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Messdateien einer Geschwindigkeitsmessung – Verwaltungsbehörde muss diese unverschlüsselt zur Verfügung stellen

AG Bergisch-Gladbach, Az.: 48 OWi 35/1 5 [b], Beschluss vom 02.10.2015

In dem Verfahren betreffend den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat das Amtsgericht Bergisch Gladbach durch den Richter am Amtsgericht am 02.10.2015 beschlossen:

Der Verwaltungsbehörde, also dem Rheinisch-Bergischen Kreis – Der Landrat -, Am Rübezahl-wald 7, 51469 Bergisch Gladbach, wird aufgegeben, die gesamte digitale Messdatei, betreffend den Bußgeldvorgang gegen den Betroffenen unter dem Aktenzeichen xxxxx im gerätespezifischen Format und in unverschlüsselter Form, das heißt einschließlich der unverschlüsselten Rohmessdaten sowie – falls dann noch erforderlich – den dazugehörigen öffentlichen Schlüssel/Token zu Händen seines Verteidigers zur Verfügung zu stellen.

Dabei ist ein geeignetes Speichermedium vom Betroffenen oder seinem Verteidiger der Behörde zur Verfügung zu stellen. Das bespielte Speichermedium wiederum ist dem Verteidiger in seine Kanzleiräume zu übersenden.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Verwaltungsbehörde.

Gründe:

Die Verwaltungsbehörde hat offensichtlich unter dem im Beschlusstenor bezeichneten Akten-zeichen eine Ordnungswidrigkeit (Geschwindigkeitsüberschreitung) festgestellt, welche sie dem Betroffenen vorwirft. Im Laufe des Verwaltungsverfahrens hat der Verfahrensbevollmächtigte des Betroffenen Akteneinsicht begehrt und diese teilweise erhalten.

Der Betroffene macht ergänzend geltend, dass er für eine Überprüfung der Richtigkeit der Geschwindigkeitsmessung auf die gesamte seinerzeit gefertigte digitale Messdatei angewiesen sei, da diese das einzige originäre und unveränderbare Beweismittel für die Richtigkeit der Messung darstelle. Etwaige in der Bußgeldakte vorhandene Ausdrucke des Auswertungspro-gramms hätten weder die erforderliche Beweiskraft, noch seien sie ein hinreichender Nachweis für die Richtigkeit der Messung.

Die Bußgeldbehörde ist der Ansicht, aus Datenschutzgründen an der Herausgabe der Messdaten gehindert zu sein bzw. diese nur auf gerichtlichen Beschluss hin vornehmen zu können.

Der Betroffene hat daher mit Schriftsatz vom 09.04.2015 gegenüber der Bußgeldbehörde einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt.

Der Antrag ist zulässig.

In der Sache hat er auch Erfolg.

Offen bleiben kann dabei, ob sich der Anspruch des Betroffenen schon aus dem Akteneinsichtsrecht ergibt. Selbst wenn man die Auffassung vertritt, dass ein Messfilm bzw. eine Mess-datei nicht Aktenbestandteil ist, ergibt sich ein derartiges Einsichtsrecht zumindest aus dem Grundsatz des fairen Verfahrens, welcher allgemein im Verfahrensrecht bzw. Prozessrecht gilt.

Auszugehen ist dabei davon, dass ein Betroffener oder ein Verteidiger bei Ordnungswidrigkeiten im Rahmen einer Geschwindigkeitsmessung nicht pauschal behaupten kann, die Richtigkeit der Messung werde angezweifelt. Er muss vielmehr in jedem einzelnen Verfahren Anhaltspunkte dafür darlegen, die für eine Unrichtigkeit der Messung sprechen könnten. Erst wenn ihm das gelingt, bedarf es einer gerichtlichen Beweisaufnahme darüber, ob im konkreten Fall tatsächlich eine richtige Messung stattgefunden hat, die den Bußgeldvorwurf begründet.

Da aber die Rechtsprechung vom Betroffenen einen derartigen Vortrag im Hinblick auf etwaige konkrete Mängel verlangt, muss der Betroffene bzw. sein Verteidiger in der Lage sein, konkrete, die Amtsaufklärungspflicht auslösende Anhaltspunkte für Messfehler vorzutragen. Hierfür aber wiederum benötigt er zwangsläufig den Zugang zu den Messunterlagen und insbesondere zu einem kompletten Messfilm bzw. zu den kompletten Messdaten. Erst die Auswertung dieser Daten – gegebenenfalls unter Hinzuziehung eines privaten Sachverständigen – versetzt den Betroffenen in die Lage zu entsprechendem Sachvortrag.

Datenschutzrechtliche Bedenken stehen dem nicht entgegen.

Schon rein tatsächlich ist insoweit festzustellen, dass zwar ein Verteidiger und/oder ein privater Sachverständiger bei Einsicht in die gesamte Messreihe zwangsläufig auch andere Fahrzeuge sehen, welche eine Messung ausgelöst haben. Es ist aber schon äußerst unwahrscheinlich, dass dann hierbei ein Fahrzeug oder ein Fahrzeugführer betroffen sind, den dann der Verteidiger und/oder der private Sachverständiger kennen. Erstrecht ist nicht zu erkennen, welche (unzulässigen) Informationen/Schlussfolgerungen diese hieraus ziehen könnten. Dies gilt umso mehr, als der aufgezeichnete und feststellbare Lebenssachverhalt aus einer derartigen Maßnahme nur einen äußerst kurzen Zeitraum betrifft.

Wägt man dann das Interesse des Betroffenen an einer ordnungsgemäßen Überprüfung der Geschwindigkeitsmessung mit dem Interesse anderer abgebildeter Verkehrsteilnehmer ab, hat das Interesse der anderen abgebildeten Verkehrsteilnehmer gegenüber dem Einsichtsrecht zu-rückzustehen. Hierbei ist insbesondere die Erwägung von Bedeutung, dass die anderen abgebildeten Personen sich durch ihre Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr selbst der Wahrnehmung und Beobachtung durch andere Verkehrsteilnehmer und auch der Kontrolle ihres Verhaltens im Straßenverkehr durch die Polizei ausgesetzt haben. Dann kann es für diese Personen auch keinen überragenden Persönlichkeitseingriff darstellen, wenn sie im Zusammen-hang mit einer polizeilichen oder ordnungsbehördlichen Maßnahme bzw. im Zusammenhang mit der Überprüfung derselben sich mit einer äußerst geringen, gegen null gehenden Wahrscheinlichkeit dem Risiko ausgesetzt sehen, zufällig erkannt zu werden.

Nach allem war dem Antrag des Betroffenen stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 62 OWiG in Verbindung mit §§ 467 Abs. 1, 473 StPO.

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