehrskontrolle auf dem rechten Fahrstreifen der Heilbronner Straße abgestellt worden. Nach Einschätzung der Polizeibeamten konnte es dort nicht verkehrssicher stehen bleiben und der Kläger selbst das Fahrzeug nicht bewegen, da er im Verdacht stand, alkoholbedingt fahruntüchtig zu sein. Sie beauftragten daher die … mit der Versetzung des Fahrzeuges an den Standort Mia-Seeger-Str./Wartbergstraße. Das Unternehmen stellte der Polizei hierfür einen Betrag von 140,00 Euro in Rechnung.
Mit Bescheid vom 11.09.2018 forderte das Polizeipräsidium Stuttgart von dem Kläger die Abschleppkosten in Höhe von 140,00 Euro, eine Aufwandsgebühr für eigene Aufwendungen für die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme nach § 8 PolG i.V.m. Nr. 15.6 des Gebührenverzeichnisses der Verordnung des Innenministeriums über die Festsetzung der Gebührensätze für öffentliche Leistungen der staatlichen Behörden für den Geschäftsbereich des Innenministeriums vom 12.07.2011 (GebVerz IM) in Höhe von 48,00 Euro und eine allgemeine Verwaltungsgebühr nach Nr. 2 GebVerz IM in Höhe von 30,00 Euro.
Gegen die Entscheidung erhob der Kläger am 06.10.2018 Widerspruch, den er damit begründete, dass die Abschleppmaßnahme unrechtmäßig gewesen sei. Die Annahme, dass er nicht in der Lage gewesen sei, das Fahrzeug sicher zu führen, habe sich im Nachhinein aufgrund der geringen Blutalkoholkonzentration von 0,08 ‰ als falsch erwiesen. Das von der Staatsanwaltschaft Stuttgart gegen ihn eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Trunkenheit im Verkehr – 71 Js 78855/18 – sei deshalb eingestellt worden. Zudem sei ihm gesagt worden, dass er die Kosten für das Abschleppen nur dann zu zahlen habe, wenn der maßgebliche Grenzwert überschritten werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2019 wies das Polizeipräsidium Stuttgart den Widerspruch des Klägers zurück, legte diesem die Kosten des Widerspruchsverfahrens auf und setzte eine Widerspruchsgebühr von 170,00 Euro fest. Zur Begründung führte die Behörde an, dass das Parken des Fahrzeugs auf dem zweiten Fahrstreifen der Heilbronner Straße anlässlich der Verkehrskontrolle einen verkehrswidrigen Zustand geschaffen und damit die öffentliche Sicherheit gestört habe. Die Polizei habe für den Kläger tätig werden und ein Abschleppunternehmen beauftragen müssen. Dass sich der Verdacht einer Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB nachträglich als nicht begründet herausgestellt habe, sei unerheblich. Denn der Kläger habe die kostenintensive Standortveränderung durch sein Verhalten und die Weigerung, an einem Alkoholtest teilzunehmen, selbst verursacht. Es wäre unbillig, die Abschleppkosten der Allgemeinheit aufzuerlegen.
Am 22.02.2019 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung hat er auf sein Vorbringen im Widerspruchsverfahren Bezug genommen und ergänzt: Er bestreite nicht, dass eine Störung vorgelegen habe. Jedoch sei die Beauftragung eines Abschleppunternehmens nicht erforderlich und damit verhältnismäßig gewesen. Ein milderes Mittel hätte darin gelegen, dass einer der Polizeibeamten vor Ort das Fahrzeug auf einen freien Parkplatz in unmittelbarer Nähe fahren hätte können. Hiermit wären keine weiteren Kosten verursacht worden. Zudem sei er nicht verpflichtet gewesen, an einem Atemalkoholtest mitzuwirken.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er hat auf die Begründung des Widerspruchsbescheides verwiesen und ergänzt: Die von dem Kläger als alternative Maßnahme angeführte Standortveränderung durch einen Polizeibeamten scheide wegen des hiermit verbundenen Haftungsrisikos aus. Die Beamten seien von dem Polizeipräsidium aufgrund schlechter Erfahrungen entsprechend angewiesen.
Mit Urteil vom 30.07.2019 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid des Polizeipräsidiums Stuttgart vom 11.09.2018 und den Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 23.01.2019 aufgehoben.
Es hat seine Entscheidung damit begründet, dass die Untersagung der Weiterfahrt gegenüber dem Kläger rechtswidrig gewesen sei. Der Kläger habe im Zeitpunkt der Verkehrskontrolle eine Blutalkoholkonzentration von nur 0,08 ‰ aufgewiesen. Aus der maßgeblichen ex ante-Sicht der Polizeibeamten habe danach bei objektiver Betrachtung zwar möglicherweise die Anscheinsgefahr einer Fahrt unter geringem Alkoholeinfluss vorgelegen, die den Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 1 StVG erfüllte, nicht aber einer Trunkenheitsfahrt nach § 316 StGB. Die relative Fahruntüchtigkeit im Sinne des § 316 StGB setzte bei geringerer Blutalkoholkonzentration zusätzliche Tatsachen voraus, die eine alkoholbedingte Fahrunsicherheit belegten. Derartige Ausfallerscheinungen des Klägers ließen sich dem Polizeibericht nicht entnehmen. Zu Alkoholgeruch könne es bereits bei Konsum nur geringer Mengen Alkohol kommen. Glasige Augen, zittrige Finger und leichtes Schwanken könnten Folgen der ungewohnten Situation einer Polizeikontrolle sein und auch sonst vielfältige Ursachen haben. Schließlich könne auch die Weigerung des Klägers, einen Atemalkoholtest durchzuführen, nicht als Indiz für seine Fahruntüchtigkeit herangezogen werden. Danach wäre es dem Kläger selbst möglich gewesen, sein Fahrzeug ordnungsgemäß in einer Seitenstraße abzustellen. Um Gefahren für die Sicherheit des Straßenverkehrs auszuschließen, hätten die Polizeibeamten den Kläger im Schritttempo mit zwei Dienstfahrzeugen begleiten können. Ungeachtet dessen sei der Kläger auch bei unterstellter Rechtmäßigkeit der Maßnahme nicht zum Ersatz der Abschleppkosten verpflichtet. Denn für die Anforderung der Kosten sei anders als auf der primären Ebene der Gefahrenabwehr eine ex post-Betrachtung geboten. Stelle sich – wie hier – im Nachhinein heraus, dass der Anscheinsstörer die beseitigte Gefahr nicht veranlasst habe, dürfe er nicht für die Kosten des Einsatzes in Anspruch genommen werden. Der Kläger habe die Annahme seiner Fahruntüchtigkeit durch die Polizeibeamten nicht veranlasst, denn er habe versichert, keinen Alkohol getrunken zu haben, und keine Ausfallerscheinungen gezeigt.
Mit Beschluss vom 28.07.2020 hat der Senat die Berufung gegen das Urteil zugelassen.
Der Beklagte begründet seine Berufung damit, dass die von dem Verwaltungsgericht angenommene Standortveränderung des Fahrzeuges durch den Kläger ausscheide, da die Bewegung eines Fahrzeuges durch eine Person unter nicht geklärtem Alkoholeinfluss eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und eine entsprechende Aufforderung der Polizeibeamten eine Anstiftung zu einer Trunkenheitsfahrt dargestellt hätten. Zu Unrecht mache das Verwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit des polizeilichen Einschreitens zur Gefahrenabwehr von den tatbestandlichen Voraussetzungen des Straftatbestandes des § 316 StGB abhängig; Ziel des polizeirechtlichen Tätigwerdens sei aber die Verhinderung einer Straftat. Zudem hätte bei der von der erstinstanzlichen Entscheidung erwogenen polizeilichen Begleitfahrt nicht ausgeschlossen werden können, dass es währenddessen aufgrund der angenommenen Fahruntüchtigkeit zu einer Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer oder einem Fluchtversuch des Klägers gekommen wäre. Die Inanspruchnahme des Klägers für die Kosten der Abschleppmaßnahme sei bei ex post-Betrachtung gerechtfertigt. Denn der Kläger habe sich nicht kooperativ gezeigt. Er habe nichts unternommen, um den Verdacht einer Trunkenheitsfahrt aus der Welt zu schaffen. Dies wäre ihm mit dem angebotenen Atemalkoholtest jedoch unschwer möglich gewesen. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts sei die bloße Angabe des Klägers, keinen Alkohol getrunken zu haben, nicht geeignet gewesen, ihn zu entlasten. Denn sie habe sich angesichts der weiteren Begleitumstände, namentlich des festgestellten Alkoholgeruches, als unglaubhaft dargestellt.
Der Beklagte beantragt, das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 30.07.2019 – 8 K 1270/19 – abzuändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Er hat im Berufungsverfahren, gestützt auf das von ihm vorgelegte Protokoll und den Befund der Blutentnahme, bestritten, dass anlässlich der Verkehrskontrolle bei ihm ein Alkoholgeruch festgestellt hätte werden können.
Der Senat hat Beweis erhoben zu dem tatsächlichen Ablauf der polizeilichen Verkehrskontrolle des Klägers am 08.07.2018, 05.10 Uhr, auf der Heilbronner Straße, Stuttgart, durch die Vernehmung des Polizeikommissars … und der Polizeioberkommissarin … als Zeugen; der Kläger ist hierzu persönlich angehört worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift (SN-Anlage) Bezug genommen. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streitakte, die Verfahrensakte des Verwaltungsgerichts und den beigezogenen Verwaltungsvorgang des Polizeipräsidiums Stuttgart (1 Heft) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet ohne Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung. Der am 28.02.2022 bei Gericht eingegangene Schriftsatz des Klägers bietet hierzu keinen Anlass. Die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung steht gemäß § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO im Ermessen des Gerichts. Die Gewährleistung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) oder die Erfüllung der gerichtlichen Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) können dieses Ermessen allerdings zu einer Verpflichtung zur Wiedereröffnung verdichten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.07.2017 – 4 BN 9/17 -, juris Rn. 3; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 15.12.2016 – 2 S 2506/14 -, juris Rn. 19). Nachgereichte Schriftsätze erzwingen indes nur dann eine Wiedereröffnung, wenn das Gericht ihnen wesentlich neues Vorbringen entnimmt, auf das es seine Entscheidung stützen will (BVerwG, Beschl. v. 16.02.2016 – 10 BN 4.15 -, juris Rn. 11). Dies ist hier nicht der Fall. Die mit dem Schriftsatz vom 28.02.2022 übersandte (undatierte) Stellungnahme des Bruders des Klägers … bestätigt, soweit entscheidungserheblich, im Wesentlichen die Angaben, die der Kläger selbst schon in der mündlichen Verhandlung gemacht hat. Soweit der Bruder des Klägers erstmalig erwähnt, dass er das klägerische Fahrzeug am 08.07.2018 nicht von der Heilbronner Straße habe fahren können, da er seine Brille nicht bei sich geführt habe, entspricht dies der von dem Senat bereits nach Würdigung der Beweisaufnahme gewonnenen Überzeugung, dass er mit der Ablehnung des entsprechenden Angebotes der Polizeibeamten zum Ausdruck bringen wollte, hierzu nicht in der Lage zu sein (vgl. I. 1. c), cc)).
Die nach Zulassung durch den Senat statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet. Das Verwaltungsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Unrecht stattgegeben. Denn die zulässige, insbesondere nach § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO statthafte Anfechtungsklage ist unbegründet.
Der Kostenbescheid des Polizeipräsidiums Stuttgart vom 11.09.2018 und der Widerspruchsbescheid derselben Behörde vom 23.01.2019 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Heranziehung des Klägers als Kostenpflichtiger für die Abschleppmaßnahme am 08.07.2018 ist weder dem Grunde (I.) noch der Höhe nach (II.) rechtlich zu beanstanden.
I. Rechtsgrundlage des Kostenbescheids ist § 8 Abs. 2 Satz 1 PolG.
Danach sind die in den §§ 6 und 7 PolG bezeichneten Personen zum Ersatz derjenigen Kosten verpflichtet, welche der Polizei durch die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme nach § 8 Abs. 1 Satz 1 PolG entstanden sind. Die Pflicht zur Erstattung der Kosten setzt voraus, dass die von der Polizei im Wege der unmittelbaren Ausführung getroffene Maßnahme rechtmäßig war (vgl. Senat, Urt. v. 23.10.1972 – I 1107/71 -, ESVGH 23, 34 f.;Urt. v. 30.11.2010 – 1 S 1120/10 -, juris Rn. 20; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 08.02.1993 – 8 S 515/92 -, juris Rn. 35; BeckOK PolR BW/Kastner, 22. Ed. 17.1.2021, BWPolG § 8 Rn. 29; Ruder, PolR BW, 8. Aufl., Rn. 344 und 906; Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Aufl., Rn. 703; Würtenberger/Heckmann, PolR BW, 6. Aufl., Rn. 911;Wolf/Stephan/Deger, PolG BW, 6. Aufl., § 8 Rn. 32), und die Behörde das Ermessen, welches ihr – abweichend von dem Wortlaut der Vorschrift – bei der Entscheidung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 PolG zukommt, ob sie den Störer zum Ersatz der Kosten heranzieht (vgl. Senat, Urt. v. 17.09.1990 – 1 S 2805/89 -, NJW 1991, 1698; Urt. v. 11.06.1991 – 1 S 2967/90 -, juris Rn. 17; Urt. v. 30.11.2010 – 1 S 1120/10 -, juris Rn. 30; Wolf/Stephan/Deger, PolG BW, § 8 Rn. 27; s.a. Würtenberger/Heckmann, PolR BW, 6. Aufl., Rn. 804), fehlerfrei ausgeübt hat.
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.
1. Die in der Entfernung des auf der rechten Fahrspur der Heilbronner Straße abgestellten Fahrzeuges ohne vorherige Anordnung gegenüber dem Kläger liegende unmittelbare Ausführung der Abschleppmaßnahme, für die nach § 60 Abs. 2 PolG in der zum maßgeblichen Zeitpunkt des polizeilichen Einschreitens geltenden Fassung (a.F.) der Polizeivollzugsdienst zuständig war, da an einem frühen Sonntagmorgen nicht von der Erreichbarkeit der Ortspolizeibehörde ausgegangen werden konnte und ein sofortiges Tätigwerden erforderlich erschien, war rechtmäßig.
Die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme durch die Polizei ist nach § 8 Abs. 1 Satz 1 PolG BW zulässig, wenn der polizeiliche Zweck durch Maßnahmen gegen die in den §§ 6 und 7 PolG bezeichneten Personen, die sich bei inzidenter Prüfung als rechtmäßig erweisen (vgl. BeckOK PolR BW/Kastner, 22. Ed. 17.1.2021, BWPolG § 8 Rn. 5; Ruder, PolR BW, 8. Aufl., Rn. 338; Würtenberger/Heckmann, PolR BW, 6. Aufl., Rn. 798), nicht oder nicht rechtzeitig erreicht werden kann. Dies war hier der Fall. Die (fiktive) Anordnung gegenüber dem Kläger, das Fahrzeug wegzufahren, wäre rechtmäßig gewesen (a). Die unverzügliche Entfernung des Fahrzeuges durch den Kläger selbst war indes rechtlich unmöglich (b). Die Polizei hat sich ermessensfehlerfrei für die Beauftragung eines privaten Abschleppunternehmens mit der Durchführung entschieden (c).
a) Die (fiktive) polizeiliche Anordnung, das abgestellte Fahrzeug zu entfernen, stellte sich auf der Grundlage der polizeirechtlichen Generalklausel (§ 3 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG) als rechtmäßig dar.
§ 3 i.V.m. § 1 Abs. 1 Satz 1 PolG befugt die Polizei, die Maßnahmen zu treffen, die ihr nach pflichtmäßigem Ermessen erforderlich erscheinen, um eine eingetretene Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung zu beseitigen oder eine drohende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Der Begriff der öffentlichen Sicherheit umfasst die Unverletzlichkeit der Normen der geschriebenen Rechtsordnung, die privaten Rechte und Rechtsgüter des Einzelnen und den Bestand und die Funktionsfähigkeit des Staates und seiner Einrichtungen (st. Rspr.; vgl. BVerwG, Urt. v. 28.02.2012 – 6 C 12.11 -, juris Rn. 23; BeckOK PolR BW/Trurnit, 22. Ed. 17.1.2021, BWPolG § 1 Rn. 32 m.w.N.; Graulich, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 7. Aufl. 2021, E Rn. 89).
aa) Danach stand hier eine Störung der öffentlichen Sicherheit jedenfalls unmittelbar bevor. Das in dem nicht nur vorübergehenden Abstellen des Fahrzeuges liegende (vgl. § 12 Abs. 2 StVO), nach den Feststellungen der Polizeibeamten vor Ort verkehrsbehindernde Parken auf der rechten Fahrbahn der Bundesstraße 27 verstieß – mangels weiterer tatsächlicher Feststellungen etwa zu dem genauen Standort und möglichen Halte- oder Parkverboten – zumindest gegen § 12 Abs. 4 Satz 1 StVO, wonach zum Parken der rechte Seitenstreifen zu benutzen oder, wenn dieser nicht ausreichend befestigt ist, an den rechten Fahrbahnrand heranzufahren ist, sowie gegen § 1 Abs. 2 StVO, wonach, wer am Verkehr teilnimmt, sich so zu verhalten hat, dass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Diese Sachverhalte erfüllten den objektiven Tatbestand einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 24 Abs. 1 StVG i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 12 StVO.
bb) Die Polizei hat sich ermessensfehlerfrei für eine Entfernung des Fahrzeuges von der Fahrbahn entschieden. Die Beseitigung des Fahrzeuges war verhältnismäßig im Sinne des § 5 PolG; sie war geeignet, erforderlich und angemessen, um die von dem parkenden Fahrzeug ausgehende Gefährdung der Straßenverkehrssicherheit zu beenden.
b) Eine an den anwesenden Kläger gerichtete Aufforderung, das Fahrzeug auf einen Parkplatz in einer Seitenstraße der Heilbronner Straße zu fahren, war keine geeignete Maßnahme, um die von dem parkenden Fahrzeug unmittelbar drohende konkrete Gefahr für andere Verkehrsteilnehmer zu beseitigen.
aa) Die unmittelbare Ausführung einer Maßnahme setzt nach § 8 Abs. 1 Satz 1 PolG voraus, dass die Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung nicht oder nicht rechtzeitig durch Maßnahmen gegenüber dem Verhaltensstörer (§ 6 PolG) oder Zustandsstörer (§ 7 PolG) abgewehrt werden kann. In der Praxis wird dies regelmäßig der Fall sein, wenn der Verantwortliche nicht (vor Ort) erreichbar ist und deshalb als Adressat einer polizeirechtlichen Anordnung ausscheidet. Nach dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinn und Zweck einer effektiven Gefahrenabwehr ist eine Maßnahme aber auch gegenüber einem anwesenden Störer nicht oder nicht rechtzeitig möglich im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 1 PolG, wenn das zur Abwehr der konkreten Gefahr nach polizeilicher Einschätzung erforderliche Verhalten dem potentiellen Adressaten rechtlich oder tatsächlich nicht möglich ist (vgl. VG Karlsruhe, Urt. v. 20.10.2011 – 9 K 2215/10 -, juris Rn. 21; BeckOK PolR BW/Kastner, 22. Ed. 17.1.2021, BWPolG § 8 Rn. 18, s.a. Rn. 5; Stephan/Deger, PolG BW, 6. Aufl., § 8 Rn. 13 m.w.N.; Würtenberger/Heckmann, PolR BW, 6. Aufl., Rn. 799; s.a. Schenke/Graulich/Ruthig/Wolf-Rüdiger Schenke, 2. Aufl. 2018, BPolG § 19 Rn. 8 f.), oder der Verhaltens- oder Zustandsstörer bei besonderer Eilbedürftigkeit erkennbar nicht willens ist, die Störung zu beseitigen (vgl. VGH Bad.-Württ., Urt. v. 11.10.1985 – 5 S 1738/85 -, NVwZ 1986, 325 <326>).
bb) Gemessen an diesen Anforderungen ist die Polizei zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger, der als Halter und Eigentümer des Fahrzeuges Zustandsstörer im Sinne des § 7 PolG und als derjenige, der das Fahrzeug abgestellt hatte, Verhaltensstörer im Sinne des § 6 Abs. 1 PolG war, im maßgeblichen Zeitpunkt ihres Tätigwerdens als geeigneter Adressat eines Wegfahrgebotes ausschied.
(1) Die Tauglichkeit einer Maßnahme zur Gefahrenabwehr beurteilt sich aus der ex ante-Sicht der handelnden Beamten; maßgeblich sind die bei Anordnung der Maßnahme erkennbaren Tatsachen und vorhandenen Erkenntnisse (vgl. Senat, Urt. v. 28.08.1986 – 1 S 3241/85 -, DVBl 1987, 153 <154>; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 21.03.2016 – 10 S 1901/15 -, juris Rn 8; BeckOK PolR BW/Kastner, 22. Ed. 17.1.2021, BWPolG § 5 Rn. 23;Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Aufl., Rn. 333; Würtenberger/Heckmann, PolR BW, 6. Aufl., Rn. 523). Nicht geeignet ist eine Maßnahme, die – objektiv oder subjektiv – tatsächlich oder rechtlich unmöglich ist (BeckOK PolR BW/Kastner, 22. Ed. 17.1.2021, BWPolG § 5 Rn. 24; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, § 10 Rn. 18 und 20; Ruder, PolR BW, 8. Aufl., Rn. 298;Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 5. Aufl., Rn. 333; Würtenberger/Heckmann, PolR BW, 6. Aufl., Rn. 524). Eine Anordnung, die dem Polizeipflichtigen eine Verpflichtung auferlegt, die dieser aus Rechtsgründen nicht erfüllen kann, ohne dass sich das rechtliche Hindernis rechtzeitig ausräumen ließe, ist regelmäßig rechtswidrig (vgl. HambOVG, Urt. v. 01.1.1992 – Bf VI 29/91 -, juris Rn. 54 m.w.N.;Würtenberger/Heckmann, PolR BW, 6. Aufl., Rn. 524). Ein Verwaltungsakt, der die Begehung einer rechtswidrigen Tat verlangt, die einen Straf- oder Bußgeldtatbestand verwirklicht, ist gemäß § 44 Abs. 2 Nr. 5 LVwVfG nichtig.
(2) Danach sind die Polizeibeamten vor Ort im Zeitpunkt ihres Einschreitens aus der maßgeblichen ex ante-Perspektive in nicht zu beanstandender Weise zu der Einschätzung gelangt, dass dem Kläger eine Weiterfahrt mit dem Fahrzeug rechtlich unmöglich war, da er sich hiermit einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a Abs. 1 StVG oder einer strafbaren Trunkenheit im Straßenverkehr gemäß § 316 StGB schuldig gemacht hätte.
Gemäß § 24a Abs. 1 StVG handelt ordnungswidrig, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 ‰ oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalkoholkonzentration führt. Den Straftatbestand des § 316 StGB erfüllt, wer vorsätzlich oder fahrlässig im Verkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Kraftfahrer ab einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 ‰ absolut fahruntüchtig (vgl. nur BGH, Beschl. v. 28.06.1990 – 4 StR 297/90 -, juris; MüKoStGB/Pegel, 3. Aufl. 2019, StGB § 316 Rn. 37). Relative Fahruntüchtigkeit ist gegeben, wenn die Blutalkoholkonzentration unter 1,1 ‰ liegt, bei umfassender Gesamtwürdigung jedoch aufgrund zusätzlicher Tatsachen -insbesondere durch den Alkoholkonsum wenigstens mitverursachter konkreter äußerer Ausfallerscheinungen, die nicht das Fahrverhalten selbst betreffen müssen – der Nachweis alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit geführt werden kann (vgl. BGH, Beschl. v. 02.03.2021 – 4 StR 366/20 -, juris Rn. 10; MüKoStGB/Pegel, 3. Aufl. 2019, StGB § 316 Rn. 53, 56).
Zutreffend haben die handelnden Polizeibeamten nach einer Würdigung der sich im Zeitpunkt ihres Tätigwerdens offenbarenden Gesamtumstände auf der Grundlage ihrer Einsatzerfahrung die Prognose getroffen, dass bei Fortsetzung der Fahrt durch den Kläger die nicht nur vage, sondern auf gesicherte tatsächliche Anhaltspunkte gestützte konkrete Wahrscheinlichkeit der Begehung einer Ordnungswidrigkeit oder Straftat bestand. An die Wahrscheinlichkeit des prognostizierten Schadenseintritts waren hierbei angesichts der im Falle einer Trunkenheitsfahrt gefährdeten besonders schutzwürdigen Rechtsgüter anderer Verkehrsteilnehmer keine zu hohen Anforderungen zu stellen (vgl. Senat, Beschl. v. 05.08.2021 – 1 S 1894/21 -, juris Rn. 128 m.w.N.; BVerwG, Urt. v. 26.06.1970 – IV C 99.67 -, juris Rn. 15; Urt. v. 03.07.2002 – 6 CN 8.01 -, juris Rn. 41; BayVGH, Beschl. v. 01.02.2016 – 10 CS 15.2689 -, juris Rn. 18 für die Verhinderung einer Straftat). Diese reduzierten Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts waren hier nach Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Senats (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) erfüllt.
Nach Würdigung der Ergebnisse der Vernehmung der Zeugen xxxxxx und xx-xxxx, der Anhörung des Klägers und des Inhalts der Akten geht der Senat davon aus, dass der Kläger bei der Verkehrskontrolle am 08.07.2018 um 05.10 Uhr glasige Augen und zittrige Finger hatte, sich von Beginn an und fortgesetzt sehr aufgeregt und unkooperativ zeigte und in seiner Umgebungsluft Alkohol wahrgenommen werden konnte.
Die von den Zeugen …. und … übereinstimmend geschilderte Wahrnehmung glasiger Augen (S. 2 und 6 SN-Anlage) ist von dem Kläger nicht ausdrücklich bestritten worden. Vielmehr hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung lediglich erklärt, hierzu nichts sagen zu können, da er selbst seine Augen in jenem Moment nicht habe sehen können (S. 1 SN-Anlage). Gleiches gilt für die in dem Polizeibericht vom 08.07.2018 festgestellten zittrigen Finger. Auch insoweit hat der Kläger nur angegeben, dass er hiervon nichts wisse (S. 1 SN-Anlage). Zudem konnte bei dem Kläger in der Kontrollsituation ein unsicherer Gang beobachtet werden. Zwar hat der Kläger dies bestritten (S. 1 SN-Anlage). Die abweichende Schilderung der Zeugen … und … erscheint dem Senat indes glaubhaft. Übereinstimmend und im Einklang mit dem Inhalt des Polizeiberichts vom 08.07.2018 haben die Zeugen in der mündlichen Verhandlung konkret erläutert, dass sie diese Feststellung trafen, als der Kläger sich um das Fahrzeug herum zu dem Kofferraum begab, um die von dem Kraftfahrzeugführer mitzuführenden Gegenstände (Warndreieck, Verbandskasten) zu zeigen (S. 2 und 7 SN-Anlage). Anschaulich hat die Zeugin … bei ihrer Vernehmung von einem „wackligen“ Gang gesprochen (S. 7 SN-Anlage).
Der Senat ist weiter davon überzeugt, dass die Polizeibeamten in der Umgebungsluft des Klägers einen Alkoholgeruch feststellen konnten. Die entsprechenden Angaben der Zeugen … und … erweisen sich jedenfalls in ihrem Kern als glaubhaft. Beide habe nach ihrer Schilderung während der Verkehrskontrolle unabhängig voneinander außerhalb des Fahrzeuges Alkohol in der Umgebungsluft des Klägers gerochen (S. 2 und 6 SN-Anlage). Ob der Alkoholgeruch hierbei, wie von dem Zeugen … angegeben (S. 2 SN-Anlage), bereits sofort nach Herunterlassen des Autofensters (S. 2 SN-Anlage), und, wie in dem Polizeibericht vom 08.07.2018 vermerkt, in der Atemluft des Klägers wahrzunehmen war, kann offenbleiben, erscheint dem Senat indes angesichts der von dem Blutalkoholbefund des Robert-Bosch-Krankenhauses vom 10.07.2018 nicht festgestellten Blutalkoholkonzentration bei dem Kläger eher unwahrscheinlich. Gegen eine entsprechende Feststellung spricht zudem, dass der Kläger sich weigerte, den Zeugen … anzuhauchen (vgl. S. 1 und 2 SN-Anlage). Die Zeugin …, die auf den Senat einen glaubwürdigen Eindruck machte, hat in der mündlichen Verhandlung allerdings überzeugend präzisiert, dass sie den Alkohol in der Umgebungsluft des Klägers wahrgenommen habe, allerdings nicht sagen könne, ob der Alkoholgeruch aus dem Atem oder von dem Körper gekommen sei (S. 6 SN-Anlage). Diese Schilderung steht nicht in Widerspruch zu der Aussage des Zeugen …, der bei seiner Vernehmung durchweg von einem Alkoholgeruch, nicht aber Atemalkoholgeruch gesprochen, einen Alkoholgeruch „aus dem Innern“ des Fahrzeuges (S. 2 SN-Anlage) bemerkt und zumindest abstrakt die Möglichkeit eines anhaftenden Alkoholgeruchs ohne vorherigen Eigenkonsum erwogen hat (S. 4 SN-Anlage).
Die von den Zeugen glaubhaft geschilderte Feststellung von Alkoholgeruch in der Umgebungsluft ist von dem Kläger als solches nicht substantiiert bestritten worden. Zwar hat der Kläger einen Alkoholkonsum (in relevanter zeitlicher Nähe) – angesichts des negativen Ergebnisses des Blutalkoholbefundes vom 10.07.2018 für den Senat nachvollziehbar – verneint (S. 1 SN-Anlage). Hinsichtlich der Möglichkeit, dass anlässlich der Verkehrskontrolle bei dem Kläger Alkoholgeruch festgestellt werden konnte, hat er es in der Berufungserwiderung vom 19.01.2022 indes dabei belassen, „erhebliche Zweifel“ anzumelden. Zudem fällt auf, dass der Kläger die von den Polizeibeamten zur Begründung ihres Verdachtes einer alkoholbedingten Fahruntüchtigkeit berücksichtigten Verhaltensauffälligkeiten erstmalig im Berufungsverfahren tatsächlich bestritten hat. Noch in seinem Widerspruchsschreiben vom 06.10.2018 teilte er mit, dass er „laut Staatsanwaltschaft 0,08 ‰ Blutalkoholwert“ hatte und sich die Maßnahme „im Nachhinein“ als unrechtmäßig herausgestellt habe.
Die Glaubhaftigkeit der polizeilichen Feststellungen wird nicht durch das ärztliche Protokoll der Blutentnahme vom 08.07.2018 und den Blutalkoholbefund des Robert-Bosch-Krankenhauses vom 10.07.2018 durchgreifend in Zweifel gezogen. Die im Zeitpunkt der Blutentnahme um 05.45 Uhr nicht festgestellte Blutalkoholkonzentration bei dem Kläger lässt bei der Verkehrskontrolle um 05.10 Uhr zwar einen Atemalkoholgeruch sehr unwahrscheinlich erscheinen, schließt indes den von der Zeugin … bemerkten Alkoholgeruch in der Umgebungsluft, der auch eine andere Ursache als einen Eigenkonsum haben kann, nicht zwingend aus. Im Ergebnis gilt Gleiches für das ärztliche Protokoll der körperlichen Untersuchung des Klägers. Zwar stellt die untersuchende Ärztin … abschließend fest, dass der Kläger „äußerlich nicht merkbar unter Alkohol zu stehen scheint“. Die ärztliche Feststellung steht indes nicht in einem unauflösbaren Widerspruch zu den Wahrnehmungen der Polizeibeamten. So stellt auch das Protokoll zumindest einen „schleppenden Gang“ und eine „aufgeregte Stimmung“ fest. Zudem erfolgte keine Untersuchung der Augen. Das sichere Ergebnis des Finger-Finger-Tests, welcher der Überprüfung der Bewegungskoordination dient, schließt eine Beobachtung zitternder Finger eine halbe Stunde zuvor nicht aus. Soweit das ärztliche Protokoll einen Alkoholgeruch verneint, bleibt unklar, ob diese ärztliche Feststellung über eine Prüfung des Atemalkohols hinausreichte; zum anderen erscheint es nach allgemeiner Lebenserfahrung durchaus möglich, dass sich der von den Polizeibeamten wahrgenommene Alkoholgeruch in der Umgebungsluft des Klägers nach Verlassen seines Fahrzeuges an der frischen Luft und während der Fahrt zu der Zentralen Ausnüchterungseinheit verflüchtigt hatte.
Schließlich erweisen sich die Angaben der Polizeibeamten auch nicht deshalb als unglaubhaft, weil die Möglichkeit eines wahrnehmbaren Alkoholgeruchs in der Umgebungsluft des Klägers bei fehlender Blutalkoholkonzentration und Würdigung sämtlicher weiterer Umstände des Einzelfalls als ausgeschlossen zu betrachten ist. Vielmehr lässt die Tatsache, dass der Kläger eigenen Angaben zufolge am Abend des 07.07.2018 den Sieg der kroatischen Nationalmannschaft im Viertelfinale der Fußballweltmeisterschaft 2018 auf den Leinwänden der gastronomischen Betriebe in der Theodor-Heuss-Straße in Stuttgart gesehen hatte (S. 1 SN-Anlage), einen fremdverursachten Alkoholgeruch ernsthaft möglich erscheinen. Das Spiel wurde zwar erst im Elfmeterschießen entschieden, hatte indes bereits um 20.00 Uhr begonnen (vgl. https://www.sueddeutsche.de/sport/fussball-wm-russland-ergebnisse-1.3907674). Auf die gerichtliche Frage, was er nach dem Spiel bis zu der Verkehrskontrolle gemacht habe, antwortete der Kläger in der mündlichen Verhandlung entgegen seinem sonstigen Aussageverhalten nur auf Nachfragen und auffällig knapp. Danach erscheint es dem Senat wahrscheinlich, dass der Kläger während der verbleibenden Stunden von dem Spielende bis zu der Verkehrskontrolle den Erfolg seiner Nationalmannschaft gefeiert hat. Hierfür spricht auch, dass der Kläger bei der Verkehrskontrolle ein Trikot der kroatischen Nationalmannschaft trug und sein Auto nach eigener Schilderung in der mündlichen Verhandlung entsprechend geschmückt war. Bei einer derartigen mehrstündigen Siegesfeier unter Fußballfans ist es nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht ausgeschlossen, etwa durch das Verschütten alkoholischer Getränke in wahrnehmbarer Weise Alkoholgeruch in die Bekleidung aufzunehmen, ohne selbst Alkohol zu konsumieren.
Aufgrund der von den Zeugen … und … anschaulich geschilderten Vehemenz des von dem Kläger unstreitig von Beginn an gezeigten unkooperativen Verhaltens, bei dem er es fortgesetzt ablehnte, den Zeugen … zum Zweck einer Alkoholkontrolle anzuhauchen, den wiederholt angebotenen (freiwilligen) Atemalkoholtest durchzuführen und die Reaktionsfähigkeit seiner Augen mittels einer Diagnostikleuchte prüfen zu lassen (S. 2 und 6 Anlage-SN), durften die Polizeibeamten, gestützt auf ihre langjährige Einsatzerfahrung, wonach 80 bis 90 Prozent der Verkehrsteilnehmer von der Möglichkeit eines Atemalkoholtest Gebrauch machen (vgl. S. 4 SN-Anlage), davon ausgehen, dass der Kläger versuchte, zu verschleiern, dass er in einer Weise unter Alkoholeinfluss stand, die geeignet sein könnte, seine Fahrtüchtigkeit zu beeinträchtigen.
Diese Umstände rechtfertigten aus der ex-ante-Perspektive der handelnden Polizeibeamten angesichts des besonderen Gewichts der gefährdeten Rechtsgüter in ihrer Zusammenschau die Annahme, dass bei einer Fortsetzung der Fahrt durch den Kläger die Begehung zumindest einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a Abs. 1 StVG konkret wahrscheinlich war. Eine Anordnung gegenüber dem Kläger, das parkende Fahrzeug von der Heilbronner Straße wegzufahren, hätte sich damit aus der Perspektive der Polizeibeamten nach § 44 Abs. 2 Nr. 5 LVwVfG als nichtig und damit nicht geeignet dargestellt.
Die von dem Verwaltungsgericht alternativ angedachte „Kolonnenfahrt“ schied danach als ungeeignet aus. Mit ihr wäre, worauf der Beklagte zutreffend hinweist, eine Unfallgefahr einhergegangen, die Zweifel an einer sicheren Entfernung des Fahrzeuges von der Heilbronner Straße rechtfertigte.
c) Schließlich ist auch die polizeiliche Beauftragung eines privaten Abschleppunternehmens mit der Versetzung des klägerischen Fahrzeuges nicht zu beanstanden.
aa) Ob die Polizei die gebotenen Maßnahmen nach § 8 Abs. 1 Satz 1 PolG selbst oder durch einen Beauftragten durchführt, unterliegt ihrem pflichtgemäßen Ermessen (vgl. Senat, Urt. v. 30.11.2010 – 1 S 1120/10 -, juris Rn. 26; Ruder, PolR BW, 8. Aufl., Rn. 341; s.a. Schenke/Graulich/Ruthig/Wolf-Rüdiger Schenke, 2. Aufl., BPolG § 19 Rn. 11). Es gilt nach § 5 PolG der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (vgl. Stephan/Deger, PolG BW, 6. Aufl., § 8 Rn. 24). Die Polizei hat mit Blick auf die Kostenfolgen für den Verantwortlichen zu berücksichtigen, ob ihr im Zeitpunkt der Beauftragung eines Dritten erkennbar ist, dass hiermit erheblich höhere Kosten als mit einem anderen gleichermaßen geeigneten Mittel verbunden sind (vgl. BeckOK PolR BW/Kastner, 22. Ed. 17.1.2021, BWPolG § 8 Rn. 23; s.a. Schenke/Graulich/Ruthig/Wolf-Rüdiger Schenke, 2. Aufl., BPolG § 19 Rn. 11). Ist die Polizei selbst ohne besonderen Aufwand mit eigenen sachkundigen Kräften und eigener Ausrüstung zur unmittelbaren Ausführung der polizeilichen Maßnahme in der Lage, kann sich die kostenintensivere Beauftragung eines Dritten als ermessensfehlerhaft darstellen (Senat, Urt. v. 30.11.2010 – 1 S 1120/10 -, juris Rn. 26; Ruder, PolR BW, 8. Aufl., Rn. 341). Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass die Polizei im Einzelfall verpflichtet sein kann, von der Erhebung selbst herbeigeführter (höherer) Kosten nach § 8 Abs. 2 Satz 1 PolG abzusehen (vgl. hierzu I. 2.).
bb) Gemessen an diesem Maßstab weist die polizeiliche Entscheidung, das klägerische Fahrzeug nicht selbst durch einen Polizeibeamten wegzufahren, sondern ein Abschleppunternehmen zu beauftragen, keinen der gerichtlichen Kontrolle nach § 114 Satz 1 VwGO unterliegenden Ermessensfehler auf. Die Polizei hat ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung des § 8 Abs. 1 Satz 1 PolG ausgeübt und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten (vgl. § 40 LVwVfG). Die Polizeibeamten waren jedenfalls nicht dazu verpflichtet, das Fahrzeug des Klägers selbst auf einen Parkplatz zu fahren. Die Entscheidung, von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch zu machen, begegnet auch unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (vgl. § 5 PolG) keinen Bedenken.
Der vorrangige Einsatz des Polizeibeamten für die weitere Durchführung der Verkehrskontrolle, der seinerseits durch den Zweck der Gefahrenabwehr gerechtfertigt war, verlässt den polizeilichen Ermessensspielraum, mit welchen Mitteln sie die Aufgaben der Gefahrenabwehr effektiv wahrnimmt, nicht.
Die interne Anweisung des Polizeipräsidiums Stuttgart, dass Polizeibeamte private Kraftfahrzeuge in vergleichbaren Fällen aus haftungsrechtlichen Gründen nicht bewegen sollen, da man in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht habe, ist nicht zu beanstanden (vgl. VG Köln, Urt. v. 03.12.2009 – 20 K 7869/08 -, juris Rn. 24). Sie trägt sachgerecht dem Umstand Rechnung, dass das Haftungsrisiko bei dem eigenhändigen Betrieb eines Kraftfahrzeuges – hinsichtlich einer Schädigung des überführten Fahrzeuges, vor allem aber auch von Rechtsgütern Dritter – tatsächlich regelmäßig höher sein wird als bei dem Transport eines verladenen Fahrzeuges durch einen Dritten. Zudem gewinnt die Polizei mit der vertraglichen Abwicklung des Abschleppvorgangs durch ein privates Unternehmen einen Schuldner, gegenüber dem sie im Haftungsfalle – anders als nach Art. 34 Satz 2 GG gegenüber dem Polizeibeamten – auch im Falle einfacher Fahrlässigkeit Regressansprüche geltend machen kann.
Die durch die Beauftragung des Abschleppunternehmens ausgelösten Kosten in Höhe von 140,00 Euro, welche den bei der Entfernung des klägerischen Fahrzeuges durch einen einzelnen Polizeibeamten nach Nr. 15.6 1. Unterstrich GebVerz IM anzusetzenden Stundensatz von 48,00 Euro um einen Betrag von 92,00 Euro übersteigen, erscheinen schließlich weder absolut noch relativ unangemessen hoch. Die Kostenbelastung des Klägers steht in keinem offenkundigen Missverhältnis zu dem Zweck der Maßnahme.
cc) Schließlich erweist sich die Beauftragung eines privaten Abschleppunternehmens auch nicht deshalb als ermessensfehlerhaft, weil eine kostenfreie Entfernung des Fahrzeuges durch den Bruder des Klägers in Betracht gekommen wäre. Denn der Bruder des Klägers lehnte das Angebot der Polizei, das Fahrzeug bei negativem Ergebnis eines Atemalkoholtestes fortbewegen zu dürfen, ab (vgl. S. 3 und 6 SN-Anlage). Die Polizeibeamten durften danach davon ausgehen, dass er nicht willens oder nicht in der Lage war, das Fahrzeug zu führen. Für die Richtigkeit dieser Annahme spricht, dass der Kläger im Klage-verfahren zu keinem Zeitpunkt geltend gemacht hat, dass sich die unmittelbare Ausführung aus diesem Grunde als rechtswidrig darstellen könnte. Angesichts der hartnäckigen Verweigerungshaltung des Klägers und seines Bruders, die auch die von den Polizeibeamten vorgeschlagene telefonische Kontaktierung eines abholbereiten Dritten strikt ablehnten (S. 3 und 6 SN-Anlage), war die Polizei im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr nicht zu weiteren Bemühungen um eine kostengünstigere Alternative verpflichtet.
2. Der Beklagte hat von dem bei seiner Entscheidung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 PolG, den Kläger zum Kostenersatz heranzuziehen, auszuübenden Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht.
a) Dem Zweck der Ermächtigung und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht es in der Regel, wenn die Behörde die ihr entstandenen Kosten erhebt, weil sie in erster Linie eine dem Störer obliegende Aufgabe wahrgenommen hat (Senat, Urt. v. 17.09.1990 – 1 S 2805/89 -, NJW 1991, 1698 <1699>; Urt. v. 11.06.1991 – 1 S 2967/90 -, juris Rn. 17; Urt. v. 13.02.2007 – 1 S 822/05 -, juris Rn. 20; Urt. v. 30.11.2010 – 1 S 1120/10 -, juris Rn. 30; Wolf/Stephan/Deger, PolG BW, 6. Aufl., § 8 Rn. 27; s.a. Hess. VGH, Urt. v. 30.05.1994 – 11 UE 1684/92 -, juris Rn. 25 f.). Eine Abweichung von dieser Regel kommt nur in atypischen Fällen in Betracht. Ein derartiger Ausnahmefall ist anzunehmen, wenn die beseitigte oder abgewehrte Störung der öffentlichen Sicherheit nicht in die Risikosphäre des Verantwortlichen fällt, etwa weil sie weder von ihm veranlasst noch für ihn vorhersehbar war (vgl. Senat, Urt. v. 17.09.1990 – 1 S 2805/89 -, NJW 1991, 1698 <1699>; Urt. v. 11.06.1991 – 1 S 2967/90 -, juris Rn. 17; Urt. v. 13.02.2007 – 1 S 822/05 -, juris Rn. 20; s.a. Urt. v. 30.11.2010 – 1 S 1120/10 -, juris Rn. 30), oder die konkrete kostenauslösende Maßnahme von der Polizei in erster Linie im öffentlichen Interesse gewählt wurde. Hierzu ist eine wertende Betrachtung vorzunehmen (vgl. Senat, Urt. v. 13.02.2007 – 1 S 822/05 -, juris Rn. 22), welche die Risiko- und Interessenssphären des Störers und der Allgemeinheit voneinander abgrenzt (vgl.Senat, Urt. v. 17.09.1990 – 1 S 2805/89 -, NJW 1991, 1698 <1699>). Für die Erstattungsfähigkeit der Kosten einer polizeilichen Maßnahme ist dabei eine ex post-Betrachtung maßgeblich (vgl. Senat, Urt. v. 17.03.2011 – 1 S 2513/10 -, juris Rn. 34 f.; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.01.2012 – 10 S 1476/11 -, juris Rn. 26; s.a. OVG NRW, Beschl. v. 14.06.2000 – 5 A 95/00 -, juris Rn. 14 ff.; BayVGH, Urt. v. 08.07.2016 – 4 B 15.1285 -, juris Rn. 23; BeckOK PolR BW/Kastner, 22. Ed. 17.1.2021, BWPolG § 8 Rn. 31; Würtenberger/Heckmann, PolR BW, 6. Aufl., Rn. 915). So darf die Polizei gegenüber dem Anscheinsstörer zwar auf Primärebene zur Gefahrenbeseitigung einschreiten, diesen jedoch auf Sekundärebene nicht zur Kostenerstattung für den Polizeieinsatz in Anspruch nehmen, wenn sich ex post herausstellt, dass er die Anscheinsgefahr nicht veranlasst und zu verantworten hat (vgl. Senat, Urt. v. 17.03.2011 – 1 S 2513/10 -, juris Rn. 35 m.w.N.; Urt. v. 16.08.2018 – 1 S 625/18 -, juris Rn. 58; VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.01.2012 – 10 S 1476/11 -, juris Rn. 26; HambOVG, Urt. v. 24.9.1985 – Bf VI 3/85 -, NJW 1986, 2005 <2006>; BeckOK PolR BW/Kastner, 22. Ed. 17.1.2021, BWPolG § 8 Rn. 32; Buchberger, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 7. Aufl., L Rn. 138 f.; Würtenberger/Heckmann, PolR BW, 6. Aufl., Rn. 524; s.a. Finger, DVBl. 2007, 798 ff.). Dasselbe gilt für den Gefahrenverdacht, wenn sich nachträglich herausstellt, dass der vermeintliche Verursacher die den Verdacht begründenden Umstände nicht zu verantworten hat (vgl. Senat, Urt. v. 16.08.2018 – 1 S 625/18 -, juris Rn. 58;VGH Bad.-Württ., Urt. v. 24.01.2012 – 10 S 1476/11 -, juris Rn. 26; OVG NRW, Beschl. v. 14.06.2000 – 5 A 95/00 -, juris Rn. 18).
b) Gemessen an diesem Maßstab weist der angefochtene Kostenbescheid keine Ermessensfehler im Sinne des § 114 Satz 1 VwGO auf. Ist die Behörde ermächtigt, nach ihrem Ermessen zu handeln, hat sie nach § 40 LVwVfG ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Danach liegt hier weder ein Ermessensnichtgebrauch vor (aa), noch hat der Beklagte in einer dem Zweck des § 8 Abs. 2 Satz 1 PolG nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht, weil ein atypischer Sachverhalt gegeben ist, der dazu verpflichtet, von einer Kostenforderung gegenüber dem Kläger abzusehen (bb).
aa) Das Polizeipräsidium Stuttgart hat das ihm bei seiner Entscheidung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 PolG eingeräumte Ermessen im Widerspruchsbescheid vom 23.01.2019 ausgeübt.
(1) Ob die Behörde eine gesetzliche Verpflichtung zur Ermessensausübung verkannt hat (sog. Ermessensnichtgebrauch), ist durch Auslegung des Bescheides zu ermitteln (vgl. Eyermann/Rennert, 15. Aufl., VwGO § 114 Rn. 18). Eine fehlende Begründung der Ermessensentscheidung indiziert dabei einen Ermessensnichtgebrauch (vgl. HambOVG, Urt. v. 22.06.2017 – 4 Bf 160/14 -, juris Rn. 159; BayVGH, Beschl. v. 13.09.2018 – 4 ZB 17.1387 -, juris Rn. 15; Eyermann/Rennert, 15. Aufl., VwGO § 114 Rn. 23; Schoch/Schneider/Riese, 41. EL Juli 2021, VwGO § 114 Rn. 60; Stelkens/Bonk/Sachs/Stelkens, 9. Aufl., VwVfG § 39 Rn. 28), sofern sich nicht aus den Gesamtumständen ergibt, dass die Behörde eine Ermessensentscheidung getroffen und welche Erwägungen sie hierzu angestellt hat (vgl. BVerwG, Beschl. v. 15.01.1988 – 7 B 182/87 -, juris Rn. 7; Eyermann/Rennert, 15. Aufl., VwGO § 114 Rn. 18; s.a. OVG NRW, Beschl. v. 29.01.2018 – 9 B 1540/17 -, juris Rn. 37;NK-VwGO/Heinrich Amadeus Wolff, 5. Aufl., VwGO § 114 Rn. 114b).
Abweichendes gilt für intendierte Ermessensentscheidungen. Zeichnet die Norm für den Regelfall eine Ermessensausübung im Sinne einer bestimmten Rechtsfolge vor, bedarf jedenfalls die behördliche Entscheidung im Sinne des gesetzlichen Regelfalls keiner besonderen Begründung nach § 39 Abs. 1 Satz 3 LVwVfG (vgl. BVerwG, Urt. v. 05.07.1985 – 8 C 22.83 -, juris Rn. 22; Urt. v. 16.06.1997 – 3 C 22.96 -, juris Rn. 14; HambOVG, Beschl. v. 04.05.2001 – 1 Bf 388/98 -, juris Rn. 30; OVG Nds., Beschl. v. 23.08.2007 – 5 LA 123/06 -, juris Rn. 12; OVG MV, Beschl. v. 19.01.2016 – 3 L 161/11 -, juris Rn. 20; NK-VwGO/Heinrich Amadeus Wolff, 5. Aufl., VwGO § 114 Rn. 144; Schoch/Schneider/Riese, 41. EL Juli 2021, VwGO § 114 Rn. 47; Schoch/Schneider VwVfG/Schuler-Harms, VwVfG § 39 Rn. 73). Es genügt die (sinngemäße) Feststellung, dass ein von dem gesetzlichen Regelfall abweichender atypischer Sachverhalt nicht gegeben ist (vgl. BeckOK VwVfG/Tiedemann, 53. Ed. 1.10.2021, VwVfG § 39 Rn. 49). Ein fehlerhafter Ermessensgebrauch liegt danach nur dann vor, wenn die entscheidungserheblichen tatsächlichen Umstände oder höherrangiges Recht einen atypischen Fall begründen können und die Behörde einen solchen nicht erwogen hat (vgl. BVerwG, Urt. v. 16.06.1997 – 3 C 22.96 -, juris Rn. 14; Schoch/Schneider/Riese, 41. EL Juli 2021, VwGO § 114 Rn. 47; Schoch/Schneider VwVfG/Schuler-Harms, VwVfG § 39 Rn. 73).
(2) Gemessen an diesen Anforderungen hat die Polizei das bei ihrer Entscheidung nach § 8 Abs. 2 Satz 1 PolG auszuübende Ermessen nicht verkannt.
Nach der Rechtsprechung des Senats, welche die Vorschrift abweichend von ihrem Wortlaut (nur deshalb) als eine Ermessensbefugnis auslegt, um im Einzelfall dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Rechnung tragen zu können, regelt § 8 Abs. 2 Satz 1 PolG ein intendiertes Ermessen, welches nach dem gesetzlichen Zweck im Regelfall eine Kostenerstattung durch den Störer verlangt, von der nur im atypischen Ausnahmefall abzusehen ist (Senat, Urt. v. 17.09.1990 – 1 S 2805/89 -, NJW 1991, 1698 <1699>; Urt. v. 11.06.1991 – 1 S 2967/90 -, juris Rn. 17; Urt. v. 13.02.2007 – 1 S 822/05 -, juris Rn. 20; Urt. v. 30.11.2010 – 1 S 1120/10 -, juris Rn. 30). Bei der Ausübung dieses gesetzlich intendierten Ermessens muss die Behörde daher nur dann eine zu begründende Abwägungsentscheidung treffen, wenn im Einzelfall konkrete tatsächliche Anhaltspunkte für einen atypischen Ausnahmefall vorliegen. Im Regelfall genügt es dagegen, wenn die Polizei feststellt, dass ein atypischer Sachverhalt, der es ausnahmsweise verlangen könnte, von einer Kostenerstattung abzusehen, nicht vorliegt.
Danach lässt sich hier im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung ein Ermessensnichtgebrauch nicht feststellen. Die Begründung jedenfalls des Widerspruchsbescheides (S. 3) lässt hinreichend deutlich erkennen, dass das Polizeipräsidium vorliegend einen atypischen Sachverhalt erwogen, aber verneint hat. So würdigt die Behörde, dass sich zwar der Verdacht einer Trunkenheitsfahrt gegenüber dem Kläger nachträglich als nicht begründet herausgestellt habe, begründet die Kostenforderung aber gleichwohl damit, dass die Abschleppmaßnahme letztlich durch das Verhalten und die Weigerung des Klägers verursacht worden sei, an einem Atemalkoholtest teilzunehmen und so die kostenintensive Standortveränderung zu vermeiden, weshalb es unbillig erschiene, die Abschleppkosten die Allgemeinheit tragen zu lassen.
bb) Diese Ermessensausübung stellt sich auch in der Sache nicht als fehlerhaft dar. Das Polizeipräsidium hat einen atypischen Ausnahmefall zutreffend verneint. Der Kläger erweist sich hinsichtlich der im Wege der unmittelbaren Ausführung beseitigten Störung der öffentlichen Sicherheit durch das Parken seines Fahrzeuges auf der Heilbronner Straße auch bei ex post-Betrachtung als Verhaltens- und Zustandsstörer. Zwar findet das Parken des Fahrzeuges auf der Fahrbahn seine mittelbare Ursache in der polizeilichen Anordnung, dem Kläger die Weiterfahrt zu untersagen. Diese polizeiliche Maßnahme war indes ihrerseits durch eine von dem Kläger zurechenbar veranlasste Anscheinsgefahr gerechtfertigt; mit ihr realisierte sich ein in seiner Sphäre wurzelndes Risiko.
(1) Anscheinsstörer und damit Verhaltensstörer im Sinne des § 6 Abs. 1 PolG ist, wer ex post objektiv keine Gefahr verursacht, jedoch ex ante bei einem fähigen, besonnenen und sachkundigen Polizeibeamten den Eindruck einer verursachten Gefahr erweckt hat; hierfür genügt es, dass ein Verhalten objektiv geeignet ist, bei Dritten den Eindruck zu erwecken, es drohe ein Schaden für ein geschütztes Rechtsgut (Senat, Urt. v. 14.12.2010 – 1 S 338/10 -, juris Rn. 26; Urt. v. 17.03.2011 – 1 S 2513/10 -, juris Rn. 25; Urt. v. 25.07.2013 – 1 S 733/13 -, juris Rn. 29; Ruder, PolR BW, 8. Aufl., Rn. 191; Wolf/Stephan/Deger, PolG BW, § 1 Rn. 34; Würtenberger/Heckmann, PolR BW, 6. Aufl., Rn. 424).
(2) Gemessen hieran durften die handelnden Polizeibeamten im maßgeblichen Zeitpunkt ihres Einschreitens aus den unter I. 1. b) bb) (2) dargelegten Gründen von der konkreten Gefahr zumindest einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a Abs. 1 StVG ausgehen, die sich erst nachträglich aufgrund des negativen Ergebnisses des Blutalkoholbefundes als objektiv unzutreffend herausstellte. Die hierin liegende Anscheinsgefahr war durch das Verhalten des Klägers zurechenbar veranlasst. Die von ihm gezeigten Ausfallerscheinungen und der von den Polizeibeamten festgestellte Alkoholgeruch fielen in seine unmittelbare persönliche Risikosphäre. Zudem hat der Kläger die Anscheinsgefahr einer Trunkenheitsfahrt maßgeblich durch seine beharrliche Verweigerung jeder Mitwirkungshandlung, namentlich des Anhauchens des Zeugen xxxxxx, der Prüfung der Augenreaktion mittels Diagnoseleuchte durch die Zeugin xxxxxxx und der Durchführung eines Atemalkoholtests, herbeigeführt.
Dieses unkooperative Verhalten ist dem Kläger auch nicht deshalb nicht zurechenbar, weil es bei der polizeilichen Prognose einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit im Rahmen der vorzunehmenden Würdigung der Gesamtumstände nicht berücksichtigt hätte werden dürfen. Dies gilt auch für die verweigerte Durchführung eines Atemalkoholtestes.
Zwar war der Kläger gesetzlich nicht verpflichtet, an dem angebotenen Atemalkoholtest mitzuwirken. Im Strafverfahren kann eine verweigerte Mitwirkung daher wegen des Grundsatzes, dass der Beschuldigte nicht verpflichtet ist, aktiv an einer Sachverhaltsaufklärung zu seiner Überführung mitzuwirken („nemo tenetur se ipso accusare“; st. Rspr., vgl. nur BVerfG, Beschl. v. 27.04.2010 – 2 BvL 13/07 -, juris Rn. 2 m.w.N.), nicht als belastendes Beweisanzeichen berücksichtigt werden (vgl. BGH, Urt. v. 21.01.2004 – 1 StR 364/03 -, juris Rn. 7 m.w.N.); die unterbliebene Belehrung über die Freiwilligkeit eines Atemalkoholtests kann zu einem Beweisverwertungsverbot führen (str.; dafür LG Freiburg, Beschl. v. 21.09.2009 – 9 Ns 550 Js 11375/09 -, juris Rn. 16; Geppert NStZ 2014, 481 <486>; Mosbacher, NStZ 2015, 42; dagegen OLG Brandenburg, Beschl. v. 16.03.2013 – (2 B) 53 Ss-OWi 58/13 (55/13) -, juris Rn. 22 ff.; KG, Beschl. v. 30.07.2014 – 3 Ws (B) 356/14 – 122 Ss 106/14 -, juris; s.a. König, in: Laufhütte u.a., StGB Leipziger Kommentar, 13. Aufl. 2021, § 316 Rn. 45 m.w.N.).
Die Zulässigkeit einer Würdigung der unterbliebenen Mitwirkung im Anwendungsbereich des Polizeirechts bleibt hiervon indes in Ermangelung einer entgegenstehenden gesetzlichen Regelung und mit Blick auf den spezifischen Zweck der Gefahrenabwehr grundsätzlich unberührt (vgl. BayVGH, Urt. v. 19.05.1994 – 22 B 91.3523 -, juris Rn. 11 allgemein zur Verweigerung einer sachgerechten Mitwirkung; Beschl. v. 16.09.2009 – 10 ZB 09.651 -, juris Rn. 7 zur verweigerten Mitwirkung u.a. an einem Drogenschnelltest). Im Verwaltungsrecht finden sich normative Konkretisierungen des Grundsatzes der (strafrechtlichen) Selbstbelastungsfreiheit regelmäßig (nur) dann, wenn sich der Betroffene in Erfüllung einer gesetzlichen Pflicht zur Mitwirkung oder Auskunft der Gefahr einer strafgerichtlichen Verfolgung aussetzen würde (vgl. etwa § 12 Abs. 1 Satz 4 GüKG, § 40 Abs. 4 Satz 2 BDSG oder § 17 Abs. 6 ArbZG).
Eine solche Gefahr bestand vorliegend offensichtlich nicht. Denn der Kläger hätte den Verdacht eines eigenen Alkoholkonsums sehr wahrscheinlich bereits mit dem erbetenen Anhauchen des Zeugen xxxxxx ausräumen können. Aufgrund der fehlenden Blutalkoholkonzentration hätte der Kläger aber auch bei einer Mitwirkung an dem Atemalkoholtest nichts zu befürchten gehabt. Damit hat der Kläger die kostenaufwendige Versetzung seines Fahrzeuges durch sein Verhalten bewusst provoziert. Denn ein vernünftiger Dritter hätte sich in der Situation des Klägers in sicherer Kenntnis der offenkundig nicht vorhandenen Blutalkoholkonzentration für die Mitwirkung an einem Atemalkoholtest entschieden, um seine Fahrtüchtigkeit nachzuweisen und so die Kosten für ein Abschleppen des Fahrzeuges zu vermeiden.
II. Schließlich begegnet auch die Höhe der nach § 8 Abs. 2 Satz 1 PolG geltend gemachten Kosten, unter die in Anlehnung an § 31 Abs. 1 LVwVG sowohl Auslagen als auch Gebühren fallen (vgl. BeckOK PolR BW/Kastner, 22. Ed. 17.1.2021, BWPolG § 8 Rn. 33), keinen Bedenken. Die geforderten Auslagen von 140,00 Euro entsprechen dem von der … für den Abschleppvorgang am 08.07.2018 in Rechnung gestellten Betrag. Die Mindestgebühr von 48,00 Euro für eigene polizeiliche Aufwendungen bei einer von einem Dritten durchgeführten unmittelbaren Ausführung einer Maßnahme findet ihre Grundlage in Ziffer 15.6 2. Unterstrich GebVerz IM. Die für den Erlass des Kostenbescheides erhobene Verwaltungsgebühr von 30,00 Euro kann der Beklagte auf die in Ziffer 2 GebVerz IM geregelte Rahmengebühr für das Erbringen sonstiger öffentlicher Leistungen stützen. Die nach dem Wortlaut des Klageantrages („[…] und den Widerspruchsbescheid des Polizeipräsidiums Stuttgart vom 29.01.2019 aufzuheben“) angefochtene Widerspruchsgebühr von 170,00 Euro wahrt den in Nr. 7.1 GebVerz IM geregelten Gebührenrahmen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
IV. Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.
Beschluss vom 24. Februar 2022
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren gemäß § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1 und § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG auf 388,00 Euro festgesetzt.
Der Beschluss ist unanfechtbar.