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Fußgängerzone – Befahren durch Anlieger

OVG Saarlouis

Az.: 1 A 401/13

Beschluss vom 25.04.2014

Leitsätze: Die uneingeschränkte Anfahrmöglichkeit zu einem Grundstück, in dem der Eigentümer auch wohnt, bis „unmittelbar vor die eigene Haustür“ gehört im städtischen Ballungsgebiet einer Fußgängerzone nicht zu dem durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Kernbereich des Anliegergebrauchs. Die Straßenverkehrsbehörde darf den Anliegerverkehr im Fußgängerbereich vielmehr aufgrund der Ermächtigung des § 45 StVO insoweit zulassen oder einschränken, als dies bei Berücksichtigung der straßenverkehrsrechtlichen Belange einerseits und der Interessen des Anliegers andererseits mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das am 26. Juni 2013 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes – 10 K 555/12 – wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger.

Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 5.000.- Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt eine Regelung, die ihm in erster Linie ein kostenfreies und zeitlich unbeschränktes, hilfsweise ein zeitlich beschränktes Befahren einer in der Kreisstadt Homburg gelegenen Fußgängerzone ermöglicht, um zu dem auf seinem dort gelegenen Grundstück befindlichen Kfz-Stellplatz zu gelangen.

Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohn- und Geschäftshaus bebauten Grundstücks A-Straße in der Kreisstadt Homburg. Auf der Grundlage eines entsprechenden Stadtratsbeschlusses vom 17.11.1988 zog der Beklagte mit – vom Kläger nicht angefochtener – Verfügung vom 17.4.1989 auf der Teilstrecke der A-Straße zwischen Rondell (K-/M-Straße) und der S-Straße, in der das klägerische Grundstück gelegen ist, gemäß § 8 Abs. 1 und 3 SStrG den bisherigen allgemeinen öffentlichen Fahrzeugverkehr ein und beschränkte die Benutzung dieser Teilstrecke auf den Fußgängerverkehr mit der Maßgabe, „dass im Interesse der Angrenzer (Betriebe und Anwohner) zu bestimmten Zeiten für ihre Ver- und Entsorgung Fahrzeugverkehr zugelassen wird. Die nunmehr eingeschränkte Benutzung des betreffenden Straßenabschnitts ist durch das Verkehrszeichen 242 „Fußgängerzone“ mit dem Zusatzschild „Lieferverkehr (6.00 Uhr bis 12.00 Uhr)“ zugelassen.

Zwischen 1990 und 2002 wurden dem Kläger auf der Grundlage der §§ 44 Abs. 1, 46 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 11, 47 Abs. 2 Nr. 7 StVO jeweils gebührenpflichtige und jederzeit widerrufliche Erlaubnisse erteilt, die städtische Fußgängerzone auf der betreffenden Teilstrecke der Eisenbahnstraße mit seinem Kraftfahrzeug zu befahren. Nachdem die Beklagte in der Folgezeit insbesondere mit Blick auf Belastungen der Anlieger wegen umfangreicher Straßenbaumaßnahmen im Zufahrtsbereich Rondell/M-Straße auf das Erfordernis von Ausnahmegenehmigungen zum Befahren der Fußgängerzone verzichtet hatte und nach Beendigung der Baumaßnahmen mit Schreiben vom 16.2.2009 gegenüber dem Kläger in Anknüpfung an die frühere Verfahrensweise die Erteilung einer auf ein Jahr befristeten Ausnahmegenehmigung gegen Zahlung einer Gebühr von 80.- Euro in Aussicht stellte , beantragte dieser mit Schreiben vom 24.3.2010, ihm eine kostenfreie und zeitlich unbeschränkte Ausnahmegenehmigung zum Befahren der Fußgängerzone zu erteilen, hilfsweise die Beschilderung der Fußgängerzone so vorzunehmen, dass ihm als Eigentümer eine Zufahrt zu seinem Grundstück ermöglicht werde.

Mit Bescheid vom 7.6.2010 lehnte die Beklagte die Anträge des Klägers ab. Der hiergegen erhobene Widerspruch des Klägers wurde durch aufgrund mündlicher Verhandlung des Kreisrechtsausschusses des Sa-Kreises vom 20.4.2012 ergangenen Bescheid zurückgewiesen.

Mit seiner Klage hat der Kläger begehrt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 7.6.2010 in der Gestalt des aufgrund mündlicher Verhandlung vom 20.4.2012 ergangenen Widerspruchsbescheides des Kreisrechtsausschusses des Sa-Kreises zu verpflichten, ihm eine kostenfreie und zeitlich unbeschränkte Ausnahmegenehmigung zum Befahren der innerstädtischen Fußgängerzone in dem Bereich der oberen Eisenbahnstraße zwischen Rondell/M-Straße und der S-Straße zu erteilen, um ihm die Zufahrt zu seinem Wohnanwesen A-Straße in A-Stadt zu ermöglichen, hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, eine Beschilderung der innerstädtischen Fußgängerzone im Bereich der oberen Eisenbahnstraße zwischen Rondell/M-Straße und der S-Straße in A-Stadt dergestalt vorzunehmen, dass ihm als Eigentümer des Wohnanwesens A-Straße in A-Stadt die Zufahrt zu seinem Grundstück ermöglicht werde.

Darüber hinaus hat der Kläger weiter hilfsweise beantragt, die Beklagte zu verpflichten, ihm eine zeitlich beschränkte Zufahrt zu seinem Grundstück A-Straße in A-Stadt zu ermöglichen.

Durch Urteil vom 26. Juni 2013 – 10 K 555/12 – hat das Verwaltungsgericht die Klage insgesamt abgewiesen.

II.

Der Antrag auf Zulassung der Berufung ist zulässig, aber nicht begründet.

Das den Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren begrenzende Vorbringen des Klägers im Schriftsatz vom 5.9.2013 gibt keine Veranlassung, das erstinstanzliche Urteil einer Überprüfung in einem Berufungsverfahren zuzuführen. Aus der Antragsbegründung ergeben sich weder ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), noch weist die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).

1. Die Richtigkeit des die Klage abweisenden Urteils des Verwaltungsgerichts kann im Verständnis des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht ernstlich in Zweifel gezogen werden. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung bestehen dann, wenn gegen deren Richtigkeit nach summarischer Prüfung gewichtige Gesichtspunkte sprechen, wovon immer dann auszugehen ist, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird BVerfG, Beschlüsse vom 23.6.2000 – 1 BvR 830/00 -, NVwZ 2000, 1163, 1164, und vom 3.3.2004 – 1 BvR 461/03 -, NJW 2004, 2511.

Diese Voraussetzungen sind fallbezogen nicht gegeben.

a. Der mit dem Hauptantrag verfolgte Anspruch auf Erteilung einer kostenfreien und zeitlich unbeschränkten Ausnahmegenehmigung zum Befahren der Fußgängerzone steht dem Kläger schon deshalb nicht zu, weil die hierzu erforderliche straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung gebührenpflichtig ist. Die vom Kläger erstrebte Möglichkeit einer privaten Zu- bzw. Abfahrt zu bzw. von dem auf seinem Grundstück gelegenen Kfz- Stellplatz stellt eindeutig keinen Lieferverkehr dar siehe hierzu BVerwG, Urteil vom 8.9.1993 – 11 C 38/92 -, Juris, Rdnr. 17, wonach unter „Lieferverkehr“ der geschäftsmäßige Transport von Sachen von oder zu Gewerbetreibenden sowie von oder zu Kunden eines Gewerbetreibenden zu verstehen ist und steht daher mit der derzeit geltenden Verkehrsregelung nicht im Einklang. Es bedarf somit einer Ausnahmegenehmigung gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 Nr. 11 StVO, die aber als Amtshandlung nach der zwingenden gesetzlichen Regelung in § 6 a Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a, Abs. 2 Satz 1 StVG in Verbindung mit § 1, Nummer 264 der Anlage 1 (zu § 1) der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr gebührenpflichtig ist.

Fehl gehen die Einwendungen des Klägers gegen die Höhe der beanspruchten Gebühr. Da sein Antrag auf die Erteilung einer – kostenfreien – Ausnahmegenehmigung gerichtet ist, stellt sich die Frage der Angemessenheit der Gebührenhöhe im vorliegenden Fall nicht.

Uneingeschränkt beizupflichten ist dem Verwaltungsgericht auch in der weiteren Feststellung, dass der Kläger aus dem ihm zustehenden Anliegerrecht nicht die Erteilung einer zeitlich unbegrenzten Ausnahmegenehmigung zum Befahren der Fußgängerzone verlangen kann, vielmehr die gesetzliche Regelung in § 46 Abs. 3 Satz 1 StVO die Behörde ermächtigt, die Ausnahmegenehmigung unter Nebenbestimmungen – hier: einer Befristung – zu erteilen, um regelmäßig den Fortbestand der die Ausnahmegenehmigung begründenden Umstände überprüfen zu können. Das Vorbringen des Klägers in der Zulassungsbegründung gibt zu weiteren Ausführungen keinen Anlass.

b. Keinen Erfolg haben kann auch der auf die Verpflichtung des Beklagten gerichtete erste Hilfsantrag des Klägers, eine Beschilderung der Fußgängerzone in dem betreffenden Abschnitts der Eisenbahnstraße dahingehend vorzunehmen, dass ihm als Eigentümer des Grundstücks A-Straße die Zufahrt zu seinem auf dem Grundstück gelegenen Kfz-Stellplatz ermöglicht wird. Das Verwaltungsgericht weist zu Recht darauf hin, dass die Straßenverkehrsbehörden straßenverkehrsrechtliche Regelungen nur innerhalb des durch die Straßenwidmung zugelassenen Rahmens treffen dürfen, und das Straßenverkehrsrecht daher nicht zu Verkehrsmaßnahmen berechtigt, die über Inhalt und Umfang des Widmungsrechts hinausgehen BVerwG, Urteile vom 26.6.1981 – 7 C 27/79 -, NJW 1982, 840 ff, und vom 8.9.1993, wie vor, Rdnr. 10.

Fallbezogen ist aber selbst der in der gegenüber dem Kläger bestandskräftig gewordenen Einziehungsverfügung des Beklagten vom 17.4.1989 unmittelbar angesprochene Fahrzeugverkehr zum Zwecke der Ver- und Entsorgung nur zu bestimmten Zeiten zugelassen. Der vom Kläger erstrebten unbeschränkten Freigabe des Fahrzeugverkehrs für ihn als Eigentümer durch eine entsprechende Zusatzbeschilderung steht daher die straßenrechtliche Widmung der Fußgängerzone zwingend entgegen.

c. Zu Recht hat das Verwaltungsgericht auch den zweiten Hilfsantrag des Klägers abgelehnt, die Beklagte zu verpflichten, ihm eine zeitlich beschränkte Zufahrt zu seinem Grundstück A-Straße in A-Stadt zu ermöglichen.

Es bestehen bereits erhebliche Bedenken, ob die insoweit vom Kläger begehrte zeitlich eingeschränkte Anfahrmöglichkeit zu seinem Grundstück von der Widmung der A-Straße als Fußgängerzone noch gedeckt ist. In dem Stadtratsbeschluss vom 17.11.1988 und in der Teileinziehungsverfügung des Beklagten vom 17.4.1989 ist der Benutzungszweck des im Interesse der Angrenzer (Betriebe und Bewohner) zu bestimmten Zeiten zugelassenen Fahrzeugverkehrs dahingehend festgelegt worden, dass er „ zur Ver- und Entsorgung“ erfolgen muss.

siehe hierzu Sauthoff, Öffentliche Straßen, 2. Auflage, 2010, Rdnr. 61, wonach die Widmung auch im Hinblick auf den Benutzerzweck beschränkt werden kann.

Es liegt nahe, unter der Terminologie „Ver- und Entsorgung“ das zu verstehen, was der Beklagte mit dem oben näher bezeichneten Begriff „Lieferverkehr“ straßenverkehrsrechtlich umgesetzt hat. Dagegen dürfte es schwer zu begründen sein, dass auch die vom Kläger erstrebte private Zu- und Abfahrt zu und von seinem Grundstück der Ver- und Entsorgung des Grundstücks dient. Letztlich muss aber der straßenrechtlichen Zulässigkeit dieses Hilfsbegehrens nicht entscheidungserheblich nachgegangen werden.

Der Kläger kann nämlich aus dem ihm zustehenden Anliegerrecht keinen Anspruch auf Zulassung eines über den erlaubten Lieferverkehr hinausgehenden privaten Anliegerverkehrs herleiten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt der Anliegergebrauch in seinem Kern dem privatrechtlichen Eigentum zwar so nahe, dass er unter den Schutz des Art. 14 GG fällt. Der gegenüber dem schlichten Gemeingebrauch gesteigerte Anliegergebrauch reicht aber nur so weit, wie die angemessene Nutzung des Grundeigentums eine Benutzung der Straße erfordert. Angemessen ist nicht schon jede Nutzung, zu der das Grundeigentum Gelegenheit bietet, sondern ausschließlich das, was aus dem Grundstück und seiner sowohl nach der Rechtslage als auch den tatsächlichen Gegebenheiten prägenden Situation der Umgebung als anerkennenswertes Bedürfnis hervorgeht. Der eigentumsrechtliche Schutz des Anliegergebrauchs erstreckt sich daher nur auf den notwendigen Zugang des Grundstücks zur Straße und seine Zugänglichkeit von ihr. Gewährleistet wird nur die Verbindung mit dem öffentlichen Straßennetz überhaupt, nicht dagegen notwendig auch die Erreichbarkeit des eigenen Grundstücks mit Kraftfahrzeugen des Eigentümers oder gar jeder Anliegerverkehr. Das Recht auf Anliegergebrauch schützt regelmäßig nicht vor solchen Erschwernissen des Zugangs, die sich aus seiner besonderen örtlichen Lage ergeben, insbesondere – wie hier – in einer Fußgängerzone im innerstädtischen Ballungsraum

BVerwG, Urteile vom 8.9.1993, wie vor, Rdnr. 12 und vom 20.5.1987 – BVerwG 7 C 60.85 -, NJW 1988, 432.

Zwar gehört unter den heutigen Verhältnissen des Straßen- und Geschäftsverkehrs die ausreichende Möglichkeit, ein – zumal geschäftlich genutztes – Grundstück mit dem Kraftfahrzeug zu erreichen, grundsätzlich zu den Erfordernissen einer angemessenen Grundstücksnutzung. Daraus folgt aber nicht, dass auch ein Anliegerfahrverkehr aus privatem Anlass mit privaten Kraftfahrzeugen zum Kernbereich des Anliegergebrauchs gehört. Vielmehr bedeutet die Gewährleistung der Zugänglichkeit eines Grundstückes weder eine Bestandsgarantie hinsichtlich der Ausgestaltung und des Umfangs der Grundstücksverbindung mit der Straße noch die Gewährleistung von „Bequemlichkeit oder Leichtigkeit des Zu- und Abgangs“. Maßgeblich ist die das jeweils betroffene Grundstück prägende Situation seiner Umgebung, so dass der Anlieger einschränkende Maßnahmen hinnehmen muss, die aus dem Zweck und dem allgemeinen Gebrauch der Straße folgen, sofern sie nur als Verkehrsmittel erhalten bleibt

BVerwG, Urteile vom 8.9.1993, wie vor, Rdnr. 12 und vom 6.8.1982 – BVerwG 4 C 58.80 -, NJW 1983, 770.

Die uneingeschränkte Anfahrmöglichkeit zu einem Grundstück, in dem der Eigentümer auch wohnt, bis „unmittelbar vor die eigene Haustür“ gehört daher im städtischen Ballungsgebiet einer Fußgängerzone nicht zu dem durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Kernbereich des Anliegergebrauchs. Die Straßenverkehrsbehörde darf den Anliegerverkehr im Fußgängerbereich vielmehr aufgrund der Ermächtigung des § 45 StVO insoweit zulassen oder einschränken, als dies bei Berücksichtigung der straßenverkehrsrechtlichen Belange einerseits und der Interessen des Anliegers andererseits mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist BVerwG, Urteile vom 8.9.1993, wie vor, Rdnr. 13; OVG des Saarlandes, Beschluss vom 27.3.1996 – 9 W 6/96 -.

Nach diesem rechtlichen Maßstab steht dem Kläger ein Anspruch auf zeitlich beschränkte Zulassung eines über den erlaubten Lieferverkehr hinausgehenden Anliegerverkehrs nicht zu. Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, verfolgt die Einrichtung einer Fußgängerzone vorrangig den Zweck, den betreffenden innerstädtischen Bereich möglichst weitgehend von Kraftfahrzeugverkehr freizuhalten und den Fußgängerverkehr als Regelverkehr zuzulassen. Da in einer Fußgängerzone demnach in erster Linie die Sicherheit und Leichtigkeit des Fußgängerverkehrs zu gewährleisten ist, ist der Ausschluss des privaten Anliegerverkehrs eine zum Zwecke der Wahrung der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs, insbesondere seiner Leichtigkeit, geeignete und erforderliche Maßnahme. Durch die Einrichtung einer grundsätzlich Fußgängern vorbehaltenen Zone soll eine auf Dauer angelegte, verlässliche Ordnung des Gesamtverkehrs bewirkt werden, die die Fußgänger möglichst zu jeder Tages- und Nachtzeit – auch bei nur geringem Fußgängerverkehr – davor schützt, durch Kraftfahrzeuge überrascht, erschreckt oder gefährdet zu werden BVerwG, Urteil vom 8.9.1993, wie vor, Rdnr. 15.

Angesichts dieser gewichtigen Gründe der Verkehrssicherheit oder -ordnung trifft die Nichtzulassung des privaten Anliegerverkehrs den Kläger nicht unverhältnismäßig schwer oder unzumutbar hart. Das Gewicht des Interesses, das der Kläger als Anlieger des Fußgängerbereichs an der – wenn auch zeitlich eingeschränkten – generellen Zulassung des privaten Anliegerverkehrs haben kann, wird nämlich durch mehrere Umstände gemindert. Insoweit ist zunächst von Bedeutung, dass das Grundstück des Klägers nach der für den Fußgängerbereich geltenden Verkehrsregelung nicht von jedem Kraftfahrzeugverkehr abgeschnitten ist. Der zeitlich beschränkt zugelassene Lieferverkehr ist entgegen der Behauptung des Klägers in der Zulassungsbegründung nicht nur für die in der Fußgängerzone angesiedelten Betriebe bestimmt, sondern dient auch der Ver- und Entsorgung der Grundstücke der sonstigen Bewohner. Im Weiteren trägt der Kläger selbst vor, dass er, um zu dem auf seinem Grundstück gelegenen Kfz-Abstellplatz zu gelangen, die Fußgängerzone lediglich auf einem Teilstück von ca. 25 m überfahren muss. Dem entsprechen die Angaben im Widerspruchsbescheid, wonach das Grundstück des Klägers nur etwa 25 m von einer Straße entfernt liegt, die dem öffentlichen Straßenverkehr unbeschränkt zur Verfügung steht. Darüber hinaus ist im Widerspruchsbescheid unwidersprochen ausgeführt, dass Bahnhof und Busbahnhof etwa 200 m weit entfernt sind und zu einem größeren öffentlichen Parkplatz (E-Platz) etwa die gleiche Entfernung besteht. Damit sind die Fußwege, die bei einer generellen Nichtzulassung des privaten Anliegerverkehrs für den Kläger verbleiben, so kurz, dass sie, gemessen an dem öffentlichen Interesse an dem möglichst weitgehenden Ausschluss des Kraftfahrzeugverkehrs im Fußgängerbereich, keine unverhältnismäßige Belastung darstellen. Vielmehr sind die mit kürzeren Fußwegen verbundenen Lästigkeiten und Unannehmlichkeiten angesichts der Lage des klägerischen Grundstücks in einer innerstädtischen Fußgängerzone keineswegs unzumutbar BVerwG, Urteil vom 8.9.1993, wie vor, Rdnr. 18 in Bezug auf Entfernungen von 40 bzw. 80 Metern zwischen dem betreffenden Grundstück und Straßen, die dem öffentlichen Straßenverkehr unbeschränkt zur Verfügung stehen.

Schließlich weist das Verwaltungsgericht mit Recht darauf hin, dass die Nichtzulassung eines zeitlich beschränkten Anliegerverkehrs für den Kläger auch deshalb nicht mit einer unverhältnismäßigen Belastung verbunden ist, weil ihm als betroffenem Anwohner von dem Beklagten eine straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung zum Befahren der Fußgängerzone angeboten wird. Der Kläger hat daher sehr wohl die Möglichkeit, sein in der Fußgängerzone liegendes Grundstück aus privaten Zwecken mit dem Kraftfahrzeug anzufahren bzw. zu verlassen. Dass der Erhalt dieser Ausnahmegenehmigung mit der Zahlung einer Jahresgebühr von 80.- EUR verbunden ist, stellt auch nicht ansatzweise eine unzumutbare Belastung für den Kläger dar.

Dem kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, dass der Beklagte sich widersprüchlich verhalte, wenn er einerseits kostenpflichtige Ausnahmegenehmigungen erteile und andererseits aus Gründen der Verkehrssicherheit für Fußgänger keinen Anliegerverkehr in der Fußgängerzone zulasse. Zum Anliegerverkehr in Fußgängerzonen zählt zum einen der Fahrverkehr der Anlieger selbst, das sind die Eigentümer und Besitzer (vor allem Mieter, Pächter) von Grundstücken sowie die Inhaber von eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieben, die in der Fußgängerzone liegen siehe Sauthoff, wie vor, Rdnr. 346, und zum anderen der Fahrverkehr derer, die zu den Anliegern „Beziehungen irgendwelcher Art unterhalten oder anknüpfen wollen“ BVerwG, Urteil vom 15.11.1974 – IV C 12/72 -, NJW 1975, 1528, 1529, mithin die Besucher der Anlieger.

Nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Beklagten sind in der fraglichen Fußgängerzone nicht nur Einzelhandelsgeschäfte sondern auch Dienstleister tätig, die von ihren jeweiligen Kunden aufgesucht werden. Es liegt damit auf der Hand, dass die vom Kläger erstrebte Öffnung der Fußgängerzone für den privaten Anliegerverkehr zu einem erheblich größeren Aufkommen an Kraftfahrzeugen und damit zu einer höheren Gefährdung des Fußgängerverkehrs führen würde als es bei der – zumal von bestimmten Voraussetzungen (z.B. einem grundstückseigenen Abstellplatz) abhängigen – Erteilung von personen- und zudem fahrzeugbezogenen Ausnahmegenehmigungen der Fall ist, wie es in der Zeit vor 2002 praktiziert wurde und gemäß dem Schreiben des Beklagten vom 16.2.2009 künftig praktiziert werden soll. Gemessen an der Sicherheit des Fußgängerverkehrs ist es daher nicht zu beanstanden, dass eine Zulassung des privaten Anliegerverkehrs in der Fußgängerzone generell unterbleibt, der Beklagte es sich aber beim Vorliegen besonderer Umstände vorbehält, eine straßenverkehrsrechtliche Ausnahmegenehmigung zum Befahren der Fußgängerzone im Einzelfall nach Ermessen zu erteilen.

Im Weiteren kann sich der Kläger nicht mit Erfolg darauf berufen, dass der in Rede stehende Abschnitt der Fußgängerzone ein Randgebiet des städtischen Gebietes darstelle und daher nur ein äußerst geringer Fußgängerverkehr stattfinde. Der sich aus dem Ausschluss des privaten Anliegerverkehrs ergebenden Verkehrsbeschränkung kann die Erforderlichkeit nicht schon deswegen abgesprochen werden, weil nur ein ganz geringer Fußgängerverkehr bestehe und ein Störungseintritt daher weniger wahrscheinlich sei. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass eine Verkehrsregelung, die bestimmte Verkehrsströme lenken soll, nur bei einer gewissen Starrheit und dadurch erzielten Gewöhnung der Verkehrsteilnehmer ihre verkehrsordnende Wirkung erzielen kann BVerwG, Urteil 8.9.1993, wie vor, Rdnr. 15.

Schließlich dringt der Kläger auch nicht mit seinem Einwand durch, dass angesichts der in der Zeit zwischen 2002 und 2009 praktizierten Duldung des Anliegerverkehrs durch den Beklagten ein schutzwürdiges Vertrauen auf die Beibehaltung dieser verkehrsrechtlichen Handhabung entstanden sei. Nach den Darlegungen des Beklagten waren umfangreiche Straßenbaumaßnahmen im Bereich des Rondells und damit für die Anlieger verbundene Belastungen sowie die fehlende Erkennbarkeit der Fußgängerzone von der S-Straße her der Grund dafür, dass in dem betreffenden Zeitraum von dem Erfordernis einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung zum Befahren der Fußgängerzone abgesehen wurde. Soweit der Kläger dem entgegenhält, dass „schon seit mehreren Jahren keine Straßenbaumaßnahmen mehr durchgeführt“ würden, ist sein Vorbringen bereits zu unsubstantiiert, um eine bestehende Verwaltungspraxis zu begründen. Unabhängig davon ist zu beachten, dass verkehrsregelnde Anordnungen gemäß § 45 Abs. 1 StVO maßgeblich aus Gründen der Sicherheit oder Ordnung des Verkehrs erfolgen und die Straßenverkehrsbehörde selbst im Falle einer bestehenden rechtmäßigen Verwaltungspraxis berechtigt ist, diese aus willkürfreien Erwägungen aufzugeben und durch eine andere, ebenfalls rechtmäßige Verwaltungspraxis zu ersetzen OVG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.9.2005 – 8 A 2947/03 -, Juris, Rdnr. 30 m.w.N..

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den oben dargelegten Gründen, dass gegen den Ausschluss des privaten Anliegerverkehrs in der Fußgängerzone keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken bestehen, so dass selbst für den Fall, dass eine – im Sinne der klägerischen Darstellung – bestehende Verwaltungspraxis bestanden hätte, diese willkürfrei durch eine andere, rechtmäßige Verwaltungspraxis ersetzt worden wäre.

2. Die Berufung ist auch nicht wegen besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten weist eine Rechtssache dann auf, wenn sie voraussichtlich in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht größere, d. h. überdurchschnittliche, das normale Maß nicht unerheblich überschreitende Schwierigkeiten verursacht. Dabei genügt für die Darlegung besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Schwierigkeiten im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO nicht die allgemeine Behauptung einer überdurchschnittlichen Schwierigkeit. Vielmehr bedarf es einer konkreten Bezeichnung der Rechts- und Tatsachenfragen, in Bezug auf die sich solche Schwierigkeiten stellen, und des Aufzeigens, worin diese bestehen OVG des Saarlandes, Beschluss vom 30.4.2013 – 3 A 194/12 -.

Diesen Anforderungen genügt der Vortrag des Klägers, dass die Rechtssache bereits wegen des „erheblichen Begründungsaufwands und der Umfänglichkeit der einzelnen Begründungen“ des Verwaltungsgerichts besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten aufweise, schon in formaler Hinsicht nicht. Im Übrigen zeigen die vorstehenden Ausführungen zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, dass besondere rechtliche und tatsächliche Schwierigkeiten nicht vorliegen. Vielmehr lassen sich die vom Kläger der Sache nach angesprochenen Fragen ohne weiteres nach dem Gesetz und der hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung beantworten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 2, 47 Abs. 1 und 3 GKG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

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